Am nächsten Morgen wachte Skye auf und schmiegte sich an Fynn. Seine Arme hatten sich um sie gelegt und …. Warte, Fynn?! Skye wurde schlagartig wach und fing an mit ihrem Kissen auf ihn einzuprügeln.
„Was machst du in Sir Brandon?!“
„Wer ist Sir Brandon?“, fragte er verschlafen und nahm ihr das Kissen ab.
„Mein Bett!“
Seinem Gesichtsausdruck zu urteilen, überlegte Fynn wohl noch ob es peinlich oder lustig war, dass sie ihrem Bett einen Namen gab.
„Du hattest wohl Albträume … du hast vor dich hingemurmelt und gesabbert und als ich mich zu dir gelegt habe, warst du wieder ganz ruhig.“
„Ich habe nicht gesabbert!“
„Das zeigt dir dein Spiegelbild wohl nicht …“, erwiderte er trocken und stand auf. Darauf wusste Skye dann auch nichts mehr zu sagen.
Skye kam aus dem Bad und Fynn hatte ihnen Kaffee gemacht.
„Danke“, sagte sie und setzte sich zu ihm. „Auch wegen heute Nacht.“
„Du bedankst dich jetzt schon? Dabei weißt du gar nicht, was ich nachts noch alles machen kann.“
Da war es dann auch schon wieder vorbei mit der Dankbarkeit.
Um 11 Uhr hatte Skye ein Meeting mit EXO und Youngjun, bei dem sie wohl offiziell als Assistentin vorgestellt wurde. Nicht dass sie nicht noch ein paar Sachen im Vertrag gefunden hatte, die sie gerne geändert hätte, aber diese Kleinigkeiten konnte sie mit Youngjun besprechen. Und sie wollte das Konzept für das Fotobuch vorstellen – wenn es ihnen überhaupt gefiel.
Skye war verwundert, als sie Mia bei SME sah. Gerne wäre sie der letzten Nacht noch etwas aus dem Weg gegangen.
„Seid ihr gut nach Hause gekommen?“, erkundigte sich Mia.
„Ja, Fynn …“ Sie hatte schneller gesprochen als gedacht. Sie würde Mia nicht erzählen, dass es bei ihr geschlafen hatte. Unfreiwillig.
„Ist süß“, beendete Mia den Satz und grinste. Nein, so hatte Skye das nicht gemeint und sie zog die Augenbrauen zusammen. Sie dachte einen Moment darüber nach. Er sah nicht schlecht aus, ja, aber sie wusste nicht ob ‚süß‘ die richtige Bezeichnung war.
„Was machst du hier?“, fragte Skye.
„Ich wollte nur schauen ob bei dir alles okay ist… wegen diesem Gerücht…“
„Gerücht? Was für ein Gerücht?“ Skye hatte heute noch nicht ihr Handy gecheckt und holte es sogleich aus der Tasche.
„Nein!“ Mia versuchte ihr das Smartphone wegzunehmen, doch Skye war schneller und rannte zum Kopierraum und schloss die Tür ab. Mia war niemand der an Türen hämmerte, die mit Absicht verschlossen worden waren. Sie verstand den Sinn darin nicht. Als würde deswegen jemand aufmachen.
„What?!“, hörte die Deutsche nach ein paar Momenten und Skye schloss die Tür auf.
„He what?“, fragte Skye noch mal. Überall im Internet kursierten Bilder von Jiyong mit einer Frau mit der er heute Morgen die Karaokebar verlassen hatte und die Frau war weder Skye noch Mia.
„Do you know who she is?“
„No, she’s none of the … sowhat inner circle. I haven’t spoke to him yet, it’s probably nothing.“ Mia versuchte sich zuversichtlich anzuhören, dabei wusste sie nicht was passiert war und so wie sie ihren Freund Jiyong kannte, konnte es mehr als ‚nichts‘ sein. Er war trotzig und zeigte anderen gerne ihre Position oder seine, je nach Blickwinkel. Es bestand eine gute Möglichkeit, dass er gestern eine Frau aufgerissen hatte. Sie wollte ihn aber auch nicht schlecht machen, wenn nichts an dem Gerücht dran war. Skye schaute auf die Uhr und nahm Mia dann bei der Hand und zog sie zum Fahrstuhl.
Auf dem Dachgarten angekommen steckte sich Skye eine Zigarette an.
„You’re smoking?“
„To special occasions – everybody’s got a bad habit.“
„Oh, I thought drinking was yours“, erwiderte Mia ohne es böse zu meinen, erntete aber einen fassungslosen Blick von Skye.
„No offense…“
„None taking“, erwiderte Skye schulterzuckend.
Sie hatte ihr erstes Meeting mit EXO. Sie war offiziell Kais Freundin. Sie musste runterkommen. Was sie so maßlos ärgerte war, dass man nie von ihnen ein Bild geschossen hatte und dann ging er einmal mit einer anderen vor die Tür und schon gab es davon Bilder. Vielleicht wollte er ihr aber auch nur einen Denkzettel geben und zeigen wie einfach es war erwischt zu werden und wie bemüht er bisher gewesen ist ihre Beziehung geheim zu halten. Vielleicht war sie doch zu hart gewesen und wie hatte sie ihm den Sex vorwerfen können? Blöde Kuh. Die Reue überwog jedoch noch nicht, dass sie auf die Idee kam ihn anzurufen. Er wusste ganz genau, dass diese Bilder die Runde machten und wenn er etwas zu sagen hatte, würde er sich melden. Oder auch nicht. Sie mochte Jiyong, aber bei weitem noch nicht genug, um dass sie ihr eigenes Glück von ihm abhängig machen würde. Sie war alleine, sie hatte keine Familie und auch wenn sie offen und freundlich mit den meisten Menschen war und einen großen Bekanntenkreis hatte, so gab es kaum jemanden, auf den sie nicht verzichten konnte, wenn es denn sein musste. Skye war stolz und stur und man hatte ihr jeden Menschen genommen, den sie je geliebt hatte. Sie stolperte nicht und machte nur Kompromisse, wenn sie einen Sinn darin sah. Böse Zungen behaupteten sie wäre kalt, doch war es kalt, wenn man sich selbst schützen wollte? Sein Herz? Diese Frauen, die Männern hinterher weinten, die offensichtlich kein Interesse an ihnen hatten, machten sie krank. Sie glaubte nicht an Liebe und an Liebe auf den ersten Blick schon mal gar nicht. Liebe wurde uns durch Hormone im Gehirn vorgemacht, bis man eine Routine hatte, aus der man aus Bequemlichkeit nicht mehr ausbrechen wollte. Vielleicht gab es Menschen, die für einander bestimmt waren. Wie Mia und Donghae. Doch Skye war nicht Mia und Jiyong nicht Donghae. Sie glaubte an Begierde und an Anziehung. Wissenschaftlicher hatten herausgefunden, dass ein Mensch innerhalb von 3 Sekunden beim Kennenlernen entschied, ob er den gegenüber attraktiv fand oder nicht. Leute die erst nach Jahren zusammen kamen, hatten immer mehr füreinander empfunden, hatten der Leidenschaft nur nicht aus rationalen Gründen nachgegeben.
Skye hatte so einen Freund. Mike. Er war toll. Er sah gut aus, er konnte Skyes Sätze beenden und wenn er zu ihr sagte, dass sie die Klappe halten sollte, dann hielt sie diese auch tatsächlich. Das passierte nicht oft. Doch er war jemand, der verliebt sein konnte, aber lieben hatte er nie gelernt. Er hatte jahrelang Freundinnen und betrog sie nebenbei. Es war nur Sex, sagte er immer, doch Skye war der Meinung, dass wenn man auf den richtigen Menschen traf, dieser reichte um Geist und Körper zu befriedigen. Ihre Geschichte mit Mike reichte viele Jahre zurück. Mal waren sie Freunde, mal mehr und oft zog sie sich zurück, weil sie wusste sie konnte ihn nicht halten und bevor es anfing weh zu tun, hatte sie jedes Mal die Kurve bekommen. Vor zwei Jahren hatte er geheiratet. Eine Frau, die er gerade mal ein halbes Jahr kannte. Skye hoffte, dass sie die Eine für ihn war, doch eigentlich kannte sie ihn zu lange, um daran zu glauben.
Sie machte die Zigarette aus und ging zur Tür.
„Alles okay?“, fragte sie Mia.
„Ja, Show must go on.“
Als sie mit dem Fahrstuhl wieder runterfuhren, standen Kai, Sehun und Chen im Flur.
„Da ist mein Babe“, kam es von Kai. Sicherlich hatte er auch die Bilder gesehen, doch auch er wusste, dass dies nicht der Ort war um frei zu reden. Skye gab ihm einen Kuss auf die Wange und er legte den Arm um sie.
„Hey Skye, wie geht es deinem Auge?“, fragte Baekhyun im Vorbeigehen.
„Gut, wie geht es deiner Schulter?“, fragte sie zurück.
„Auch gut.“
„Schade.“
Mia kam mit in den Konferenzraum, eher aus Neugierde, als aus Sorge.
Skye nahm zwischen Kai und Chen Platz. Chen lächelte sie freudig an. Sie mochte ihn, irgendwie.
„Guten Morgen zusammen. Wir haben heute ein paar Sachen zu besprechen. Zum einen freue ich mich euch mitteilen zu können, dass Skye bis Ende Mai vorerst eure Assistentin sein wird.“ Youngjun fing an zu klatschen und die Sänger klatschten mit. Höflich waren sie immerhin.
„Ihr wisst, dass meine Frau in neun Tagen entbindet und daher ziehe ich mich etwas zurück. Skye wird euer Ansprechpartner sein und ich hoffe, dass ich keine Klagen von ihr höre.“
Baekhyun machte einen Ansatz etwas zu sagen, doch Suho legte seine Hand auf seine Schulter und zog ihn zurück in den Stuhl.
„Skye, ich habe schon mit Mia gesprochen, dass es okay ist, wenn du den Umzug am Donnerstag organisierst. Wir haben ein Unternehmen, es wird also nicht sehr stressig, hoffentlich“, und dabei schaute der Manager zu Baekhyun.
„Ansonsten schicke ich dir den Terminplan. Durch die Tour geht es im Moment, da keine Band-Promotions anstehen“, erklärte er weiter.
Als nächstes stellte Skye ihren Vorschlag für das Fotobuch vor. Sie wusste nicht, ob sie Youngjun überzeugt hatte, aber die Sänger waren auf jeden Fall begeistert und Mia zwinkerte ihr zu. Nach dem Meeting waren die jungen Männer immer noch ganz aufgedreht. Youngjun hatte gesagt er würde das besprechen und Skye Bescheid geben, wenn sie die weitere Planung vorbereiten konnte.
„Hab ihr das Wasser gesehen?“, fragte Sehun und klickte sich zum fünften Mal durch die Präsentation.
„Ich will auch so Milchstraßenbilder machen“, kam es von Chen.
„Das ist eine super Idee, wir stellen euch abends an den Strand mit Taschenlampen, ihr dürft euch dann nicht bewegen und die Taschenlampen strahlen in den Himmel. Ihr seid dann nur als Silhouette zu erkennen, aber ich stell mir das super vor.“
Die Sänger schauten sie an, unsicher ob Skye sie veräppeln wollte oder nicht, aber Skye fing nicht an zu lachen.
„Schaut, ich habe auch mal so ein Bild gemacht“, sagte sie und suchte ein Bild heraus, auf dem sie sich mit einer Taschenlampe in das Bild gestellt hatte. App-Steuerung bei Kameras war eine tolle Sache. Der Strahl der Lampe war deutlich zu sehen und im Hintergrund leuchtete die Milchstraße.
„Woah!“
„Wie cool!“
„Irre!“
„Das machen wir auch! Es sieht aus, als würden wir mit unserem Heimatplaneten kommunizieren wollen“, sagte Suho so dahin, doch die Amerikanerin wurde an ihren Traum erinnert und schaute ihn skeptisch an. Vielleicht war doch etwas an der Geschichte dran?
„Und die ganzen Bilder hast du geschossen?“, riss Chanyeol sie aus den Gedanken.
„Ja, ich mag es zu fotografieren und etwas so festzuhalten, wie ich es empfunden habe.“
„Also, nur das ich mitkomme. Du siehst aus wie ein Model, bist praktisch Meerjungfrau, fotografierst wie ein Profi, sprichst gefühlte 26 Sprachen und willst unsere Assistentin sein?“ Chen schien verwirrt, doch er brachte Skye zum Lachen.
„Und nicht zu vergessen, dass sie singen kann“, petzte Kai. Wobei, nach gestern Abend was das Thema nun wohl auch durch.
„Es gibt Dinge, die machen als Hobby Spaß, aber nicht als Beruf. Ich liebe es zu fotografieren, stundenlang irgendwo zu sitzen und auf den richtigen Moment zu warten, aber wenn du davon leben musst gibt es nur zwei Wege. Der eine Weg ist, dass du gut genug bist, dass du dir aussuchen kannst was du fotografierst. Dann stehst du aber immer unter Leistungsdruck besser zu sein als irgendwelche Hobbyfotografen, die ihre Bilder für Peanuts anbieten. Oder du arbeitest auf Auftragsbasis, selbstständig oder für eine Agentur und dann fotografierst du das, wofür du bezahlt wirst und nicht das, was du fotografieren willst – was dich auch nicht befriedigt. Deswegen mache ich manche Sachen lieber als Hobby, ohne Druck und so wie ich es möchte.“
Die Kerle schienen beeindruckt von ihrem Vortrag zu sein und nickten zustimmend.
„Also, nur damit ich mitkomme“, begann Chen wieder. „Du bist nicht nur hübsch, sondern auch schlau.“ Damit wand er seinen Blick zu Kai. „Wie genau hast du dich eigentlich in ihn verliebt?“ Und damit waren die semi-ernsten Gesprächsthemen dann auch vorbei.
Nachdem sich das Meeting aufgelöst hatte, gingen Skye und Kai frühstücken, bevor sie zurück in die Akademie musste. Hand in Hand liefen sie zu dem Café an der Ecke. Heute war es wieder bitterkalt und Skye fühlte sich wie ein Eskimo.
„Hast du schon mit ihm gesprochen?“
Skye wusste wen er meinte.
„Nein.“
„Aber warst du nicht mit gewesen?“
„Ja, aber dann haben wir uns gestritten und ich war vielleicht gemeiner, als es nötig war und bin dann nach Hause gefahren.“
„Es wird bestimmt nichts sein“, erwiderte er nach ein paar Momenten. Sicherlich hatte sich Jiyong etwas dabei gedacht, denn Kai fiel kein Grund ein, wieso man jemanden wie Skye sonst wehtun würde.
Sie teilten sich ein Honeybread und hatten sich in eine Ecke verzogen.
„Übrigens, Ed Sheerans Lieblingseis ist Schokolade – mit Nüssen oder Crunchy“, berichtete Skye, die tatsächlich Zeit gehabt hatte das zu googlen.
„Siehst du, unser Cookie Dough wird weltberühmt.“
Morgen Nachmittag sollten sie die Aufnahme machen. Zum Glück war es nicht live, so dass man später noch Sachen rausschneiden konnte. Skye war etwas nervös. Zum einen, weil sie es nicht gewöhnt war vor Kameras zu stehen und zum anderen, weil ‚Nettigkeit‘ nicht unbedingt ihre stärkste Charaktereigenschaft war, doch Morgen würde sie nicht um Aegyo drum herum kommen.
Kai brachte sie noch zur Akademie und Skye wollte sich zuerst den Terminplan von EXO anschauen, allerdings saß schon Seunghyun in ihrem Büro. Skye schloss seufzend die Tür. Dieser Tag stellte sich als deutlich anstrengender heraus, als ursprünglich kalkuliert.
„Hast du mit ihm gesprochen?“, fragte sie ihn.
„Nein.“
„Was ist da heute Nacht passiert?“
„Als du gegangen bist, fing er an zu trinken -“
„Komm mir jetzt bloß nicht mit irgendwelchen Alkohol-Geschichten. Ich war auch betrunken und hab niemanden mit nach Haus genommen und bin mit ihm ins Bett gesprungen.“
Also irgendwie ja doch, aber nicht im klassischen Sinne und auch nicht wirklich mit ihrem Willen, aber das tat jetzt nichts zur Sache.
„Wir wissen nicht was passiert ist. Ich kann dir nur sagen, dass er angefangen hat Flaschen zu bestellen und plötzlich war er weg.“
In der Tat, sie wussten nicht was passiert war. Ob er sich nur rächen wollte oder ob er die Frau tatsächlich mitgenommen hatte, um wer weiß was zu tun.
„Es reicht schon, dass er sich nicht meldet, dass er noch nicht einmal das Gefühl hat sich melden zu müssen.“
Seunghyun kannte Jiyong bedeutend länger, als Skye das von sich behaupten konnte und er wusste, dass es nicht immer einfach war mit ihm umzugehen.
„Er wird sich schon melden, lass ihm einfach Zeit.“
„Ich lass ihm alle Zeit der Welt, ich habe nicht versucht ihn anzurufen. So weit kommt es noch.“
Es fiel dem Rapper schwer nicht zu grinsen, denn Skye und Jiyong waren sich in vielen Dingen ähnlich. Zum Beispiel in ihrem Trotzverhalten.
„Also geht es dir gut?“
„Fantastisch“, antwortete Skye, ohne dass sie ein ‚Ironie‘-Schild brauchte.
Zu allem Übel lief ihr dann auch noch Krystal und Luna über den Weg. Krystal war das Übel, Luna nicht so sehr.
„Armes Ding“, sagte Krystal, als Skye an ihr vorbei ging.
„Mich hat er nie geschlagen.“ Sie spielte auf Skyes blaues Auge an.
„Noch mehr Schaden hätte dein Gesicht auch nicht vertragen, Mul Gwishin.“
Krystal sah aus, als würde sie Skye gleich anspringen. Gwishin sind Geister und Korea hat viele Horrorgeschichten über sie. Mul Gwishins sind die Wassergeister, die Ertrunkenen, oft dargestellt als Mädchen, dass sehr an das aus ‚The Ring‘ erinnerte, mit nassen Klamotten und Haaren, schlaksig. Kein Kompliment. Aber ernsthaft, Skye fand Krystal nicht wirklich hübsch. Koreaner legten sich ständig unter’s Messer, wieso unternahm die Sängerin nichts gegen diese Nase? Skye fand Jessica bedeutend hübscher.
Bevor Krystal wirklich auf die Idee kam Skye anzugreifen, zog Luna sie am Arm weg.
„Du hast angefangen, lass es gut sein.“
Krystal schaute verdattert zu ihrer Bandkollegin.
„Hab einen schönen Taaaaaaag! Und hey, wenn du was gegen diese Nasen unternehmen willst – ich kenne einen tollen Chirurgen!“, rief Skye den beiden fröhlich nach, wobei sich Luna hier das Kommentar ‚Nicht hilfreich!‘ verkniff.
Schließlich landete Skye dann doch wieder im BTS Training, um sich vor der Welt zu verstecken und um in dem Chaos, dass Youngjun ihr geschickt hatte, irgendein Konzept zu finden. In der Pause beglückwünschten die Sänger zu Skyes neuem Job.
„Und, hast du auf mich gehört?“, fragte sie Taehyung.
„Jup, Youngjun hasst mich wahrscheinlich.“
„Gut so, das heißt du bist noch im Rahmen und er mag es nur nicht zuzugeben, dass du dich gut verkauft hast.“ Lob tat Skye heute gut.
„Hey, wer ist eigentlich dein Liebling von uns?“, wollte Jimin wissen und setzte sich vor sie in den Schneidersitz.
„Gesanglich? Taehyung-shi und Suga Oppa.“
„Was?!“, beschwerten sich direkt mehrere.
„Taehyung hat eine tiefe, rauchige Stimme. Das mag ich. Und Suga nuschelt ein wenig, dass finde ich süß.“
Das brachte die Band zum Lachen, außer Suga, der schmollte.
„Nuscheln … was ist mit diesen Ausländern, die solche Begriffe kennen? Wir sind vor nichts mehr sicher!“
„Was ist dein Lieblingslied?“, fragte Jimin weiter.
„You never walk alone.“
„Das war ein Album“, wand Namjoon ein.
„Auch ein Lied“, erwiderte Skye.
„Das ist noch nicht mal ein richtiges Lied“, beschwerte sich Jungkook und dann tat Skye etwas, was die Männer nicht recht einordnen konnten: Sie fing an ihre Schuhe auszuziehen. Dann ihre Socken. Sie fanden es zwar komisch, waren aber trotzdem neugierig. Auf Skyes linkem Fuß, auf der Außenseite, das Mandala war innen, stand ‚너와 나 함께라면‘ und auf am Rechten auf der Außenseite war ‚웃을 수 있으니까‘ eintätowiert. Neowa na hamkkeramyeon und Useul si isseunikka. If you and I can be together und I can laugh. Es war so klein und dezent, dass es neben ihren ganzen großen Tattoos nicht auffiel. Noch nicht einmal Jiyong hatte sie darauf angesprochen.
„Ich habe das Lied das erste Mal gehört, nachdem meine Tante gestorben war. Das Album war noch nicht lange draußen, aber bei all den Beerdigungen hat man nicht viel Zeit, um Musik zu hören. Mama, Papa, mein Onkel, meine Tante – selbst meine Katze. Alle waren tot. Innerhalb von einem Jahr. Ich glaube ich habe es drei Tage am Stück gehört. Ich habe weint und geschrien und habe mir gewünscht, dass mein Leid endlich ein Ende hat. Ich bin gekrochen, bis ich wieder gehen konnte und dann bin ich gerannt und nun versuche ich zu fliegen. Ich glaube ohne euch, ohne dieses Lied, hätte ich es nicht geschafft und wenn es ein Lied gibt, in dessen Takt mein Herz schlägt, dann ist es dieses. Ihr habt mein Leben gerettet.“
J-Hope und Jimin blinzelten verräterische Tränen weg. Sie waren alle schwer berührt von der Geschichte, da auch niemand damit gerechnet hatte. Gerne hätten sie das Lied für Skye gesungen, doch sie waren alle viel zu betroffen.
„Toll, jetzt bin ich traurig. Kommt, wir gehen etwas essen“, kam es von Suga. Alle rappelten sich auf und als sie den Raum verließen, legte Taehyung den Arm um Skyes Schulter.
„Jetzt weiß ich wieso du die ganze Zeit hier rumhängst. Du bist ein Fan.“
Skye wollte protestieren, sie fand sie hatte ihr Fangirl sehr gut unter Kontrolle – oder wahrscheinlich realisierte sie das alles nur noch nicht. Doch bevor sie etwas sagen konnte hob er die Hand und grinste.
„Nein, schon gut, du musst dich nicht verteidigen. Ich finde es süß.“
„Was immer dich nachts besser schlafen lässt.“ Den Satz hatte sie von Youngjun gelernt.
Es war gegen 18 Uhr, da versuchte Jiyong sie das erste Mal anzurufen. Da er aber den ganzen Tag das Telefon ignoriert hatte, konnte Skye das jetzt auch. Drei Mal rief er an und drei Mal ignorierte sie ihn. Schließlich klappte sie den Laptop zu, ihr rauchte der Kopf. Auf dem Weg zum Auto, das vor der Akademie stand, kam ihr Jiyong selbst im Wagen entgegen. Kurzentschlossen ging sie weiter. Jiyong stoppte und folgte ihr. Es hatte angefangen zu regnen, doch Skye war das egal.
„Skye! Bleib doch stehen!“ Er hatte das Fenster runter gemacht und fuhr neben ihr her. Pah! Das würde noch ein Duell der Trotzigen werden! Skye bog in die nächste Straße rechts ab, ebenso Jiyong.
„Lass uns doch reden. Steig ein und wir fahren irgendwo hin. Es regnet!“
Skye ging entschlossen weiter und er fuhr neben ihr hier. Am Ende der Straße war ein Durchgang zum Hangang Park – da passten Autos nicht durch und Skye nutzte das. Das Problem war nur, dass es weit und breit nichts gab, wo sie sich unterstellen konnte. Dazu kam, dass sie ihre Winterjacke in der Akademie vergessen hatte und hatte nur einen dicken Cardigan an. Der schützte sie aber auch nicht sonderlich vom Regen. Es war eiskalt und es dauerte nicht lange, bis Skye bis auf die Knochen durchnässt war. Den nächsten Tunnel raus aus dem Park nahm sie und stellte sich beim ersten Wohnhaus schlotternd unter. Sie hatte eigentlich schon damit gerechnet, dass sie Jiyong abgehängt hatte. Zu früh gefreut, nach ein paar Minuten fuhr er vor. Es gab nicht viele Ausgänge aus dem Hangang Park, es war also recht leicht gewesen ihr zu folgen.
„Steigst du jetzt in das Auto? Oder muss ich rauskommen und dich holen?“
Skye funkelte ihn einen Moment böse an, stieg dann aber tatsächlich ein.
Im I-Tasia angekommen war sie immer noch nass.
„Soll ich dir einen Pulli holen?“, fragte er sie. Sie hatten inzwischen Merchandise für das I-Tasia und hatten auch Pullis, aber Skye wollte nicht.
Dafür bestellte sie sich einen Hurricane, Alkohol machte auch warm. Jiyong saß ihr gegenüber und seufzte.
„Du wolltest reden“, kommentierte sie sein Schweigen.
„Ja, das wollte ich.“
„Also was ist passiert?“
„Findest du nicht du reagierst etwas über? Schließlich knutschst du mit Kai in der Öffentlichkeit, auf den Bildern sieht man nur wie ich meinen Arm um sie lege.“ Nun stutzte Skye.
„Ist das deine Art von Entschuldigung?“ Sie wollte nur mitkommen.
„Nein, das ist keine Entschuldigung.“
„Also hast du nichts, wofür du dich entschuldigen solltest?“
„Du erwartest eine Entschuldigung ohne zu wissen, ob es etwas gibt, für das ich mich entschuldigen muss?“
Skye dachte über seine Frage nach.
„Ja.“
„Wie oft hast du dich dafür entschuldigt, dass du mit Kai rum machst.“
„Also ‚rum machen‘ ist wohl etwas übertrieben, zumal wir das vorher besprochen hatten.“
„Na ja, dann scheint es mir nur fair, wenn ich auch eine … Presse-Freundin habe, meinst du nicht?“
Sie wusste auf was er hinaus wollte. Es war Jiyongs Rache an etwas, das er selbst hätte verhindern können.
„An eye for an eye makes the whole world blind.“ Auch etwas, was Gandhi gesagt hatte.
„Na ja, dann sehe es doch so. Du hast dich beschwert, dass es bei uns nur um Sex geht. Wenn ich mich jemand anderen Sex hätte, könnten wir mehr von solchen tiefgründigen Konversationen führen.“
Okay. Kurzschluss. Skye konnte sich später nicht mehr erinnern, wie der Hurricane von ihrem Glas in Jiyongs Gesicht gelandet war, aber es gab einige Zeugen, die das wohl aufklären könnten.
Die Amerikanerin stand auf.
„Seeming is being. Treating me like a fool makes me one and I am no ones fool.“ Und das waren ihre Abschlussworte, bevor sie den Club verließ und sich ein Taxi suchte. Diesmal kam er ihr nicht hinterher.
Vor dem Loft fand man eine ganz andere Szene vor. Kai war zum Loft gefahren, um nach Skye zu sehen, doch es war reagierte keiner auf sein Klingeln und an ihr Handy ging sie auch nicht. Also rief er Jimin an, da er wusste, dass Skye sich öfters im BTS Training versteckte. Was sie wohl machen würde, wenn der Wasserschaden mal repariert war? Jimin sagte ihm aber auch nur, dass sie nicht mehr da war. Kai ging davon aus, dass sie auf dem Heimweg war und vielleicht deswegen nicht telefonieren konnte, also blieb er unter dem Vordach stehen.
Kurz darauf kam Fynn über den Hof gelaufen und klingelte ebenfalls bei Skye. Auch hier blieb das Klingeln unbeantwortet und auch Fynn beschloss etwas zu warten. Kai schaute zu dem Mann.
„Du willst auch zu Skye?“
„Ja.“
„Ich auch“, erwiderte der Sänger. Fynn schaute ihn von der Seite an.
„Wer bist du?“
„Also ich bin ihr Freund, die Frage ist wohl eher: Wer bist du?“
„Ich bin …“ Fynn stockte. Kumpel war zu weit gegriffen, oder nicht? Schließlich kannte er sie ja kaum.
„Ich habe etwas für sie“, sagte er schließlich, was Kai auch nicht schlauer machte.
Nur wenige Minuten später fuhr ein Taxi vor und Skye stieg aus. Die Assistentin schaute nicht schlecht, als sie die beiden Kerle dastehen sah.
„Fynn, was machst du hier?“ Kai konnte sie sich ja noch erklären, aber Fynn?
„Wieso bist du so nass? Warte … ich will es nicht wissen. Hier, Noah schickt dir Wein.“ Er reichte ihr eine Geschenktüte.
„Na wenigstens einer, der weiß, was ich brauche“, meinte Skye und nahm die Tüte entgegen.
„Sag mal, wer war das?“, fragte Kai auf dem Weg in ihre Wohnung.
„Das ist eine lange Geschichte.“
Eine lange Geschichte war auch ihr Zusammentreffen mit Jiyong. Skye lag in der Badewanne und Kai saß neben der offenen Tür. Sie hatten eine der beiden Weinflaschen auf gemacht, die Fynn ihr gebracht hatte und Kai war sichtlich amüsiert.
„Du hast ihm nicht den Cocktail ins Gesicht geschüttet?!“
„Das war Reflex!“ Kai konnte nicht mehr, er lachte, bis ihm der Bauch weh tat.
„Aber jetzt mal ernsthaft, denkst du er hat das so gemeint?“
„Keine Ahnung, aber wenn er denkt er muss solche Aussagen treffen, dann muss er auch mit den Konsequenzen leben.“
Langsam wurde Skye wieder warm, auch wenn es ihr stank, dass sie in der Badewanne lag, die Jiyong hat einbauen lassen, in einem Bad, dass er entworfen hat. Am liebsten wäre sie mit dem Vorschlaghammer eingelaufen, aber ihr war einfach zu kalt gewesen.
„Vielleicht hatte er gedacht, er käme damit zurecht und hat dann festgestellt, dass er es nicht kann“, schlug Kai vor.
„Aber auch dann hat er mit mir zu reden, anstatt sich wie ein Vollidiot aufzuführen.“ Skye leerte ihr Weinglas.
„Vielleicht war es auch zu früh. Wir haben uns in diese Beziehung gestürzt, ohne uns wirklich zu kennen. Vielleicht waren wir noch nicht bereit uns so einer Herausforderung zu stellen.“
„Tut mir leid.“
„Das braucht es nicht. Ich kann Mia verstehen, wieso sie mich vorgeschlagen hat und es ist okay, es ist schön dich fröhlich zu sehen und ich habe mich an dich in den letzten Wochen gewöhnt. Ich denke wir sind ein gutes Team.“
„Ja, das sind wir“, pflichtete er bei.
Skye wusste, dass sie nicht einfach eine x-beliebige Frau hätten nehmen können. Es musste schon jemand sein, der in der Szene steckte, für den mehr auf dem Spiel stand als sein Gewissen. Wenn sie hier Mist baute, würde das auch ihre Karriere beenden. Niemand würde ihr mehr vertrauen. Sie wusste nicht, wie lang sie in Korea bleiben würde. Sie war ein Freigeist und wenn es ihr Morgen nicht mehr gefallen würde, dann wäre sie auch weg, doch im Moment fühlte sich Skye, trotz dem Stress mit Jiyong, sehr wohl. Es war wie eine Therapie, denn sie war es nicht gewohnt Leute so nah an sich ran zu lassen. Sie hatte viele Bekannte auf der ganzen Welt, sie reiste viel und war offen. Skye hatte keine Probleme Leute kennen zu lernen, sie feierte gerne und war auch kein Kind von Traurigkeit, was Männer betraf, doch sie ließ kaum jemanden wirklich an sich heran. Hier in Seoul, in dieser Szene, traf sie im Prinzip auf Leute, die waren wie sie. Sie waren Neuen gegenüber skeptisch und achteten auf das, was sie von sich Preis gaben und doch ließen sie auch Skye in ihr Leben.
„Hey Skye“, rief Kai aus der Küche. „Hat dir schon mal jemand den Sinn eines Kühlschranks erklärt?“
In Hoffnung etwas Essbares zu finden, hatte er die wahnwitzige Idee gehabt dort nachzuschauen. Dabei hatte er zwei Milch gefunden, etwas Joghurt, doch dann stand da noch Nagellack in den Eierhaltern und im Seitenfach war Eyeliner und Gesichtscreme. Der Gefrierschrank war nicht besser, hier gab es nur Cookie Dough Eis und Ouzo.
„Ja, deswegen sind da diese Sachen drin“, rief Skye aus dem Bad. Manche Kosmetikprodukte hielten sich im Kühlschrank besser. Und überhaupt, wann hatte sie eigentlich Zeit zum Einkaufen?