Heute war M-Day. Möbel Tag. Übermorgen sollten EXO einziehen. Die Möbel ließen sie im alten Dorm, bereit an die nächste Genration weiter gegeben zu werden. Sie hatten sich ihre Möbel selbst bestellt, damit sie freie Wahl hatten und SME ihnen die Sachen nicht wegnehmen konnte. Skye hatte eine Liste aller Bestellungen bekommen und wem welche Möbel waren. Teilweise hatte sie die Möbel in die Skizze vom Grundriss eingezeichnet, damit sie wusste wo was aufgebaut werden sollte und vor allem wer welches Zimmer hatte.
Es war das erste Mal, dass sie das EXO Dorm betrat. Bei Super Junior lagen die Schlafzimmer rechts, im EXO Loft lagen die Schlafzimmer schon praktisch über dem Flur. Wenn man das Dorm betrat war die Decke noch normal, hier waren die Garderobe, ein Badezimmer und ein Stauraum. Darüber waren die Schlafzimmer. Dann wurde der Raum hoch, bis zur Decke waren es jetzt knapp sechs Meter und auch hier war die Front der Stirnseite komplett verglast. Auf jeder Seite der Fensterfront lag ein Schlafzimmer. Oben drüber war ein Geländer, das in U-Form um das Dorm ging und nur die Front frei ließ. Gegenüber der Front, mit Blick in den Hof, lagen fünf Schlafzimmer. Zwei weitere jeweils eins über den Schlafzimmern im Erdgeschoss, mit Blick nach vorne und zwischen den Hinterhofzimmern und den Frontzimmern gab es auf jeder Seite ein Badezimmer. Es war riesig. Das Wohn-Esszimmer wirkte fast wie eine Arena, auch wenn die einzelnen Schlafzimmer nur ungefähr 15qm hatten, so summierte es sich im Ganzen doch ganz schön. Gegenüber der Eingangstür lag eine Kochinsel mit Sitzplätzen. Somit sparte man sich einen Esstisch und die Insel war groß genug, dass alle drum herumsitzen konnten. Es gab auch ausziehbare Elemente, die dann zu weiteren Sitzplätzen wurden. Auch ein Kühlschrank war eingebaut, allerdings war der nicht besonders groß. Skye ging auf die Suche und fand heraus, dass der Stauraum, links vom Eingang, unterteilt war in Speiseraum und wahrscheinlich ein Schuh, oder Kleiderschrank. Im Speiseraum waren eine Waschmaschine, Trockner und auch ein großer Kühlschrank und eine Gefriertruhe. Bei 9 Leuten hatte man exponentiell mehr Essen unterzubekommen.
Skye ging wieder raus und erschreckte sich, als plötzlich Heechul vor ihr stand.
„Was tust du hier?“, fragte sie ihn.
„Was tust du hier? Da steht ein LKW im Hof“, sagte er und Skye ging raus in den Flur. Yay. Möbel.
„Komm, helfe mir mal.“
„Helfen? Sehe ich aus wie die Assistentin von EXO?“, fragte der Sänger und lief zurück in Richtung Loft.
„Danke…“ Von wegen sie wäre kein Morgenmensch. Gegen Heechul war sie das blühende Leben.
Den ganzen Vormittag war sie in dem Dorm. Auch hier hatte man hängende Kokons geholt, die aber auch hochgezogen werden konnten, um auf dem Boden mehr Platz zu bieten – zum Beispiel bei Stehpartys. Dazu hatten sie noch einige Sitzsäcke und Skye hatte fast das Gefühl, als würde Kai dahinterstecken. Er lag gerne in ihren Sitzsäcken.
Die runde Treppe, die in den oberen Stock führte, stellte bei manchen Paketen ein Problem da, doch Skye hielt sich raus. Alle Schlafzimmer hatten Einbaukleiderschränke, ergo fielen die zumindest weg. Kai hatte das Schlafzimmer oben, mit Frontblick rechts. Das Bett wollte er direkt vor dem Fenster haben, das von der Decke bis zum Boden ging, so wie in den anderen Schlafzimmern zur Vorderseite. Sein Bett war 1,40m, was vollkommen ausreichend war und ihm etwas mehr Platz gab. Er mochte zwar Skyes Futon, hatte sich selbst aber ein Bett bestellt, dass recht hoch war und drum herum acht Schubfächer hatten. Nicht so flache, sondern so, dass man hier gut etwas unter bekommen konnte.
Ansonsten hatte er zwei von diesen Sesseln ohne Beine, wie sie in Korea im Moment so im Trend waren. Es gab sie als einfache Holzstühle, nur eben ohne Beine, und es gab es gepolstert und einer verstellbaren Rückenlehne. So welche hatte Kai, in Türkis. Das ganze Dorm hatte hellgraues Laminat im Used Look. Skye hatte den gleichen Boden und fand ihn toll. Im Super Junior Loft war es dunkelbrauner Laminat. Doch der graue Boden passt in Skyes Augen gut zum Gesamt-Look, mit den Backsteinwänden und Stahlträgern.
„Hi Mia.“
„Hey, wo steckst du?“
„Im Pit.“
„Pit?“
„Das EXO Dorm. Es erinnert mich etwas an the pit von Divergent“, erklärte Skye.
„Ah okay, alles gut soweit?“
„Ja, es steht jetzt alles, aber ich wollte dich fragen, ob du mit mir einkaufen gehst.“
Skye wusste, dass Mia zumindest keinen offiziellen Schedule heute hatte.
„Na du stellst komische Fragen: Natürlich!“
Mia kam zum Loft gefahren und hatte Heechul eingeladen. Bei Shopping war er auf jeden Fall motivierter, als wenn es um Möbel ging. Sie fuhren auch mit ihren beiden großen Autos. Skye erklärte, dass sie neues Bettzeug kaufen wollte und Bettwäsche, Handtücher, Stehlampen – so genannten Kleinkram.
„Wieso?“, fragte Heechul, sichtlich verwirrt.
„It’s called kindness.“ Das schien den Sänger noch mehr zu verwirren.
„Erinnerst du dich, als ich das mal gemacht habe und du hast mich das Gleiche gefragt und ich habe dir erklärt, dass ich das mache, weil ich euch gern habe?“ Nun versuchte es Mia zu erklären. Heechul grübelte und schien sich daran zu erinnern.
„Ja, das habe ich damals aber auch nicht verstanden.“
Mia winkte nur ab.
„Ignorier ihn, ich habe ihn nur dabei, weil er tatsächlich einen guten Geschmack hat.“
Skye war der Meinung, dass sie die Jungs ganz gut einschätzen konnte, doch Mia kannte sie länger und wusste sicherlich was ihnen gefiel und was nicht.
Allein schon die Bettwäsche war ein Akt. Skye mochte keine kitschige Bettwäsche, zu viele Muster oder zu viele Farben fand sie schrecklich und schließlich holte sie Bettwäsche für Männer. Hier war Heechul eine tolle Hilfe. Sie versuchten bei jedem ein Farbakzent im Schlafzimmer zu setzen. Die meisten hatten ziemlich neutrale Möbel bestellt, in weiß oder schwarz. Xiumin hatte ein Regal in Dunkelila, was mit dem Backsteinhintergrund super aussah. Und Kai hatte seine Stühle als Orientierung, aber wie gesagt, in der Regel waren Männer da etwas einfacherer gestrickt. Suho mochte wohl Gold und sie fanden eine große goldfarbene Vase, in der sie schwarze Äste steckten und sie fanden auch so Korbbälle, die Gold angesprüht waren.
„Wenn du sie nach ihrer Lieblingsfarbe fragst, sagen sie alle ‚Schwarz‘, es ist so schrecklich. Wenn sie kreativ sein wollen sagen sie ‚Weiß‘“, beklagte sich Mia und brachte Skye zum Lachen.
D.O. bekam als Farbakzent Weinrot. Sie hatten einen flauschigen Teppich, der ans Fußende des Bettes sollte, vor den Schrank. Für Baekhyun suchten sie silberne Accessoires aus und Skye liebte die Bettwäsche, die sie für ihn ausgesucht hatten. Kai bekam anthrazitfarbene Satinbettwäsche mit türkisfarbenen Akzenten und eine hohe Stehlampe, die dimmbar war. Und sie holte ihm ein großes Glas mit weißem und blauem Sand mit Muscheln drin.
„Ich habe mir euer Interview angeschaut“, meinte Mia, als Heechul außer Hörweite war.
„Ihr seht toll zusammen aus.“
Skyes Herz setzte kurz aus. Sie war mit Jiyong zusammen, auch wenn es sich seit vorgestern nicht mehr so anfühlte.
„Es ist nicht schlimm, wenn du Gefühle für ihn hast. Kai ist ein guter Mann“, sagte Mia, die sah, wie Skye wohl mit ihrer Gefühlswelt zu kämpfen hatte.
„Und Jiyong?“
„Er ist ein komplizierter Mann.“ Mia erzählte Skye nicht von ihrem Gespräch. Die beiden mussten das unter sich klären und Mia konnte ihnen diese Entscheidung nicht abnehmen. Gerne hätte sie Jiyong glücklich gesehen, doch manchmal war es nicht der richtige Moment und manchmal nicht der richtige Mensch.
Bis sie wieder im Dorm waren, war Skye fix und fertig. Sie hatte heute nur drei Tuc-Kekse gegessen und sie hatte Hunger. Mia hatte sich noch bereit erklärt zu helfen, doch jetzt, wo es wieder um die praktische Umsetzung ging, verabschiedete sich Heechul. Dafür waren Ryeowook und Sungmin im Loft, die damit weniger Probleme hatten und das Dorm mal sehen wollten.
Mia bestellte Pizza für die vier, doch vor allem für Skye.
„Skye, wo schläfst du?“, wollte Ryeowook wissen und schaute sich mit offenem Mund um.
„Ich habe meine eigene Wohnung.“
„Da oben, das ist Kais Zimmer“, beantwortete Mia Ryeowooks Frage lachend.
„Hm, dann wird Kai wohl eher bei dir schlafen, wenn du deine eigene Wohnung hast.“
„Er hat den besseren Ausblick“, gab Skye zu.
Mia erzählte, dass Morgen zwei riesige Palmen noch geliefert werden würden für den Pit, wegen dem Echo. Und ein großer hellgrauer Teppich kam in das Wohnzimmer.
Es war zwar erst 18 Uhr, als sie fertig waren, doch Skye hatte das Gefühl, als könnte sie direkt schlafen gehen. Sie war mit dem Ergebnis ziemlich zufrieden und hoffte, dass sie den Geschmack der Sänger getroffen hatten.
Sie ging zurück in ihr Apartment, als sie Jiyong vor ihrer Tür stehen sah. Skye blieb stehen und überlegte für einen Moment sich auf dem Absatz umzudrehen und wegzulaufen. Weglaufen war manchmal ein Urinstinkt. Zum Beispiel, wenn einem eine Horde Mammuts entgegenkam, reagierte der Körper schneller als das Gehirn und rannte weg. Deswegen entstanden immer wieder Paniksituationen, wie bei Attentaten oder auch bei Festivals. Das rationale Denken wurde ausgeschaltet und der Instinkt übernahm die Kontrolle. Manchmal war das gut. So hob man schützend die Hände und Arme vor das Gesicht, wenn man fiel oder wenn einem etwas entgegen flog. Wenn man warten würde, bis das Gehirn die Information verarbeitet hatte, wäre es schon zu spät.
Skyes rationales Denken sagte ihr, dass das keine Horde Mammuts war, sondern ihr Ehemann und dass es keinen Grund gab weg zu rennen. Ihr rationales Denken bemerkte noch etwas: Er stand draußen. Er kannte den Code zu ihrer Wohnung und doch hatte er wohl das Gefühl das Privileg einfach einzutreten verspielt zu haben.
Sie ging also an ihm vorbei und öffnete die Tür.
„Bist du zum Vampir geworden oder kommst du auch ohne explizite Einladung rein?“, fragte sie, als er immer noch vor der Tür stehen blieb. Er schaute amüsiert und folgte ihr.
„Sagst du auch was oder sitzt du nur da?“, fragte Jiyong sie und fühlte sich an die Situation mit Mia erinnert. Was war los mit diesen Frauen?
„Du … bist zu mir gekommen …“, bemerkte Skye. Anscheinend wollte er ja reden.
„Ach ja…“ Da kam dann doch noch unerwartet die Einsicht.
„Es tut mir leid. Ich hatte natürlich nichts mit dieser Frau … ich weiß gar nicht wer sie war.“
„Ja, ich weiß.“
„Woher?“, fragte er verwundert und vermutete, dass Seunghyun wohl geplaudert hatte.
„Wenn ich denken würde, dass du ein Mann bist, der so etwas macht, würdest du nicht hier sitzen.“
Der Sänger musste einen Moment darüber nachdenken, ob das ein Kompliment war oder nicht.
„Ich weiß nicht, dass mit dir und Kai fuchst mich und ich mache dann Sachen die … unnötig sind.“
„Ja, ich weiß“, sagte sie wieder, denn das hatte sie inzwischen auch schon bemerkt. Allerdings gestand sie sich eine Teilschuld ein, gedanklich. Vielleicht war da etwas zwischen ihr und Kai und wenn das nicht wäre, wäre sie anders und dann würde auch Jiyong die Situation anders betrachten.
„Ich denke wir sollten etwas Abstand nehmen. Du hast das Album mit Youngbae, auf dass du dich konzentrieren musste und ich werde als Assistentin von EXO auch mehr um die Ohren haben, als mit Mia und im Moment zieht mir diese Beziehung zu viel Kraft raus.“
Er schaute sie an, wie ein geprügelter Hund.
„Schau mich nicht so an, ich habe dich gerne, unheimlich gerne, aber ich weiß nicht, ob ich dir die Art Beziehung geben kann, die du willst und die du verdient hast. Vielleicht hilft es einen Schritt zurück zu gehen um zu erkennen was wir wollen und was wir bereit sind zu geben.“
Jiyong wusste sie hat Recht, jedes ihrer Worte hätten auch von ihm stammen können. Er wollte nur nicht, dass sie Recht hatte.
„Was machen wir mit der Ehe?“
„Wir lassen uns doch schon scheiden, wir haben doch gar nicht daran geglaubt, dass es funktioniert, oder?“
Gehofft hatte es Skye schon, doch vielleicht hat diese ganze Geschichte auch ihre Beziehung unnötig verkompliziert.
„Nein, natürlich nicht“, erwiderte er halbherzig. Schließlich war das kein Film, sondern das Leben.
Sie schwiegen sich eine Weile an, unsicher was sie nun machen sollten. Jetzt, wo es ausgesprochen war, wollte Skye ihn irgendwie nicht gehen lassen. Sie wusste es war besser so, sie wusste, dass sie sich selbst erst finden musste und sie musste herausfinden, was das mit ihr und Kai war – wenn es denn überhaupt etwas war.
„Ich denke ich sollte gehen“, meinte er schließlich und stand auf. Skye tat es ihm gleich und begleitete ihn zur Tür.
„Wir sehen uns.“
„Bestimmt.“ Langsam schloss sie die Tür hinter ihm, blieb aber stehen. Sollte sie es zurücknehmen? Ihm nachgehen? Nein. Wenn sie füreinander bestimmt waren, dann würden sie ihren Weg zurück zueinander finden.
Auf der anderen Seite der Tür stand Jiyong und verharrte ebenfalls für einen Moment, bevor er zum Auto ging.
Taehyung war auf dem Weg in die Umkleide, als er am Fitnessstudio vorbeikam und stockte. Es war niemand drin, nur ein kleiner, blonder Wirbelwind und sie joggte nicht auf dem Laufband, sie rannte praktisch schon. Das war gefährlich! Ein falscher Schritt, eine Sekunde abgelenkt und sie würde fliegen lernen. Gerade als er rein gehen wollte, kam ihm Baekhyun entgegen. EXO hatten heute Abend Training für die Tour und Baekhyun hatte einen Termin gehabt, daher kam er jetzt erst. Er folgte Taehyungs Blick und rollte die Augen.
„Sag mir nicht sie trainiert jetzt für einen Marathon … oder Ninja Warrior…“
„Was?“, fragte Taehyung verwirrt.
„Na sie ist ja sonst so der Überflieger, kann alles, weiß alles, würde mich nicht wundern wenn sie jetzt auch noch Iron Man würden würde.“
„Hey, lass sie ihn Ruhe, sie hat mehr durchgemacht als du je durchmachen wirst, hab etwas Respekt vor ihr.“
Baekhyun schaute seinen Kumpel verwirrt an. Ja war denn jetzt die ganze Welt vernarrt in Skye? Kopfschüttelnd ließ er ihn stehen und ging zum Training. Taehyung dachte sich nur, dass niemand so einfach seinen Fan verurteilen durfte.
Skye hingegen hatte die beiden im Spiegel beobachtet. Sie hatte die Musik aufgedreht und rannte schon seit gut 10 Minuten. Irgendwie musste sie sich abreagieren und welch besseren Weg gab es, als sich in die totale Erschöpfung zu rennen? Sie sah auch, wie Taehyung in das Studio kam und wollte das Laufband langsamer stellen, doch dann stolperte sie fast über ihre eigenen Füße und wurde gegen Taehyung geschleudert und mit ihm zusammen zu Boden.
Der Sänger stöhne von dem Aufschlag. Skye ging es ganz gut – sie war ja auf ihm gelandet.
„Hi“, sagte sie grinsend.
„Und ich wollte dir noch sagen wie gefährlich es ist, so schnell auf dem Laufband unterwegs zu sein“, sagte er gequält.
„Wenn du mich nicht abgelenkt hättest, wäre ich nicht gestolpert“, erwiderte sie grinsend und half ihm auf. Taehyung stand mit offenem Mund vor ihr.
„Was? Jetzt ist das meine Schuld?! Immerhin habe ich dich aufgefangen!“
„Nenn es Fanservice.“ Beide fingen an zu lachen.
„Aber ernsthaft, was ist los?“
„Schon okay, ich kann nicht darüber reden, ich musste nur … Dampf ablassen.“
„Wollen wir was trinken gehen?“, schlug er vor, doch Skye verzerrte das Gesicht.
„Ich trinke im Moment viel zu viel, deswegen lieber Sport.“ Die Amerikanerin würde jetzt nicht so weit gehen zu sagen, dass sie ein Alkoholproblem hatte, aber sie wollte es auch nicht dazu kommen lassen. Joggen mit Siwon war ihr zu langweilig, aber rennen war super. Wenn die Muskeln brannten und man das Gefühl hatte gleich ohnmächtig zu werden.
Taehyung wollte ihr irgendwie helfen, doch ihm gingen die Ideen aus.
„Okay, aber wenn du reden willst oder … irgendwas machen … dann sag Bescheid.“
Er nahm ihren Arm und holte einen Kugelschreiber aus der Jackentasche, mit der er ihr seine Nummer auf den Arm schrieb. Skye war viel zu irritiert von der Gesamtsituation, als dass sie irgendwie hätte reagieren können. Er machte hinter der Nummer noch einen zwinkernden Smilie.
„Du musst nicht Babysitter spielen.“
„Nenn es Fanservice“, erwiderte nun er und verschwand grinsend.
Skye trainierte noch eine Weile weiter und gesellte sich dann zu EXO. Es war fast 22 Uhr und sie ging davon aus, dass sie bald Schluss für heute machen würden. Sie hatte sich Taehyungs Nummer gespeichert und war nach dem Training duschen gegangen. Kugelschreiber war jedoch recht hartnäckig und so sah man die Nummer immer noch auf ihrem Arm. Als der Choreograf das Training beendete, kam Kai lächelnd auf sie zu, stutzte aber dann.
„Wessen Nummer ist das?“ Er deutete auf ihren Arm.
„Taehyung-shi hat mir seine Nummer gegeben“, sagte sie gespielt überdreht.
„Wenn das so weiter geht, werde ich eifersüchtig.“
„That’s hot.“
Kai zog sie in seine Arme und küsste sie. Er war total verschwitzt, doch roch er so gut. Pheromone waren eine komische Sache. Sie waren wie ein genetischer Partnerschaftstest. Der Spruch ‚Man kann sich nicht riechen‘ kam nicht von ungefähr. Manche Leute rochen für einen gut und andere fand man abstoßen, aber genau diese Leute rochen für jemand anderen vielleicht total gut. Grund waren ein Testosteron-Abbauprodukt namens Androstadienon, ein sogenanntes Pheromon.
„Ich war zwar schon duschen, aber für dich würde ich eine Ausnahme machen“, flüsterte sie laut genug, dass Sehun und D.O es hören konnten. Die beiden Sänger schauten sich mit großen Augen an und fingen dann an zu lachen.
„Bis Morgen ihr zwei“, verabschiedete sich Suho, dem klar war, dass Kai wohl bei ihr schlafen würde. Skye war das bis zu diesem Moment noch nicht klar gewesen, aber heute Nacht wäre sie ungern alleine. Sie würde sonst nur Blödsinn machen.
Kai folgte ihr in die Frauendusche und winkte seinen Bandkollegen zu, als sie zu den Männern gingen. Es war niemand in der Umkleide, Skye hatte sich vorher den trainingsplan angeschaut, aber EXO waren heute die letzten.
Natürlich ging sie nicht mit duschen, wobei der Gedanke, dass er nur drei Meter von ihr entfernt nackt unter der Dusche stand, sie schon etwas wuschig machte.
Frisch geduscht fuhren sie zu Skye und holten sich auf dem Weg noch etwas zu essen. Skye zögerte etwas, als sie ihre Haustür öffnete. Vielleicht war Jiyong doch zurück oder hatte die Wohnung mit 1000 Rosen bedeckt, doch nichts dergleichen, alles war so, wie sie es verlassen hatte. Nur dass Skye nicht sicher war, ob sie enttäuscht oder erleichtert war. Kai bemerkte davon nichts und deckte den Tisch. Inzwischen fand er sich gut zurecht und bewegte sich ganz natürlich in Skyes Wohnung. Sie freute das, denn sie wollte eine Wohnung haben, in der man sich wohl fühlte. Manchmal gab es Wohnungen, mit denen wurde man einfach nicht grün. Einer ihrer Ex-Freunde hatte so eine Wohnung gehabt. Selbst nach Monaten hatte sie sich dort einfach nicht wohl gefühlt, ohne genau ausdeuten zu können, woran das lag. Vielleicht war das Haus über einem Indianerfriedhof gebaut worden. Skye hatte keine Ahnung, aber sie hat immer versucht es so zu drehen, dass sie sich bei ihr getroffen hatten.
„Willst du den Pit sehen?“, fragte sie Kai nach dem Essen.
„Den Pit?“
„Euer Dorm“, erklärte sie. Irgendwie musste sie all das hier ja auseinanderhalten. Super Junior hatten das Loft, EXO The Pit und BTS würden The Tower bekommen, der Turm am Ende von Skyes Flur, nicht so großflächig, aber dafür bekamen sie drei Etagen.
Sie schlichen sich zum Pit, auch wenn es nicht verboten war, dass Kai es vor den anderen sah, so taten sie doch so und versteckten sich ständig, wenn sie das Gefühl hatten, dass jemand kam.
„Wooooaaaaaah.“ Kai stand mit offenem Mund an der Kochinsel und schaute sich um.
„Das ist so cool!“ Er hatte es vor Monaten im Rohzustand gesehen, alles andere hatte Mia mit Youngjun besprochen gehabt und auch wenn er wusste, was sie aus dem Super Junior Dorm gezaubert hatten, so übertraf der Pit all seine Erwartungen.
Skye zeigte ihm den Flaschenzug, mit dem die Kokons an der Decke befestigt waren. Das war ziemlich schlau gemacht, denn ab einem gewissen Gewicht blockierte der automatische Flaschenzug. Dieser war eingestellt auf das Gewicht der Körbe und 15 Kilo extra, so dass der Flaschenzug nicht funktionierte, wenn noch jemand drinsaß. Wahrscheinlich hatte Mia das mit Absicht so entwerfen lassen, damit niemand einen Bandkollegen als Strafe über Nacht da oben rumhängen ließ. Die Kokons waren an Stahlseilen befestigt und konnten eine Last von 800 Kilo tragen. Selbst wenn sich alle Bandmitglieder rein quetschen würden, würde dieses Seil nicht reißen.
„Willst du dein Zimmer sehen?“, fragte sie ihn, nachdem er fachmännisch den Flaschenzug geprüft hatte.
„Unbedingt!“
Sie gingen nach oben und Skye machte das Licht in seinem Zimmer an. Wieder stand er mit offenem Mund da. Skye fand es so niedlich.
„Du hast mein Zimmer dekoriert?“
„Gefällt es dir?“
„Es ist Wahnsinn! Du bist Wahnsinn!“ Lachend hob er sie hoch und drehte sich mit ihr, bevor er sich besann, dass sie ja nicht seine wirkliche Freundin war.
Kai schaute sich alles genau an, die dimmbare Stehlampe, die Dekoartikel und dann öffnete er den Einbaukleiderschrank.
„Wieso sind da so viele Sachen drin?“
„Ehm … das sind die Sachen die irgendwie bei mir gelandet sind und ich dachte, ich bringe sie wieder.“
„Wieso waren so viele von meinen Sachen bei dir?“
„Weil … sie mir besser stehen als dir?“ Sie hatte bei ihm geschlafen und von ihm Sachen bekommen, er hatte bei ihr geschlafen und Sachen vergessen … da kam einiges zusammen. Grinsend schüttelte er den Kopf und setzte sich auf das Kopfende des Bettes, um die Aussicht zu genießen.
„Willst du heute Nacht hier schlafen? So ruhig wird es hier nie wieder sein“, stellte die Amerikanerin fest und setzte sich zu ihm.
„Bleibst du bei mir?“
„Na klar.“ Es war reiner Egoismus. Skye schlief sonst schon nicht gut und nach dem heutigen Tag wollte sie erst recht nicht alleine sein.
Eine halbe Stunde später lagen sie umgezogen in seinem Bett, unter der Decke, auf dem Bauch und genossen die Aussicht über Seoul.
„Das ist eine tolle Aussicht!“
„Ja, das stimmt“, murmelte Skye. Alle Schlafzimmer hatten Vorhänge oben an der Decke befestigt. Weiße, als Sichtschutz und Dunkelgraue, als Lichtschutz, aber ehrlich, wer würde bei dieser Aussicht die Vorhänge zuziehen? Also Skye auf keinen Fall.
Kai lehnte sich rüber und roch an ihrem Arm.
„Ehm …“
„Wieso riechst du immer so gut?“ Kai mochte es nicht, wenn Frauen eine Duftwolke hinter sich herzogen. Wieso tat man das? Dieses Einnebeln in Parfüm. Aber Skye roch immer wie … ein Baby. Babys hatten so einen ganz besonderen Duft, so pudrig.
„Mandel, Honig und Milch.“
„Mandel, Honig und Milch?“, fragte Kai und roch noch mal an ihrem Arm.
„Das ist eine Reihe vom Body Shop, ich habe es als Bademilch, als Duschgel, Bodylotion, Budy Scrub und Body Butter.“
Eigentlich pflegte Skye sich nicht groß. Sie betrieb keinen großen Körperkult, aber diese Reihe liebte sie. Schon als Kind hatte sie den Body Shop geliebt. Immer wenn sie geflogen waren, waren sie am Flughafen zum Body Shop gegangen und Skye hatte genau gewusst, dass sie mit den Body Shop Sachen ihrer Mutter keinen Blödsinn machen durfte. Im Sommer hatte sie oft die Mango Reihe, weil es frisch und fruchtig war, aber ansonsten hatte sie die Almond, Honey & Milk Kollektion.
„Und welches Parfüm benutzt du?“, wollte er wissen.
„Meistens gar keins. Wenn ich ausgehe, dann habe ich meine Standards. Ich mag das Lady Million, die Düfte von Jil Sander mag ich auch, dass Jil, das Pure, das Eve, aber ich mag auch Chanel No 5 Eau Premier oder Gabrielle oder von Body Shop das Black Musk. Die letzten zwei sind eher schwer, die anderen leicht, aber ich mag es nicht zu süß oder zu blumig. Viele Parfüms geben mit Kopfschmerzen.“
„Ja, mir auch“, sagte Kai. Er hasst es, wenn er mit einer Frau ausging und einen stechenden Schmerz im Kopf bekam, wenn er ihr zu nahekam. Parfüm als Verhütung – daran hatte wohl auch noch keiner gedacht. Skyes Duft bewirkte eher das Gegenteil.
Er hatte für sich gerne Hugo oder Ferrari Black. Beide Parfüms hatte er von Mia empfohlen bekommen, sie war wirklich gut mit so etwas. Normalerweise war ein Parfüm ein Standardgeschenk, doch jeder freute sich, wenn man von Mia einen Duft bekam, denn jeder wusste, dass sie Stunden damit verbracht hatte den Richtigen zu finden und er hatte noch nie gesehen, dass jemand nicht total begeistert war.
„Du gibst mir keine Kopfschmerzen“, hörte er Skye sagen. Sie blickten beide hinaus.
„Was siehst du, wenn du aus dem Fenster schaust?“, fragte sie.
„Ich sehe Leben, einen Impuls. Millionen von Geschichte, die jeden Tag auf’s Neue entstehen und von denen wir nie erfahren werden. So viele Gelegenheiten ein Teil dieses Impulses zu sein und so viele Gelegenheiten sich zurück zu ziehen, so wie wir jetzt. Doch in jedem Moment sind wir ein Teil der Stadt, auch wenn sie uns nicht sieht, in diesem perfekten Moment.“
Kai war in Seoul groß geworden und viele, die in solchen Metropolen aufwuchsen, sahen irgendwann die Schönheit der Stadt nicht mehr, weil es normal war. Er hingegen wollte sich immer die Faszination behalten. Es machte ihm Spaß Aussichtspunkte und Roofbars zu suchen oder kleine verwinkelte Gassen, die eigentlich kaum noch in das moderne Stadtbild passten. Im Sommer würde er Skye so viele Orte zeigen können.
„Wäre es komisch, wenn ich dich gerne küssen würde? Also ich küsse dich sonst auch gerne … aber ich würde dich jetzt gerne küssen …“ Er wusste, dass sie mit Jiyong zusammen war und doch nahm er all seinen Mut zusammen, um sie das zu fragen, weil er einfach wissen musste, wie sie reagierte. Es war der perfekte Moment. Kai drehte sich zu ihr und Skye? Die war eingeschlafen. Super. Der Sänger rollte mit den Augen. Dann war es wohl der perfekte Moment, um schlafen zu gehen.