Es war 3 Uhr morgens, als Skye nach Hause kam. Sie schrieb Jongin, ob er noch wach war und es dauerte nur ein paar Momente, da startete er einen Videoanruf.
„Jagiya!“, begrüßte er sie grinsend. „Wow – was hast du an? Stell das Telefon hin.“
Sie lehnte das Handy gegen eine Vase und drehte sich.
„Ach, so ziehst du dich an, wenn ich nicht da bin!“, beschwerte er sich.
„Ja, weil wenn du da bist, muss ich überhaupt nichts anhaben“, konterte sie. Jongin dachte einen Moment darüber nach und gab sich dann geschlagen.
„Wie waren die Universal Studios?“, fragte Skye und setzte sich an den Tisch.
„Ach total langweilig. Es hat geregnet und es war kalt und bei den Bahnen, die überdacht waren, war die Schlange natürlich super lang. Wir waren auch nicht lange dort, nur zwei Stunden oder so.“
Skye hatte den Wetterbericht gesehen. Sie wusste, dass in Osaka traumhaftes Wetter gewesen ist, ähnlich wie in Seoul, aber sie fand es süß, dass er log. Es war okay, früher oder später würden EXO ein Konzert in London geben und dann würde Skye den ganzen Tag im Shop der Harry Potter Studio Tour verbringen.
Als sie im Lotto gewonnen hatte, dachte sie über alles nach, was sie damit machen könnte. Jeder träumte davon, was er mit so viel Geld anfangen würde. Häuser überall, Sportwagen, Yachten. Skye hatte überlegt sich in Schottland oder England ein Schloss zu kaufen und es im Harry Potter Style einzurichten, doch dann dachte sie weiter nach. Wieso sollte man überall Häuser haben? Im Endeffekt hatte man eine Winterresidenz und eine Sommerresidenz. Skye war vielleicht drei Wochen im Jahr in New York, mitunter auch aus geschäftlichen Gründen. Eine Wohnung, wie sie sie sich vorstellte, war so teuer, dass sie nie so viel Geld mit Hotelübernachtungen im Palace ausgeben konnte. Schottland und England waren ihr zu kalt. Anfangs hätte sie das Schloss cool gefunden, doch früher oder später hätte sie sich irgendwo hin verzogen wo es wärmer war und wäre nur noch ein paar Tage im Jahr dort gewesen. Für ein paar Tage könnte sie ein Schloss mieten, musste es aber nicht kaufen, denn es war nicht damit getan eine Immobilie zu kaufen. Wer große Grundstücke hatte, musste sich um diese kümmern. Auf Adavaci waren immer mindestens zehn Angestellte, die sich um alles kümmern, denn wenn dort drei Monate niemand wäre, würde alles zu wuchern. Sie kümmerten sich um den Garten, nahmen Reparaturen vor und schauten, dass alles ordentlich war, sollte Skye plötzlich auftauchen. Und bisher machten sie alle einen guten Job. Skye war es egal, was ihre Angestellten machten, wenn sie nicht da war, solange alles so war, wie sie es sich vorstellte.
„Das ist schade“, erwiderte sie.
„Schon okay, im Sommer fliegen wir nach Osaka. Wie war denn dein Tag?“
Und so erzählte Skye ihm von dem Bodyguard und der Polizeistation. Jongin hörte gar nicht mehr auf zu lachen.
„Du hast ihn mit einem Regenschirm erschlagen?!“
„Es war Zufall und sein Auge war im Weg!“ Davon würde sie auch nicht abweichen. Sie hörte wie bei Jongin die Tür ins Schloss fiel.
„Hi Skye!“ Chen steckte seinen Kopf ins Sichtfeld der Kamera.
„Ich dachte mir doch, dass ich die Stimme kenne. Ich dachte schon Jongin hätte dich heimlich einfliegen lassen. Den ganzen Tag war er am Heulen. Ohne Skye kann ich nicht so gut schlafen! Sie riecht so gut und ist so warm! Ob Skye das jetzt gefallen würde? Was Skye wohl essen wollte …“
Jongin schupste seinen Bandkollegen.
„Ich habe gar nicht geheult!“
„Doch hast du!“
„Habe ich nicht.“
„Hast du doch. Aber hey Skye? Wir vermissen dich alle!“
„Das ist süß, aber du sollst nicht lügen.“
Chen schaute sie entsetzt an.
„Bitte? Ich lüge nicht.“
„Du willst mir sagen, dass selbst Bae mich vermisst?“
Darüber musste der Sänger nachdenken, doch Jongins fragend Blick sagte schon alles.
„Selbst Bae sagte vorhin ‚Wenn Skye hier ist, ist das besser organisiert‘ – oder?“ Hilfesuchend wand sich Chen an seinen Bandkollegen.
„Ja … ja, das hat er tatsächlich gesagt“, wunderte Jongin sich.
Skye schlief tatsächlich bis 10 Uhr. Das war total ungewöhnlich für sie und ebenso irritiert war sie, als sie auf die Uhr schaute. Zwei Tage ohne EXO und ihr Rhythmus stand auf ‚Faultier‘. Sie sprang unter die Dusche. Kaum war sie draußen, klopfte es an der Tür. Sie machte ihren Bademantel zu und fand Eunhyuk und Leeteuk vor ihrer Tür.
„Hi Skye!“
„Geht es dir gut?“
„Ehm … ja …“ Es verunsicherte sie, wenn sie beiden so grinsten. Man sah ihnen förmlich an, dass sie etwas aushackten.
„Du kamst nicht zum Frühstück, da haben wir uns Sorgen gemacht“, erklärte Leeteuk.
„Oh nein, alles gut, ich habe nur länger geschlafen.“
„Kommst du noch zum Frühstück?“
„Ich … ehm … vielleicht.“
„Okay“, sagten sie in Einheit und verschwanden. Skye lehnte sich aus ihrer Tür raus. Gruselig.
Stattdessen stand sie bei BTS auf der Matte.
„Hi, was gibt’s?“, fragte Jimin, als sie die Tür reinkam.
„Ich wollte frühstücken.“
„Frühstückst du sonst nicht immer bei Suju?“, fragte Jungkook.
„Ja, aber heute waren sie irgendwie … gruselig.“
„Du meinst gruseliger als sonst?“, fragte Taehyung und reichte ihr eine Tasse Kaffee.
„Genau das“, erwiderte sie grinsend.
„Du bist hier herzlich willkommen“, meinte Namjoon, der von seinem Ipad aufschaute.
Heute war Skye mit Lisa verabredet und gemeinsam, mit zwei Bodyguards, fuhren sie nach Hongdae um zu Bistopping zu gehen.
Bistopping war ein Eiscreme Café, wo man sein eigenes Eiscreme entwerfen konnte – oder viel eher die Dekoration zur Eiscreme. Es war mit den Besitzern vorher abgesprochen, denn wenn jemand wie Lisa irgendwo reinspazierte, musste gewisse Vorgaben eingehalten werden. Das Café war sehr klein, man hatte extra eine kleine Ecke für Lisa und Skye abgetrennt, damit sie überhaupt Platz hatten, auch wenn um diese Uhrzeit noch nicht so viel dort los war.
Skye folgte dem Laden schon seit Ewigkeiten auf Instagram, war aber aus irgendeinem Grund noch nie hier gelandet. Die Probleme fingen damit an, dass sie eine Waffel aussuchen mussten. Es gab 20 verschiedene Waffeln, alle waren etwas anders gestaltet. Bei der Eiscreme gab es nicht so viel Auswahl, doch dann musste man auch noch die Toppings, die Deko aussuchen. Es gab Waffel- und Schokodeko. Dann musste man Bilder schießen und auch noch essen – es grenzte fast an Stress. Skyes Eis hatte eine Meerjungfrau, das von Lisa einen Flamingo. Gemeinsam posierten sie für Instagram und auch die Besitzerin wollte von beiden ein Foto schießen. Skye war zuerst zur Seite gegangen, doch die Besitzerin winkte Skye zu sich und sie ließ sich mit den beiden Frauen ablichten. Als EXO Kais Freundin, welchen Promistatus hatte sie da wohl? Würde es für das Dschungel-Camp reichen?
Etwas weiter, in Osaka um genau zu sein, ärgerte sich Jongin über das Bild von Skye und Lisa auf Instagram.
„Girls day“, las er vor und rollte mit den Augen.
„Was?“, fragte Sehun.
„Ich wollte mit ihr dahingehen und nun ist sie mit Lisa gegangen.“
Nun verstanden die anderen Bandmitglieder die Ernsthaftigkeit seiner Probleme und fingen an zu lachen.
„Ach du Armer, musst du dir jetzt neue Datingspots einfallen lassen?“
„Das wird sie dir mit Sicherheit nicht vergeben.“
„Ja, ja, macht euch nur lustig. Wenn einer von euch mal dazu in der Lage ist eine richtige Beziehung zu führen, unterhalten wir uns weiter“, meinte Jongin.
„Jetzt komm, es gibt Tausend Spots für Pärchen in Seoul“, wand D.O ein.
„Okay, Casanova – wo würdest du denn mit deiner Freundin hingehen?“, fragte Jongin.
„Du kannst in die Bar81 gehen, im Lotte World Tower. Oder ins Harvest Namsan. Dann gibt es dieses Café, wo man selbst Ringe machen kann und dieses Café mit den Waschbären, das ist doch auch süß. Du kannst eine Dinnerfahrt auf dem Hangang machen oder wenn jetzt die Kirschblütenzeit anfängt gibt es rund um Seoul so viele Parks die schön blühen. Skye fotografiert doch gerne? Ihr könnt auf den Namhansanseong oder auf den Naksan und dann durch die Künstlerviertel Iwha. Macht einen Couple-Bungee-Jump oder geht zum Baseball. Skye ist keine Tussi-Tussi, sie braucht – glaube ich – keine Rüschen und Rosen, oder? Mach mit ihr coole Sachen. Fahrt in den Zoo, macht ein Picknick im Seoul Forest oder fliegt einen Tag nach Jeju.“
Jongin war beeindruckt und hatte schnell angefangen mitzuschreiben. D.O hatte Recht, Skye hatte keine Angst vor Dreck oder Schweiß und Bungee Jumping würde ihr mehr Spaß machen.
„Danke Hyung!“
„Gerne.“ D.O war ziemlich stolz auf sich, dass er helfen konnte und die anderen waren beeindruckt.
Nach dem Eis waren Lisa und Skye nach Hongdae weiter gezogen, um zu shoppen. Ihnen folgten ein paar Leute, aber es war noch überschaubar. Kein Grund für Skye um panisch zu werden. Doch nicht jeder hatte ein freies Wochenende und so musste Lisa wieder los und Skye fuhr in die Akademie. Was sollte sie denn Zuhause?
Sie war auf dem Weg in Mias Büro, um zu schauen ob sie da war. Sie hatte noch knapp drei Stunden Zeit, bis sie mit Nikolai zum Training verabredet war. Mia war super darin Zeit zu überbrücken – und sei es, dass sie sich wieder als Elsa verkleidete.
Noch auf dem Weg fand Skye eine temporäre Ablenkung: NCT. Wenn Skye ehrlich zu sich selbst war, verstand sie das Projekt nicht so ganz. Es kamen Leute dazu, dann gab es wieder Sub-Units, mehrere Sprachen. Skye war das zu hoch. EXO hatte sie schon nicht so richtig verstanden, zumal, so wie sie es von Mia mitbekommen hatte, die Aufstellung ursprünglich eine andere war. Dann kamen die ganzen Chinesen dazu. War eine tolle Idee gewesen. Da sollte man meinen, dass Leute, die in einem kommunistischen Land großgeworden sind und noch immer einen total Verrückten vergöttern, gut darin waren willenlos zu folgen. Von wegen, schick sie nach Korea und sie lernen so etwas wie einen freien Willen kennen. Allein schon die chinesische Schrift war nicht dazu ausgelegt selbstständig zu denken. Um eine Zeitung zu lesen musste man mindestens 2000 Zeichen beherrschen und es war nicht so als wären die Schnippel Buchstaben, nein, es waren Bilder. Logische Zusammensetzung unmöglich und so lernten die Chinesen, von klein auf, stumpfes Auswendiglernen. Skye mochte China, partiell. Doch wie man heute noch Mao anbeten konnte, verstand sie nicht. Wie man einen Platz, an dem Tausende abgeschlachtet wurden, weil sie die verrückte Idee hatten sich für ihre eigenen Ideale einzusetzen, Platz des ‚Himmlischen Friends‘ nennen konnte, war ihr auch schleierhaft. Platz des ‚Höllischen Feuers‘ würde wohl eher passen. Und an der Verbotenen Stadt hing noch ein Bild von ihm! Als hätte er etwas damit zu tun gehabt! Die Verbotene Stadt wurde 500 Jahre vorher gebaut. Aber hey, was tut das schon zur Sache, wenn man auf dem Platz des ‚Himmlischen Friedens‘ für jemanden, der 75 Millionen Menschen auf dem Gewissen hat, ein Mausoleum baut – in dem heute angeblich nur noch eine Wachsfigur liegt, alles ist vergänglich, auch ein Mao Zedong. Und seine Frau, also die vierte und letzte, hatte genauso viele Tassen locker wie er.
Die Frage war immer nur, wie man so große Länder unter Kontrolle bekam. Vielleicht konnte nur eine eiserne Hand solche Länder führen. Russland war nicht besser und Russland war fast doppelt so groß wie China. Russland war praktisch ein eigener Planet. Andererseits waren Kanada und die USA je genau so groß wie China und dort funktionierte die Demokratie – soweit Demokratie eben funktionieren konnte. Aber es gab durchaus schöne Orte in China und es mochte ja auch nicht jeder Mao, aber mit der Kpop Welt waren die Chinesen oft nicht kompatibel.
Skye kannte auch nicht die Namen von NCT, außer Taeyong. Er war Main-Alles. Bandleader, Main Rapper, Main Dancer, ‚Face of the Group‘ – eigentlich könnte die Gruppe auch heißen ‚Taeyong & Co‘. Gut, er war süß, ja, als hätte man Jaejoong und Chen gepaart.
Ein neues Lied begann und Skye sah Mia auf sich zukommen.
„Na“, sagte Mia und stellte sich auch vor die Glasscheibe.
„Dir ist langweilig, huh?“
„Total“, gab die Amerikanerin zu und die beiden schauten NCT etwas zu.
„Tell me, if the idols are still in training …“
„Yes.“
„Do they go to a … stripper class or something?“
Mia lachte so sehr, dass sie sich an der Scheibe abstützen musste.
„Wie kommst du da drauf?!“
„Ernsthaft?! Hast du dir so manche EXO Choreos angeschaut? Magic Mike-ish und die sind nicht besser! NCT – Naked Cyber Tabledancer!“
Die Deutsche lachte herzlich bis sie nicht mehr stehen konnte. Das blieb im Tanzstudio nicht unbemerkt. Mark blieb stehen, um nach Mia zu schauen, dann lief Johnny in ihn rein, in ihn dann Taeil, in Taeil Taeyong. Massenunfall in Studio 3. Kasper, der Tanzttrainer, schaute fragend zu den Jungs und folgte dann ihrem Blick. Mia lachte immer noch, als Kasper den Kopf durch die Tür steckte.
„Hey, wieso lenkt ihr meine Tänzer ab?“
„Weiß heißt WIR lenken die ab? Die lenken UNS ab!“, erwiderte Mia lachend und Kasper wusste gar nicht mehr was los war. Für die jungen Sänger kam die Unterbrechung nur gelegen und sie stürmten auch raus.
„Noona, was haben wir gemacht?“, fragte WinWin.
„Gar nichts, Skye hat nur NCT übersetzt“, erwiderte Mia und wuschelte dem Sänger durch die Haare.
„New Cultural Technology?“
„Don’t you dare!“, drohte Skye, wovon sich Mia aber nicht einschüchtern ließ.
„Naked Cyber Tabledancer!“
Die Kerle schauten von Mia zu Skye und fingen dann an zu lachen.
„Weil ihr so sexy tanzt“, setzte Mia noch grinsend einen oben drauf und schon hatte Skye die ungeteilte Aufmerksamkeit der Sänger.
„Sexy, huh?“, fragte Taeyong und legte neckisch den Kopf zur Seite.
„Danke Mia.“
„Wofür hat man Freunde?“
Den Rest der Zeit verbrachte Skye im Keller bei Leah und Mimi und half ihnen beim Aussortieren. Viele Dinge, die die Idols trugen, waren nur Leihgaben und mussten wieder zurückgegeben werden. Doch es gab auch genauso viele Sachen, die die Stylisten gekauft oder gesponsert bekommen hatten und die waren in zwei Lagerräumen verteilt. Klamotten, Schuhe, Hüte, Schmuck, Schals, Gürtel und weiteren Schnickschnack. Eingepackt waren sie in Kartons mit Infos, an welchem Events sie das letzte Mal gebraucht worden sind und nun sortierten sie erst einmal nach Farbe und innerhalb der Farbe nach Art und dann würde Mimi schauen, was rausfliegen würde. Mia würde daraus bestimmt wieder ein Event machen.
Skye verabschiedete sich irgendwann und fuhr zu der Halle. Sie wusste nie, wie sie im Verkehr durchkommen würde, also war sie etwas früher losgefahren. Natürlich war kein Verkehr und sie kam knapp 40 Minuten zu früh an. Nikolai trainierte noch im Dojo mit Jugendlichen und kam zu ihr rüber.
„Du kannst es wohl kaum abwarten“, sagte er und lehnte sich an die Theke.
„Es kommt immer auf die Alternative an“, erwiderte Skye und dachte an NCT.
Sie zog sich um und sollte in die große Halle gehen, um sich aufzuwärmen. Dort sah sie ein Reck stehen und ihr Herz schlug schneller. Auf Adavaci hatte sie auch ein Reck stehen, doch beim letzten Mal kam sie nur einmal dazu, eine halbe Stunde zu trainieren. Also fing sie an sich zu dehnen. Das Reck war recht hoch, Wettkampfhöhe und Skye war sehr klein. Normalerweise wurde man hochgehoben, was Skye eigentlich nicht mochte. Es war so ‚Hier Kind, streck die Arme‘, also nahm sie Anlauf und sprang an das Reck. Turnen hat ihr immer Spaß gemacht, die Limits ihres Körpers austesten und neu zu definieren. Nach der Verletzung war es zwar aus mit dem Turnen, zumindest auf Wettkampfebene, was nicht bedeutete, dass sie nicht mehr turnen wollte. Ihr Arzt dürfte davon nur nie erfahren. Sie übertrieb es aber auch nicht, manchmal konnte sie einfach nicht widerstehen. Wie Schokolade. Anfangs tastete sie sich vorsichtig wieder ran, bis sie sich traute Saltos zu machen. Dann lief es eigentlich ganz gut, sie drehte sich und machte Figuren, der Wind pfiff an ihr vorbei, durch die Geschwindigkeit und Skye war wieder voll in ihrem Element. Allerdings war das Reck auch ein wenig Arschloch. Wenn man nur eine Sekunde aufpasste, bestrafte das Reck einen schmerzhaft. Skye dachte über eine Bewegung zu lange nach, dann stieß ihr Fuß gegen die Stange, Skye kam ins schludern, vergriff sich und landete mit dem Gesicht auf der Matte.
Stöhnen raffte sie sich auf und sah Nikolai im Türrahmen stehen.
„Stehst du da schon lange genug, um gesehen zu haben, dass ich gar nicht so schlecht bin?“
„Ich stehe hier schon lange genug, um zu wissen, dass du ziemlich gut bist“, sagte er lächelnd und half ihr auf.
„Ich wusste nicht, dass du turnst.“
„Vergangenheit, ich turne nur noch zum Spaß. Vor vielen Jahren hatte ich eine Schulter OP, seither ist es aus mit dem Turnen.“
„Dafür turnst du aber noch sehr gut“, lobte er und machte Skye verlegen.
Zwei Stunden später kroch Skye auf allen Vieren. Anfangs war alles noch ganz harmlos gewesen. Das war alles nur Tarnung! Kaum war Skye etwas drin, legte Nikolai richtig los und Skye flog ständig auf die Matte. Vielleicht sollte sie sich doch einen Elektroschocker holen. Das Schlimmste war, dass Nikolai noch nicht einmal schwitzte und Skye hatte das Gefühl, als hätte die einen Marathon hinter sich.
„Wir sehen uns am Mittwoch?“, fragte er, während Skye sich aufraffte.
„Wenn ich bis dahin noch lebe.“
Der Mann lachte fröhlich und klopfte ihr auf die Schulter.
„Du warst gar nicht schlecht, in ein paar Wochen schmeißt du mich locker zu Boden“, versprach er ihr, doch die Amerikanerin wollte gar nicht an den Weg bis dahin nachdenken.
„Ich wollte dich heute nur nicht zu hart rannehmen“, meinte sie grinsend.
Sie hatte sich unter die Dusche geschleppt und danach ins Auto und wollte nur noch nach Hause. Nichts mehr würde sie heute machen! Allerdings wusste Skye auch, dass das erst der Anfang war. Morgen würde sie sich bewegen, als wäre sie 80, aber übermorgen wäre sie gelähmt!
Seiten dem Brücken-Vorfall hatte Skye es sich angewöhnt die Tiefgarage zu nehmen. Dort traf sie auf Changmin.
„Hi, wie siehst du denn aus?“ Er stieg ebenfalls gerade aus dem Auto.
„Ich hatte meine erste Stunde Selbstverteidigung“, erklärte sie und hob die Tasche aus dem Kofferraum, die Changmin ihr sofort abnahm.
„Und, hast du das Gefühl ein Ninja zu sein?“
„Total“, erwiderte sie lachend.
Gemeinsam gingen sie nach oben.
„Sag mal, willst du auch etwas essen? Ich wollte gerade bestellen“, fragte er sie. Skye hatte einen Höllenhunger und war natürlich sofort dabei.
Die Assistentin war lange nicht mehr in seiner Wohnung gewesen und sie schaute sich beeindruckt um. Changmin wohnte auch sehr stilbewusst. Er hatte weiße Möbel, alles war recht gradlinig, doch auch bequem, wie Skye feststellte, als sie sich in den einen Sessel fallen ließ. Sie hatten beim Thai bestellt und Skye lief schon jetzt das Wasser im Mund zusammen.
„Magst du einen Wein?“
„Gerne“, erwiderte sie und ging in die Küche, um zu gucken was für einen Wein er aufmachte.
„Wie oft trainierst du jetzt?“
„So zweimal die Woche, es kommt auch immer etwas auf EXOs Terminplan an. Und einmal die Woche habe ich Therapie.“
Changmin lachte.
„Therapie? Du? Meinen die nicht dafür ist es vielleicht etwas zu spät? Also ich meine, nach all dem was du schon durchgemacht hast…“
„Meine Rede! Aber SME besteht darauf, was soll ich machen?“
Skye fühlte sich wohl bei Changmin. Er war super zum Reden und war ziemlich erwachsen geworden. Manche Leute nannten ihn kalt und schüchtern, doch Skye empfand es nicht so.
„Wie geht es deiner Schwester?“, fragte sie grinsend und erinnerte ihn an die Begegnung zwischen ihr und Skye.
„Gut, ja“, sagte er lachend.
Das Essen kam und die beiden setzten sich an den Esstisch. Kaum hatten sie angefangen, da klingelte sein Handy.
„Ja? … Ich bin Zuhause … aber erst um 20 Uhr … wirklich? … Mist, ich bin auf dem Weg!“
Noch während er sprach, war er aufgestanden und suchte seine Sachen zusammen.
„Alles okay?“
„Nein, ich habe einen Fernsehauftritt und ich dachte die Aufnahme würde um 20 Uhr anfangen, aber sie fängt wohl um 18 Uhr an.“
Skye schielte auf die Uhr, das war in 12 Minuten. Sie stand ebenfalls auf.
„Nein, nein, bleib ruhig und esse zu Ende, es ist ja nicht deine Schuld – lass mir nur etwas von meinem Essen übrig.“
„Versprochen.“ Und dann war er auch schon weg.
Die Assistentin machte sich die Nachrichten an und aß auf. Danach machte sie die Küche fertig und stellte Changmins Portion in den Kühlschrank, damit er sie später warm machen konnte. Sie fand es schade, dass er so schnell wegmusste. Sie war im Moment froh über Gesellschaft. Skye ging auf die Tür zu, drückte die Türklinke runter, doch die Tür öffnete sich nicht.
Irritiert versuchte sie es noch einmal, diesmal mit mehr Kraft. Hatte er abgeschlossen?! Sie alle hatten ein Code-Pad, doch zu jeder Wohnung gab es auch Schlüssel, um sie manuell abzuschließen. Skye hatte dazu bisher noch keinen Grund gehabt.
Sie versuchte Changmin anzurufen, doch sein Handy war aus. Wie lange dauerte so eine Aufnahme? Aber es war ja nicht so, als wäre Skye nicht kreativ. Der nächste Anruf ging an Kyuhyun. Die beiden waren gut befreundet, wenn jemand einen Schlüssel hatte, dann er.
„Skye?“
„Hi, sag mal, hast du einen Ersatzschlüssel zu Changmins Wohnung?“
„Wieso?“
„Weil er mich in seiner Wohnung eingeschlossen hat.“
Kyuhyun stutzte einen Moment, nein, er wollte es nicht wissen.
„Warte, ich komme mal rüber.“
Es dauerte nur ein paar Minuten, dann hörte sie, wie jemand den PIN eingab. Das normale Schloss entriegelt, doch das änderte ja nichts daran, dass sie es hier mit Sicherheitstüren zu tun hatten, die mehrere Bolzen hatte.
„Ist drinnen kein Schlüssel?“, fragte Kyu durch die Tür.
„Scherzkeks, soll ich hier jetzt alles auseinandernehmen?“
„Schau doch zumindest in den Schubladen nach oder hat er einen Schlüsselkasten?“
„Ah, ja, natürlich, hier ist ein riesiges Schild, auf dem steht ‚Haustürschlüssel, für alle die ich eingeschlossen habe‘ – wieso habe ich das nicht gleich gesehen?“
„Tschüss Skye!“
„Hey, warte! Du lässt mich alleine?!“
„Du bist in Changmins Wohnung eingeschlossen. Du hast zu essen, zu trinken und fließend Wasser – ich denke es könnte schlimmer um dich stehen. Irgendwann kommt er schon zurück aus China.“
„Was?! China?!“ Skye dachte sie hörte nicht richtig, doch Kyuhyun gab keine Antwort mehr.
„Was? Du hast ihr gesagt, er ist nach China?“ Leeteuk war geschockt, Heechul amüsiert.
„Sie steht da drinnen und zickt rum. Sie hat es verdient“, sagte der Sänger gelassen.
„Vielleicht hat sie Angst!“, verteidigte Eunhyuk Skyes Verhalten.
„So ein Quatsch.“
Leeteuk und Eunhyuk hingegen hatten Mitleid mit der Assistentin und machten sich selbst auf den Weg zu Changmins Wohnung.
„Hi Skye, wie geht es dir?“, rief Leeteuk.
„Ich bin beim zweiten Glas Wein, alles ist gut“, rief sie zurück. Sie hatte auch die Idee gehabt über die Feuerleiter runter zu kommen, aber die Fenster ließen sich nicht öffnen. Das hing wohl alles zusammen mit der Schließanlage. Auch der Sicherheitsmann hatte keine Ersatzschlüssel zu den Wohnungen.
„Brauchst du etwas?“, wollte Eunhyuk wissen.
„Oh, eine Zahnbürste wäre gut“, rief Skye zurück. Eunhyuk schaute zum Türschlitz.
„Du verarschst mich, oder?“
„Wer hat denn angefangen?!“
Leeteuk fing an zu lachen, doch Eunhyuk war am Schmollen.
„Klugscheißer“, murmelte er.
Die beiden gingen wieder zurück und sagten Skye, dass wenn etwas war, sie anrufen sollte.
So fand sie sich mit ihrem Schicksal ab. Sie hatte sich einen Jogginganzug von Changmin genommen, der ihr enorm zu groß war, doch es war bequemer, als die Jeans, die sie vorher angehabt hatte und ihre Sportklamotten waren durchgeschwitzt. In einer Decke eingemurmelt hatte sie sich vor den Fernseher gesetzt, bis um 22 Uhr Changmin anrief.
„Hi Skye, du hattest angerufen?“
„Du hast mich eingeschlossen!“
Darüber musste er einen Moment nachdenken.
„Oh.“
„Ja, oh! Und die Fenster sind auch verschlossen! Ich habe Kyuhyun gefragt, doch er hat auch keinen Schlüssel.“
„Mia hat einen Schlüssel.“
„Oh“, machte nun Skye. Daran hatte sie nicht gedacht, aber jetzt, als sie darüber nachdachte, machte es schon Sinn.
„Ist nicht schlimm, ich bin fahre jetzt los.“
„Oppa … ich habe dein Essen gegessen…“
„Was?!“
Bei Essen hörte die Freundschaft auf.
„Sorry. Wenn du einkaufen gehst, koche ich dir was.“
Das war ein Wort! Skye schickte Changmin was sie brauchte und setzte sich wieder vor dem Fernseher.
„Also du hast komische Einkaufswünsche … ist das mein Jogginganzug?“
Changmin kam gerade zur Tür rein, bewaffnet mit drei Einkaufstüten. Die Amerikanerin schaute an sich hinab.
„Ja“, bestätigte sie ihm. „Du hast coole Boxershorts.“
„Du hast in meiner Unterwäsche gewühlt?!“
„Du hast mich eingeschlossen! Und ich war auf der Suche nach bequemen Klamotten.“
Changmin schüttelte den Kopf. Die Eingeschlossen-Karte würde sie jetzt eine Weile ausspielen, dass wusste er genau. Skye nahm sich eine Pfanne und briet die Hähnchenbrust an. Dazu hatte er Baguettes geholt und Skye hatte hier sehr genau definiert, wo er die Baguettes holen sollte. Als die Hähnchenbrust fertig war schnitt sie die Baguettes auf, verteilte die Hähnchenbrust, belegte es mit Salat, Tomaten und Käse und steckte es in den Ofen. Nachdem der Käse geschmolzen war, machte Skye noch Cocktailsoße auf das Baguette und schnitt es in handliche Stücke.
„Sehr lecker!“, lobte Changmin, schaute aber zu den Einkaufstüten. Er hatte viel mehr eingekauft.
„Für was ist der Rest?“
„Ach, das ist für mich, aber ich dachte, wenn du schon einkaufen bist, kannst du für mich mit einkaufen.“
Der Sänger lachte fröhlich auf. „Du bist unmöglich!“
„Entschuldige, du hast mich eingeschlossen – wie hätte ich denn einkaufen gehen sollen?“
„Das bekomme ich noch eine Weile zu hören, oder?“
„Jup.“