Gegen 1 Uhr schrieb sie Nikolai. Sie erwartete nicht, dass er auf Skye wartete, dass er extra wegen ihr aufblieb und zuerst schrieb er auch nicht zurück. Die Amerikanerin starrte so lange auf ihr Handy, bis es ihr lächerlich vorkam. Ja, der Sex war toll, aber nicht so toll, dass sie sich zum Idioten machte. Gerade als sie das Handy wieder wegpacken wollte, vibrierte es.
‚Na komm schon her‘, schrieb er zurück.
Skye verabschiedete sich von ihren Freunden. Lisa wünschte ihr viel Spaß und grinste dabei mehr als frech.
Vor dem Club standen genug Taxis und Skye nahm sich eines davon.
Als sie vor der Kampfschule ausstieg zögerte sie. Konnte sie das wirklich tun? Also … wieder? Vorgestern war eine Kurzschlussreaktion, doch jetzt wusste sie genau in was sie reinlief. Nein, eigentlich wusste sie das nicht. Sie wusste nicht welche Erwartungen Nikolai an sie hatte. Wollte er nur eine unbeschwerte Zeit haben oder mehr? Er machte auf sie nicht den Eindruck wie jemand der viele One Night Stands hatte, eher wie jemand, der sich um alles viel zu viele Gedanken machte, als irgendwo blindlings reinzulaufen. Doch konnte sie seine Erwartungen erfüllen? Jongin loslassen? Würde sie Nikolai nicht nur ausnutzen, um sich abzulenken? Viel zu viele Fragen schwirrten in ihrem Kopf und sie stand kurz davor weg zu gehen, sich ein Taxi zu suchen und nach Hause zu fahren, als im Flur das Licht anging, gefolgt von Schritten.
Nur ein paar Momente später öffnete Nikolai die Tür und lächelte.
„Ich dachte doch ich hätte etwas gehört … wieso stehst du hier draußen?“
„Ich .. ehm .. habe nur schnell die Emails gecheckt“, erklärte sie lächelnd und hielt ihr Handy hoch.
Nikolai streckte die Hand nach ihr aus und ihre Finger schlossen sich ineinander, als sie gemeinsam zu seiner Wohnung in den 5. Stock gingen. Er hatte mehr oder minder eine Einzimmerwohnung, direkt unter dem Dach mit Schrägen und Balken. Alles war sehr minimalistisch. Er hatte ein Tisch zum knien und diese Stühle ohne Beine. In der Mitte an der Wand war eine große Liegewiese, die wohl Bett und Couch zugleich war. Zwei Türen fand sie, die eine führte wohl zum Bad und die andere zum Kleiderschrank?
„Du wohnst noch nicht lange hier?“, fragte sie, als sie sich umschaute und dabei die Pumps auszog.
„Eigentlich schon“, erwiderte er grinsend. „Ich habe es nicht so mit Schnickschnack, ich konzentriere mich lieber auf die wesentlichen Dinge.“
So waren Männer. Frauen brauchten Vorhänge, Zierkissen und Platzdeckchen. Er ging zum Kühlschrank und holte Käsewürfel heraus und auf der Küchenzeile lag ein Baguette, dass sehr Französisch aussah.
„Ich dachte mir du hast vielleicht Hunger…“
Definitiv kein Typ für One Night Stands! Er hatte auch eine Flasche Rotwein und so setzten sie sich an den Tisch und aßen.
„Warte, du hast BTS Vs Tante reanimiert?“, fragte er ungläubig.
„Ja, ich war früher Sanitäter, es gibt Dinge, die kriegt man nicht raus.“
Er nickte nachdenklich.
„Du bist viel stärker, als du dir selbst eingestehst.“
„Aber nur weil ich muss. Manchmal wünschte ich, dass das Leben einfacherer wäre.“
„Dann wäre es nicht lebenswert. Du hast schweres erlebt, Dinge, bei denen du nur hilflos danebenstehen konntest, doch dann hat jemand versucht dich umzubringen und du hast gekämpft, du hast nicht aufgegeben, obwohl Aufgeben viel einfacherer gewesen wäre. Du bist ein Kämpfer.“
Sie sah die Ehrlichkeit seiner Worte in seinen Augen. Vielleicht war er ein besserer Therapeut als Frau Choi.
„Tanzt du?“, fragte Skye völlig aus dem Zusammenhang gerissen.
„Mit einer schönen Frau? Natürlich“, erwiderte er grinsend und legte Musik auf. Es war Kuschel-Pop-Rock und er hielt Skye die Hand entgegen und sie stand auf. Er war beim Tanzen selbstbewusster als Seunghyun und führte tatsächlich. Allerdings dauerte es auch nicht lange, da gingen seine Hände auf Wanderschaft und dann seine Lippen.
Es war 4 Uhr, als Skye ins Bad ging. Sie hatte überlegt nach Hause zu fahren, doch dann sah sie im Badezimmer eine eingepackte Zahnbürste, Zahnpasta, Abschminktücher und Gesichtscreme.
„Ist das ein Wink mit dem Zaunpfahl?“, rief sie und als er den Kopf durch die Tür steckte grinste er.
„Es heißt du bist herzlich willkommen“, erwiderte er und Skye begann sich bettfertig zu machen. Natürlich hatte sie keine Wechselklamotten dabei, doch im Moment war ihr noch viel zu heiß um zu frieren.
EXO würden gegen 11:35 landen, Skye konnte also entspannt bis 9 Uhr schlafen. Nikolais Wecker hingegen klingelte bereits um 7 Uhr. Skye murrte, weil sie dachte, es wäre ihr Wecker.
„Schlaf noch“, flüsterte er ihr zu und küsste ihre Stirn. Sie hatte keine Ahnung wo er um diese Uhrzeit hin musste, seine Arbeit war doch hier im Haus, aber noch bevor sie fragen konnte, war sie auch schon wieder eingeschlafen.
Um 9 Uhr stand nun auch sie auf und ging schnell duschen. An der Kaffeemaschine hing ein Post It mit Smilie und sie beschloss, dass sie genug Zeit hatte für einen Kaffee. Wieder schaute sie sich in der Wohnung um. Nikolai. Noch war es so schön unkompliziert.
Skye zog sich wieder ihr Partyoutfit an und wollte die Tür öffnen. Nur das diese sich nicht öffnen ließ. Die Assistentin versuchte es noch mit etwas mehr Gewalt, manche Türen klemmten einfach, aber nein, diese war verschlossen. Leichte Panik setzt ein. War sie doch an einen Serienkiller geraten? Oder gar einem Kannibalen? Keiner wusste wo sie war, Lisa hatte sie nicht verraten wer ihr Liebhaber war und niemand sonst wusste wo sie war. Sie stürzte sich auf ihre Handtasche, wenn ihr ein guter Serienmörder war, hätte er ihr Handy mitgenommen. Erleichtert stellte sie fest, dass das noch in ihrer Handtasche war.
„Guten Morgen“, sagte Nikolai am Telefon fröhlich.
„Hast du die Wohnungstür abgeschlossen?“
Stille. Dann hörte sich russisches Gefluche.
„Entschuldige, das ist eine Gewohnheit.“
„Wo bist du denn?“
„In Suwon, wir haben hier in einen Sporttag in einer Schule.“
Na super.
„Aber ich habe einen Ersatzschlüssel.“
Er lotste sie durch seine Wohnung und Skye fand zwar einen Schlüssel, aber der war total verbogen.
„Du Kolya … ich glaube nicht, dass der funktioniert.“
„Kolya?“, fragte er amüsiert.
„Das ist doch die Kurzform von Nikolai, oder?“
In Russland waren Kurzformen anders als woanders. Nikolai würde man eigentlich mit Nico abkürzen, doch in Russland war es Kolya oder Dimitri war nicht Dimi, sondern Dimka oder Dima. Verstand einer die Russen…
„Ja, das ist es“, erwiderte er und verunsicherte Skye damit.
„Oder … sind wir da noch nicht? Also bei den Kurznamen … ich kann auch weiterhin Nikolai sagen.“
„Alles gut, wobei ich es mag wie du meinen Namen sagst…“
Flirt-Modus on. Dabei hatte Skye ganz andere Probleme.
„Also der Schlüssel … kannst du vergessen … total verbogen. Was hast du … vergesse es, ich will es nicht wissen…“
Er lachte fröhlich, grübelte aber dann.
„Meinst du ich kann die Tür eintreten?“, fragte Skye und schätze ihre Chancen bei dem Kampf Skye vs Tür ab.
„Nein, tue es bitte nicht. Ich kann kommen, aber es wird dauern. Essen und Trinken ist noch genug da.“
„Darum geht es nicht, ich muss EXO vom Flughafen abholen.“
Wieso schloss sie auch jeder in seiner Wohnung ein? Erst Changmin, jetzt Nikolai.
Bis Skye den Schlüsseldienst anrief war es fast 10 Uhr und der war am Telefon so ‚Joa … ich komme dann mal so schnell es geht …‘. Bei SME rief sie an und sagte dem Fahrer, dass er sie nicht Zuhause, sondern bei Nikolai abholen sollte, wobei sie ihn darauf vorbereitete ohne sie zu fahren, weil sie in einer Wohnung eingeschlossen war. Sie hätte gerne sein Gesicht gesehen.
Der Fahrer hatte sie angerufen, als er unten angekommen war. Skye stand am Fenster und rauchte eine, als es an der Tür klopfte. Es war 10:33 Uhr.
„Hallo? Frau Jones?“
„Ja, ich bin hier drinnen!“
„Sie haben nicht gesagt, dass das ein Sicherheitsschloss ist. Ich bin schnell hierhergefahren und habe nicht alles an Werkzeug dabei. Wieso haben Sie mir das nicht gesagt?“
Noch eine doofe Frage und Skye würde diese Tür tatsächlich eintreten.
„Sehe ich so aus, als würde ich erkenne, ob es ein Sicherheitsschloss ist oder nicht?!“
„Ich weiß nicht wie sie aussehen…“, sagte er altklug und Skye atmete tief durch.
Es hatte alles keinen Sinn und sie schickte den Fahrer alleine zum Flughafen. Nikolai entschuldigte sich Tausend Mal. Sie war nicht sauer auf ihn, so etwas musste nur immer dann passieren, wenn man es nicht brauchte. Eigentlich war es Karmas Schuld. Gut, dass sie Karma jetzt kannte.
Um 12 Uhr war sie endlich befreit und sie nahm sich ein Taxi direkt zu SME. EXO hatten ein kurzes Meeting mit dem Marketing wegen dem Comeback und Skye würde hier wieder auf sie stoßen.
Fast schon hatte sie das Gefühl die Kurve gekriegt zu haben, als ihr Seunghwan begegnete – wir erinnern uns, der Manager, der Skye noch weniger leiden konnte als Youngjun. Fragend schaute er sie an.
„Wie kannst du EXO abholen und gleichzeitig hier sein?“
„I’m the Flash“, antwortete sie und ging schnell weiter bevor er noch etwas sagen konnte.
EXO tauchten keine 10 Minuten später auf und viele drückten Skye.
„Wow! Du hast dich aber schick für uns gemacht!“, lobte Sehun, doch Chen rollte nur die Augen.
„Das hat sie seit gestern Abend an, hier ein Bild mit ihr und Lisa …die Frage ist nur: Wieso hast du das noch immer an?“
Eines Tages würde sie ihm den Mund zu tackern.
„Ich war die ganze Nacht gefangen in der Wohnung eines Serienmörders, der mich dort eingeschlossen hatte. Aber keine Sorge, mir geht es gut. Der Ninja in mir hat die Tür aufgetreten und konnte flüchten.“
Chanyeol und Chen fingen fröhlich an zu lachen und selbst Bae grinste. Jongin hingegen ließ das alles unkommentiert und begrüßte sie noch nicht einmal richtig.
Das Meeting dauerte fast zwei Stunden. Das Konzept war cool, urban, etwas Hiphop und viel Kayal war im Spiel, aber gut. Die Timeline wurden gesetzt und eigentlich musste alles fertig sein, bis sie nächste Woche nach Bangkok flogen und von dort aus dann nach Korsika für das Fotoalbum.
Jongin, Chen, Baekhyun, Chanyeol und Suho gingen nach dem Meeting ins Aufnahmestudio und Skye empfand es als nett, wenn sie als Assistentin mitkam und schaute, ob ihre Schützlinge etwas brauchten. Doch erst musste sie sich etwas anziehen. Sie fand eine Haremshose unten im Keller und suchte dann nach Sandalen. Schön, dass sie eine Standardschuhgröße in Korea hatte: 37.
Umgezogen ging sie hoch ins Studio. Chen grinste sie an.
„Ich fand den Rock besser.“
„Geh arbeiten!“, erwiderte sie lachend und setzte sich im Schneidersitz auf die Couch, um die Mails zu checken.
Nikolai hatte ihr geschrieben und 1000 Mal entschuldigt – und er hatte versprochen es wieder gut zu machen. Skye hoffte nur, dass er es nicht heute Nacht wieder gut machen würde, irgendwann musste sie mal schlafen.
Irgendwann saß Skye nicht mehr, sondern lag, denn so Aufnahmen waren ein ganz schön langer Prozess. Dazu kam, dass sie anfing rein zu singen, in diesem jamaikanischen Slang, bis irgendwann Suho und Chanyeol unbewusst genauso sangen wie Skye.
„Ich mag es“, sagte Suho zufrieden. „Es groovt.“
„Es wird der Sommersong, es muss grooven“, erwiderte Skye.
„Hast du sonst noch Ideen?“, fragte der Tontechniker.
„Kann ich dich mal kurz sprechen?“, unterbracht sie aber Jongin, bevor sie etwas erwidern konnte.
Gemeinsam gingen sie vor das Aufnahmestudio. Er sah nicht glücklich aus.
„What’s up?“
„Kannst du mal versuchen nicht alles an dich zu reißen?“
Das kam für Skye überraschend.
„Was meinst du?“
„Musst du dich in den Song einmischen? Machst du dich lustig über mich?“
„Nein! Der Song ist toll!“
„Dann lass ihn doch wie er ist!“
„Whatever…“
Sie drehte sich um und ging davon. Noch vor ein paar Wochen hatte er sich gar nicht zugetraut selbst Songs zu produzieren und nun dachte er, dass er alles alleine machen konnte? Wenn man zusammenarbeitete konnte es doch nur besser werden und Skye wollte den Song mit Sicherheit nicht kaputtmachen. Wieso war er plötzlich so aufgescheucht? Sie wurde einfach nicht schlau aus ihm. Erst ist er süß, dann ein Arsch, dann wieder süß und dann ein Super-Arsch. Das Ding war, dass sie nichts tat! Sie tat nichts und er war süß und sie tat nichts und er war motzig.
„Pussy…“, murmelte sie und ging die Cafeteria.
Changmin saß an einem Tisch und hatte etwas zu essen. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie kein Frühstück gehabt hatte und ihr Magen hin irgendwo zwischen den Beinen.
„Hi, bleibst du noch? Kann ich mich dazu setzen?“, fragte sie ihn.
„Na klar.“
Heute hatte jemand den Wok ausgepackt, denn es gab Hühnchen mit Nudeln und Gemüse.
„War das letztens deine Freundin?“, erkundigte sich Skye beiläufig. Gerne hätte sie ihm auf’s Auge gedrückt, dass man sie schon wieder in einer Wohnung eingeschlossen hatte, aber es kursierten schon genug Gerüchte.
„Nein, das war meine Yogatrainerin“, erwiderte der Sänger ganz gelassen und Skye erstickte fast an einer Nudel, was Changmin zum Lachen brachte.
„Du von allen Menschen willst mir jetzt keine Standpredigt halten, oder?“
„Wie meinst du das?“
„Der Schwede und … der Russe? Und Taehyung und Taeyong …“
Wenigsten hatte einer mal verstanden, dass Fynn kein Finne war.
„Also Taeyong war nichts Ernstes und Taehyung und ich sind nur Freunde.“
„Bleiben der Russe und der Schwede.“
„Der Russe ist gut … wenn ich nicht so vorbelastet wäre, würde ich sogar behaupten, dass es etwas werden könnte …“
Sie dachte an das Essen und den Wein heute Nacht und an die Badutensilien, die er ihr zu Recht gelegt hatte und an sich verstanden sie sich gut. Meistens brauchten sie nicht viele Worte, aber Skye hatte bei ihm auch nicht das Gefühl die Stille mit Worten füllen zu müssen. Andererseits hatte sie das bei Jongin auch nicht und wie das geendet hat sah man jetzt.
„Ach hör auf, so vorbelastet bist du nicht und so verrückt bist du auch nicht. Ich denke neben den ganzen Idols bist du sogar noch recht normal.“
Skye starrte ihn mit offenem Mund an.
„Hast du gerade gesagt ich wäre normal?!“
Das war etwas, was sie recht selten zu hören bekam.
„Ja … außer das mit der Insel … das ist ziemlich heftig – aber cool heftig. Nimmst du mich das nächste Mal mit?“
„Klar“, erwiderte sie lachend. Ja, ja, ihr Inselchen.
„Aber … also ich weiß du hast viel Geld, aber ist so eine Insel nicht teuer? Also auch die ganzen Anschaffungen?“
Skye grübelte, sie hatte ihre Finanzen ganz gut im Blick.
„Also, die Anschaffung lag bei umgerechnet 6 Millionen Dollar – ich kenne Wohnungen in Seoul die teurer sind.“
„Ich kenne einige Wohnungen, die sehr viel teurer sind“, erwiderte Changmin.
„Gute, ich habe ein Haupthaus und diverse Gästehäuser und die Häuser von den Angestellten, aber ernsthaft, auf Fiji ein Haus zu bauen ist nicht zu vergleichen mit hier. Wir haben eine Aufbereitungsanlage für Wasser und wir produzieren eigenen Strom mit Wind, Wasser und Sonne – irgendwas davon geht immer. Wir züchten Palmen und verkaufen sie auch. Also alles in allem hat die Insel vielleicht … 9 Millionen Dollar gekostet.“
„Ich kenne immer noch Wohnungen in Seoul die teurer sind“, meinte Changmin wieder und grinste.
„Eben. Und okay, ich habe halt zwölf Leute, die immer auf der Insel arbeiten, aber ich zahle denen schon das doppelte Gehalt, von dem was auf Fiji normal wäre und für unsere Verhältnisse ist das immer noch ein Witz. Und wir haben auch verschiedene Forschungsprojekte ab und an auf der Insel, überwiegend Meeresbiologen – das lässt sich gut von der Steuer absetzen.“
Changmin nickte nachdenklich.
„Siehst du, du bist sehr gut organisiert und weißt genau was du tust. Das ist sehr außergewöhnlich, weil du noch sehr jung bist und Leute, die überraschend an Geld kommen, oft damit nicht umgehen können.“
„Apropos … woher weißt du von dem Schweden und dem Russen?“
Changmin fing fröhlich an zu lachen.
„Du wohnst im Big Brother Haus. Du hast du nicht wirklich erwartet, dass etwas geheim bleibt oder?“
Toll, ganz toll.
Zu ihrer Überraschung sang Chanyeol genauso ein, wie sie vorhin so scherzhaft gesungen hatte und was fast dazu geführt hatte, dass Jongin sie einen Kopf kleiner gemacht hätte. Sie schaute von Chanyeol zu Jongin und schwor sich nicht zu lachen. Sie durfte nicht lachen, Jongin würde das nicht wegstecken. Er würde nur noch sauerer werden. Aber wenn selbst Changmin von Fynn und Nikolai wusste, dann wusste Jongin vielleicht auch davon. Aber selbst wenn! Er hatte ihr alles Mögliche vorgeworfen. Dinge, die sie sich von niemanden vorwerfen lassen musste. Sollte er doch wissen, dass andere noch Interesse an ihr hatten.
Ihre Blicke trafen sich. Skye biss sich auf die Lippe bis sie Blut schmeckte. Gerne hätte sie so etwas gesagt wie ‚Hört sich super an, wessen Idee war das‘, aber sie ließ es einfach bleiben. Tatsächlich stellte sie das Tablett ab und wand sich zum Gehen.
„Wo gehst du…?“, fing Chen an, doch ehe er sich versah, war sie auch schon wieder aus der Tür draußen. Ein verständnisloser Blick traf Jongin.
„Was?“, blaffte er seinen Kollegen an.
„Muss das wirklich sein, dass du so mit ihr umgehst? Was hat sie denn getan um alles in der Welt?“
„Das ist eine Sache zwischen mir und ihr“, erwiderte Jongin aufgebracht.
„Nicht, wenn sie unsere Assistentin ist“, mischte sich nun Chanyeol ein, der aus der Kammer kam. Die beiden Tontechniker tauschten nur einen Blick aus und sagten, dass sie 15 Minuten Pause machen würden und ließen die Bandmitglieder alleine.
„Also? Hat sie deinen Hund umgebracht oder wieso bist du so sauer auf sie?“, fragte Suho.
„Du kannst nicht so mit ihr umgehen und davon ausgehen, dass wir es nicht sehen. Wir müssen jeden Tag mit euch umgehen und wenn sie etwas getan hat, was das Wohl der Band gefährden könnte, dann müssen wir es wissen.“
Jongin lief aufgebracht in dem Studio umher.
„Sie hat Jiyong geheiratet!“
„Was?!“, kam es von allen anderen gleichzeitig.
„Als sie in Vegas waren, kurz bevor wir zum Presse-Pärchen wurden. Sie hat das mit uns nur getan, weil sie von sich und Jiyong ablenken wollte.“
„Na ja du hast es am Anfang nur getan, weil du Krystal los werden wolltest“, warf Chen schulterzuckend ein.
„Warte … sie ist mit Jiyong verheiratet?“, fragte Suho sicherheitshalber nach.
„Nein, sie sind geschieden.“
Nun verstand keiner mehr was los war und er erzählte ihnen die Geschichte.
„Okay, nur damit ich mitkomme. Bist du a) sauer, weil sie Jiyong geheiratet hat, oder es b) dir nicht erzählt hat oder c) deine Träume einer perfekten Ehe zerstört hat?“, erkundigte sich Chen.
„Vielleicht von allem ein wenig“, erwiderte Jongin.
„Ja, aber was hat das denn mit euch zu tun? Sie waren betrunken und haben geheiratet. Okay. Sie waren schließlich ja auch zusammen – bis du kamst. Eigentlich hast du sie Jiyong ausgespannt. Und ja, sie hat dir davon nichts erzählt, aber das ist auch nicht gerade der Gesprächsstoff für zwei frisch Verliebte. ‚Ach, nur das du Bescheid weißt, ich habe meinen Ex geheiratet, aber wir lassen uns gerade scheiden‘. Wirklich? Jeder macht Dinge auf die er nicht stolz ist und natürlich will man die nicht jedem auf die Nase binden“, kam es von Chanyeol.
„Aber ich bin nicht jeder! Ich war ihr Freund! Ich habe sie geliebt!“
„Ja, aber das heißt nicht, dass sie vor dir nicht geliebt hat. Als ihr zum Pressepaar wurdet, war das nicht deine Sache und dann seid ihr zusammengekommen und wie erzählt man so etwas dann?“, wollte Suho wissen.
„Das ist ja nicht das einzige. Ihre ganze Identität war gelogen. Ihr Name, das Geld!“
„Mein Gott! Du liebst doch die Frau, nicht den Namen und du hast dich in sie verliebt, bevor du wusstest, dass sie Geld hat, also was juckt es dich! Du hast genug Geld! Oder stört es dich, dass sie mehr hat als du?“, fragte Chen.
„Darum geht es nicht! Es geht ums Prinzip!“
„Dein Prinzip ist Scheiße, wenn du dafür die Frau, die du liebst, gehen lässt“, waren Chens abschließenden Worte, bevor auch er das Studio verließ.
Zuhause angekommen fing sie an zu packen. Sie konnte hier nicht bleiben, nicht mit all den Augen und Ohren, es machte sie wahnsinnig. Und ständig war jemand bei ihr. Als hätten sie Angst sie alleine zu lassen.
Sie hievte ihren Koffer in ihr Auto, stieg ein und …. stockte. Wo wollte sie hin? Darüber hatte sie sich bisher noch gar keine Gedanken gemacht. Sie wusste das Jiyong mehrere Wohnungen hatte und sie ging sogar davon aus, dass er ihr eine überlassen würde, doch dann … es war Jiyong. Wer wusste schon, ob er Kameras installiert hatte? Sie ging auch davon aus, dass Seunghyun sie aufnehmen würde, doch sie wollte mal ihre Ruhe. Sie wollte nicht direkt gefunden werden. Sie könnte in ein Hotel, aber auch das konnte man zu leicht nachvollziehen. Skye spielte tatsächlich mit dem Gedanken zu Noah zu gehen, doch irgendwie hatte sie mehr Angst vor seinen nächtlichen Besuchern, als es wohl anders herum der Fall sein würde.
Die Frau starrte das Lenkrad an, als sie sich an etwas erinnerte, was Mia ihr einmal gesagt hatte.
Der Mann hinter dem Counter schaute zu Skye und tippte dann etwas in sein System ein.
„Ja, wie wollen Sie zahlen?“
„Bar, im Voraus.“
Da wollte er dann auch keinen Ausweis mehr sehen.
„Sie ist nicht Zuhause. Ihr Auto ist weg, ihr Handy ist aus und Jin sagt er hat sie mit einem Koffer gesehen.“
Jin schon wieder. Er war wie diese Omis, die den ganzen Tag am Fenster hockten und die Nachbarschaft beobachteten.
„Was habt ihr getan?“
„Wieso denkst du gleich, dass wir etwas getan haben?“, fragte Suho.
„Ich war ein Wochenende nicht da. Ein einziges – und ihr übrigens auch nicht – also erklärt mir, wie ihr es in ein paar Stunden geschafft habt eure Assistentin zu vergraulen?“
Die beiden Sänger tauschten verzweifelte Blick aus.
„Jongin war es!“, kam es gleichzeitig von beiden und Mia gab dafür beiden einen Klaps auf den Hinterkopf.
„Schlechte Bandkollegen! Ihr habt gefälligst zusammen zu halten!“
Das Zimmer hatte kaum mehr als 4qm – aber immerhin ein Badezimmer, in dem man gleichzeitig duschen, auf die Toilette gehen und sich die Zähne putzen konnte. Skyes Koffer beschlagnahmte den Großteil des freien Bodens. Es war besser als im Auto zu schlafen und sie hatte einen Fernseher. Dafür kein Fenster, aber manchmal konnte man nicht alles haben.
Nachdem Skye ‚eingezogen‘ war, stürzte sie sich in das Shopping-Viertel. Ihr Handy war aus, es lag sogar im Gästehaus. Skye liebte Myeongdong. Selbst aus Ausländerin mit Einhorn-Haaren ging sie total in der Menge unter. Niemand schenkte ihr große Beachtung. Ab nachmittags kamen die Streetfoodstände angerollte und verteilten sich auf den beiden Hauptstraßen, die durch das Fußgängerviertel führten. Überall roch es nach Essen und in den Seitenstraßen gab es, neben den großen Kosmetikmarken, viele kleinere Geschäfte zu erkunden. Von überall her drang Musik und die Händler priesen ihre Waren an.
Zuerst hatte sie sich Garnelen gegönnt, mit Butter und Knoblauch gegrillt. Sie waren so lecker! Und nun hatte sie sich ein Hotteok geholt und beobachtete die Leute. Myeongdong war das perfekte Versteck. Niemand würde sie hier finden. Und sie müsste Myeongdong niemals verlassen. Hier gab es alles was sie brauchte. Essen, Bars, Cafes, Klamotten, Kosmetik und Massagen. Sie wollte Nikolai Bescheid geben, aber sie hatte zu viel Angst davor ihr Handy an zu machen. Morgen würde sie sich eine neue Sim karte holen. Ihre Kontakte waren ohnehin auf dem Laptop gespeichert. Danke Mac. Dann würde sie ihm Bescheid geben, aber heute, heute wollte sie nur mit sich alleine sein … und Tausenden anderen, die die Straßen von Myeongdong unsicher machten.