Es war fast 2 Uhr, bis Skye wieder bei Nikolai ankam. Der Weg zu ihm war auf jeden Fall kürzer als nach Myeongdong und wenn sie heute Nacht wieder im Nebenzimmer ein schnarchendes Monster gefunden hätte, hätte sie für nichts mehr garantieren können.
Nikolai lag auf dem Bett und hatte ein Buch in der Hand. Ein Mann. Der ein Buch in der Hand hatte. Das passierte nicht allzu häufig heutzutage und es beeindruckte Skye ein wenig.
„Was liest du?“, fragte sie und legte sich zu ihm.
„Einen Krimi“, erwiderte er und legte das Buch zur Seite.
„Wie man eine Frau am besten kidnapped, indem man sie in seiner Wohnung einschließt?“, fragte Skye grinsend.
„Hätte fast geklappt“, erwiderte Nikolai und zog sie in seine Arme.
Skyes Organisation war noch nicht so gut, denn sie hatte natürlich keine Wechselklamotten dabei. Als sie am nächsten Morgen aufstand, überlegte sie nach Myeongdong zu fahren, entschied sich dann aber doch für das Loft.
Taehyung kam ihr auf der Treppe zu ihrem Apartment entgegen und fing an zu strahlen.
„Bist du wieder Zuhause?“
„Nein, ich hole nur Klamotten“, erwiderte die Amerikanerin und sein Lächeln erstarb.
„Aber Skye …“
„Schatz, es ist im Moment besser so, vertraue mir da einfach“, unterbrach sie ihn und nahm sein Gesicht in ihre Hände.
„Sag mir lieber, wie es deiner Tante geht.“
„Gut, gestern durfte sie nach Hause.“
„Das freut mich“, sagte Skye lächelnd und ging hoch in ihr Apartment, um sich umzuziehen.
Sie schaute sich in ihren vier Wänden um und vermisste es. Nicht nur, dass sie sich viel Mühe mit dem Einrichten gegeben hatte, sie hatte sie tatsächlich an die Wohnung gewöhnt. Mit dem Guesthouse Myeongdong war es natürlich nicht zu vergleichen, da hatte ihr Badezimmer hier ja mehr Komfort. Doch wie sie Taehyung sagte, im Moment war es besser so. Sie hatte ihr Mini-Zimmer für eine Woche gemietet und dann würde sie weiterschauen. Generell war sie schon gerne in der Nähe, es war einfacherer. Deswegen wohnten viele Manager auch bei ihren Bands. Dazu kam, dass sie es genoss abends mit den Idols zusammen zu sitzen. Andererseits waren die Abende mit Kolya im Moment auch nicht so schlecht.
Sie machte sich fertig und warf ihrer Wohnung noch einen letzten Blick zu, bevor sie die Tür wieder schloss.
„Hey Skye, bist du wieder eingezogen?“, fragte nun Namjoon, der ihr entgegenkam.
„Nein!“
Der Arme wusste gar nicht was er gemacht hatte, um so angeblafft zu werden, doch Skye hatte das Gefühl, dass je öfters sie das jemand fragte, umso schlechter standen die Chancen, dass sie in der nächsten Zeit zurückziehen würde.
„Sie sehen verärgert aus“, meinte Frau Choi. Heute hatte Skye recht früh ihre Therapie. Schon unter normalen Umständen war sie nicht besonders ein Morgenmensch. Vielleicht sollte sie die nächste Sitzung wieder auf abends schieben.
„Bin ich nicht“, sagte Skye, schnippischer als gewollt.
„Entschuldigung.“
„Ich habe Ihren Rat befolgt, ich bin ausgezogen“, erzählte Skye.
„Das ist das, was Sie wollten.“
„Ich weiß.“
„Sie haben gesagt, Sie sind gut darin alleine zu sein.“
„Hören Sie auf mir zu sagen, was ich gesagt habe.“ Skye sprach wieder ruhig, aber es war klar, dass sie genervt war.
„Alles klar … also wieso sind Sie so sauer?“
„Bin ich nicht“, sagten Skye langsam und Frau Choi lachte kurz.
„Also, wie ist es? Alleine zu sein, meine ich. “
„Es war okay. Ich habe mir etwas zu essen geholt, habe ein Buch gelesen, bin schlafen gegangen … es war ein guter Rat… ich wurde etwas … sie haben mich alleine gelassen. “ Skye musste selbst über ihr eigenes Empfinden grübeln. Ja, an dem Abend vorgestern in Myeongdong hatte sie das Gefühl gehabt alleine zu sein, nur dass das bisher nie etwas Schlimmes gewesen war.
„Sie haben gesagt, dass erste an das Sie sich erinnert haben war-“ Etwas später in der Sitzung.
„Kälte“, beendete Skye den Satz von Frau Choi. „Alles tat weh.“
„Eigentlich haben Sie gesagt ‚Menschen‘, Sie haben gesagt alle waren da.“
Skye mochte es nicht in ihrer eigenen Geschichte korrigiert zu werden.
„Ja, alle waren da. Jedes Mal, wenn ich die Augen geöffnet habe, war jemand da. Jongin war da, Baekhyun, Mia und Donghae.“
„Sie waren da, um zu helfen.“
„Sie waren da, weil sie sich Sorgen gemacht haben.“
„Skye, wie war es für Sie im Krankenhaus? Verletzt, ohne wirklich zu wissen was passiert war.“
„Beschissen.“
„Sie benutzen dieses Wort oft, können Sie es anders beschreiben?“, wollte Frau Choi wissen und Skye rang kurz nach Worten.
„Ich weiß nicht, verletzlich, schutzlos, allein…“
„Aber Sie waren nicht alleine. Alle waren da.“
Skye spielte mit den Tic-Toc Bällen, diese, wenn man einen anstieß der letzte in der Reihe ansprang, weil die Energie durch die anderen Bälle durchgeleitet wurde.
„Alle waren da, um Sie zu unterstützen. Ich frage also noch einmal: Wie hat es sich für Sie angefühlt?“
„Ja … beschissen ist wirklich das beste Wort dafür“, entschied die Amerikanerin.
Eigentlich war der Tag schon gelaufen. Es war kaum 11 Uhr und Skye fühlte sich, als wäre ihr Gehirn flüssig geworden und würde gleich aus der Nase tropfen.
EXO waren im Tanztraining und sie kamen gut voran. Inzwischen waren sie beim Ende des Songs von der Choreo angekommen, jetzt musste man nur alle Teile zusammenfügen, die Formationsänderungen einbauen und schauen, dass alle synchron wie Roboter waren. Piece of Cake!
Skye ging heute in ein Büro um sich um die Verwaltung zu kümmern, denn sie musste sich tatsächlich konzentrieren. Morgen war das Fotoshooting für die Teaserbilder für’s Comeback angesetzt. Skye musste Rücksprache halten mit allen Firmen die involviert waren – und das waren einige. Outfits, Uhrzeit, Essen, Stylisten, alles musste genau aufeinander abgestimmt sein.
Das beschäftigte sie gut drei Stunden und danach war sie noch fertiger, als nach der Therapie. Sie bestellte zu Essen für die Jungs, die kurz vor der Pause standen und schaute ihnen für die letzten Minuten zu. Gestern waren sie noch ein unkoordinierter Haufen und heute nahm das Ganze schon wirklich Gestalt an.
Die anderen drei Songs des Repackalbums waren bereits bei der ersten Version aufgenommen worden, praktisch nur der Comebacksong war neu, auch wenn sie während der Comebackwoche ein zweites Lied aus dem Repackalbum mit performten. Dafür war ein Comeback nur noch eine Woche und nicht wie früher zwei oder frei Wochen. Schlecht für die Fans, gut für die Künstler, wobei die Comebackstages mit Schule und Arbeit bestimmt nicht einfach zu koordinieren waren. Wie gesagt, Skye war kein guter Fan, sie machte so etwas nicht mit. Pre-Recordings morgens um 4 Uhr.
Jetzt musste sie dadurch, denn Bands wie EXO würden bestimmt ins Pre-Recording kommen, allein schon wegen den Fanmassen, oder? Andererseits war zu erwarten, dass sie die Shows gewinnen würden und bei der Gewinnerbekanntgabe müssten sie ja dabei sein. Sie würden also abends dann noch mal hinfahren? Skye hatte keine Ahnung, der Plan für das Comeback stand noch nicht fest, doch sie stellte sich auf eine lange Woche ein.
Obwohl EXO gestern lange im Studio gewesen sind und jetzt schon seit knapp vier Stunden Training hatten, sprühten sie vor Energie und machten nebenbei allen möglichen Blödsinn. Später war mal wieder Friseur angesagt, schließlich war Morgen ja Shooting und alle mussten passend gestylt werden. Sicher war auch wieder etwas Farbe im Spiel und sie schlossen Wetten ab, wer diesmal rosa werden würde. Weit vorne waren Chanyeol, Baekhyun und Suho für die rosa Haare. Skye mochte Bae mit rosa Haaren, aber sie war ja auch ein Mädchen.
Jedenfalls würde es wieder ein langer Abend werden. Für was wohnte sie jetzt in Myeongdong, wenn sie nichts davon hatte? Verdammt. Sie hatte sich schon ein Essensplan für die ganze Woche erstellt. Pizza Wraps, Garnelen auf Brot, Hans Deli, Brot mit Ei … Myeongdongs Straßen hatten so viel zu bieten.
„Alles okay?“
Skye hatte sich etwas an den Rand des Geschehens gesetzt und Suho kann zu ihr.
„Ja, klar“, erwiderte sie automatisch. Es war eine Angewohnheit. Damals, als ihre Mutter gestorben war hatte sie sich das angeeignet, da sie das Gefühl gehabt hatte alle zwei Minuten von jemand gefragt zu werden, wie es ihr denn ginge.
Suhos Gesichtsausdruck sagte ihr, dass er ihr nicht glaubte.
„Doch! Eigentlich geht es mir nicht schlecht“, verteidigte sie sich, ohne dass er auch nur ein Wort hat sagen müssen. Sie hatte Nikolai, er war gerade ein Booster für ihre Stimmung und lenkte sie von dem ganzen Drama ab.
„Komm nach Hause“, bat der Bandleader sie. Die Assistentin schüttelte den Kopf.
„Ich brauche etwas Abstand, zu euch allen. Du weißt nicht wie das ist, nie alleine zu sein. Ich habe keine Lust das jeder mitbekommt, wer bei mir ein- und ausspaziert…“
Suho fing fröhlich an zu lachen.
„Ach und du meinst uns geht das nicht so? Du hast wenigstens deine eigene Wohnung. Was denkst du für was Mia die Love-Apartments gemacht hat? Nicht nur um den Besuchern keinen Einblick zu gewähren, sondern auch damit nicht jeder im Haus mitbekommt, mit wem wir uns treffen.“
So rum hatte Skye noch nie darüber nachgedacht. Sie war davon ausgegangen, dass Mia nicht wollte, dass irgendwelche flüchtigen Bekannte und One Night Stands durch die Fabrik liefen, heimlich Bilder schossen und sie dann Höchstbietenden verkaufen würden. Doch Suho hatte Recht, selbst wenn sie eine feste Beziehung hatten, war es wohl unwahrscheinlich, dass sie ihre Freundin mit ins Dorm bringen würden, auch sie wollten ihre Ruhe haben.
Zufrieden sah er, wie sie darüber nachdachte.
„Lass dich nicht irre machen, mach dein Ding.“
„Aber Jongin …“ Immer dieser strafenden Blicke und diese pissige Art ihr gegenüber nervten. Sie versuchte neutral mit ihm umzugehen, sofern das möglich war. Sie vermisste ihn, aber es ging im Moment wohl eher um Prinzipien und Trotz, als darum, wer tatsächlich dran schuld war.
„… ist manchmal ein Arsch, ja. Er ist emotional, glaube nicht, dass du spurlos an ihm vorbei gehst. Ich kann nicht beurteilen wer von euch im Recht oder im Unrecht ist, aber es ist jetzt wie es ist. Du könntest alles hinschmeißen, den Job kündigen, weggehen, wo auch immer du hinwillst, aber ich denke, dir gefällt es eigentlich und ich glaube du magst uns…“
Skye schaute zu dem Bandleader. Sie hatte ihn bisher selten in der Mutter-Rolle gesehen. Meisten hielt er sich aus dem Drama und den Diskussionen der anderen Bandmitglieder raus und machte dann Schadensbegrenzung, doch heute machte er das mit der Mutter-Rolle recht gut.
EXO wurden aufgeteilt. Ein Teil fuhr zum Friseur, der andere Teil trainierte. Für Skye gab es nicht viel zu tun. Sie musste beim Friseur kein Händchen halten und beim Training konnte sie auch wenig helfen. Gegen 20 Uhr beschloss sie Feierabend zu machen.
„Skye!“
Sie hörte Taehyung rufen und drehte sich um. Tae, Yoongi und Jungkook liefen auf sie zu.
„Hi, was macht ihr hier?“
„Ach, nur etwas trainieren“, erwiderte Taehyung. „Und du?“
„Ich mach Feierabend, morgen wird lang genug.“
„Na dann viel Spaß Morgen.“
Erstaunlich schnell verabschiedeten sie sich und Skye schaute ihnen skeptisch hinterher. Irgendetwas war im Busch, doch wie so oft, konnte sie nicht genau erkennen was.
„Wo fährt sie hin?!“, fragte Yoongi. Der Grund, wieso sich die Sänger von Skye losgesagt hatten war, dass sie ihr heimlich folgen wollten. EXO konnten heute nicht weg und so hatte Chanyeol Yoongi Bescheid gegeben.
Nun folgten sie, unauffällig wie ein Schatten, Skye durch die Seouler Innenstadt. Sie waren inzwischen auf der Nordseite und fuhren in Richtung Namsan.
„Vielleicht geht sie shoppen?“, schlug Taehyung auf dem Beifahrersitz vor. Er hatte Ferngläser dabei.
„Schau, sie biegt in das Parkhaus vom Shinsegae!“, sagte Jungkook und deutete auf das abbiegende Auto.
„Ich sag doch sie geht shoppen. Ich kenne sie schon jetzt so gut.“ Tae war stolz auf sich. Yoongi folgte ihr, auch wenn er nicht glaubte, dass sie hier war um einzukaufen.
Sie parkten zwei Reihen von Skye entfernt und folgten ihr mit Sicherheitsabstand. Als sie im Erdgeschoss ankamen, hatten sie die Amerikanerin aus den Augen verloren. Fragend schauten sie sich um. Natürlich hatten sie Mundschutze dabei und auch Kappen.
„Da!“, rief Jungkook und tippte Taehyung an. Sie sahen wie Skye aus der Tür herausging und liefen ihr nach, bis sie abrupt stehen blieben.
„Mist!“ Sie sahen wie Skye über die große Kreuzung ging, mitten rein nach Myeongdong.
„Sie versteckt sich in der Öffentlichkeit!“, kam es von Yoongi, der sich gerne aus Frust die Kappe runtergezogen hätte. Taehyung ging noch einen Schritt auf die Ausgangstür zu, doch Jungkook hielt in fest.
„Wir können ihr nicht folgen, allein schon hier ist es zu gefährlich.“
„Macht was ihr wollt, ich gehe ihr nach.“ Damit riss er sich los und ging aus der Tür.
Der Grund wieso Skye im Shinsegae Department Store parkte war die Tatsache, dass es unmöglich war in Myeongdong einen Parkplatz zu finden. Natürlich hatten die großen Hotels auch Tiefgaragen, doch Skye wollte unter dem Radar fliegen. Mal absehen davon war das Shinsegae nur ein paar Minuten vom Guesthouse Myeongdong entfernt und ihr Weg führte sie einmal quer durch das quirlige Viertel. Gut, eigentlich nicht direkt durch, aber sie nahm den Umweg gerne in Kauf. Sie schlenderte die erste Querstraße zur Hauptstraße runter und ging in einige Läden rein.
Es gab viele tolle Viertel und Ecken, wenn man Leben suchte. Hongdae, rund um die Ewha, Insadong und all die neuen Hippster-Viertel, die entstanden, doch Myeongdong war ihr Heimathafen und würde es auch immer bleiben.
Wenn Leute in Amerika sie fragten, wo in Seoul die Innenstadt war, war Skye ratlos. Jongno war das ‚alte‘ Seoul. Hier waren die Paläste, hier war das Rathaus, hier war Myeongdong, Dongdaemun, Insadong, all das war Jongno. Jongno reichte bis zum Bukhansan. Aber das wäre, als wenn man sagte Manhattan wäre die Innenstadt von New York. Oft wurde sie gefragt, ob sie denn auch schon in Gangnam gewesen ist. Wenn Skye dann erklärte, dass Gangnam fast so groß war wie San Marino, konnte sie in den Gesichtern der Leute erkennen, dass sie gerade ein Stück ihrer Weltanschauung zerstört hatte. Gangnam war riesig. Über eine halbe Millionen Menschen wohnten hier und von den Leuten, die nur zum Arbeiten nach Gangnam kamen, war da noch gar nicht die Rede. Aber die meisten Leute außerhalb von Korea wussten ja auch nicht um was es in ‚Gangnam Style‘ ging, dass mit dem Song die junge, neureiche Generation auf den Arm genommen wurde, die wie Prolls in Gangnam wohnten und feierten. In Gangnam waren die Designergeschäfte, die dort keine Läden sondern ganze Häuser hatten, die Schönheitschirurgen und die Clubs und Bars, die sich viele nicht leisten konnten. Auch in Gangnam konnte man günstig ausgehen, aber wenn man nach extravaganten Restaurants und Clubs suchte, dann war man in Gangnam richtig aufgehoben. Skye war Gangnam zu unkoreanisch. Es war eine Aneinanderreihung von modernen Gebäuden und hatte nicht an vielen Orten den koreanischen Charme. Sie mochte die kleinen Gassen von Insadong und Hongdae, wo man abends draußen auf Klappstühlen saß und leckeres Essen bekam. Sie mochte auch die Roofbars von Itaewon, auch wenn ihr Itaewon oft zu touristisch war. Hier hingen die Amerikaner und Europäer rum.
Sie schlenderte durch die Läden und holte sich etwas zu essen. Als sie hier studiert hatte, hatte sie sich praktisch von Streetfood ernährt. Für Koreaner war Essen ein ziemlich großes Ding und eigentlich tat man es nicht alleine. Viele Gerichte waren darauf ausgelegt gemeinsam gegessen zu werden und es gab auch immer so viele Beilagen, dass einer alleine es gar nicht schaffen konnte. Oft wurde man auch komisch beäugt, wenn man alleine essen ging. Da blieb nur Streetfood oder Essen, was man mit nach Hause nahm. Natürlich hatte sie auch Freunde gehabt, mit denen sie essen gegangen ist, nur eben nicht jeden Tag.
Am Theater blieb Skye eine Weile stehen, denn irgendeine Fernsehsendung wurde gedreht. Sie hatte keine Ahnung wer die Leute waren, die in der Show zu sehen waren, sie war da etwas raus, aber die Leute um sie herum schienen es interessant zu finden und so bildete sich schnell eine Menschenmenge.
„Why so serious?“, flüsterte er ihr jemand ins Ohr und Skye schreckte auf. Sie drehte sich zu der Stimme und sah einen Kerl, mit Kappe und Mundschutz, doch die Augen erkannte sie.
„Was tust du hier?!“, fuhr sie ihn an, packte ihn am Arm und zog ihn etwas weg von dem Geschehen. Gegenüber vom Daiso blieb sie stehen.
„Ich bin dir gefolgt“, sagte er frei raus. Für Skye war das nicht befriedigend genug.
„Wieso?!“
„Weil ich wissen wollte wo du dich versteckst.“
„Hast du den Verstand verloren?! Was denkst du was passiert, wenn dich jemand erkennt?“
„Keiner wird mich erkennen, ich habe Tarnung.“
Taehyung deutete auf den Mundschutz und die Kappe. Skye gab ihm einen Klaps auf den Hinterkopf.
„ICH habe dich erkannt!“ Und wenn sie ihn bei näherem Hingucken erkannte, dann würden genug andere es auch können. Es reichte, wenn nur einer ihn erkannte und anfing zu schreien.
„Ja, aber nur weil wir eine besondere Bindung haben“, erklärte er ihr und bekam dafür noch einen Klaps.
Yoongi und Jungkook warteten eine halbe Stunde, bevor sie Namjoon berichteten was passiert war. Begeisterung wäre das falsche Wort, doch immerhin unternahm er etwas. Er setzte alle darauf an die sozialen Netzwerke nach Hinweisen zu durchforsten. Wenn jemand Taehyung entdeckte, würde es schon irgendwo auftauchen.
Auch EXO halfen mit, zumindest die, die noch beim Friseur saßen.
„So ein Trottel. Wie kann er sich nach Myeongdong stürzen? Nicht nur, dass er erkannt werden könnte, aber wer sagt denn, dass er Skye da überhaupt findet?“, kommentierte Baekhyun das Ganze.
„Ich würde gerne mal wieder nach Myeongdong“, träumte Chen.
„Eins muss man ihr lassen, sehr gerissen. Sie wusste genau, dass wir ihr dort nicht folgen können“, meinte Chanyeol.
Tatsächlich bekam sie ihn nicht los. Egal mit was sie ihm drohte, es war Taehyung egal. Auch wenn BTS zu einem anderen Entertainment gehört, so fühlte sich die EXO Assistentin doch für sein Schicksal verantwortlich. Es war die Verantwortung des Klügeren.
„Wo ist dein Auto?“
„Ich bin mit Yoongi und Jungkook gekommen?“, erklärte er ihr.
„Und wo sind die?“
„Die haben sich nicht aus dem Shinsegae getraut – die haben ja aber auch nicht so eine Bindung zu dir wie ich“, sagte er stolz und Skye unterdrückte das Bedürfnis ihn noch mal zu hauen.
„Können wir nicht zu dir?“, fragte er hoffnungsvoll.
„Ich wohne … egal … gut, gehen wir, versuche nicht in irgendwelche Läden zu rennen und am besten auch nicht ins Licht.“
Skye nahm ihn an der Hand und lotste ihn an den größeren Menschenmengen vorbei. Ohne Vorwarnung blieb er stehen und Skye natürlich auch – sie hatte ja seine Hand.
„Ich habe Hunger“, jammerte er. Die Amerikanerin fragte sich, was sie in ihrem früheren Leben falsch gemacht hatte, um all das zu verdienen. Auch wenn sie ihn gerade verfluchte, so hatte sie ihn noch gern genug, um ihn zu fragen, was er denn essen wollte. Sie parkte ihn in einer Seitenstraße mit der Anweisung den Kopf unten zu halten und mit niemand zu sprechen, während sie auf die Hauptstraße ging und ihnen etwas zu essen holte.
Natürlich hörte er nicht auf sie. Skye kam zurück mit Garnelen und Spießen und sah Taehyung mit zwei Smoothies und einer Tüte mit unbekanntem Inhalt.
„Was habe ich dir gesagt?“
Selbst mit Mundschutz konnte sie sehen wie er grinste.
„Erdbeere oder Mango?“, fragte er sie hingegen und streckte ihr die Smoothies zu.
„Mango.“ Skye setzte sich neben ihn auf die Treppe und platzierte das Essen zwischen sich. Während sie da saßen schaute Tae immer wieder zu ihr und grinste, den Mundschutz hatte er natürlich für das Essen runtergezogen.
„Was?“
„Es ist schon fast normal.“
„Was meinst du?“
„Uns. Wir könnten auch ein normales Paar sein, dass abends zusammen unterwegs ist, sich das essen teilt und den Abend genießt.“
„Wir sind kein Paar!“
„Noch nicht, aber gewöhne dich schon mal daran“, erwiderte er, biss in eine Garnele und hielt sie zwischen den Zähnen, damit sie abbeißen konnte.
„Du bist unmöglich“, sagte sie lachend.
Schließlich landeten sie im Guesthouse Myeongdong. Nun war das Zimmer direkt am Anfang gut gelegen und in dem kleinen Büro saß gerade auch niemand, sonst hätte es bestimmt Mecker gegeben, dass sie plötzlich männlichen Besuch mitnahm. Wenn schnarchen hier schon zimmerweit zu hören war, wollte Skye gar nicht wissen, wie es war, wenn jemand hier Boom Shakalaka machte.
Eilig schloss sie die Tür hinter sich. Neben ihrem riesigen Koffer war kaum Platz für zwei Leute um nebeneinander zu stehen und so rückte Skye ihm sehr auf die Pelle. Hilfesuchend schaute er sich um und setzte sich auf das Bett, so weit nach hinten wie es ging.
„Ernsthaft? Du tauschst deine Wohnung gegen das hier?“, fragte er ungläubig.
„Es ist gemütlich“, sagte sie und schaute sich um.
Etwas später ging sie raus auf die Toilette.
„Hier ist doch eine Toilette“, stellte er fest.
„Ich denke solche Dinge verkraftet unsere Beziehung noch nicht“, erwiderte sie und machte sich auf die Suche nach den normalen Toiletten. Sie hatte ihren Kulturbeutel dabei und machte sich die Haare, putzte sich die Zähne und cremte sich ein.
Als sie zurückkam, war Tae eingeschlafen. Das war jetzt nicht sein Ernst! Skye wägte ab, was am Schlausten zu tun war. Sollte sie ihn wecken und in ein Taxi setzen? Aber er schlief so schön …
Zum Glück hatte Skye sich bequemere Sachen angezogen und so legte sie sich einfach dazu.