Skye hatte ein wunderschönes Zimmer im Anantara Riverside, mit Blick auf die Stadt. Dazwischen lag der Chao Phraya, der Fluss, der Bangkok ähnlich teilte, wie der Hangang Seoul. Doch mitten in der Nacht sah sie nur ein paar Lichter in der Dunkelheit schweben.
Sie packte ihren Koffer aus, schließlich waren sie vier Tage jetzt hier und sie mochte es nicht, wenn die Sachen so knitterten. Dann nahm sie sich ihre Kosmetiktasche und ging duschen. Die Luft in Flugzeugen war so trocken und Skye standen immer die Haare zu Berge, egal welche Sachen sie sich ins Haar sprühte.
In Thailand war es jetzt schon wärmer, als in Korea, vor allem war die Luftfeuchtigkeit höher. Die Amerikanerin hatte sich die Klimaanlage angemacht, um die Luftfeuchtigkeit etwas zu vertreiben, dass führte dazu, dass es so kühl war, dass sie sich in den flauschigen Bademantel einmurmelte. Gerade wollte sie auf das Bett fallen, da klopfte es an der Tür.
Skye fragte sich, wer jetzt noch etwas von ihr wollte und machte langsam die Tür auf.
„Chen, was ist los?“
Verstohlen schaute er zu beiden Seiten und schob sich dann an Skye vorbei in das Zimmer.
„Was hast du ausgefressen?“, fragte sie direkt.
„Noch nichts, deswegen bin ich hier“, erwiderte er grinsend. Nun schaute die Assistentin vorsichtshalber auf den Flur und schloss dann die Tür.
„Welches Pferd möchtest du stehlen?“
„Was für ein Pferd?“, fragte er verwirrt, offensichtlich kannte er die Redewendung nicht und Skye winkte nur ab.
„Ich wollte dich fragen …“, begann er und machte eine Kunstpause.
„Spuck es aus!“ Sie rechnete ja schon mit allem. ‚Ich wollte dich fragen, ob du mir eine Niere spenden kannst?‘ oder ‚Ich wollte dich fragen, ob du Baekhyun heimlich aus dem Gefängnis holen könntest?‘
„… ob du dir mit mir einen Cheeseburger teilen würdest“, kam letztendlich dabei heraus und die Amerikanerin fing an zu lachen.
„Ernsthaft? Hast du nicht im Flugzeug gegessen?“
„Nein, ich mag das Flugzeugessen nicht und auf der Karte vom Roomservice gibt es einen Cheeseburger mit French Fries, aber mein Gewissen verkraftet es nicht, wenn ich das alleine essen.“
Skye schaute ihn an und strich ihm über die Wange.
„Weißt du eigentlich wie niedlich du bist?“
Chen lächelte verlegen und wand den Blick von ihm ab, da wurde Skye bewusst, dass sie vielleicht die falschen Signale sendete und zog die Hand zurück. Ja, Chen war süß, aber sie waren Freunde und ohnehin war ihr Privatleben zu kompliziert, als dass sie auch nur darüber nachdenken konnte.
Sie bestellten sich also einen Cheeseburger. Auf Skyes Zimmerrechnung wäre das nicht so auffällig, als auf seiner Zimmernummer und diplomatisch teilte er den Cheeseburger in der Mitte. Sie saßen auf dem Boden, vor dem bodenlangen Fenster und schauten über Bangkok.
„Ich glaube das ist der beste Cheeseburger, den ich jemals hatte“, schwärmte Chen.
„Ich glaube, wenn man hungrig ist, ist alles das beste“, erwiderte sie und dachte an die tollen Burger von D-Cube City. Da würde sie mit ihm mal hingehen.
Nachdem sie fertig waren, saßen sie noch eine Weile da, bis Skyes Handy klingelte.
„Wer ruft dich um die Uhrzeit noch an?“, fragte er verwundert.
„Taehyung“, erwiderte sie und nahm den Facetime Anruf an.
„Schleicht sich gerade Chen aus deinem Zimmer?“, fragte Tae und schaute an Skye vorbei.
„Ja.“
„Was habt ihr getan, dass er schleichen muss?“
„Wenn ich dir das sagen würde, müsste ich dich töten“, erwiderte sie grinsend und legte sich ins Bett. In Korea war es zwei Stunden später, als in Thailand. Eigentlich war das nicht viel, dafür, dass sie sechs Stunden geflogen waren, andererseits war es bei Skye nach 2 Uhr morgens, also war es bei Tae nach 4 Uhr morgens, was Skye zu folgender Frage brachte:
„Was machst du noch wach?“
„Ich konnte nicht schlafen und ich habe gesehen, dass du noch online bist und wollte fragen, ob du mit mir einschlafen würdest, Lala?“
Skye schaute ihn durch das Telefon an. Wie süß konnte man eigentlich sein?
„Gerne“, erwiderte sie und machte die Lichter aus, bis auf die Leselampe und schlupfte dann unter die Decke.
„Wie war der Flug?“, erkundigte er sich.
„Witzig“, erwiderte sie grinsend und erzählte von der Gesangseinlage.
Um 8 Uhr klingelte Skyes Wecker und sie streckte sich müde. Der Anruf war beendet, normalerweise legte ein Telefon automatisch nach zwei Stunde auf. Irgendwer dachte wohl, dass Anrufe, die länger als zwei Stunden dauerten ein Versehen waren. Derjenige, der diese Funktion erfunden hatte war sicherlich ein Mann. Wobei Skye zugeben musste, dass ihre längsten Gespräche eigentlich mit Männern waren. Wahrscheinlich lag es daran, dass sie ihre Chance witterten und einfach weiter quaselten, bis die Frau sich sagte ‚Wenn wir so lange telefonieren, kann ich auch vorbeikommen‘.
Vor dem Frühstück nutze Skye ein paar Minuten, um sich die Poollandschaft anzuschauen. Viel Freizeit hatten sie nicht in Bangkok. Vielleicht war das Seunghwans Rache für Singapur. Weniger Freizeit = weniger Dinger, die schiefgehen konnten. Skye hatte auch ein offizielles Verbot bekommen mit den Bandmitgliedern öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Dabei fragte sie sich schon die ganze Zeit, ob Rikschas und Tuktuks öffentliche Verkehrsmittel waren oder nicht.
Darüber hinaus hatten sie Clubverbot, Stripclubverbot, Schwulenbarverbot und Nachtmarktverbot. Yay. Wieso kettete man sie denn nicht gleich im Zimmer an? Doch hier durfte man Skye nicht unterschätzen, die hatte trotzdem Sachen gefunden, die Seunghwan nicht passen würden, die er aber nicht verhindern konnte, weil er sie nicht verboten hatte.
Nach dem Frühstück ging es zu einem Fernsehsender, danach zu einem Fanmeeting, danach hatten sie ein Abendessen mit der Firma, die das Konzert hier managten und dann hatten sie ‚Freizeit‘.
Morgen früh hatten sie ein Fotoshooting für ein Magazin und danach würde es in die Halle zum Soundcheck gehen. Am Sonntagmorgen hatten sie tatsächlich frei, aber es gab in der Nähe keine schönen Strände und sie sollten ja auch eigentlich nicht raus. Montag hatten sie eine Shoppingcenter-Eröffnung und einen Live-Auftritt bei einem Musikfernsehsender. Und in der Nacht von Montag auf Dienstag wäre ihr Flug nach Paris. Skye wurde nur vom Denken müde, dabei war sie nicht diejenige, die die ganze Zeit lächeln musste.
Beim Frühstück waren die Sänger bei weitem aufgeweckter als gestern Nacht und blödelten umher. Skye ging die Mails durch, was wirklich schwierig war, weil ständig etwas flog oder umfiel. Vielleicht könnte sie sich auch im Zoo bewerben, im Affenhaus oder so. Irgendwann setzte sich Jongin neben sie und schob ihr einen Teller zu. Rührei, Toast, Butter, Käse, Wallnüsse – das war nicht sein Frühstück.
„Du hast noch gar nichts gegessen“, stellte er fest und schon den Teller etwas näher zu ihr.
„Chen war gestern Nacht bei mir!“ Bei der Aussage zog er die Augenbrauen zusammen.
„Er hatte Hunger und wollte sich etwas mit mir teilen, wegen eurem Diätplan und ich kam gerade aus der Dusche, aber ich hatte einen Bademantel an und ich habe mich dann aber direkt angezogen. Im Bad. Ohne Chen“, erzählte sie weiter. Jongin fing an zu lachen, dieses verlegene Lachen, wenn er nicht richtig wusste, wie er auf eine Situation reagieren sollte.
„Wieso … wieso erzählst du mir das?“
„Damit … falls uns jemand gesehen hat und du nicht denkst, dass ich dir etwas verheimliche.“
Seine Augen wurden erst groß und dann lachte er wieder. Skye verstand nun gar nichts mehr. Erst beschwerte er sich, dass sie ihm nicht alles sagte und jetzt sagte sie es ihm und er lachte sie aus.
„Okay, einigen wir uns darauf, dass ich nicht alles wissen muss.“
Nun bekam Skye große Augen.
„Aber … aber woher soll ich wissen, was du wissen willst und was nicht?!“
Der Kerl machte einem das Leben wirklich nicht leicht!
„Ich vertraue dir, okay? Ich will nur, dass du mich rein lässt, dass du nicht denkst, dass du mit mir nicht über alles sprechen kannst. Es war halt alles etwas viel gewesen …“
„Tut mir leid“, sagte Skye und musste sich eingestehen, dass es vielleicht wirklich etwas zu viel auf einmal gewesen ist. Sie hatte das alles nicht geplant, mit ihm, es passierte einfach, noch bevor sie wusste, was geschehen war, hat sie ihr Herz an ihn verloren gehabt und dann hatte sie auf den richtigen Moment gewartet, doch wann war der schon? Skye hatte dutzende Namen auf der ganzen Welt. Elena, Hayley, Marissa, Liz, Zoey, Sofia. Sie wollte nicht googlebar sein. Geld veränderte den Menschen, aber auch sein Umfeld. Es gab so viele falsche Freunde, darauf hatte sie keine Lust gehabt. Sie wollte, dass die Leute sie mochten, weil sie war, wie sie war, nicht weil sie ihren Kontostand kannten und bisher hatte das super geklappt. Skye integrierte sich schnell, sie ging offen auf andere zu und war ehrlich und das mochten viele. Egal wo sie war, in Afrika, Südamerika, Fiji, ja selbst auf Island hatte sie eine Clique, Leute, mit denen sie fast täglich schrieb, um in Kontakt zu bleiben. Das Jongin und die anderen Idols es schafften, so nah an Skye ran zu kommen, hatte sie nicht gedacht, doch jetzt, wo sie rückblickend darüber nachdachte, war es eigentlich verständlich, denn sie waren eigentlich in einer ähnlichen Situation. Sie hatten kaum Privatleben, mussten alles heimlich machen und sehnten sich manchmal danach jemand zu sein, den niemand kannte. Jemand, der einfach durch die Straßen laufen konnte, ohne erkannt zu werden.
Daran hatte sie nicht gedacht, als sie nach Korea gekommen war.
Des einen Freud ist des anderen Leid. Eines von Skyes Lieblingssprichwörtern. Während sie mit ihrem halbwegs guten Thai beim Fernsehsender fröhlich mit dem Produzenten und den beiden Moderatorinnen redete, verstanden die Jungs kein Wort und man sah es ihnen an. Leere Blicke. Verwirrte Blicke. Verständnislos Blicke. Skye hatte fast Mitleid mit ihnen. Aber nur fast.
„Ihr seid wirklich schlecht mit Sprachen“, sagte sie in der Umkleide.
„Hey, in Japan und China kommen wir ganz gut zurecht“, verteidigte sich Sehun. Japanisch und Chinesisch waren die ersten Fremdsprachen, für die sich die Schüler entscheiden konnten. Erst später kam dann Englisch, Französisch und sogar Deutsch dazu. In den meisten Ländern war Englisch die erste Fremdsprache, weil Englisch recht einfach war. Als erste Fremdsprache Chinesisch oder Japanisch zu wählen war schon hardcore. Nicht nur, dass man eine neue Sprache lernte, nein, man musste auch eine neue Schrift lernen, aber gut, es gab eben nur eine Sprache in Hangul und das war Koreanisch. In Europa und Amerika hatten sie es schon leichter, denn egal welche Sprach sie lernten (zumindest von den Sprachen, die sie anfangs zur Auswahl hatten), so konnten sie sie zumindest lesen. Mal abgesehen davon, dass Kinder in amerikanischen Schulen viel später mit Fremdsprachen anfingen, als Koreaner.
Skye hat Sprachen schon immer geliebt. Ihre Nachbarin, als sie klein war, kam aus Mexiko und ihre Tochter war Skyes beste Freundin im Kindergarten. Eigentlich sprach sie schon fast fließend Spanisch, als sie in die Schule kam. Als nächste Sprache kam dann Französisch und Deutsch. Dann lernte sie ihren koreanischen Freund kennen, also lernte sie Koreanisch und nebenbei noch Japanisch – nur so zum Spaß.
Als sie mit der High School fertig war, konnte sie fünf Fremdsprachen. Im College versuchte sie sich an Chinesisch und Russisch, doch die Sprachen bereiteten ihr Kopfschmerzen. Sie kam ganz gut zurecht, konnte Essen bestellen, nach dem Weg fragen und sie Erklärung verstehen, aber Verhandlungssicher sah anders aus. In Afrika hatte sie Zulu gelernt und nach drei Monaten auf Bali, kam sie auch damit gut zurecht. Genau so war es in Thailand gewesen und auf Fiji. Skye ließ sich gerne auf Land und Leute ein und dazu musste man die Sprachen sprechen.
Skye hatte das auch immer schlau gemacht. Sie war für ein paar Monate irgendwo hin verschwunden, hat die Sprache angetestet, kam zurück, konnte die Sprache eigentlich schon und hat dann die Kurse gemacht, die für sie eigentlich ein Klacks waren.
„Gut, in China bestellt ihr dann zu Essen“, stellte sie grinsend klar und wusste, dass das wahrscheinlich in eine mittelmäßige Katastrophe enden würde.
Für die Sendung hatten sie alle Knöpfe im Ohr und ein Übersetzer saß am anderen Ende. Das war wahrscheinlich auch besser. In dem Gebäude war es dank der Klimaanlagen recht angenehm, doch die Aufnahme würde draußen stattfinden und sobald sie das Gebäude verließen, war es heiß und schwül. Skye wusste, wieso sie heute Morgen nur einen kurzen Jumpsuite angezogen hatte. Die Luftfeuchtigkeit war irre und der Monsun stand kurz bevor. Sie konnte ihn praktisch schon riechen.
EXO waren Hitze gewöhnt, auch in Korea wurde es heiß, aber zusammen mit der Luftfeuchtigkeit, kamen sogar sie ins Schwitzen. Die Assistentin hatte schon einen Liter Wasser reingezwungen und hatte noch mehr Wasser in einer Kühltasche.
„Mama, aber wenn wir so viel trinken, müssen wir viel mehr auf Toilette“, beschwerte sich Chanyeol.
„Mir egal … hey, ich kann euch einen Katheter setzen!“, fiel ihr ein, was nicht zur gewünschten Begeisterung geführt hatte.
Doch sie schlugen sich wacker und hielten die 20 Minuten durch. Das Fanmeeting war von dem Fernsehsender organisiert worden, also hatten sie keine Chance zu duschen – immerhin durften sie sich umziehen. Während sie in der Umkleide warteten fütterte Skye sie mit Früchten und Zuckerwürfeln.
„Ich bin doch kein Esel!“, kam es von Baekhyun, der sich weigerte einen Zuckerwürfel zu nehmen. Skye schaute ihn an, dann seine Ohren und sagte „Na ja …“.
Das reichte, dass er aufsprang und sie jagte. Die Umkleide war nicht sehr groß und irgendwann bekam er sie zu greifen und hob sie hoch. Skye wehrte sich und dann wurde das Geschrei der beiden von einem Geräusch unterbrochen. Ein reißendes Geräusch. Beide stockten und Bae setzte seine Assistentin ab. Sofort fingen beide an sich zu untersuchen, diesmal hatte es Skye getroffen. Die Naht am Hintern war gerissen und eilig legte sie die Hände darauf.
„Du Arsch! Immer machst du alles kaputt! Mein Auge! Meine Klamotten!“
Baekhyun schaute sie grinsend an und machte dann die Geräusche eines Esels.
Skye half das nicht weiter. So könnte sie nicht raus, so könnte sie noch nicht einmal aufstehen! Jongin kam auf sie zu, mit Klamotten in der Hand.
„Ich hatte sie nur auf der Fahrt an“, sagte er und reichte ihr eine schwarze Jogginghose von Armani und eins der EXO Baseballshirt, natürlich mit ‚Kai / 88‘ darauf. Wenn schon chillen, dann mit Stil. Sie wollte wahrscheinlich gar nicht wissen, was die Jogginghose kostete. Sie kam aus der Umkleide, da kam ihr Seunghwan entgegen, um die Band zu holen.
„Was ist mit dir passiert?“, fragte er, da er sich daran erinnerte, dass sie vorhin noch anders gekleidet war.
„Willst du nicht wissen“, erwiderte sie nur.
„Okay, Uhrenvergleich! Es ist 16:13 Uhr. Um 20 Uhr ist das Abendessen – auf einem Schiff. Abfahrt 19:30 – sharp! Ihr könnt machen was ihr wollt-“, in diesem Moment traf sie ein Blick von Seunghwan und Skye wusste, sie musste das korrigieren. „Innerhalb der Hotelanlage.“ Sie bekam gerade noch so die Kurve. „Solange ihr alle um 19:30 abfahrtbereit seid – angemessen angezogen. Verstanden?“
Sie schaute in die Runde aus Wackeldackeln.
„Okay, go“, sagte sie und die Sänger stürmten aus dem Bus und rannten zu den Fahrstühlen, wo sie sich einen Wettkampf lieferten, wer zuerst mit dem Fahrstuhl es in ihre Etage schaffte.
Sie waren so einfach zu durchschauen. Skye fuhr gemütlich nach oben, zog sich ihren Bikini an, band sich ein Tuch um die Hüften und ging an den Pool. Sie war nicht sehr viel langsamer als die Sänger und legte sich auf eine der Liegen, die man in einer Ecke für die Gruppe zusammengestellt hatte. Zwei Sicherheitsleute bewachten die Liegen und ein Kellner stand bereit.
„Miss Jones, shall I bring the food?“, fragte der Kellner.
„In like an half an hour.“
Skye hatte Essen vorbestellt, ein kleiner Snack nach dem Tag bestehend aus Sandwichs und Fingerfood auf der Terrasse mit Blick über den Fluss. Doch zuerst sollten sie toben.
„Skye!“, rief Chanyeol aus dem Wasser und winkte. „Komm rein!“
Die Amerikanerin wollte lieber an ihrer gesunden Bräune arbeiten, die sie nach und nach verlor und winkte ab. Es war klar, dass die Jungs das nicht auf sich sitzen lassen würden. Jongin kam als erster, nass. Sie wusste, wenn sie aufstand hatte sie verloren, also blieb sie liegen. Und was tat er? Legte sich einfach nass wie er war auf sie drauf! Skye fing an zu quietschen. Dann kamen Suho und Chanyeol als Verstärkung und trugen sie zum Pool. Da half Nikolais Training auch nichts. Sie standen schon am Rand des Pools und Skye bereitete sich auf ihren Flug vor, als sie stockten und ihnen fiel alles aus dem Gesicht. Eilig setzten sie die Frau ab, an der wohl etwas vorbei gegangen ist.
„Was ist gerade passiert?“, fragte sie skeptisch. Die drei sahen aus wie sieben Tage schlechtes Wetter.
„Wir wollten keine Erinnerungen wecken“, sagte Suho. Jetzt machte es bei Skye ‚Klick‘. Sie dachten, weil Skye damals über die Brücke geworfen worden war, sie mit solchen Situationen nicht mehr umgehen konnte. Es war nicht die gleiche Situation. Das war ein Pool und nicht der Hangang und es war eine Liegefläche und keine Brücke. Skye rollte mit den Augen und schupste Suho ins Wasser, der damit gar nicht gerechnet hatte und daher das Gleichgewicht verlor. Als nächstes wollte sie Chanyeol schupsen, doch er war vorbereitet und zog Skye in seine Arme. Schreiend landeten sie im Pool.
Mit EXO im Pool zu tollen hätte bei einigen sicherlich zu Nasenbluten geführt, doch Skye hatte sich daran gewöhnt. Wie, wenn man mit Strippern arbeitete. Chanyeol hatte einen tollen Körper, er war breit gebaut, ebenso Suho aber wen wollte man hier bewerten? Sie alle waren im Moment gut durchtrainiert für die Tour.
So schnell wie sie im Wasser waren, so schnell waren sie auch wieder draußen, als sie zum Essen gerufen wurden. Das Anantara wirkte wie ein Hotel im Dschungel. Die Anlage war recht groß, dafür nicht sehr hoch und hatte drum herum wunderschöne Gärten. In der Mitte der Anlage lag der Pool und gegenüber die Terrasse und der Bootssteg. Man konnte fast vergessen, dass man sich mitten in Bangkok befand, doch wenn man dann auf die Terrasse des traditionellen Restaurants ging, blickte man über den Chao Phraya und Bangkok.
Der Snack kam genau richtig und eine halbe Stunde später saßen sie alle zufrieden und satt auf der Terrasse und ließen die Seele baumeln.
„Wie gerne würde ich damit fahren“, sagte Chen und schaute sehnsüchtig über den Fluss zum Asiatique Sky, dem Riesenrad am Ufer.
„Mach dir da mal keine Sorgen“, erwiderte Skye vielsagend und schon wurden die Lemminge wach.
„Wie meinst du das?“
„Hast du nicht alle möglichen Verbote für unsere Freizeitgestaltung bekommen?“
Skye strafte Suho für die Erinnerung mit einem genervten Blick.
„Es ist kein Club, kein Stripclub, keine Schwulenbar, keine Ladyboybar, kein Nachtmarkt und das Shoppingcenter betreten wir nicht“, stellte sie klar.
„Und wie kommen wir hin? Seunghwan wird bis in die Nacht in der Lobby sitzen“, bemerkte Kyungsoo.
„Haha! Ich habe uns ein Boot gemietet!“, sagte Skye triumphierend und deutete auf den Steg.
„Wir treffen uns um Mitternacht“, erklärte sie weiter.
„Du bist ziemlich ausgefuchst. Man könnte meinen du willst gefeuert werden“, kam es von Chanyeol.
„Hey, ich bin nur noch vier Wochen eure Assistentin – was können die mir schon groß antun?“
Das Abendessen auf dem Schiff war ganz nett. Allerdings gestaltete sich auch hier die Kommunikation als etwas schwieriger. Manche der Manager und Angestellten der Agentur konnten Koreanisch und Thai und übersetzten vor und zurück. Skye sah, wie die Sänger schnell davon genervt waren und anfingen sich untereinander zu unterhalten. Sie verlor auch irgendwann den Faden und ging auf dem Außendeck spazieren. Sie stand an der Reling, als sich neben ihr Jongins Arme abstützten.
„Hey…“, sagte sie und lehnte sich an ihn.
„Hey“, erwiderte er und sie bleiben eine Weile so stehen. In Momenten wie diesen konnte Skye leicht den Ärger der letzten Wochen vergessen. All die Streitereien und der Hass, der Frust. Am liebsten würde sie die Welt einfrieren, damit sie für immer so bleiben konnten.
Als sie Chanyeol und Sehun hörten, gingen sie auseinander.
„Kommt ihr mit nach hinten?“, fragte Sehun unauffällig und Skye wusste, was sie vorhatten.
„Wie kann man so etwas rauchen?“ Chanyeol hatte an Skyes Zigarette gezogen und war völlig entsetzt.
„Das ist mit Double Click, Menthol und Ice. Das ist eigentlich wie Shisha rauchen. Normale Zigaretten sind ekelig“, stellte sie klar. Jongin hatte sich an das komische Kraut gewöhnt.
„Wenn die Dachterrasse fertig ist, können wir vielleicht eine Shisha holen“, schlug Sehun vor. Skye wusste ganz genau, wer irgendwo noch Shishas rumstehen haben müsste: Noah.
Inzwischen gab es einige Shisha Bars in Seoul. Es war auch so trendy. Leute, die eigentlich nicht rauchten, rauchten Shisha, weil es nicht wie eine Zigarette schmeckte, das machte Shisharauchen aber nicht unschädlicher als normales rauchen, es war nur hübscher verpackt und benannt wie Eiscreme. Birne Chill – Lemon Chill. Persischer Apfer-Grapefruite. Vanille Pistazie White. Babylou. Das waren doch keine Namen für Tabak! Mentholzigaretten hatten zwischen drin mal nicht grün sein dürfen, von der Verpackung, weil man grün mit gesund in Verbindung brachte. So könnte man denken, wer Menthol raucht, raucht gesünder. Aber bei Shisha-Tabak störte das niemand. Wo waren die Sorten ‚Stirb langsam‘ oder ‚Highway to hell‘?
Andererseits reichte es heut zu Tage schon in einer Großstadt zu leben. Skye hatte mal eine Reportage gesehen, wo sie die Lungen von zwei Nichtrauchern obduziert hatten. Der eine kam vom Land, der andere aus der Großstadt und die Großstadt-Nichtraucher-Lunge sah aus wie jede andere Raucherlunge. Skye glaubte nicht an gesund oder ungesund. Sie glaubte an Ironie. Es gab Nichtraucher die Lungenkrebs bekamen und es gab Raucher, die 90 wurden und nie Lungenkrebs hatten. Es gab Sportler, die am Herzinfarkt starben. Es gab 29jährige die am Herzinfarkt starben. Andere lebten total gesund und starben früh und dann hieß es immer nur ‚Oh, er hat doch so gesund gelebt!‘, als wäre es ein Freifahrtsschein. Skye sagte dann meistens so etwas Unpassendes wie ‚Und für was?‘ oder ‚Hat sich auch nicht gelohnt’. Aber es war doch wahr! Lieber glücklich mit Burger und Chips als mit Sellerie und tot. Und es gab Leute, die wurden 104, wobei sie es nicht verdient hatten, doch wer war sie schon, um zu sagen wer es verdient hatte oder nicht? Unkraut vergeht nicht. Auch eins von Skyes Favoriten. Es waren oft die Leute, denen man den Tod an den Hals wünschte, die alles zu überleben schienen und die, die man tatsächlich vermisste, starben früh. Vielleicht war Boshaftigkeit gesundheitsfördernd. Baekhyun würde bestimmt auch 100 Jahre alt werden. Seunghwan auch.
Es war fast 23 Uhr, als sie von dem Abendessen zurück im Hotel waren und alle waren so furchtbar müde. Seunghwan beobachtete skeptisch wie die Gruppe ohne zu murren auf ihren Zimmern verschwand.
„Du hast doch nicht irgendetwas geplant?“, fragte er Skye skeptisch. Die streckte sich und gähnte.
„Ich habe geplant jetzt eine Dusche zu nehmen und dann in mein Bett zu fallen – oder wolltest du noch etwas unternehmen?“ Nun drehte sie mal den Spieß um und erhaschte genau den verdutzten Blick, den sie erwartet hatte.
„Ich? Ehm … nein … ich werde mich noch an die Bar setzen und etwas arbeiten.“
Alles Alibi um den Eingang zu beobachten. Skye wusste das, doch Seunghwan wusste nicht, dass Skye das wusste.
„Na dann … viel Spaß, verschlaf morgen früh nicht“, warnte sie noch neckend und verschwand im Fahrstuhl.