In dieser Nacht schliefen sie nicht lange und Skye war um kurz nach 6 Uhr wieder wach. Jongin bemerkte, dass etwas neben ihm fehlte und machte sich auf die Suche nach ihr. Sie stand im Garten und machte Yoga. Es war ein perfektes Bild. Die Sonne war am Aufgehen und lange Strahlen zogen sich über den Roccapina. Skye hatte eine enge Sporthose und ein Oversize T-Shirt an und spiegelte sich im Pool. Er schlich sich wieder rein, um sein Handy zu holen und ein Bild von der Szenerie zu machen.
„Fotografierst du mich gerade?“, fragte sie, ohne sich umzudrehen.
„Ich wusste immer, dass Frauen am Hinterkopf Augen haben.“ Er ging zu ihr.
„Nein, aber wir haben ein Gehör, dass ziemlich gut funktioniert.“
Skye ging in die Küche und machte ihnen einen Tee, den sie im Pool genossen – wer kann der kann.
„Wieso bist du schon auf?“, fragte er und gähnte verschlafen.
„Ich finde es so schön hier, ich wollte es bis zum Schluss genießen.“
Pierre würde sie um 11 Uhr abholen, bis dahin war noch viel Zeit. Für 8:30 hatte er das Frühstück bestellt, weil ihm klar war, dass Skye wach sein würde. Auch auf Fiji hatte er bemerkt, dass sie viel weniger Schlaf brauchte als in Korea. Er schob es auf die Sonne.
„Könntest du dir vorstellen für immer hier zu bleiben?“, fragte er sie, als sie verträumt über das Tal blicke.
„Für immer ist eine furchtbar lange Zeit … aber eine Weile würde ich es aushalten“, erwiderte sie und drehte sich zu ihm.
„Was ist mit dir? Mister Großstadtkind?“
Jongin lachte fröhlich und zog sie zu sich.
„Mit dir? Ich denke schon.“
Sie konnte ihn sich schwierig als normalen Menschen vorstellen, als jemand, der kein Entertainer war, der nicht die Cover der Magazine zierte.
„Dir würde nach zwei Wochen langweilig werden“, stellte sie fest, doch er schüttelte vehement den Kopf.
„Mit dir, alleine, nackt? Ich wüsste etwas, was uns mindestens zwei … drei Monate beschäftigen würde.“
„Ist das so?“
Skye genoss es ihn nur für sich zu haben. Sie waren so gut zusammen, wie ein Puzzle, dass einen Sinn ergab. Sie wollte nicht zu positiv denken, weil es generell nicht in ihrer Natur lag, aber zu überlegen, ob er der letzte Mann in ihrem Leben sein würde, hatte etwas Beruhigendes.
Das Frühstück kam mit allem was das Herz begehrte. Baguette, Croissants, Rühreier und einer Kanne mit heißer Schokolade. Sie aßen drinnen, denn es war noch etwas frisch, wenn man nichts fand, was einem einheizte. Skye hatte sich eine Decke um die Schulter gelegt und Jongin fütterte sie, während sie schnell die Mails checkte. Ihr Bein schmerzte, doch der Mensch war bekanntlich ein Gewohnheitstier. Gestern Abend war es am schlimmsten gewesen, als sie das erste Mal in den Pool gestiegen war. Da hatte sie kurzzeitig befürchtet, dass ihr der Fuß einfach abfiel. Wenn man von einer Qualle erwischt wurde, war es wichtig kein Süßwasser darauf zu gießen, das machte es nur schlimmer. Immer Salzwasser oder Sand und dann konnte man die Tentakel mit einer Karte abkratzen. Essig half auch, aber potentiell hatte man am Strand eher Salzwasser zur Hand, als Essig.
Heute ging es, es war nicht weg, doch es war besser als gestern. Manchmal gab sich Skye mit den kleinen Freuden des Lebens zufrieden.
Um 10:30 war ihr Zweisamkeit vorbei. Wehleidig schaute Skye über das Gelände, als sie vor dem Haupthaus standen. Ja, hier hätte sie es noch etwas ausgehalten.
Die anderen hingegen waren gestern Abend wohl durch Bonifacio gezogen. Die Assistentin wollte schon protestieren, als Pierre erklärte, dass er und zwei seiner Cousins die ganze Zeit bei ihnen gewesen sind. Skye seufzte, es sollte ihnen gegönnt sein, sie wollte nur nicht, dass ihnen etwas passierte.
Heute stand der einsame Strand auf dem Plan, doch sie würde diesmal nicht bei Heinke halten, sondern weiterfahren. Es war viel zu viel Equipment und die Jungs mussten ja auch gestylt werden. Daher fuhren sie bis fast zum Strand vor, diesmal auf dem Grundstück von Michele. Die anderen kannten den Strand noch nicht und folgten Skye, als sie sie durch den kleinen Wald führte.
„Passt auf die Binsen auf“, sagte Jongin altklug und brachte Skye zum Grinsen.
„Was sind Binsen?“, wollte suho wissen und Jongin deutete auf die Sträucher.
Als sie am Strand standen, sagte keiner ein Wort. Sie standen nebeneinander und schaute sich fasziniert um.
„Wow“, kam es einigen, doch mehr sagte keiner. Bis die Fotografen kamen. Sie schossen nicht nur Bilder am Strand, sondern kletterten auch die Felsen entlang, um zum Anfang der Bucht zu kommen. Das war nicht einfach, vor allem nicht für die Fotografen, denn im Endeffekt waren es nur Kuhwege. Sie waren schmal und sandig und oft kam jemand ins Rutschen. Es waren keine Klippen, die einen in den Tod stürzen würden, aber man konnte sich definitiv verletzen und für die Fotografen wäre es noch schlimmer, wenn ihren Kameras etwas passieren würde. Skye verstand das. Sie nahm einige Kameras, sie kannte diesen Weg in- und auswendig und war recht Trittsicher.
Wenn man am Strand stand, ging es rechts zu Michele. Links rum waren die Felsen, die bis vorne führten und der Weg war gesäumt von einige kleinen Buchten. Das Besondere war, das fast jede Bucht anderen Sand hatte. Der Hauptstrand war pudrig und hellgrau. Man kam sich fast vor wie in der Karibik. Doch in der nächsten Bucht, war der Sand gelb-orange. In der nächsten war er steinig und eine kleine Bucht weiter, war er grobkörnig und die nächste hatte wieder feinen, hellen Sand. Skye hatte keine Ahnung, was sich Mutter Natur hierbei gedacht hatte, aber es war toll.
„Passt bitte auf die Felsen auf, da sitzen oft Seeigel“, warnte sie noch, denn in manchen der Buchten, war der Weg ins Wasser Sand, doch in anderen war er eben felsig und das letzte, was sie brauchte, war ein EXO Mitglied mit einem Seeigel im Fuß. Sie wollte sich gar nicht ausmalen, was Youngjun mit ihr anstellen würde.
Jongin und Chen wurden gerade fotografiert und Suho setzte sich zu ihr auf einen der Felsen.
„Hat Youngjun schon mit dir gesprochen, wegen einer Verlängerung?“, fragte er sie und sie wand sich von dem Shooting ab.
„Bisher noch nicht“, sagte sie und schaute zum Meer.
„Soll ich mit ihm reden?“, bot er an, doch die Amerikanerin zuckte mit den Schultern. Ja, jetzt war alles gut. Sie war wieder mit Jongin zusammen und in der Zeit, in der sie nicht zusammen waren, hatte sich auch ihr Verhältnis mit den anderen Sängern vertieft. Vorher war es wie eine unsichtbare Mauer gewesen, die keiner überwinden wollte und als sie und Jongin sich getrennt hatten, waren sie zutraulicher geworden. Sie genoss es, denn eigentlich waren sie toll, jeder für sich. Sie waren nicht so eine eingeschworene Familie wie Super Junior, aber die waren eben auch eigene Menschen. Nicht das Super Junior beste Freunde waren, sie zankten sich und zofften sich und nicht jeder hatte untereinander immer viel Kontakt, aber so war das bei Familien. EXO wirkten oft eher wie eine Arbeitsgemeinschaft, was letztendlich auch zutreffend war. Sie arbeiteten zusammen und auch wenn man sich gut mit seinen Kollegen verstand, so hatten sie alle auch Freude daran, nach der Arbeit Zeit mit den eigenen Freunden zu verbringen.
Um ehrlich zu sein hatte Skye noch nicht viele von Jongins Freunden kennengelernt, wenn nur kurz, wenn sie aus waren, doch mit der Tour und dem Comeback war auch nicht viel Freizeit geblieben.
Fakt war, dass als sie und Jongin getrennt waren, war es weitaus schwieriger gewesen EXOs Assistentin zu sein. Was, wenn es in ein paar Monaten wieder zur Trennung kommen würde? Was würde sie dann tun? Die letzten paar Jahre hatte sie ihre Freiheit genossen. Ja, sie hatte all diese Firmen und sie schrieb Emails und traf Entscheidungen, doch irgendwie war das alles sehr weit weg. Wieder zu arbeiten tat ihr gut, es war nicht so, als könnte man von einem ‚geregelten Tag‘ sprechen, aber morgens aufzustehen und eine Aufgabe zu haben, erfüllt sie. Dann gab es Momente, in denen genau das sie nervte. Manchmal würde sie am liebsten weg, nach Fiji oder sonst wo hin und dann konnte sie nicht. Manchmal fehlte ihr Zeit für sich selbst, wobei sie inzwischen Gefallen daran fand Erinnerungen mit anderen zu teilen.
„Skye?“
Sie schreckte kurz auf und Suhos Blick nach zu folgen, war es nicht das erste Mal, dass er sie angesprochen hatte.
„Ich werde mit ihm sprechen, wenn wir zurück sind“, erwiderte sie.
„Du weißt, dass wir dich gerne um uns haben“, erwähnte der Bandleader vorsichtshalber.
„Ich bin auch gerne bei euch … meistens.“
Er schupste sie leicht mit der Schulter an und ging zurück zum Shooting.
Zurück am Hauptstrand, standen sie vor ganz anderen Problemen: Kühe.
Sieben Kühe lagen am Strand und genossen das Leben. Ehrlich, wenn Skye eine Kuh mit Strandzugang wäre, würde sie auch am Strand liegen, doch für Großstadtkoreaner waren Kühe nun doch keine Tiere des Alltags. Jongin stand skeptisch schauend neben Skye, doch der Rest, inklusive Fotografen und Stylisten, versteckten sich hinter Skye. Lediglich die Sicherheitsleute versuchten Stärke zu zeigen, auch wenn die großen Tiere keine Gefahr waren, mit der sie umzugehen wussten.
„Die tun nichts“, beteuerte Skye. Nur eine Kuh stand und schaute zu der Gruppe.
„Die sind groß.“
„Die sind riesig!“
„Trägt einer Rot?“
Skye rollte mit den Augen und ging entschlossen weiter. Zum einen war der Strand groß genug, um die Herde weitläufig zu umgehen und zum anderen machten Kühe erst einmal nichts. Die anderen zögerten, doch als Skye dann doch ein paar Meter von ihnen entfernt war, eilten sie ihr nach wie Küken ihrer Mutter. Auf Adavaci waren sie auch Kühen begegnet, allerdings mussten die viel kleiner gewesen sein.
Als sie das Wäldchen erreichten, drehten sich die Sänger immer noch regelmäßig um, um sicher zu sein, dass ihnen nicht doch eine Kuh hinterherkam.
Sie würden bei Heinke zu Mittag essen, beziehungsweise würden sie den Grillplatz benutzen und könnten sich schon mal die Wohnwagen anschauen. An dem Grundstück grenzte ein kleiner Berg, den sie dann heute Nachmittag erklimmen würden. Tatsächlich war er nicht groß, aber wie so oft gab es auch hier keine richtigen Wege und die Spitze bestand aus großen Felsen. Klettern war vielleicht zu viel gesagt, aber etwas Geschick gehörte dazu. Um ehrlich zu sein wusste Skye nicht, ob die Fotografen das mit dem ganzen Equipment schaffen würden und hatte daher einen Plan B. Auf halber Strecke gab es einen Felsen, der etwas herausragte vom Berg, dort hatte man auch schon eine gute Aussicht. Wenn sie an den Felsen scheitern würden, würden sie dort fotografieren, aber von oben sah es aus, als wäre man wirklich weit oben. Das Meer lag im Hintergrund und in der Ferne konnte man Sardinien sehen.
Die Vans fuhren, während Skye die Gruppe zu Fuß auf das Grundstück führte.
„Im Dunkeln ist der Weg bedeutend gruseliger“, erzählte Jongin seinen Bandkollegen.
„Weil du ein Angsthase bist“, kam es von Skye und einige fingen an zu lachen.
„Hey!“, beschwerte er sich.
„Streite nicht mit ihr, wenn du weißt, dass sie recht hat“, kommentierte Bae nur.
„Seit wann bist du auf ihrer Seite?!“
„Immer, wenn sie etwas gegen dich sagt“, erwiderte er trocken und das Gelächter wurde immer größer.
Das letzte Stück ging durch ein dichtbewachsenes Wäldchen. Die Äste und Sträucher umschlossen den Weg fast komplett und mussten mehrfach im Jahr zurückgestutzt werden, sonst würde der Weg irgendwann verschwinden.
Am Ende des Wegs war ein Tor und an diesem Tor standen Leute. Skye blieb verwundert stehen und Jongin lief fast in sie hinein.
„Was-?“, begann er.
„Mia?!“
Da am Tor standen Mia, Donghae und Siwon! Die hintersten hörten nur Skye, sahen aber noch nichts und Skye ging eilig weiter und umarmte die Deutsche.
„Es gab Zeit, da haben die Frauen unsere Namen gerufen“, beklagte sich Donghae.
„Was tut ihr denn hier?!“ Skye war total verblüfft. Sie waren mitten im Nirgendwo und da standen die drei.
„Das hier gehört meiner Tante“, erklärte Mia.
„Wie?“
„Heinke, sie ist meine Tante.“
„Nicht dein Ernst?!“
Die Welt war eben doch ein Dorf. Heinke war Mias Tante und Mia dachte, dass Skye deswegen hier gelandet war, doch dann erklärte die Amerikanerin, dass sie Heinke schon länger kannte und dass der Grund war. Mia hingegen hatte ihnen ein paar freie Tage rausgeschlagen, bevor sie zurück nach Portugal mussten.
In der Nähe der drei hinteren Wohnwagen gab es einen Grillplatz. Pierre war früher als die anderen losgefahren, um Essen und Trinken zu besorgen und Mia zeigte den EXO Sängern die Wohnwagen. Schließlich lag es an Baekhyun, ob er morgen hierbleiben wollte oder nicht.
„Was? Nein, nein, nein, das können wir heute Abend machen“, sagte Mia, als Skye ihr von ihren Plänen für Morgen erzählte, mit der Pizzeria und der Bar von Mathieu. „Wenn ihr hier Morgen schlaft – und Bae, da gibt es gar keine Diskussion – dann feiern wir hier. Wir grillen und trinken und singen – meine Tante sagt sie liebt es, wenn du singst, Skye, also auch hier: keine Diskussion.“
Na die Bilder am Strand würden morgen Nacht witzig werden, wenn sie alle betrunken waren! Aber es war schön, wie Mia einfach das Steuer übernahm und sich auch niemand gegen sie stellte.
Skye kam gerade von dem Toilettenhäuschen, als sie sah, wie Baekhyun in einem der Wohnwagen stand.
„Du weißt, du musst nicht, wenn du nicht willst.“ Schließlich war es sein Geburtstag und wenn er keine Lust auf Camping mit Upgrade hatte, konnte sie das verstehen. Die Wohnwagen hatten alle einen Vorbau mit Küche und Sitzecke. Die Wohnwagen waren alle etwas älter, aber was passierte schon groß an einem Wohnwagen? Jeder hatte zwei Doppelbetten – wenn man klein war, Skye kalkulierte schon, wer ein Bett für sich alleine haben würde und wer sich mit jemand das Bett teilen konnte.
„Nein, ist okay“, erwiderte nur und ging in den Wohnwagen. Skye folgte ihm und sah wie er die Tür zu der Toilette aufmachte.
„Die gehen nicht“, erklärte sie. Zwei Wohnwagen teilten sich immer ein Dusch-Toiletten-Häuschen, daher waren die Bäder in den Wohnwagen irgendwann ausgebaut worden.
„Aber da kann man jemand drin einschließen, wenn er nervt“, bemerkte er.
„Also, wenn morgen jemand fehlt, dann weiß ich wo er ist.“
„Vielleicht landest auch du hier drin“, sagte er und versuchte sich ein Grinsen zu verkneifen.
Nach dem Grillen waren alle ziemlich faul und lungerten in Hängematten rum. Skye ließ ihnen eine Stunde, bevor es auf den Berg ging. Mia und Skye übernahmen die Führung und hatten den Fotografen einige Kilos abgenommen.
„Du willst ihn wirklich umbringen, huh?“ Skye hatte der Deutschen von ihrer Überraschung für Baekhyung erzählt.
„Das stimmt überhaupt nicht!“, beschwerte sie sich, doch Mia hob nur die Augenbrauen hoch.
„Ich sehe die Schlagzeile schon genau vor mir …“
Skye fand es gut und sie würde es auch durchziehen. Sie erreichten die Felsen, die hoch zur Spitze führten und Jongin kam neben den beiden Frauen zum Stehen.
„Bist du sicher, dass wir das packen?“
„Eigentlich schon, ich weiß nur nicht ob die Stylisten mit dem Endergebnis zufrieden sind“, grübelte die Assistentin.
Es gab mehrere Wege. Mia entschied sich für den einfachsten, der etwas länger war. Teilweise mussten sie ganz schön große Felsen hoch. EXO hatten teilweise kurze Hosen an und Skye betete innerlich, dass keiner von ihnen sich ein Knie aufschlug. Wäre auch ein schönes Foto, mit einem Blutrinnsal. Chanyeol rutschte einmal etwas ab und schürfte sich etwas am Ellenbogen auf. Skye hatte natürlich das Desinfektionsspray dabei, doch an sich war es nicht schlimm. Die Fotografen waren etwas am Meckern, was die Amerikanerin gezielt überhörte.
Doch alles Nörgeln war vergessen, als sie oben ankamen. Als der letzte sich hochgerappelt hatte blieben alle schweigend stehen und genossen die Aussicht.
„Wir sind eigentlich gar nicht so hoch“, stellte Suho fest.
„133 Meter“, bemerkte Mia.
Während des Shootings saßen Mia und Skye zusammen und die Deutsche erzählte von Portugal.
„Übrigens, was ist das mit dir und Taehyung?“, wollte sie plötzlich wissen. Skyes Mund öffnete sich, doch keine Worte kamen heraus.
„Keine Ahnung“, gab sie schließlich zu. Wenn sie an Taehyung dachte, konnte sie keinen klaren Gedanken fassen. Wenn sie mit ihm zusammen war, vergaß sie ihre Probleme. Er brachte sie zum Lachen, er … wärmte ihr Herz.
„Jongin und ich sind wieder zusammen“, antwortete stattdessen.
„Das heißt nicht, dass du nicht auch für Taehyung Gefühle haben kannst“, bemerkte die Ältere.
„Ich habe Angst … dass ich ihn … keine Ahnung … verderbe.“
Mia lachte fröhlich.
„Taehyung-shi ist wie ein Labradorwelpe. Er ist tollpatschig und unheimlich niedlich. Er wirkt unschuldig, aber glaube mir, er ist nicht blind für die Welt, er macht sie sich nur gerne so, wie es ihm gefällt.“
Mia machte es ihr nicht leichter.
„Aber es ist schön, dass du wieder mit Jongin zusammengekommen bist, ich finde ihr zwei passt gut zusammen. Jongin scheint sehr glücklich zu sein.“
Die Deutsche hatte schon bemerkt, wie der Sänger die beiden Frauen beobachtete, Skye folgte ihrem Blick.
„In all den Jahren, hattest du jemals Zweifel an der Beziehung mit Donghae?“ Es war ziemlich persönlich, doch Skye brauchte Gewissheit, dass ihre eigene Unentschlossenheit nicht schlimm war, dass es normal war. Mia schaute in die Ferne und dachte nach.
„Einmal. Es war die Zeit, in der alle irgendwie in der Armee waren. Donghae, Eunhyuk und Siwon waren gleichzeitig weg. Leeteuk … Teukie ging es damals nicht gut, diese Sache mit seinem Vater hing ihm sehr nach. Die Zwillinge waren 3 Jahre, Thalia war gerade ein Jahr geworden. Wir hatten die Restaurants und Bars und die Akademie war in der Planung. Ich verlor irgendwie den Boden unter den Füßen. Jiyong hat mich damals ins Zwangsurlaub gesteckt – zu meinen Eltern in die Schweiz. Drei Monate – er hat gesagt, vorher würde man mich nicht mehr ins Land lassen und das er da Beziehungen hätte“, Mia lächelte bei der Erinnerung.
„Es war ein Schock. Von all der Arbeit, dem Stress, den schlaflosen Nächsten zu einem fast völligen Stillstand. Meine Mutter beschäftigte sich mit den Kindern und wir hatten auch eine Nanny. Und ich? Ich musste lernen runterzukommen. Es war eine schwere Zeit und ich habe dort jemand kennengelernt … es ist nichts passiert, aber es hätte etwas passieren können und teilweise habe ich mich gefragt, ob ich in Korea nicht alles niederreiße. Ich hatte schon damals genug Geld um klar zu kommen. Ich habe danach viel an meiner Einstellung geändert – und ich habe mehr Manager eingestellt, doch damals habe ich das alles in Frage gestellt.“
Skye hörte ihr zu und nickte. Mia machte jetzt schon viel, sich vorzustellen, dass sie noch mehr alleine machte, war Irrsinn. Sie hatte Spaß an ihrer Arbeit und das war gut, aber man musste manchmal auch einsehen, dass zum Leben mehr als nur Arbeit gehörte.
Sie waren gegen 16 Uhr mit dem Shooting fertig und lungerten noch bis zum Abendessen auf dem Grundstück rum. Eine Gruppe ging noch mal zum Strand und die Assistentin hoffte nur, dass sie den richtigen Weg fanden. Und nicht auf Kühe trafen. Skye und Jongin hingegen nutzen die Gelegenheit sich in einer Hängematter zurückzuziehen und etwas zu kuscheln.
„Wir brauchen eine Hängematte Zuhause“, murmelte er, halb am Schlafen.
„Wieso?“
„Weil wir immer schöne Hängematten-Momente hatten.“
Das stimmte. Auf Okinawa hatten sie eine Hängematte gehabt und auf Adavaci hatte Skye ebenfalls welche. Sie bräuchte nur kräftige Hänger, dann könnte sie tatsächlich Zuhause eine aufhängen, aber was sie viel süßer fand, war das er von ‚Zuhause‘ sprach und damit meinte er sicher nicht das EXO Dorm. Sie würden das hinkriegen, davon war sie überzeugt.
Beide schliefen sie noch ein wenig, doch als nach und nach die anderen wiederkamen, wachten sie durch die Geräusche auf. Alles war so entspannt, so entschleunigt. Viel zu entschleunigt. Nachdem Skye halbwegs zu sich gekommen war, trommelte sie EXO zusammen.
„Aufstellung!“, rief sie und wünschte sie hätte eine Trillerpfeife.
„Für was?“, fragte Suho.
„The way you love“, erwiderte sie und sah Panik in den Gesichtern. Es war der Comebacksong und sie wollte nicht, dass sie zwischen Pinien und Stränden total aus der Übung kamen. Kurz überlegten die Sänger bei Mia Hilfe zu ersuchen, gaben die Idee aber schnell wieder auf und vermuteten, dass die Idee wahrscheinlich sogar von Mia kam.
Es brauchte fünf oder sechs Anläufe bis die Assistentin zufrieden war. Stellt sich nur einer vor, EXO würden zurückkommen und hätten die Tänze vergessen!
Pierre hatte bereits einen Tisch für 20 Personen reserviert und Skye hatte durch das Telefon von der anderen Seite her Gezeter gehört. Das Lokal hatte tatsächlich nur eine kleine Fläche für innen, mit ein paar Tischen. Dafür hatten sie eine riesige Terrasse, doch die war eigentlich noch geschlossen, weil es abends zu frisch war. Im letzten Jahr hatten sie wohl dazu gelernt und ein paar Heizpilze besorgt, die heute zum Einsatz kommen würden.
Und so zogen sie los und fuhren in das Dorf, dass nur ein paar Kilometer entfernt lag.
„Also Skye … du hast hier wirklich einen schönen Ort gefunden“, kam es von Suho, als sie auf den Parkplatz fuhren.
„Können wir nicht verlängern?“, fragte Sehun hoffnungsvoll. Wenn es nach Skye gegangen wäre, hätten sie noch eine Woche zum Erholen nach den Shootings drangehängt, doch der Schedule ließ es nicht zu.
Von Pizza und Pasta zu Steaks konnte jede hier etwas finden. Skye nahm sich mit Absicht etwas Kleineres, weil es wundervolles Dessert gab und wenn sie zu viel als Hauptgang hatte, würde sie nie im Leben den Nachtisch schaffen. Die Sänger hatten damit weniger Probleme.
Sie saß neben Chanyeol und Suho, Jongin saß ihr gegenüber, doch irgendwie war Skye tief im Gespräch mit ihren Sitznachbarn. Mia schupste Jongin mit der Schulter an.
„Schön, wie sich das entwickelt hat“, meinte sie und nickte zu Skye.
„Ja“, erwiderte er mit einem Lächeln. „Sie ist aber auch so … vielschichtig. Ich meine das nicht böse, aber viele Frauen haben nur shoppen und ihr Outfit im Kopf, aber sie ist anders. Mit Chen und Chanyeol unterhält sie sich über Musik und mit Sehun und Xiumin über Filme und mit Kyungsoo hat sie sich letztes über Nordkorea unterhalten. Sie ist unheimlich schlau und weiß über so viele unterschiedliche Dinge Bescheid, manchmal komme ich mir etwas doof neben ihr vor.“
Die Deutsche tätschelte seinen Rücken.
„Quatsch, nicht jeder muss die Fibonacci-Folge auswendig können.“
„Die was?!“, fragte er sie verdattert und Mia fing an zu lachen.
„Ist schon gut“, sagte sie lachend, doch damit fand sich Jongin nicht ab.
Skye hingegen steckte in einer Diskussion über Erderwärmung.
„Natürlich ist der Fortschritt der aktuellen Erderwärmung von Menschenhand erschaffen, aber …“
Suho hatte gewusst, dass ein ‚aber‘ kam. Skye hatte immer ein ‚aber‘.
„Es ist Fakt, dass die Erde einen gewissen Turnus durchlebt, der in einer Eiszeit endet. Eiszeiten gibt es immer wieder. Wissenschaftler haben zum Beispiel herausgefunden, dass es im Hochmittelalter viel wärmer war als wir es heutzutage haben – und das ohne Treibhauseffekt. Damals hatte man sogar in Norwegen Wein angebaut – heute völlig unmöglich. Oder Wikingersiedlungen in Grönland, die damals belebt waren und wo Landwirtschaft betrieben worden ist, liegen heute im Permafrost. Seit Anfang des 14. Jahrhunderts begann eine kleine Eiszeit. Zwischen dem 14. und 15. Jahrhundert wurden in Skandinavien, Schottland und Nordengland über 400 Siedlungen aufgeben, weil sie keine Landwirtschaft mehr betreiben konnten, weil es so kalt war, doch die Jahrhunderte davor war Landwirtschaft dort kein Problem gewesen. Die Erde erwärmt sich, die Pole schmelzen, die Meeresströmungen brechen ab, es findet kein Warmwasseraustausch mehr statt, es entsteht eine Eiszeit und irgendwann regelt die Erde das schon wieder“, erklärte sie. „Egal was wir tun, früher oder später gibt es eine Eiszeit, mit oder ohne Einfluss der Menschen.“
„Aber nichts desto trotz ist der Mensch nicht unschuldig, dass die nächste Eiszeit vielleicht früher kommt als sonst“, bemerkte Suho.
„Das Problem ist nicht der Treibhauseffekt, sondern die Verkleinerung natürlicher Lebensräume und Umweltverschmutzung. Die Überfischung der Meere führt dazu, dass Haie viel näher an die Küste kommen, auf der Suche nach Futter. Die Eisbären haben keine Rückzugsgebiete, die Löwen ebenso wenig. Der Mensch nimmt zu viel Lebensraum in Anspruch und lässt überall seinen Müll rumliegen. Eine Eiszeit tut der Menschheit gut, dann stirbt mal so die Hälfte weg und die Umwelt kann sich etwas erholen, Wälder können wachsen, Tiere ihren Lebensraum zurückerobern und es wäre nicht nur weniger Müll da, man würde an sich alles mehrfach verwenden. Diese Wegwerfgesellschaft ist furchtbar. Früher gab es Glühbirnen, die gingen nie kaputt – aber damit macht man ja kein Geld. In Kalifornien gibt es eine Glühbirne, die brennt seit 1901! Aber so ist es für ein Unternehmen unrentabel.“
„So ein Quatsch! Seit 1901? Nie im Leben“, sagte Chanyeol.
Tatsächlich hatte sie Glühbirne in einer Feuerwache eine eigene Webcam, also zückte Skye ihr Handy und zeigte es ihnen.
„Wahnsinn!“, kam es von Suho.
„Unsere Umwelt wird von der Industrie, die den Hals nicht voll bekommt, zerstört. Waschmaschinen, Fernseher, Geschirrspüler, Autos, all das könnte ewig halten, wenn es nicht dazu entworfen wäre alle paar Jahre kaputt zu gehen. Wir produzieren so viel unnötigen Müll.“
„Wir sollten etwas dagegen tun!“, kam es von Chanyeol. Skye blinzelte.
„Okay…“
„Ja, wir könnten zum Beispiel nur noch Glasflaschen benutzen, anstatt Plastik und wir könnten … Solarpanels auf dem Dach installieren.“
„Wann warst du das letzte Mal auf dem Dach?“, fragte die Assistentin mit einem verschmitzten Grinsen.
„Ehm … ich … was machst du auf dem Dach?!“
„Wir haben Solarpanels, an einem sonnigen Tag erzeugen wir mehr Energie, als das Gebäude verbraucht, nur dass es nicht so ist, dass wir den von uns produzierten Strom benutzen – wie zum Beispiel auf meiner Insel – sondern wir schicken den Strom an das Kraftwerk und bekommen ihn gutgeschrieben. Wir haben im ganzen Haus Energiesparlampen und die Toiletten verbrauchen pro Spülung nur 3,5 Liter. Der Standard liegt bei 6 Liter und bis vor ein paar Jahren waren es 9 Liter! Wir haben viele große Fenster, um viel Licht reinzulassen, doch die Fenster sind auch toll isoliert und halten 90% der Wärme im Haus. Die Türen haben auch besondere Gummis, um keine Wärme zu verlieren. Es wurde auch ein Boden gewählt, der die Wärme lange sammelt. Mia hat sich viele Gedanken darum gemacht“, erklärte sie und die beiden Männer staunten nicht schlecht.
„Das wusste ich gar nicht“, erwiderte Chanyeol beeindruckt.
„Quatsch, natürlich wisst ihr das, ihr habt nur nicht zugehört! Ihr habt nur bis ‚jeder hat sein eigenes Schlafzimmer‘ zugehört und danach war es vorbei mit der Konzentration“, erklärte Mia, die sich in das Gespräch einklinkte. Suho und Chanyeol tauschten einen Blick aus.
„Du hast auch etwas von einem Pool gesagt, da ist doch klar, dass eine 3,5 Liter Toilettenspülung in dem Moment keine Priorität mehr hatte!“, verteidiget Chanyeol die Band und die anderen fingen fröhlich an zu lachen.