Es stellte sich heraus, dass wenn man einen Alien-Boyfriend hatte, dass man dadurch verschiedene Privilegien erlangte. Zum Beispiel wurde man nicht mehr in der Wohnung eingeschlossen. Und man durfte sogar alleine in den Supermarkt. Der im gleichen Gebäude war, aber immerhin.
Eine Woche war vergangen seit Nadias Freigang und seit einer Woche schlief sie mehr bei ihm, als im Dorm. Also schlafen tat sie potentiell weniger, aber das war eine andere Geschichte.
Dafür schleppten EXO sie nun überall mit hin. Ins Studio, zu Fotoshooting. Nach einer Woche war sie mit ihrem Manager beim Vornamen. Nadia wusste nur nicht so recht, ob sie Groupie oder Babysitter war, denn ehrlich, diese Kerle ließen alles überall rumliegen.
Sie waren gerade im Tanztraining und Nadia saß um Café um die Ecke und ließ die Seele baumeln. Es lag vielleicht auch daran, dass EXO gerade sich auf ein Comeback vorbereiteten und Nadia das Lied inzwischen hoch und runter singen konnte.
So wirklich achtete sie nicht auf die Tür, doch als sich dann jemand zu ihr setzte, schaute sie doch mal auf.
„Taehyung! Jungkook …“, sagte sie überrascht. „Wo kommt ihr denn her?“
„Wir haben gleich Training und wollten noch etwas essen – ist bei dir noch Platz?“, fragte Jungkook.
„Natürlich.“
Sie holten für Nadia auch direkt etwas zu essen mit, wehren war zwecklos.
„Und? Du und Jongin?“, begann Taehyung und schaute sie erwartungsvoll an.
„Ja … es läuft gut …“ Es war ihr unangenehm mit ihm darüber zu sprechen, weil er so offensichtlich mit ihr flirtete. Die beiden Sänger tauschten einen Blick aus.
„Was?“, fragte Nadia skeptisch.
„Ach nichts, alles gut“, sagte Taehyung eilig und aß weiter.
„Nun kommt schon, spuckt es aus.“ Sie mochte es nicht, wenn offensichtlich etwas ausgesprochen gehörte. Wieder schauten die beiden Männer sich an.
„EXO sind unsere Freunde“, begann Jungkook, doch Nadia reichte das noch nicht als Erklärung.
„Jongin ist … sehr … sprunghaft … ich will dir nichts einreden und vielleicht wird es bei dir auch anders, pass nur etwas auf dein Herz auf“, erklärte Taehyung und griff nach ihrer Hand. Gerne hätte sie ihm gesagt, dass sie mehr verband als nur ein Flirt und daher hatte sie auch das Gefühl, dass Jongin deswegen anfangs so reserviert war. Wenn sie sich heute trennten, hätte er sie nicht so einfach los. Sie waren verbunden, durch viel mehr als nur romantische Gefühle. Doch sie konnte ja schlecht BTS von ihrem Alien-Freund erzählen.
„Mach dir keine Sorgen“, sagte sie stattdessen und verharrte einen Moment zu lange mit ihrer Hand in seiner. Ihre Blicke trafen sich. Normalerweise hatte sich Nadia gut unter Kontrolle, Männer waren zum Spielen da, aber bei Jongin und auch bei Taehyung funktionierte ihr rationales Denken ganz schlecht.
Später an diesem Abend saß sie mit Chen im Dorm. Jongin, Suho, Sehun und Xiumin waren zu einer Premiere eingeladen. Man durfte nicht vergessen, dass EXO immer noch Idols waren und natürlich mussten Jongin und Nadia aufpassen, dass die Fans nichts von ihnen mitbekamen. Vor den Fans hatte sie aktuell auch mehr Angst, als vor irgendwelchen Alien-Ninjas.
Chen stand in der Küche und kochte für sie – irgendwas mit Hühnchen.
„Willst du heute Abend etwas machen?“, fragte er sie über die Schulter.
„Oh, wir könnten nach Hongdae“, schlug sie scherzhaft vor. Idol und Hongdae war etwas, dass nicht zusammenpasste. Er lachte jedoch fröhlich.
„Wie gerne würde ich mal wieder nach Hongdae“, schwärmte er. Die junge Frau grübelte.
„Wir könnten auf den Namhansanseong“, schlug sie diesmal ernsthaft vor. Der Berg lag am Stadtrand von Seoul und was ihn von den anderen Bergen innerhalb der Stadt unterschied, war die Tatsache, dass man den größten Teil mit dem Auto hochfahren konnte. Nicht dass es ihr etwas ausmachen würden, doch die Schotterwege, die die meisten Berge hinaufführten, waren eigentlich nichts für nächtliche Wanderungen.
„Das ist eine coole Idee“, gab er zu.
Und so fuhren sie irgendwann nach dem Essen los. Sie hatten Taschenlampen dabei, eine Picknickdecke, etwas zu essen und zu trinken und sie zogen sich noch einen Pullover an. Es war auch nachts noch warm, doch wenn man auf einem Berg war und der Wind vielleicht vorbei fegte, konnte es schon frischer werden. Mit dem Auto fuhren sie auf den Parkplatz. Von dort aus waren es vielleicht noch 15 Minuten, bis sich ihnen die wundervolle Aussicht über Seoul eröffnete.
„Wow“, kam es von Chen. „Wir hatten hier mal ein Fotoshooting, aber so richtig in Erinnerung hatte ich es nicht mehr.“
Der Namhansanseong war eigentlich für seinen Rundweg an der alten Stadtmauer bekannt und für die kleinen Tempel, die man auf dem Berg fand, doch die Aussicht musste sich auch nicht verstecken.
Sie suchten sich ein Plätzchen und machten sich dort breit. Nach Einbruch der Dunkelheit war es potentiell etwas ruhiger auf dem Berg, doch hier und dort sahen sie Pärchen zusammen liegen.
Nadia musste zugeben, dass sie sich bei Chen sehr wohl fühlte. Nicht wie bei Jongin, nicht mit dieser Anziehungskraft, aber bei Chen hatte sie einfach das Gefühl, dass sie ihm vertrauen konnte.
Chen ging es genauso.
„Du erinnerst mich an meine Schwester, weißt du? Ich denke deswegen ist es Jongin anfangs auch so schwergefallen, weil du ihr sehr ähnlich bist“, bemerkte er, während sie auf der Decke lagen und in den Sternenhimmel schauten.
„Erzähl mir von ihr“, bat sie ihn.
„Sie wusste immer was sie wollte und sie hatte immer ihren eigenen Kopf. Sie mochte Chanyeol, aber sie wollte ihn nie heiraten. Und sie hat das auch immer wieder betont – selbst als sie noch ein Kind war. Ich war zwar ihr großer Bruder, aber oft habe ich das Gefühl gehabt, dass sie auf mich aufpasst. Sie war stark und furchtlos und immer witzig. Sie sagte immer ‚Lieber lachen, als weinen‘, egal wie schlimm die Lage war. Selbst als der Feind schon vor unserer Tür stand, machte sie Witze. Nicht jeder verstand das, aber mir half es…“
Nadia dachte darüber nach, was ihr in so einer Situation alles Blödes über die Lippen kommen würde. Ziemlich viel musste sie zugeben. Sie hatte oft keinen Filter, wenn etwas ihren Mund verließ und nicht jeder konnte damit umgehen. Komischerweise teilte sie oft den gleichen Humor mit Baekhyun. Das war aber auch das einzige, was sie teilten.
„Wen hättest du heiraten sollen … oder wen hast du geheiratet?“, fragte Nadia.
„Ich hatte Suhos Schwester geheiratet“, erzählte er grinsend. „Sie war führsorglich und lieb, der Krieg machte sie total fertig. Sie konnte nur schwer damit umgehen.“
„Hattet ihr Kinder?“
„Nein, wir wollten noch warten, noch etwas die Zweisamkeit genießen“, erklärte er und spielte mit seinem Ring.
„Hey, wenn ich mit Jongins Ring mich beamen konnte, kann ich mit deinem Ring dann auch Zeus spielen?“
Chen schaute sie grinsend an und nahm den Ring ab.
„Versuch es doch“, sagte er so dahin und reichte ihr den Ring.