Nichts war gut. Vor allem nicht, als tatsächlich der Bewegungsmelder auf der Terrasse angegangen war. Skyes Zimmer lag direkt darüber, doch sie konnte nichts erkennen. Wahrscheinlich war es nur eine Katze gewesen oder ein … Schwarzbär. Sie machte sich völlig umsonst irre. Aber nur um sicher zu gehen, schlich sie sich ins Erdgeschoss, im Dunklen natürlich, damit der Mörder es nicht so einfach hatte, was totaler Quatsch war, weil sie die Alarmanlage ausschalte musste und die piepste. Sie ging in die Küche und stattete sich mit einem Besen und einem Fleischmesser aus, machte die Alarmanlage wieder an und ging wieder hoch.
Da saß sie nun, natürlich im Dunklen, mit Besen und Messer, bereit sich allem zu stellen, was da kam. Sie hatte den Besen vom Stock abgemacht. Mit Kolya hatte sie etwas Stocktraining gemacht und in ihrem Klopfer (aus Bambi) Pyjama hätte sie auf jeden Fall den Überraschungsmoment auf ihrer Seite. Klopfer-Ninja. Nicht, dass der Mörder den Pyjama im Dunklen sehen würde.
Skye spielte mit dem Gedanken jemand anzurufen, doch zum einen war sie fast 2 Stunden von Seoul entfernt, zum anderen war es kurz nach Mitternacht. Und wen sollte sie anrufen? Taehyung? Sie konnte nicht. Sie hatte ihn wirklich gern und sie merkte, wie sie Gefühle für ihn entwickelte, doch sie konnte nicht so egoistisch sein, nicht bei ihm. Er war so verständnisvoll, so liebenswürdig und sie wollte ihn nicht hier her locken, damit er dann vielleicht Erwartungen hatte, die sie nicht erfüllen konnte. Er war oft albern und machte aus allem einen Witz, doch mit vielen Dingen, die er zu Skye gesagt hatte, hatte er recht behalten.
Seunghyun und/oder Jiyong hatten bereits letzte Nacht gebabysittet und soweit sie wusste, flog Jiyong morgen nach Japan.
EXO hatten gefühlte 18 Stunden Training am Tag wegen dem Comeback. Lisa gönnte sich einen Kurzurlaub auf Jeju. Die Mädels von Black Velvet wollte sie in all das nicht integrieren und sie war nicht so eng mit ihnen, dass sie erwarten würde, dass sie mitten in der Nacht quer durch’s Land fuhren. Super Junior. Sie würden bestimmt kommen, Eunhyuk und Leeteuk auf jeden Fall, aber irgendwie wollte Skye auch niemand auf die Nerven gehen, nur weil der Bewegungsmelder angegangen war.
Sie wusste schon jetzt, dass sie heute kein Auge zu bekommen würde und erinnerte sich an einen Campingausflug in der 9. Klasse. Es war kurz vor den Sommerferien, da bot die Schule einen Campingausflug über’s Wochenende an. Eigentlich war es so ein Eltern-Kinder-Ding, doch ihre Mutter hatte kurzfristig andere Pläne und so war Skye alleine gefahren. Gegen 3 Uhr morgens war sie aufgewacht von einem leisen Geräusch. Etwas kratzte an ihrem Zelt! In ihrem Kopf war es ein Puma oder ein Bär – Kinder und ihre blühende Fantasie, schön dass sich daran wohl nichts geändert hatte. Sie machte die Taschenlampe an und das Kratzen hörte auf. Überzeugt das Monster verscheucht zu haben, machte sie die Taschenlampe wieder aus und legte sich hin, doch kurz darauf fing es wieder an am Zelt zu kratzen.
Das Spiel mit Lampe an – Lampe aus machte sie fast drei Stunden lang mit. Raus zu gehen und nachzuschauen war keine Option gewesen, doch als die Sonne langsam aufging, nahm Skye all ihren Mut zusammen und ging aus dem Zelt. Der Puma war eine Schildkröte, der Skyes Zelt wohl im Weg gestanden hatte. Skye nahm sie hoch, drehte sie um, setzte sie ab und sie ging ihres Weges. Der Tag war gelaufen.
Die Amerikanerin hatte sich schon fast eingeredet, dass alles okay war, dass niemand sie umbringen wollte – zumindest nicht heute – und das sie beruhigt schlafen gehen könnte. Mit verriegelter Tür, in der Badewanne versteht sich. Doch dann schreckte sie von einem Geräusch auf. Es … klingelte? Skye stutzte. Welcher Mörder klingelte denn? Und das mitten in der Nacht. Tagsüber konnten sie sich noch als Staubsaugervertreter ausgeben, aber nachts?
Mit Messer und Besenstiel schlich sie sich also wieder runter und sah, dass die Kamera der Sprechanlage der Einfahrt eingeschaltet war und dort stand ein Auto. Wieder klingelte es, doch Skye musste erst die Alarmanlage entsichern. In der Kamera erkannte sie Taehyung und Namjoon. Sie ging an die Sprechanlage.
„Hallo?“
„There someting strange and it don look good – who you gon call? GHOSTBUSTERS!“, sangen die beiden fröhlich und Skye war überzeugt, dass sie das die komplette Fahrt von Seoul hier her einstudiert hatten. Kopfschüttelnd öffnete sie das Tor und stellte sich in die Eingangstür.
Namjoon stieg aus dem Wagen und fing sofort an zu lachen. Wie gemein!
„Wa-was ist denn jetzt?!“ Doch als dann Taehyung aus dem Wagen stieg, verstand sie, wieso der Bandleader so amüsiert war. Skye hatte ihren Klopfer Pyjama und Taehyung hatte ein Bambi T-Shirt an.
„Ihr zwei seid sowas von füreinander geschaffen!“
„Das sage ich die ganze Zeit!“, meinte Taehyung und nahm Skye in den Arm.
„Was tut ihr denn hier?“ Das wusste sie immer noch nicht.
„Du hattest Angst, ich bin gekommen.“ So einfach war das. Doch Skye legte einen tadelnden Blick auf.
„Ihr müsst doch nicht mitten in der Nacht quer durch’s Land fahren. Mir geht es gut, ich habe schon geschlafen.“
Namjoon schaute an ihr vorbei und sah das Messer und den Besenstiel. Von wegen geschlafen.
„Ach, nachdem er zehn Mal sagte ‚Oh, wenn sie jetzt Angst hat und nicht schlafen kann … oder wenn wirklich etwas passiert‘, dachte ich mir, dass ich so wahrscheinlich eher zum Schlafen kommen. Mal abgesehen davon wollt ihr einen Song aufnehmen – irgendjemand muss das ja produzieren.“
Irgendwie klang das bei ihnen alles so einfach, dabei wussten die beiden Sänger gar nicht, wie sehr sie Skye mit ihrer Fürsorge berührten.
Die beiden holten ihre Taschen aus dem Auto und schauten sich im Haus um.
„Das ist total schön hier, wie dieses Haus aus ‚Bodyguard‘“, sagte Taehyung nach dem Rundgang.
„Danke.“ Schließlich lauerte dort auch ein Mörder auf Whitney Houston!
„Keine Sorge, ich beschütze dich, ich bin dein Bodyguard.“
Skye bezweifelte das, aber es war süß gesagt und tatsächlich ging es ihr jetzt besser. Die beiden Sänger bezogen je ein Schlafzimmer, doch Namjoon hatte ganz klare Regeln.
„Also … ihr zwei“, er deutete auf Taehyung und Skye abwechselnd. „Jeder schläft in seinem eigenen Bett, kein Gefummel, kein Geknutsche und wehe ich höre irgendetwas.“
Die anderen beiden schauten ihn entsetzt an.
„Was denkst du von uns?!“, sagten sie wie aus einem Mund und Namjoon hob eine Augenbraue an.
„Zähneputzen und dann ab ins Bett!“
Als Skye runter ging, um die Alarmanlage wieder scharf zu stellen, nahm sie vorsichtshalber ihre ‚Waffen‘ wieder mit hoch. Doch als sie im Bett lag, konnte sie immer noch nicht schlafen. Sie schaute aus dem Fenster und beobachtete die Wolken am Himmel.
Schließlich gab sie den Kampf auf und schlich sich mit dem Besenstiel den Flur entlang, vorbei an Namjoons Zimmer – der sich mit voller Absicht in das Schlafzimmer zwischen den beiden einquartiert hatte. Zu allem Übel hatte er auch noch die Tür auf. Skye lunzte in das Zimmer, doch er lag mit dem Rücken zur Tür und sie konnte nicht erkennen, ob er am Schlafen war oder nicht. Doch Skye war barfuß und ziemlich gut im Schleichen.
Auch Taehyungs Tür stand offen, auch wenn es ihr egal war, wenn sie morgen früh eine Standpredigt bekommen würde. Tae war tatsächlich schon am Schlafen. Er sah so friedlich aus. Seine Lippen standen leicht offen und seine Haare fielen ihm über’s Gesicht. Er hatte schon so viel Gutes für sie getan und war irgendwie immer da, wenn sie ihn brauchte. Er war sogar da, wenn sie sich gar nicht eingestehen wollte, dass sie ihn brauchte. Auf jeden Fall hatte er es verdient, dass sie fair zu ihm war. Sie konnte nicht von einer Beziehung in die nächste hüpfen und vor allem dieses Mal merkte sie, dass es sie schmerzte Jongin gehen lassen zu müssen. Taehyung war kein Rebound. Sie würde fair zu ihm sein und eines Tages, wenn sie wirklich bereit war für eine neue Beziehung, würde sie ihm eine faire Chance geben. Schon jetzt merkte sie, wie ihr Herz schneller schlug, wenn sie ihn anschaute, schon seit Wochen. Jongin hatte sie gefragt, ob er sich Sorgen machen müsste und wirklich ehrlich hatte sie es ihm nicht beantworten können, denn ob sie wollte oder nicht, so änderte sich ihr Bild von Taehyung fast täglich etwas mehr. Vom Idol zum Menschen, vom Chaoten zu einem fürsorglichen Mann und zu einem verdammt guten Küsser. Noch immer hockte sie vor ihm, seine Lippen waren so nah. Sie müsste sich nur vorbeugen, aber nein, sie konnte nicht, durfte nicht. Langsam stand sie auf.
„Geh nicht“, murmelte er und sie drehte sich um.
„Du tust so als würdest du schlafen?“, flüsterte sie und grinste.
„Ich dachte ich könnte dir einen Kuss stehlen … ich dachte du könntest nicht wiederstehen.“
Oh, wenn er wüsste wie nah er an der Wahrheit war! Doch die Amerikanerin grinste nur.
„Na da musst du dir mehr einfallen lassen.“
Er hob die Decke an und sie stellte den Stiel gegen die Wand. Taehyungs Arme umschlossen sie und er zog sie näher an sich heran.
„Lala, ich bin hier … solange wie es weh tut und darüber hinaus, solange, bis ich dir Freude schenken kann …“, murmelte er in ihren Nacken. Sie nahm sich zusammen, obwohl sie ihn so gerne geküsste hätte, aber es wäre nicht richtig.
„Du machst es einem manchmal verdammt schwer…“
„Ach? Ich dachte ich müsste mir mehr einfallen lassen.“ Sie drehte sich zu ihm und sah ihn grinsen.
„Du bist unmöglich!“
„Übrigens, ich habe mir einen Racheplan für Jongin überlegt.“
Skye wusste nicht, ob er wusste was passiert war. Sie zog die Augenbrauen hoch.
„Der da wäre?“
„Du wirst schwanger von mir!“
Okay, natürlich wusste er, was passiert war. Wie könnte es auch anders sein? Dinge wie Privatsphäre existierten einfach nicht.
„Eines Tages vielleicht, aber nicht heute.“
Da wurden seine Augen groß.
„Mrs Jones! Planst du etwas eine Zukunft mit mir?!“
„Vielleicht…“
Er kam ihr gefährlich nah. Einerseits wünschte sie sich, dass er sie küsste, andererseits wusste sie aber, dass es sie nicht weiterbringen würde.
„Ich freue mich auf die Zukunft“, meinte er grinsend.
Skye wachte vor den beiden Männern auf und schlich sich in ihr Zimmer. Die Nacht war vorbei, sie alle waren noch am Leben und sie fühlte sich schon viel besser.
Es war gerade einmal kurz nach 7 Uhr, noch viel zu früh, aber ihr Körper hatte sich daran gewöhnt früh aufzustehen, weil es sonst ja auch immer etwas zu tun gab. Nun gab es nichts zu tun, außer das, was sie tun wollte. Sie zog sich wieder ihren Neopren an, der zwar kalt aber immerhin trocken war, und ging runter zum See.
Als Namjoon aufwachte fand er Taehyung oben auf dem Balkon. Er ging zu seinem Bandkollegen und sah einen entsetzten Gesichtsausdruck.
„Was ist denn?“ Seine Augen scannten die Umgebung nach Leichen ab, oder anderen furchtbaren Dingen.
„Skye ist schwimmen.“
„Okay … und?“
„Schau doch was sie anhat!“, rief er und deutete auf den See. „Einen Neopren! Hyung! Wer geht denn mit Neopren schwimmen?! Als hätte sie keine Bikinis!“
Nun begriff der Ältere, dass Taehyungs Probleme nicht wirklich tiefgründig waren und klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter.
„Der Sommer hat gerade erst angefangen.“
Nach dem schwimmen ging sie heiß duschen und im Haus roch es schon nach Essen. Namjoon hatte die Küche für sich beansprucht und Taehyung deckte den Tisch.
„Das riecht gut“, sagte sie und schaute ihm über die Schulter.
„Du kannst French Toast machen?“, stellte sie mit Überraschung fest und Namjoon lächelte triumphierend.
„Ja, auch ich habe meine Qualitäten.“
Gleichzeitig drehten sie sich zu Taehyung um, der gerade versuchte Servierten zu … Blumen zu basteln? Sie waren nicht sicher, was es letztendlich werden sollte.
„Alles rund um Küche kann er nicht so gut“, flüsterte Namjoon ihr zu.
„I see that …“
Aber man musste ja auch nicht alles können. Sie machten sich noch Früchtejoghurt und Skye hatte Müsli geholt. Gemeinsam saßen sie am Tisch. Es schien ein schöner Tag zu werden, mit blauem Himmel und Schäfchenwolken.
„Also, was willst du machen?“
Skye schaute immer noch nach draußen. Was konnte man denn machen? Man konnte Touren mit dem Schiff machen und es gab eine 2,6km lange Mono-Rail, die um den See führte bis hoch zum Bibongsan. Drum herum lagen viele Berge, die zum Wandern gut waren. Es gab ein Hanok Dorf und verschiedene Tempel und einen 62 Meter hohen Bungee Kran. Das war es dann auch schon an Highlights. Es gab irgendeinen traditionellen Essensmarkt und es gab einige Hotels mit einem umfangreichen Spa Angebot.
„Wollten wir nicht einen Song aufnehmen?“, erwiderte sie Taehyung.
„Das machen wir heute Abend, schließlich bist du hier, um dich etwas abzulenken und genau das machen wir heute“, erklärte er ihr. Tatsächlich hatte Skye auf nichts wirklich Lust. Am liebsten würde sie den ganzen Tag im Bett bleiben und essen. Doch jetzt waren die beiden hier und sie wollte nicht, dass sie sich langweilten.
Der Bibongsan hatte gerade etwas mehr als 500 Höhenmeter. Das hörte sich erst einmal nicht viel an, doch wenn man bergauf lief, war es schon etwas anstrengend. Skye hatte ihnen im Supermarkt Getränke und Kekse für den Weg geholt. Zumindest würden sie oben von einer Aussichtsplattform und einem Café belohnt.
„Hast du nicht gesagt, dass es so eine Monorail gibt?“, fragte Namjoon irgendwann und blieb schwer atmend stehen. Sie waren vielleicht seit einer halben Stunde unterwegs und ungefähr bei der Hälfte.
„Ja.“
„Und wieso nehmen wir die nicht?!“
Nicht dass sie nicht gerne an der Luft waren, aber wieso machte man sich die Arbeit einen Berg hochzulaufen, wenn es eine Bahn gab?
„Weil wir die Bahn runternehmen“, erklärte sie. Das verwirrte die beiden Sänger.
„Wieso?“, fragte Taehyung vorsichtig, als würde die Erklärung auf der Hand liegen, er konnte sie nur nicht erkennen.
„Weil runter schlechter für die Knie ist.“
Taehyung und Namjoon tauschten einen Blick aus, schüttelten den Kopf und gingen dann weiter.
„Oh, entschuldigt dass ich möchte, dass ihr in zehn Jahren auch noch auf der Bühne stehen könnt …“, murmelte sie und ging ebenfalls weiter.
Sie gönnten sich einige Pausen zum Ausruhen und zum Fotografieren. Es war nicht viel los auf dem Weg, schließlich war es Montagmorgen – wobei, bei Skyes Glück hätten sie eigentlich auf vier Schulklassen treffen müssen. Sie hatte oft Pech mit solchen Dingen. Oder auf halbem Weg fing es an zu regnen. Karma.
Sie brauchten etwas mehr als eine Stunde, um oben anzukommen, doch die Aussicht war wirklich eine Belohnung. Skye stand an der Brüstung um zu fotografieren, als Taehyung neben ihr die Arme aufstützte. Sie stockte einen Moment, weil er so nah war.
„Es ist wie ein Magnet“, sagte er leise und seine Lippen berührten leicht ihr Ohr. Dennoch verstand sie den Zusammenhang nicht.
„Was ist wie ein Magnet?“, fragte sie ohne sich zu bewegen.
„Deine Lippen. Ich will dich die ganze Zeit küssen.“
Ihr Herz begann schneller zu schlagen, doch es freute sie irgendwie, dass es nicht nur ihr so ging. Es war so schwer ihm zu widerstehen.
„Du weißt, dass wir das nicht können.“
Nicht nur weil sie auf einer Aussichtsplattform standen, für alle sichtbar, sondern weil Taehyung von Anfang an Recht hatte. Sie müsste mit dem Thema Jongin abschließen, doch egal wie verletzten, enttäuscht und wütend sie war, dass ginge nicht von heute auf Morgen.
„Ich weiß.“ Er lehnte sich etwas zurück und sofort vermisste sie seine Nähe. „Noch nicht“, fügte er hinzu. Skye musste sich nicht umdrehen, um sein Grinsen zu erahnen.
„Übrigens, ich habe mit Jungkook gesprochen.“
„Aha. Über?“
„Das ‚Euphoria‘ unser Eröffnungstanz wird.“ Er sagte es, als wäre es ganz offensichtlich.
„Unser Eröffnungstanz …?“
„Na auf unserer Hochzeit.“ Ach so, ja.
„Ach ja und wann genau ist die?“ Grinsend umkreisten sie sich.
„Ich denke im September 2021 oder im Mai 2022. Ich will schönes Wetter, nicht zu heiß, aber auch nicht kalt, weil ich will, dass wir lange abends draußen bleiben können, um zu tanzen. Andererseits wäre eine Hochzeit auf Adavaci auch schön und da ist das Wetter immer gut und wir bräuchten keine Schuhe – meine Mutter wird entsetzt sein und wahrscheinlich die einzige, die mit Stöckelschuhen kommt. Und die Torte soll fruchtig sein, mit Sahne … Himbeeren, schön gekühlt, damit es erfrischend ist …“
„Du hast dir schon ziemlich viele Gedanken darum gemacht“, stellte sie fest, wobei ihr seine Vorstellung gefiel.
Namjoon und Skye saßen auf einer Bank etwas seitlich von der Aussichtsplattform, um nicht zu viel Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Taehyung hingegen war losgezogen, um ihnen etwas zu essen zu besorgen.
„Oppa … ist … vergess es …“
Namjoon schaute zu ihr rüber und grinste.
„Frag nur.“ Skye atmete tief ein und aus.
„Taehyung … ist er immer so … bei Frauen?“
„Nein!“ Der Bandleader fing fröhlich an zu lachen und schüttelte energisch den Kopf. „Ich weiß nicht, was du mit ihm gemacht hast. Er flirtet gerne, ja, aber Beziehungen nimmt er eigentlich nicht sehr ernst und er denkt auch nicht sehr weit im Voraus. Bei dir ist er anders, anders als wir es jemals bei ihm gesehen hätten. Deswegen würde ich es schön finden, wenn du ihm nicht das Herz brechen würdest.“
„Ich werde es versuchen.“
Taehyung hatte ihnen Ramen geholt. In den Supermärkten in Korea gab es viele Fertiggerichte, die man sich dort in der Mikrowelle warm machen konnte und Wasser stand auch bereit. Nun hatte er drei Ramen und zwei Hände und zu allem Übel war es auch noch heiß und logischerweise war er total hilflos. Skye lief ihm entgegen und nahm ihm eine Terrine ab und die Stäbchen ab.
Sie saßen gemeinsam auf einer Bank und aßen während sie die Aussicht genossen. Wie versprochen nahmen sie die Monorail nach unten, auch wenn es für die Männer nur wenig Trost war. Als Skye sich dann auch noch an Tae anlehnte und einschlief, bewegte er sich nicht mehr, bis sie unten ankamen.
Zurück im Haus gingen sie ins Studio runter in den Keller. Skye kannte den Text, sie hatte die Demo-Aufnahme so oft gehört und war an sich verliebt in das Lied. Allerdings wollte heute keiner so wirklich arbeiten – auch BTS hatten mal einen freien Tag verdient und nach knapp zwei Stunden, in denen sie fast gar nichts aufgenommen hatten, vertagten sie das Ganze.
„So wie ich das sehe, hast du jetzt mehr Freizeit. Du kannst immer mit mir ins Studio“, bot Taehyung an. Skye nickte nachdenklich. Dass mit der Freizeit würde sich noch herausstellen. Konnte sie wirklich weiter für SME arbeiten? Mit all dem, was passiert war? Namjoon und Taehyung lenkten sie viel zu sehr ab, als dass sie wirklich über ihre Gefühle nachdenken konnte. Andererseits hatte sie dazu gerade wenig Lust.
Sie machten sich also daran das Abendessen vorzubereiten. Auf dem Weg von dem Berg waren sie in einem Supermarkt gelandet und neugierig hatten die Sänger beobachtet, was sie kaufte. In Korea musste man sich manchmal zu helfen wissen, wenn man nicht-koreanische Sachen haben wollte.
In der Küche bereitete sie soweit alles vor und dann gingen sie noch mal in den See. Nein, sie gingen nicht in den See – sie rannten und natürlich war es ein Wettrennen, wer später den Abwasch machte. Skye war erste, danach kam Taehyung und Namjoon war das Schlusslicht. Zuerst beschwerten sie sich, weil das Wasser so kalt war, aber wie so oft wurde es besser, wenn man erst einmal drin war. Skye ließ sich auf dem Wasser treiben.
„Lala!“, rief Taehyung ihr zu. Er stand etwas weiter weg, wo es wieder flacher wurde.
„Komm, wir machen ‚Dirty Dancing‘!“ Natürlich meinte er die Szene im Wasser und grinsend kam sie auf ihn zu.
„Meinst du, du packst das?“, fragte sie herausfordernd, doch das stachelte sein Ego nur noch mehr an. Schmerzlich stellte sie fest, dass sie eine ähnliche Hebefigur mit Jongin auf Korsika gemacht hatte.
Beim ersten Mal hob er sie hoch, doch mit zu viel Schwung und sie kippten um. Beim zweiten Mal hatte er dann zu wenig Schwung und bekam sie nicht richtig hoch. Beim dritten Anlauf hielt er die Figur und Skye streckte fröhlich die Arme aus und versuchte nicht an seine Hände auf ihrer nackten Haut zu denken. Langsam ließ er sie runter und die Amerikanerin legte die Arme um seine Schulter. Sie schauten einander an, nur für einen Moment versanken sie im Blick des anderen. Namjoon war gerade rein gegangen, die beiden waren also alleine.
„Laila?“
„Hm?“
Sie mochte es, dass er sie Laila nannte. Sie mochte Skye auch, aber er betonte Laila so schön.
„Ich werde auf der Stelle tot umfallen, wenn du mich nicht küsst.“
Grinsend stellte sie sich auf die Zehenspitzen und ihre Lippen berührten sich – schließlich ging es um Leben und Tod! Er küsste sehr sinnlich, ruhig, nicht wild und doch auch voller Leidenschaft. Seine Arme zogen sie enger zu ihm und Skye verlor sich in dem Kuss. Als sie ihn beendete, einfach weil sie nicht garantieren konnte, was sonst alles passieren würde, waren sie beide schwer am Atmen und Skyes Herz war wie wild am Pochen.
„Oh wie ich mich darauf freue, wenn wir zusammen sind“, sagte er grinsend und Skye schupste ihn leicht.
Namjoon stand im Wohnzimmer und beobachtete die beiden. Normalerweise waren Beziehungen in ihrem Leben kompliziert, weil sie wenig Zeit hatten und weil auch nicht jeder ihre Prioritäten verstand. Nicht jede Freundin oder Freund hatte Verständnis dafür, wenn man bis spät in die Nacht trainierte oder im Studio war. Sie hatten einen sehr engen Bandzusammenhalt, sie waren Brüder, nur so konnten sie erfolgreich sein. Für diesen Erfolg verzichteten sie auf vieles, doch sie wussten alle, dass Erfolg ein Verfallsdatum hatte. Sie surften seit fast 2 Jahren auf einer ziemlich hohen Welle und keiner wusste, wie lange es dauern würde, bis diese Welle brach. Es kamen immer wieder neue Idols, neue Bands und sie wurden auch älter. Big Bang waren sehr lange sehr erfolgreich gewesen und wenn man einmal so weit oben war, würde man nie wieder aus den Köpfen der Leute verschwinden, aber sicherlich würden sie irgendwann weniger Stress haben, weniger Reisen, weniger Studiozeit beanspruchen. Einige von ihnen hatten gerade keine Beziehung, eben weil sie es als unfair dem Partner gegenüber empfanden und hofften auf eine Zeit mit etwas weniger Stress. Doch Jimin und Suga hatten beide Beziehungen und es funktionierte eigentlich sehr gut. Und Namjoon mochte es Taehyung so glücklich zu sehen. Ja, Skye war kompliziert und sie verstrickte sich in Dinge, in die sie wahrscheinlich selbst gar nicht verwickelte werden wollte und doch mochte er sie. Er wusste nicht, wie er sich in ihrer Situation entwickelt hätte und fand, dass die Amerikanerin das Beste daraus gemacht hatte.
Etwas später, nachdem sie alle geduscht und trocken waren, saßen die beiden Männer am Tisch, während Skye das Essen machte. So ganz verstanden sie noch nicht, auf was sie sich eingelassen hatten. Immerhin hatten sie einen Salat auf dem Tisch stehen und es roch unheimlich gut aus der Küche.
Skye hatte bei Paris Baguette ein Baguette mitgenommen und in lange Scheiben geschnitten, welche sie in der Pfanne in Olivenöl am Anbraten war. Dazu gab es Minutensteaks, die sie schon eingelegt hatte und in die zweite Pfanne legte. Als alles fertig war nahm sie die Baguettescheiben und verteilte ihre hausgemachte Cocktailsoße darauf, die etwas pikanter war, als sonst und dann kam darauf Salat und darauf die Minutensteaks. Es war ein einfaches, schnelles Essen, doch Skye hatte es unheimlich gerne und so hatten es die beiden Männer.
„Das ist total lecker“, lobte Namjoon, der schon bei dem vierten Baguette war.
„Na klar, es ist auch wichtig, dass wenigstens einer von uns kochen kann“, bemerkte Taehyung und wurde von Skye unter dem Tisch getreten. Er zuckte zusammen vor Schreck und schaute sie entsetzt an, während der Bandleader die beiden recht amüsant fand.
„Auf Adavaci habe ich einen Koch“, bemerkte sie, was dazu führte, dass Tae und Joon einen Blick austauschten.
„Wir hatten eigentlich mal Urlaub für BTS geplant …“, begann Namjoon.
„Kannst du vergessen … meine Insel. Ausgewählte Gäste.“
Da fasste sich der Bandleader ans Herz.
„Was?! Wir sind keine ausgewählten Gäste?!“
Skye seufzte.
„Doch, wahrscheinlich schon.“ Und so schnell waren sie wieder glücklich.
„Das wäre eigentlich voll die gute Geschäftsidee, eine Insel für Idols, wo sie einfach ausspannen können und vom Rest der Welt abgeschieden sind.“
„Idol Island“, sagten Taehyung und Skye gleichzeitig und fingen an zu lachen.
„Weißt du was das Problem an der Sache ist? Das euren Entertainments wahrscheinlich schon der Flug nach Fiji zu teuer wäre“, meinte die junge Frau. Das ‚Problem‘ an Fiji war, dass es am Ende der Welt lag, egal wo man war. Es gab Orte, die waren etwas näher am Ende der Welt dran, doch selbst von Korea war Nadi mindestens 10 Flugstunden entfernt. Skye hatte sich mit Absicht für Fiji entschieden. Es gab viele Insel auf dieser Welt, die man kaufen konnte, auch tolle rund um die Philippinen oder Indonesien, aber die Südsee hatte für Skye immer eine gewisse Faszination gehabt. Sie war während ihres Studiums einmal in den Semesterferien auf Futuna gewesen und dieses abgeschiedene Leben hatte ihr gut gefallen. Wahrscheinlich könnte die Welt zu Grund gehen und man würde es dort nicht mitbekommen.
Sie liebte auch Afrika, aber dort gab es immer etwas zu tun, es gab immer irgendwelche Probleme. Wilderer, Stämme die im Klintsch lagen, Touristen die in Gebieten umherirrten, in denen sie nichts zu suchen hatten, irgendwelche Ämter die sich über irgendetwas beschwerten. Man hatte definitiv mehr Einflüssen von außen, als auf so einer kleinen Insel.
Taehyung hatte sein Handy ausgepackt und ihr Aussage überprüft.
„So teuer sind die Flüge gar nicht … also Big Hit würde das für uns schon ausgegeben.“
„Als One Way“, meinte nur Namjoon und Skye fing fröhlich an zu lachen.