Als Skye Zuhause ankam, versuchte sie Taehyung anzurufen und erkannte dann immerhin, wieso ihre Nachrichten nicht zugestellt waren: Die von Ihnen gewählte Rufnummer ist leider nicht vergeben.
Nun zog Big Hit aber die harten Geschütze auf. Skye war kein Kind und auch nicht schwer von Begriff. Wenn man ihr sagte, dass sie für ein paar Wochen etwas Abstand halten mussten, war das eine Sache, aber ihn komplett abzuschirmen, gab ihr das Gefühl ein Verbrecher zu sein.
Am nächsten Morgen wusste sie nicht so recht was sie machen sollte. Sie überlegte gar nicht zum Training zu gehen und wenn sie deswegen jemand anfuhr, könnte sie sich darauf berufen, dass sie Big Hit nur das Leben leichter machen wollte, indem sie sich selbst isolierte.
Doch weder glaubte sie, dass diese Psychologie wirklich fruchten würde, noch dass Big Hit ihren Sinn für Humor verstand.
Zu allem Übel waren Super Junior jetzt ständig unterwegs und Skye hatte nichts, was annähernd als Frühstück brauchbar war. Auf den Weg zu Big Hit hielt sie bei einem Kaffee und holte sich einen Joghurt mit Müsli und einen Früchtebecher. Irgendwas brauchte sie im Magen und es war auch noch Zeit, nachdem sie das jetzt mit dem Joggen wieder aufgegeben hatte.
Die Amerikanerin saß am Fenster und ließ die Gedanken schweifen, als sie aus den Augenwinkeln etwas Bekanntes bemerkte. Verwundert schaute sie zu den Leuten die am Counter standen. Was hatte sie gesehen, dass ihre Alarmglocken aufschreckten. Eine Frau drehte sie von Skye weg, Zufall oder Absicht war nun erst einmal dahingestellt, doch Skye war zu neugierig und ging zu dem Tisch mit Zucker, um so zu tun als würde sie noch etwas brauchen.
„Honey?!“
Skyes letzter Stand war, dass Honey in Busan war und keine Ahnung was machte.
„Skye!“ Die junge Frau tat überrascht, auch wenn Skye ahnte, dass sie sich mit Absicht abgedreht hatte, um nicht erkannt zu werden.
„Männer! Wirklich, kann man heutzutage nicht einmal wegen seinem Wissen und seinem Können bewertet werden? Als er anfing mich anzugrabschen ist der heiße Kaffee über ihn geflogen“, erzählte Honey von ihrem Chef in Busan.
„Aber wie lange bist du schon wieder da?“
„Seit … einer Woche oder so.“
„Und wo wohnst du?“
Die Koreanerin ging Skyes Blick aus dem Weg.
„Ich habe eine Wohnung in Sinchon.“
„Aha. Ein Goshi oder was?“
„Es ist echt hart dich zu linken“, stellte Honey fest. „Ich will niemand auf die Nerven gehen. Sie denken ohnehin schon, dass ich nichts alleine auf die Reihe bekomme.“
„Lass sie doch denken, was sie wollen.“
„Übrigens, Schweinerei was sie mit dir machen bei SM und Big Hit. Ich habe dein Video gestern gesehen, du bist einfach so gut, dass ¾ aller Sänger sich schämen sollten sich Sänger zu schimpfen.“
„Danke … glaube ich.“
Die beiden Frauen fingen an zu lachen.
„Honey, ich sag dir was. Ich ziehe in spätestens 10 Tagen so wie so aus meiner Wohnung aus – ich lasse sie dir.“
Die Koreanerin schaute überrascht auf.
„Wie …?“
„Jeder hat eine Phase, in der man nicht wirklich weiß, was man tun will und manchmal wünschte man sich, dass man eine Person hätte, die an einen geglaubt hat – lass mich diese Person sein. Du kannst meine Wohnung haben und dann kannst du in Ruhe überlegen, was du mit deinem Leben anfangen willst.“
Honey wusste wohl nichts mit dieser Freundlichkeit ohne Gegenleistung anzufangen und schaute skeptisch, als würde sie auf das ‚aber‘ warten.
„Honey, es ist meine Wohnung und ich wohne in einem Haus bald. Du kannst das Apartment so lange haben, solange du die ganzen Idols erträgst oder ich aus Versehen mein neues Haus abfackle.“
Die Koreanerin fing an zu lächeln.
„Das ist super nett von dir und total unnötig, aber … danke.“
„Gerne.“
Skye war auch der Meinung, dass wenn man Gutes säht man auch Gutes erntete.
Total motiviert etwas Gutes getan zu haben fuhr sie zu Big Hit. Sejin kam ihr entgegen mit einem strahlenden Lächeln.
„Skye! Hast du die Hits auf dein Video gesehen?“
„Ja…“
„Unfassbar, ist das nicht großartig?“
„So großartig wie, dass ich Tae jetzt gar nicht mehr sehen darf? So großartig wie, dass Taehyung jetzt eine neue Telefonnummer hat? So großartig, dass einer der BTS Manager Wache vor’m Dorm steht?“
Er stockte, anscheinend war Sejin es nicht gewohnt, dass jemand so offen seine Meinung sagte, was Skye aber wunderte, denn schließlich war er der BTS Manager und nicht jeder von ihnen war gut darin Dinge durch die Blume zu sagen.
„Skye, wir versuchen nur ihren und auch deinen Ruf zu schützen.“
„Indem man mich behandelt wie einen Mörder?!“
Sie war lauter geworden als sie wollte und ihre Stimme donnerte durch das Foyer des Entertainments. Wie im Film hatten alle aufgehört zu sprechen, weil das, was zwischen den beiden passierte, wohl interessanter war, als das, mit dem sie sich gerade beschäftigt hatten.
„Wir sind im Moment vielleicht etwas streng, aber glaube mir, wenn ich dir sage, dass es zu eurem Wohl ist“, betonte er noch einmal.
„Wir wohnen in einer Fabrik, damit wir unter uns sind, damit wir tun können, was wir wollen und innerhalb dieses geschützten Mikrokosmos ist es mir nicht mehr gestattet mit BTS zu kommunizieren. Sage mir, wie genau soll das zu meinem Wohl sein?“
„Ihr müsste lernen Abstand zu gewinnen, denn eure Beziehung wird für einige Zeit auf’s Eis gelegt.“
„Ach, sagt wer?“
„Es war eine Entscheidung von Bang Si-hyuk und den anderen Managern.“
„Nur das ich weder mit Bang Si-hyuk noch mit dir schlafe! Was bildet ihr euch ein? Moderne Sklaventreiber oder Menschenhändler?!“
Skye wurde von schlechten Momenten verfolgt, denn sie hatte nicht bemerkt wie Bang Si-hyuk mit Yoongi und Namjoon aus dem Fahrstuhl gestiegen war. Nun trafen sich ihre Blicke und sein Gesicht war röter geworden.
„Skye, vielleicht sind manche Entscheidungen für dich nicht nachzuvollziehen, weil du noch nicht lange genug in dieser Szene bist, doch lass dir gesagt sein, dass Entscheidungen wie diese BTS zu dem gemacht haben, was sie heute sind. Sie müssen ihr Privatleben hintenanstellen, um als Personen der Öffentlichkeit präsent zu sein.“
„Bei Ihrer Gier nach Geld und Ruhm haben Sie vergessen, dass hier Menschen den Preis für Sie bezahlen.“
Und damit drehte sie sich um stapfte aus der Tür nach draußen. Sprachlos schauten ihr alle nach.
„Meine Herren, ich hätte gerne ihre Eier“, kam es von Yoongi bevor er darüber nachdenken konnte.
Eigentlich war Skye nur weg gegangen, weil sie nicht wollte, dass jemand sah, wie ihr die Tränen in die Augen gestiegen waren. Sie wollte nicht vor ihnen weinen. Es ging gar nicht darum, dass sie das Grundprinzip nicht verstand, aber es war auch nicht gerade so, als würde sie mit Taehyung während der Wasserspiele an der Banpo Brücke Sex haben! Es ging darum, dass sie Zuhause waren, der Ort, an dem sie privat waren, an dem keine Kameras lauerten, wo sie sich wohlfühlen sollten, sie nun praktisch zu Gefangenen im eigenen Dorm geworden sind. Sie hatten nicht vor ihre Beziehung öffentlich zu machen, also wieso ließ man sie nicht einfach in Ruhe, solange sie glücklich waren? Wenn sie Streit hätten und es würde sich auf Taehyungs Leistung auswirken, dann könnte Skye auch verstehen, wenn Big Hit sich einmischte, aber es war doch noch gar nichts geschehen! Wieso sollten sie sich gar nicht mehr sehen?
Sie fühlte sich hilflos und betrogen und ganz sicher würde sie heute nicht ins Training gehen.
Irgendwie wollte sie aber auch nicht nach Hause und so stand sie an der Ecke vor der Bathöhle und grübelte, was sie tun sollte. Ihr Haus war ohnehin noch nicht fertig, vielleicht wenigstens ihr Schlafzimmer? Sie wollte ihren Innenarchitekten auch nicht wegen einer Woche auf die Nerven gehen, eher würde sie in ein Hotel umsiedeln. Dann hätte Honey die Wohnung schon früher.
Was, wenn Taehyung auf Big Hits Seite war und sie jetzt weniger mochte wegen dem ganzen Aufstand, den sie machte? Sie hatte Kopfschmerzen und sie hatte geweint und am liebsten würde sie sich in ein Loch verkriechen und warten, bis alles vorbei war.
Und dann erlitt sie noch einen halben Herzinfarkt, als jemand an ihre Fensterscheibe klopfte! Erschrocken fuhr sie auf, verschüttete den Kaffee in ihrer Hand, fluchte und freute sich zugleich, weil er wenigstens nicht mehr heiß genug war, um sie zu verbrennen.
Dann wollte sie herausfinden, wer ihr nach dem Leben trachtete und rechnete schon mit Bang Sihyuk, als sie Noah vor dem Wagen fand und er versuchte ein Lachen zu unterdrücken. Die Amerikanerin ließ das Fenster runter.
„Für die Reinigung bezahlst du.“
„Für die vom Auto oder die von dir? Weil dich würde ich als Handwäsche reinigen lassen…persönlich.“
„Ewww. Ich habe echt keinen guten Tag, bringe mich nicht dazu es an dir auszulassen.“
„Ich weiß gar nicht was du hast, du hast Kai los, Taehyung scheint unsterblich in dich verliebt zu sein und du bist auf Youtube hochgeschossen wie ein Silvesterfeuerwerk.“
Skye schnaufte genervt.
„Wieso stehst du hier so … unentschlossen?“, fragte er weiter.
„Ich will irgendwie nicht nach Hause.“
„In welches Zuhause? Wenn du möchtest kannst du mit zu mir.“
Jedenfalls war es ein besseres Versteck als in ihrer eigenen Wohnung. Sie hatte fast vergessen wie toll das Loft von Noah eingerichtet war, diese Mischung zwischen alt und neu und die hohen Wände. Hohe Wände hatte sie nun auch im neuen Haus. Vor allem das Wohnzimmer mit der Galerie oben würde schwierig zum Heizen werden, aber dafür hatte sie nun Fußbodenheizung und die Kamine.
Sie erzählte von der ganzen SM und Big Hit Aktion und merkte kaum, wie Noah den Tee mit Rum verfeinert hatte.
„Deswegen bin ich froh nicht in diese Idol Szene zu sein“, sagte er schließlich. „Alles viel zu kompliziert, zu viele Regeln, zu viele Leute zu enttäuschen, zu viele Leute, denen man Rechenschaft schuldig ist. Wenn du meine Meinung wissen willst, dann halte dich davon fern. Du liebst deine Freiheit viel zu sehr, als dass du dich von irgendeinem Entertainment einschränken lässt.“
Wahrscheinlich hatte er recht, doch all das änderte nichts daran, dass sie gerne sang und dass in den vergangenen Wochen einen gewissen Ehrgeiz entwickelt hatte, um sich zu beweisen. Je mehr man ihr sagte, dass sie etwas nicht konnte, umso mehr musste sie zeigen, dass dem nicht so war.
„Eigentlich wäre es mir alles egal, aber ich verstehe nicht, wieso man Tae und mir solche Steine in den Weg legt. Jongin macht einen blöden Livestream und alle tun so, als wäre ich online ausgetickt. Wir haben nichts gemacht, ich will uns doch nur eine Chance geben.“
„BTS waren bisher ziemlich skandalfrei und Big Hit will das es so bleibt.“
„Wer sagt denn, dass wir ein Skandal werden? Suga, Jimin und Jungkook haben auch Beziehungen und keiner weiß davon.“
Noah grinste und schüttelte den Kopf.
„Skye, du bist die Art Frau, die Männer um den Verstand bringt. Irgendwann will er in die Welt schreien wie sehr er dich liebt.“
„Was heißt denn bitte ‚Die Art Frau‘?“, wollte Skye wissen. Noch hatte sie sich nicht entschieden, ob es Beleidigung oder Kompliment war.
„Du bist keine Frau, die man kennenlernt und eine Weile gernhat und dann trennen sich die Wege. Dich liebt man oder dich hasst man. Du bist schön, intelligent, etwas verrückt, waghalsig und du versprühst Lebensfreude. Ich gehe davon aus, dass die meisten Frauen dich hassen.“
Sie nickte zögerlich. Das Ding mit Frauen war, dass sie einander oft erstmal als Konkurrenz ansahen und wenn sie sich dann besser kannten, dann entstanden Freundschaften. Allerdings war der Zusammenhalt bei Frauen nicht wie bei Männern. Männer hielten viel fester zusammen, während Frauen gerne dazu bereit waren eine Freundin zu verraten, wenn sie daraus einen Nutzen ziehen konnten. Und deswegen hatte Skye mehr männliche Freunde.
Irgendwann fuhr Skye dann doch rüber in die Fabrik. Sie nahm die Treppe in den Keller, um kurz in der Waschküche vorbei zu gehen, als sie ein Gewirr aus Stimmen hörte. Von der Neugier getrieben, ging sie auf die Suche nach der Quelle und fand in der ‚Spielhölle‘ so ziemlich komplett BTS, EXO und Red Velvet versammelt. Dazu kamen einige Manager und Amber war auch dabei. Da Sejin auch da war, blieb Skye mit einer gewissen Distanz um die Ecke stehen, um herausfinden, was hier überhaupt los war.
„Aber es kann es doch nicht sein, dass ein Video solche Auswirkungen hat“, kam es von Taehyung.
„Ich kann aber auch nichts dafür, dass Big Hit Skye als Staatsfeind ansieht, das war nicht meine Intention und das weißt du“, verteidigte sich Jongin.
„Und was ist mit uns? Wir wollten eine Band gründen“, kam nun Yeri und alle fingen an durcheinander zu reden.
Skye hatte gar keine Ahnung, wie es überhaupt zu dieser Ansammlung gekommen war, doch die Manager wirkten nicht glücklich. Sie wusste aber auch, dass sie das beenden musste. Sie alle waren Freunde und Skye würde nicht zulassen, dass sie sich wegen ihr stritten. Als sie in den Raum rein ging schenkte ihr kaum jemand Beachtung, bis sie sich auf den Billiardtisch stellte.
„HEY!“, rief sie und alle schauten verwundert zu ihr – wahrscheinlich, weil sie sich fragten, wann Skye dazu gekommen war.
„Ihr werdet euch nicht wegen mir streiten, ich verbiete es euch! Ihr seid Freunde! Jongin, ja, deine Intention war eine andere gewesen, aber du musst aufhören dich von anderen beeinflussen zu lassen. Du bist nicht so dumm, wie du gerne tust. DIVAs – sind wir ehrlich, es hätte nie geklappt. Irgendetwas wäre passiert und ich wäre an die Decke gegangen. Deswegen, seid nicht traurig. Und Bambi“, sie drehte sich zu Taehyung. „Ich möchte nicht der Grund sein, dass deine Karriere leidet. Ich könnte das nicht verantworten. Und es ist auch nicht damit getan, dass wir ein paar Wochen warten oder ein paar Monate. Solange Big Hit mich als Bedrohung ansieht, werden wir nicht zusammen sein können. Es tut mir leid, dass ich so ein Durcheinander in eure Leben gebracht habe.“
Sie verbeugte sich, was etwas komisch wirkte, weil sie ja über allen anderen stand. Namjoon und Jin reichten ihr die Hände, um ihr von dem Tisch zu helfen.
„Laila!“, hörte sie Taehyung, er stand zu weit hinten.
„Lass es gut sein, es war nur ein Traum, doch jetzt ist es Zeit aufzuwachen.“
Sie ging durch die Menge, alle schauten traurig und bedrückt. Ihr eigenes Herz fühlte sich an wie entzweigebrochen, doch sie war nicht wichtiger, als die Freundschaft all dieser Leute.
Dieser Tag wurde einfach nicht besser. Skye war in ihre Wohnung gegangen und sich einen Koffer gepackt. Inzwischen war sie Profi im Kofferpacken. Sie hatte den Koffer ins Auto geschleppt und war ins Grand Ambassador gefahren.
Das Accor Hotel zwischen Myeongdong und Dongdaemun war nicht das mondernste und schönste Hotel Seouls, aber es roch unheimlich gut! Wenn man die Lobby betrat wurde man sofort von einem angenehmen Geruch eingelullt, der dazu führte, dass man sich sofort besser fühlte – nachdem der Concierge einem die Autotür geöffnet und die Koffer angenommen hatte.
Vor vielen, vielen Jahre, lange bevor Skye im Lotto gewonnen hatte, hatte sie einmal dieses Hotel als Preisfehler gebucht. Sie hatte nach Hotels in Seoul gesucht und öfters passierte es auf Seiten wie Trivago, dass die Hotels falsch verlinkt waren. So wurde auf Trivago ein tolles Hotel zum günstigen Preis angezeigt und wenn man auf das Link ging, um auf die Anbieterseite geleitet zu werden, war es letztendlich irgendein Hostel im 12-Bett Zimmer. Als Skye also das Grand Ambassador für 19$ im Einzelzimmer gesehen hatte, hatte sie damit gerechnet, dass es auch wieder falsch verlinkt war, war aber rein aus Optimismus drauf gegangen und es war tatsächlich das 5* Hotel gewesen. Ohne lange zu überlegen hatte sie 9 Nächte gebucht und direkt mit Kreditkarte bezahlt, was dazu führte, dass sie direkt eine Bestätigung bekommen hatte. Damals galt eine Bestätigung noch als verbindlich und eigentlich kam da kein Anbieter mehr raus. Wenn man Preisfehler buchte, sollte man generell die Füße stillhalten, nur niemand darauf aufmerksam machen, dass da etwas nicht stimmte – da sollten die schon selbst draufkommen, wenn denn jemand seine Arbeit richtig machte. Kurz vorher hatte sie eine Email an das Hotel geschickt und hatte sich nach dem Shuttlebus erkundigt und nebenbei gefragt, ob ihre Daten denn bereits vorliegen würden und siehe da, das Hotel wusste wer sie war. Sie hatte sogar Frühstück in dem Preis mit inklusive gehabt!
Schon damals hatte sie sich in das Grand Ambassador und dem Geruch in der Lobby verliebt. Es lag gut, in Laufweite von Myeongdong, doch sie hatten auch einen Shuttle nach Myeongdong und Insadong. Und man hatte Ausblick auf den Namsan.
Skye nahm sich diesmal eine Suite. Sie ließ sich ins Bett fallen und wartete auf ihren Koffer. Dann machte sie sich eine Flasche Wein auf und schlief irgendwann ein.
Als sie aufwachte, hörte sie etwas Summer. Noch irritiert vom Schlaf suchte sie ihr Handy. ‚Mia‘ stand auf dem Display. Nein, für Mia hätte sie jetzt keine Nerven. Eigentlich hatte sie heute für niemand Nerven mehr. Es war 17 Uhr irgendwas und draußen wartete noch der restliche Tag auf sie. Sie schenkte sich Wein nach und zündete sich eine Zigarette an. Heute durfte sie rauchen. Das Fenster ließ sich nicht ganz öffnen, wahrscheinlich wegen der hohen Selbstmordrate in Korea. Skye würde sich nicht selbst umbringen, niemals. Für sie gab es keine Situation, die so ausweglos war, dass man sich deswegen umbringen würde. Außer man war unheilbar krank und wartete nur darauf zu sterben. Dann würde sie in die Schweiz fahren und sich eine Pille geben lassen und sich freundlich das Leben nehmen. Ansonsten musste man halt manchmal die Arschbacken zusammenkneifen. Niemand hat gesagt, dass das Leben ein Ponyhof war.
Sie zog sich um und lief in Richtung Myeongdong, was vielleicht 15 Minuten zu Fuß vom Hotel war. Es wäre der perfekte Abend, um mit Freunden wegzugehen. Das Problem war nur, dass sie keine normalen Freunde hatte! Heute würde sie Freunde finden. Normale Freunde. Un-Idol Freunde. Und sie würden toll werden!
Die praktische Umsetzung gestaltete sich dann doch als etwas komplizierter. Zuerst holte sie sich etwas zu Essen. Gegrillte Garnelen mit Knoblauch und danach einen Hotteok stillten zumindest den ersten Hunger. Ihr Handy hatte sie im Hotel gelassen. Es war ungewohnt, aber ganz angenehm. So hatte sie ihre Ruhe und konnte sich darauf konzentrieren neue Freunde zu finden.
In einer Zwischenstraßen in Myeongdong gab es einen Laden, der sehr ähnlich wie Urban Outfitters war. Es gab Klamotten, Make Up, aber auch Polaroid Kameras, Schmuck und Schnickschnack. Es war super zum Bummeln und auch für Smalltalk. Skye war super im Smalltalk und jede Frau, mit der sie versuche ins Gespräch zu kommen reagierte auch irgendwie … nur eben nicht genug. Sie entwickelten keine richtigen Gespräche, die darin endeten, dass man zusammen einen Kaffee trinken ging, Telefonnummern tauschte und sich die kommenden Tage wiedersah. Danach versuchte sie es im großen Etude House und beim Line Fanshop. Sie quatschte sowohl mit Koreanern, als auch mit Ausländern, doch die Touristen fragten sie meistens nur nach irgendwelchen Läden und dann waren sie wieder weg. Skye kam sich vor wie ein schlechter Reiseführer.
Gegen 20 Uhr ging sie in ihr Stamm-Katzencafé. Sie brauchte Streicheleinheiten – wohlgemerkt sie, nicht die Katzen. Sie kam in das Café seit vielen Jahren und kannte auch die meisten Katzen schon lange. Die Besitzer kannten Skye inzwischen auch schon und plauderten freundlich mit ihr, als der Angestellte mit dem Katzenkostüm nach oben kam.
„Oh! Sind Sie nicht Skye?!“
„Ja“, erwiderte sie verunsichert, doch der junge Mann freute sich total.
„Ich habe ihr Video gesehen, Sie singen unheimlich gut!“
„Danke“, erwiderte sie lächelnd und nickte höflich.
„Würde es Ihnen … also, wenn es Ihnen nichts ausmacht… es sind nur noch so wenig Gäste da … könnten Sie etwas singen?“
Sie hatte mit einem Selfie gerechnet.
„Ehm … ja klar.“
Womit Skye nicht gerechnet hatte, dass der Katzen-Mann meinte, dass sie draußen etwas singen sollte. Auf der Straße. Mit einem Katzenohrenhaarreif. In letzter Zeit kamen wohl nicht mehr so viele Gäste. Katzencafés waren nichts ‚Besonderes‘ mehr. Dafür gab es ja Meerkatzen- und Waschbärcafés. Da Skye aber tatsächlich nicht wollte, dass das Café zu machen musste, machte sie sich gerne zum Affen. Oder zur Katze … Wenn man Cheerleader gewesen ist, hatte man sämtliche Hemmungen vor öffentlichen Auftritten verloren und ehe sie sich versah stand sie mitten in Myeongdong mit dem Mann im Katzenkostüm und einem Lautsprecher. Die Amerikanerin hatte sich geweigert Blackpink zu singen und Twice. Also hatten sie sich auf SNSDs ‚Kissing you‘ und ‚Lion Heart‘ und Hyunas ‚Bubble Pop‘ geeinigt. Schließlich musste sie textsicher sein.
Es war Samstagabend und die Menschen schoben sich durch die Haupteinkaufsstraße, die gesäumt war von Essens- und Einkaufsständen. Von überall her drang Musik, aus den Läden, von den Ständen. Skye wusste nicht, ob man sie überhaupt hören würde. Doch sie hatte den Lautsprecher unterschätzt und musste selbst lachen, als sie merkte, wie laut sie tatsächlich war. Sie begann mit ‚Kissing you‘, weil es ein All Time Classic war, den jeder kannte und es dauerte nur eine halbe Strophe, da hatten sich die ersten Leute um sie versammelt. Skye kannte zwar nicht die Choreo, aber Aegyo hatte sie alle Male, wenn sie wollte.
So wurde der Kreis um sie und dem Kater immer größer. Die Amerikanerin tanzte fröhlich mit ihrem pelzigen Freund und viele hatten ihr Handy gezückt. Die Flyer gingen weg wie heiße Semmeln und Skye verteilte auch mit, so gut das möglich war, da sie in einer Hand das Mikrofon hielt.
Nach dem ersten Song machte sie eine Pause und verteilte fleißig Flyer und ließ Selfies mit sich machen. Katzenohren standen ihr super.
10 Minuten später ging es mit ‚Bubble Pop‘ weiter, dass Skye einfach mal in ‚Bubble Cat‘ änderte. Die Reaktion war gleich wie beim ersten Mal. Koreaner waren ein super Publikum, wenn man sie unterhielt.
In der Fabrik war nach Skyes Ansprache und ihrem plötzlichen Verschwinden die große Panik ausgebrochen. Wilde Spekulationen, dass sie das Land verlassen hatte bis hin zu, dass sie auch von Jongin schwanger war, gingen durch das ganze Haus.
Mia hatte das Gefühl zu spät dazu gestoßen zu sein, die Lawine war schon voll am Rollen und konnte auch nicht mehr von ihr aufgehalten werden.
„Wieso sind hier alle am Durchdrehen?“, fragte Donghae und versuchte den Durchblick zu finden.
„Skye.“ Das war die kürzeste Erklärung, die Mia hatte. Mia brauchte jemand der den Überblick hatte und sich nicht verhielt wie ein Entchen mit Schnappatmungen. Sie hielt Sehun an.
„Was ist passiert?“
„Skye ist heute Morgen bei Big Hit ausgerastet und weggefahren. Hier stießen dann wir mit BTS zusammen und am Ende haben alle auf Jongin rumgehackt, denn ohne seinen Livestream wäre das ganze Skye Thema ja erst gar nicht so hochgepusht worden. Dann kam Skye und sie stellte sich auf den Billiardtisch und sagte zu Taehyung, dass solange man Skye als Bedrohung sah, sie nie zusammen sein könnten und dass sie nicht verantworten will, dass sie seine Karriere zerstört und dann ist sie gegangen, aber nicht nur aus dem Zimmer, sondern aus der Fabrik. Chen wollte mit ihr sprechen und irgendwie hat Honey die Tür aufgemacht und sagte Skye wohnt jetzt nicht mehr da.“
Mia fragte sich, ob es wirklich die beste Entscheidung gewesen ist Sehun zu fragen. Schon jetzt bekam sie Kopfschmerzen.
„Irgendwie habe ich ein Déjà-vu“, meinte Donghae und hielt sich grübelnd das Kinn.
„Ja Einstein, das war ich vor acht Jahren!“
Damals hatte die Deutsche aus Versehen Beweismittel gefunden, die darauf schließen ließen, dass SM Entertainment Donghae einen Strick aus ihrer heimlichen Ehe drehen würde. Sie hatten damals geheiratet, damit Mia eine Aufenthaltsgenehmigung bekam … und weil Donghae ohnehin überzeugt gewesen ist, dass sie füreinander bestimmt waren. Mia hätte es aber auch nicht über’s Herz bringen können, dass Donghae Super Junior verlor oder auf die Ersatzbank gesetzt wurde wie Kangin. Also war sie abgehauen.
Der nächste Weg führte die Deutsche ins BTS Dorm, wo sie eine Zusammenfassung der detaillierten Ereignisse bekam. Manager Hobeom saß in der Küche und sah nicht begeistert aus. Mia aber auch nicht.
„Ernsthaft, was ist denn das Problem? Die beiden sind noch nie irgendwo zusammen gesehen worden, wirklich, ich verstehe das Theater nicht.“
„Mia, was soll ich dir sagen? Ich folge doch auch nur Anweisungen. Sihyuk hat wohl Angst, dass Skye Taehyung wichtiger werden könnte als BTS.“
„Ja, aber er sollte wissen, dass wenn man Kindern etwas verbietet, es nur noch interessanter wird.“
„Hey“, beschwerte sich Taehyung.
„Sag nicht was du denkst, du weißt sie hat recht“, meinte Namjoon. Tae schien darüber nachzudenken und tat es dann mit einem Schulterzucken ab.
Sie saßen zusammen und grübelten wo Skye stecken könnte. Auf ihr Handy reagierte sie nicht. Mia wollte sie auch gar nicht nerven, denn sie wusste wie es war, wenn man einfach mal raus musste. Atmen. Mia war fast ein Jahr zwischen den Welten gewesen. Halb in der Szene, halb draußen. Es gab einem das Gefühl einer gewissen Freiheit, die aber so gar nicht vorhanden war. Die Fans hatten Mia nach ein paar Wochen gekannt. Alles was sie getan hatte, hätte beobachtet werden können und wäre auf Super Junior zurückgefallen. Man hatte niemand zum Sprechen, denn alle Freunde waren Idols und wenn sie keine Idols waren, dann konnte man mit ihnen nicht über die Idols sprechen, weil man ohnehin nur die Hälfte erzählen konnte, wenn überhaupt. Es war frustrierend und es machte einsam, auch wenn man immer von Leuten umgeben war. Es gab so viele Dinge, die man nicht verstehen konnte, die keinen Sinn machten für jemand mit funktionierendem Menschenverstand und oft wollte man seine Wut auf das System herausbrüllen. Konnte aber nicht. Durfte nicht.
Seit Mia schwanger geworden ist und alle wussten, dass sie Donghae geheiratet hatte und sie ihre eigene Tanzschule bekam, war all das auch ihre Welt geworden. Vorher hatte sie immer noch das Gefühl gehabt, dass sie Korea den Rücken kehren könnte, wenn sie nur wollte hätte. Und genau in dieser Zwischenwelt steckte Skye. Sie war kein Idol, noch nicht. Sie wusste nicht wie es weiter gehen würde und sie wollte raus. Mia hatte vollstes Verständnis. Sie wollte nur sicher sein, dass es Skye gut ging.
„Ich habe Skye gefunden!“, rief Donghae und riss damit alle aus den Gedanken.
„Ist sie auf Fiji?“, fragte Jimin.
„Oder in Amerika?“, fragte Namjoon.
„Sie ist … in Myeongdong“, kam es von Donghae.
„Oh ich hasse es, wenn sie sich in der Öffentlichkeit versteckt“, beschwerte sich Taehyung und lehnte sich über Donghae, um das Video zu sehen, dass er auf seinem Handy offen hatte.
„Hat sie … Katzenohren auf?“, kam es von Jimin irritiert. Nun schaute auch Mia.
„Na also, ihr geht es gut. Komm Cupcake, wir gehen.“
„Aber…“, meinten Taehyung und Donghae gleichzeitig.
„Nichts aber, ihr geht es gut. Lasst sie in Ruhe, sie kommt schon wieder.“