Es war 00:45 als Jungkooks Wecker die beiden aufschrecken ließ. Mitten aus dem Tiefschlaf gerissen waren beide zuerst total orientierungslos.
„Oh Gott“, stöhnte Skye. „Ich gehe nie wieder vor dem Prerecording schlafen!“
Jetzt fühlte sie sich schlimmer als vorher und stieg als erstes unter die Dusche, um halbwegs wach zu werden. Das Gute an den kurzen Haaren war, dass sie schnell zu föhnen waren und keine halbe Stunde später kam sie in der Küche an. Sie trug eine lockere Haremshose aus Jeans und ein Oversize Shirt, dass ihr über die Schulter fiel und vorne in der Jeans steckte. Darunter hatte sie noch ein schwarzes Tanktop, falls es ihr zu warm wurde.
„Du kannst auch alles anziehen und siehst irgendwie gut aus – Kaffee?“
„Ist das nicht eher die Uhrzeit für Cocktails?“, fragte sie hoffnungsvoll, bekam aber trotzdem einen Kaffee.
Skye hatte ihren Schminkkoffer mit runtergenommen und ihren beleuchteten Spiegel und setzte sich im Schneidersitz auf die Bank am Küchentisch.
„Wieso schminkst du dich?“
„Entschuldigung, dass nicht jeder von Natur aus so gut aussieht wie du“, erwiderte sie grinsend.
„Mia hat gesagt, dass wenn wir aussteigen auch schon Reporter und Fans da und dass ich ‚stunning‘ aussehen soll.“
Jungkook fand es unnötig zu erwähnen, dass sie auch ungeschminkt stunning aussah. Skyes Selbstbewusstsein war gesund, man musste sie ja nicht auf einen Höhenflug schicken.
Mit Kaffee und Zigarette saß sie vor dem Spiegel und machte ihre Grundierung. Für Jungkook war es interessant zuzusehen, denn natürlich wurde er auch ständig geschminkt, aber Amerikaner betonten andere Stellen als Koreaner, wobei Skye ein Mix aus beidem machte, was in seinen Augen ihr Gesicht gut betonte. Dann holte sie ihre Liedschattenpalette raus und jetzt war er völlig raus. Er zählte acht Farben bis sie fertig war, dann kam der Winged Eyeliner, den sie sehr präzise ausführte.
Sie schminkte sich oft nicht so extrem, weil sie es nicht brauchte. Skye hatte immer eine gewisse Bräune, was ihr gut stand, doch wenn sie wollte, konnte sie Künstler spielen. Eigentlich war es ihr oft nur zu aufwendig. Bis sie fertig war, war über eine halbe Stunde vergangen und dann rief der Sicherheitsmann an, um zu sagen, dass Mia da war. Skye hatte ihm vorher schon Bescheid gesagt, dass Mia kam, nicht, dass sie weggeschickt wurde, wenn jemand hier mitten in der Nacht vor der Tür stand.
„Girl, you look stunning!“, waren Mias Begrüßungsworte und sie drückte die Amerikanerin an sich.
„Wahnsinnshaus – das zeigst du mir, wenn wir zurück sind.“
Als erste Besucherin fiel Mia nicht aus allen Wolken und setzte sich zu Skye und Jungkook in die Küche, bis Skye sich fertig gemacht hatte.
„Ich habe übrigens Nalia als Stylistin bestellt, Seunghyun sagte ihr kommt gut aus und du hast auf Jiyongs Geburtstag toll ausgesehen, aber sie kommt erst um 4 Uhr. Vor 6 Uhr wird das eh nichts mit der Aufnahme.“
Skye schaute sie entsetzt an.
„Aber was machen wir denn da die ganze Zeit?“
„Rumsitzen, schlafen, fernsehgucken …“, zählte Jungkook auf.
In manchen Dingen waren die Koreaner nicht so gut organisiert. Und so würde es jetzt die nächste Woche gehen. Toll.
Sie hatte beim Föhnen etwas Schaumfestiger in die Haare gemacht, also musste sie die Haare gar nicht groß machen, die Locken erledigten das schon. Doch dann mussten sie los. Skye zog sich noch Highheels an – auf die Jeans-Haremshose, natürlich, dass war in oder im Zweifel ein Trend.
Jungkook lehnte an der Tür und winkte ihnen noch zum Abschied zu, doch sobald er die Tür schloss, fing er an sich zu freuen, denn er konnte jetzt wieder ins Bett gehen.
Mia rief auf dem Weg den Fahrer von Taehyung an, um zu erfahren wo sie waren. Taehyung würde vor Skye bei KBS ankommen, aber das war nicht so schlecht. Mia wollte das die Fans und Reporter nicht von Taehyung abgelenkt wurden.
„Du und Jungkook scheint gut auszukommen“, bemerkte Mia und schielte zur Seite.
„Wir sind uns in vielen Dingen ähnlich … aber, hey … du meinst das anders! Nein, nein, nein, wir sind nur Kumpel!“
„Okay, ich wollte nur sicher gehen, denn das würde Taehyung zerstören.“
Ja, dass wusste Skye auch und es würde ihr auch nicht in den Sinn kommen. Jungkook sah gut aus und sie kamen gut miteinander klar, aber Skye hegte keine romantischen Gefühle. Eigentlich war sie ganz froh, dass er bei ihr wohnte. Sie war nicht alleine und doch ließ er sie in Ruhe. Sie musste ihm nicht ihre Seele offenbaren und er ihr nicht seine, nur um sich zu verstehen.
Sie fuhren auf das Gelände von KBS, durch die getönten Fensterscheiben konnte Skye die Masse von Leuten schemenhaft erkennen und ihr Herz fing etwas schneller an zu klopfen. Noch immer war sie kein Fan von vielen Menschen in einer unkontrollierten Umgebung.
Der Wagen blieb stehen und Mia stieg aus. Skye wäre am liebsten einfach im Van geblieben oder wie in den Filmen, wenn man im Van eine Klappe öffnete und dann in der Kanalisation verschwand. Dann wäre aber auch das Duschen vorhin überfällig gewesen.
Mia öffnete die Tür, nein, es war Taehyung. Skye schaute ihn überrascht an, als er ihr die Hand reichte.
„Ich lasse dich nicht alleine“, sagte er ruhig und von ganz alleine fand ihre Hand sein.
Sie stieg aus dem Wagen aus und Tausend Blitze hagelten auf sie nieder. Taehyung zog sie an der Hand auf eine freie Stelle, so dass wohl weder das Gebäude, noch die Vans im Bild waren und dann verbeugten sie sich vor den Fans. Als sie wieder hochkamen ließ Skye Taehyungs Hand los, damit die Fans nicht auf falsche Gedanken kamen.
Taehyung alberte vor den Kameras rum und machte Skye den Hof, präsentierte sie und tänzelte um sie herum. Skye hingegen versuchte so souverän zu wirken, wie es ihr möglich war in einem Moment der blanken Angst.
Sejin und Mia standen am Eingang und warteten bis die beiden fertig waren.
„Sie sehen gut zusammen aus“, stellte Mia fest. Sejin sagte dazu nichts, natürlich nicht.
„Aber du weißt, dass Liebe generell nichts Schlechtes ist?“, fragte sie nach, nur um sicher zu gehen.
„Nicht jeder ist wie du und Donghae. Nicht jede Liebe ist dazu geschaffen zu halten und schau sie dir an, sie sind so unterschiedlich. Wieso also Zeit, Nerven und Fans verschwenden, für eine Beziehung, die nicht halten kann?“
„Bist du nebenbei Scheidungsanwalt?“
Nun fing Sejin an zu lachen und Mia schupste ihn leicht.
Kaum erreichten die beiden Sänger das Gebäude, zog sich Taehyung wieder zurück und Mia gesellte sich zu Skye. Er hatte gesagt, er würde sie nicht alleine lassen, doch genau das tat er, immer und immer wieder. Mia öffnete schon die Tür zu einer Umkleide und Skye sah Taehyung am Ende des Flurs verschwinden. Man traute sich noch nicht einmal sie nebeneinander in einer Garderobe zu setzen. Es war albern, was sollten sie denn machen?
Zuerst kam eine Aufnahmeleiterin und erklärte den Ablauf. Skye hörte nicht so richtig zu und hoffte darauf, dass jemand sie holen würde, wenn man sie brauchte.
„Willst du schlafen?“, fragte Mia.
„Wir sind doch grad erst angekommen?!“
„Okay …“
Eine Stunde später wurde sie erst für die erste Stellprobe abgeholt und bereute, dass sie sich nicht noch mal hingelegt hatte. Doch zwischendrin kam auch eine Angestellte von KBS und brachte Skye Fangeschenke und Essen, dass sie für Skye geholt hatten. Sie fand das total niedlich und fing direkt an zu naschen. Mia ließ sie und klaute sich selbst etwas.
Und dann dauerte die Stellprobe kaum 10 Minuten! Skye ließ die Schultern sinken. Mia sprach kurz mit dem Aufnahmeleiter.
„Okay Skye, sing dich grad ein.“
Sejin ging weiter, doch Tae blieb stehen und als der Manager ihn weiterziehen wollte, schüttelte der Sänger ihn ab.
„Schnell oder langsam?“
„Langsam“, erwiderte die Deutsche. Skye ging zu dem Aufnahmeleiter und suchte mit ihm einen Beat. Einige Leute hatten sich in der noch leeren Halle versammelt. So viel Platz war in dem Studio nicht. Im Fernsehen sah es immer so groß aus, doch tatsächlich war es nicht viel größer als eine kleine Turnhalle.
Und dann begann sie ‚Unbreak my heart‘ von Toni Braxton zu singen, nur auf einen etwas schnelleren Beat und mit nicht so viel Drama in der Stimme. Alle hörten auf mit dem was sie taten, um Skye zuzuhören. Auch einige Handys waren auf sie gerichtet. Genau das hatte Mia gewollte. Sie wollte, dass das Internet sah wie talentiert Skye war. Sie stand da, in ihrem chilligen oversizelook, in Highheels und sang wie eine Göttin. Ohne Outfit, ohne riesiges Make Up, sie war einfach sie, süß, bezaubernd und talentiert.
Skye hingegen sah nicht wie sich die Halle füllte, denn die Scheinwerfer schränkten ihr Sichtfeld an. Als sie fertig war standen mindestens 50 Leute in dem Besucherbereich und starrten Skye an, bevor sie anfingen zu klatschen. Nur Mia sah, wie Taehyung sich über die Augen wischte und dann zurück im Gang verschwand.
Total beflügelt von der Begeisterung der anderen, hörte Skye gar nicht mehr auf zu singen. Auf dem Weg in die Garderobe kam ihr Nalia entgegen, doch Skye sang gerade ‚Problems‘ von Ariana Grande und umarmte die Stylisting fröhlich.
„Wow, gute Stimmung?“
„Skye hat sich gerade in die Herzen aller bei KBS gesungen“, berichtete Mia stolz.
Nalia hatte ihren Kampf heute mit Skye, weil sie nicht stillhalten wollte, bis Nalia ihr irgendwann mit der Bürste auf den Kopf haute.
„Au!“ Völlig entsetzt schaute sie zu ihrer Stylistin.
„Du musst jetzt mal stillhalten!“
Und das tat sie. Doch dann wurde sie müde und als Nalia dann endlich fertig war, legte sich Skye auf die Couch. Die Stylistin drohte mit körperlichen Schmerzen, wenn sie ihr Make Up zerstören würde, doch Skye schlief wie eine Geisha, kerzengerade.
„Ich weiß gar nicht wie man so schlafen kann“, flüsterte Mia. Die Stylistin schüttelte auch nur den Kopf.
Und dann, um kurz nach 6 Uhr, nach der gefühlt 12. Probe, war es dann endlich soweit. Man hatte die Amerikanerin in ein rosa Kleid gesteckt, was von Mac Duggal war. Es war figurbetont, mit einem ausfallenden Rock, der so schön hin und her schwang, wenn sie sich bewegte. Taehyungs Outfit war von Zac Posen ausgerichtet. Skye hätte auch gerne Zac Posen gehabt. Er machte sehr legere, urban angehauchte Kleidung. Man könnte auch sagen er benutzt viel zu viel Stoff, doch Skye fand es stylish und für Frauen hatte er auch sehr coole Klamotten. Dafür konnte sie mit ihrem Rock spielen.
Taehyung beobachtete Skye, wie sie mit den Fans vor der Aufnahme interagierte und alberte und alles, woran er denken konnte war, dass er wollte, dass sie seine Kinder bekam.
„Taehyung!“, rief Sejin und der Sänger schreckte auf.
„Ja, kann los gehen“, erwiderte er und Skye schaute auf, um auf Position zu gehen.
Die Aufnahme war so schnell vorbei. Sie machten insgesamt drei und später schaute man, wohl welche es in die Liveshow schaffen würde. In der Umkleide schlüpfte Skye wieder in ihre bequemen Klamotten.
„Nalia, kommst du mit zum Frühstück?“
Die Stylistin schaute auf ihr Handy und verzog das Gesicht.
„Doch, doch, du willst Skyes neues Schloss sehen“, sagte Mia grinsend.
„Schloss?“
„Es ist kein Schloss“, erklärte Skye.
„Doch ist es“, flüsterte Mia.
„Oh, willst du Tae nicht auch einladen?“, fiel Mia gerade ein.
„Nicht übertreiben.“
Natürlich staunte Nalia. Mia war zwar begeistert, doch sie selbst hatte so ein tolles Haus, dass sie schwer zu beeindrucken war. Skye hatte Jungkook geschrieben, als sie los gefahren waren. Letztendlich war es fast 9 Uhr, bis sie Zuhause waren, aber KBS lag auch einfach am anderen Ende von Seoul, so wie Hanam und im frühmorgendlichen Verkehr hatten sie jetzt fast eine Stunde gebraucht.
Irgendwann stand sie im Kaminzimmer und schaute sich um. Nalia bekam vor lauter Staunen den Mund nicht mehr zu.
„Hier wohnst du?“
„Ja“, erwiderte Skye grinsend.
„Aber … nur Leute in Filmen wohnen in solchen Häusern.“
„Well, then welcome to the movies!“
Heute frühstückten sie nicht in der Küche, sondern im Esszimmer – für was war es auch sonst da? Nalia bekam den Mund gar nicht mehr zu.
„Ich zeige euch alles, aber zuerst muss ich etwas essen“, kam es von Skye, die kurz vor dem Hungertod stand.
Jungkook sah aus wie das blühende Leben, nach so einer durchgeschlafenen Nacht. Frau Park, die auch gestern da war, machte heute auch wieder Frühstück und machte sogar Frenchtoast.
„Frau Park, woher können sie das?“, fragte Skye, als sie kurz in die Küche kam.
„Ich war ein paar Jahre mit einem Amerikaner verheiratet, wir haben in San Francisco gelebt“, erzählte sie und reichte Skye den Ahornsirup.
„Können Sie auch Mac N Cheese und etwas Italienisch?“
„Oh, wir haben zwei gemeinsame Kinder, die alle in Amerika aufgewachsen sind und für Lasagne und Pizza getötet hätten. Ich kann gerne abends mal etwas vorbereiten.“
„Sehr gerne, hätten sie denn Interesse daran drei oder vier Tage pro Woche komplett hier zu sein?“
Skye wollte zwei oder drei Köche haben, um etwas Abwechslung zu haben, aber Frau Park machte einen sehr ordentlichen und netten Eindruck. Die ältere Dame verbeugte sich.
„Sehr gerne.“
Und plötzlich wurden Pancakes in Herzchenform gemacht. Jungkook schaute auf seinen Teller und dann zu Skye.
„Steckst du da dahinter?“
Doch sie zuckte nur mit den Schultern und nahm sich etwas frischgepressten Orangensaft.
Nach dem Frühstückt merkte sie, wie sie müde wurde, aber sie wollte Mia und Nalia noch das Haus zeigen. Eigentlich hatte Skye nur vorgehabt kurz auf die Toilette zu gehen, doch auf dem Weg dahin stand die Tür zur Bibliothek offen und sie sah das Sofa und es sah so gemütlich aus. Nur einen Moment würde sie sich hinlegen, nur zum Testen.
Als Skye nach 30 Minuten noch nicht zurück war, ging Jungkook auf die Suche nach ihr. Er ging an der Bibliothek vorbei und sah sie dort liegen. Dann ging er hoch in ihr Schlafzimmer, wo in der Truhe vor dem Bett Kuscheldecken waren. Er hatte schon mitbekommen, dass sie sich immer mit etwas zudecken musste, auch wenn es eigentlich warm war. Zwischen all den Kuscheldecken fand er eine recht dünne, mit einem Mandalamuster. Wahrscheinlich hatte sie die Decke aus Indien. Skye hatte zu den meisten Dingen eine Geschichte. Damit deckte er sie zu und legte ein Kissen vor die Couch, falls sie aufwachte, sie sich das Kissen einfach nehmen konnte.
„Okay, Superstar schläft – ich führe euch rum“, sagte er zu den anderen beiden Frauen, die es auch schlechter hätte treffen können.
Nachdem Mia und Nalia weg waren fuhr Jungkook vor dem Studio im Dorm vorbei, um noch ein paar Sachen zu holen. Er hatte nicht gewusst, wie lange er wegbleiben würde, als er zu Skye ging und daher das Packen nicht so gut koordiniert.
Im Wohnzimmer fand er Hoseok, Namjoon und Taehyung, die sich alle drei nach ihm umschauten.
„Na, zurück?“, fragte Hoseok.
„Nope, ich hole nur ein paar Sachen“, erwiderte der Jüngere. Namjoon stand auf und stellte sich Jungkook in den Weg nach oben.
„Meinst du wirklich, dass es das Beste ist?“ Der Bandleader schaute zu Taehyung. Namjoon wusste wohl, wo Jungkook wohnte.
„Im Moment, ja. Ich möchte etwas Abstand, ich muss meinen Kopf frei bekommen.“
„Sag uns wenigstens wo du bist, wir machen uns auch Sorgen“, kam es von Hoseok, der nicht sah, wie Namjoon mit dem Kopf schüttelte.
„Bei einem Freund. Ihr müsst euch keine Sorgen machen. Wenn Jin in seiner Wohnung schläft, oder Yoongi tagelang nicht da ist, regt sich auch keiner auf.“
„Ja, weil wir wissen wo sie sind.“
Jungkook seufzte. Er wollte die Diskussion vermeiden, die folgen würde, wenn er sagte, dass er bei Skye wohnte.
„Könnt ihr mir nicht einfach ein paar Tage geben, um den Kopf frei zu bekommen? Ich bin doch im Studio und nicht aus der Welt.“
Namjoon nickte und senkte den Arm, um ihm den Durchgang nicht weiter zu versperren.
„Aber Kookie, du weißt, dass wir immer da sind?“ Nun drehte sich Taehyung um und ja, so ein wenig tat es Jungkook weh ihn anzulügen. Er wusste, dass Tae nicht begeistert wäre, wenn er wüsste, dass er bei Skye wohnte, aber wer hätte auch gedacht, dass das so gut funktionieren würde? Von der Haushälterin mal ganz abgesehen. Was gab es eigentlich heute Abend zu essen?!
Skye wachte auf und war zuerst total verwirrt. Woher kam die Decke? Und das Kissen? Oh warte, Mia und Nalia waren da! Abrupt setzte sie sich auf und bekam direkt Kopfschmerzen. Das war zu schnell gewesen. Sie gab sich noch einen Moment und ging dann rüber ins Kaminzimmer, von dem aus man ins Esszimmer kam, doch es brauchte gar nicht so lange, bis die Amerikanerin begriff, dass sie alleine war.
Ein Blick aus dem Küchenfenster sagte ihr, dass sogar Jungkook weg war. Okay. Allein, allein. Sie nahm gerade ihr Handy in die Hand, um zu erfahren wie spät es eigentlich war, als Seunghyun anrief. Dran gehen oder nicht? Sie ließ es einen Moment klingeln und ging dann erst dran.
„Yoboseo?“
„Hey Superstar, du bist schon in aller Mund, noch bevor die Musik Bank ausgestrahlt wurde.“
„Wa- wieso?“ Noch war sie nicht so ganz da.
„Dein Toni Braxton Cover geht gerade auf Youtube rum.“
„Oh.“ Von irgendjemand würde sie dafür eins auf den Deckel bekommen, sie wusste das jetzt schon. Entweder SM oder Big Hit – oder beide. Auch wenn sie es selbst gar nicht hochgeladen hatte. War bisher auch keine Begründung gewesen, die jemand interessiert hätte.
„Aber hast du sehr gut gemacht“, lobte er.
„Danke. Sag mal, hast du Hunger?“
Seunghyun fing an zu fragen.
„Ich denke schon … wieso?“
„Weil ich Hunger habe! Hast du nicht Lust vorbei zu kommen und aus Zufall etwas zu essen mitzubringen?“
„Auf was hat der Superstar denn Hunger?“
Darüber hatte sie noch nicht nachgedacht.
„Hm … Thai? Irgendwas mit Hühnchen … nein, Shrimps … ja.“
Bis Seunghyun losgefahren war, einen Thai bei Skye in der Nähe gefunden und hingefahren war, war dann auch fast eine Stunde vergangen. Es war 15 Uhr, als er vor das Haus gefahren kam. Wie ein hungriger Zombie stand Skye schon draußen. Als Seunghyun ausstieg konnte er sich ein Pfeifen nicht verkneifen.
„Nicht schlecht … und ich dachte, ich lebe protzig.“
Skye verschränkte die Arme.
„Es ist gar nicht protzig.“
„Nur ein wenig.“ Er fing an zu grinsen. „Wird das so ein Ding wie Neverland, mit Elefanten und Pferden und Affen.“
„Ich sehe nur einen Affen“, erwiderte sie und ging grinsend auf ihn zu.
„Ach? Ein Affe wird bestimmt nicht in der Lage gewesen sein Essen zu holen.“
„Hunger!“, jammerte sie, doch Seunghyun machte nur einen Affen nach und rannte weg – Skye ihm hinterher.
„Oh das ist SO gut!“
Sie saßen im Kaminzimmer, mit ihren Plastikbehältern. Sehr passend.
„Und dabei habe ich noch gar nicht angefangen …“, erwiderte er und Skye trat ihn leicht mit dem Fuß.
„Wir müssen das unter Kontrolle haben!“
„Wir haben das total unter Kontrolle“, erwiderte er und klaute ihr ein Shrimp.
„Meinst du wirklich? Ich würde dich ungerne als Freund verlieren, nur weil du dich jetzt unsterblich in mich verliebst.“
Da blieb der Shrimp ihm grad im Hals stecken.
„Schön durchatmen!“
Skye fing herzlich an zu lachen und aß weiter.
Danach erfolgte die Hausbegehung, klar. Skye könnte eigentlich jemand dafür einstellen. Vom Kaminzimmer in die Bibliothek, von dort in das noch nicht fertige Arbeitszimmer, welches auf der westlichen Stirnseite des Hauses lag und riesige Fester hatte und eine eigene Terrasse. Daneben lag das Billiardzimmer, daneben das Fernsehzimmer. Die meisten Räume waren Durchgangszimmer, die aber auch alle durch den Hauptflur miteinander verbunden waren. Auf der östlichen Seite vom Kaminzimmer lag das Esszimmer, die Küche, die Speisekammer, ein kleiner Raum für das Personal und das Bügelzimmer.
Der obere Stock war durch die Galerie zum Kaminzimmer etwas kleiner. Das Haus hatte fast die Form eines ㅈ, dem koreanischen Buchstaben, mit dem Kaminzimmer als Mittelpunkt. Im Endeffekt hatte jeder ‚Flügel‘ zwei Schlafzimmer, nur das in Skyes Ecke das andere Zimmer ihr Ankleidezimmer war. Sie endeten ihre Tour in Skyes Schlafzimmer. Zufall? Total!
„Ehrlich, das Haus ist der Wahnsinn, aber was willst du mit all dem Platz?“
Er setzte sich auf das Bett und ließ sich nach hinten fallen.
„Du wirst einsam hier, du bist es nicht mehr gewohnt alleine zu sein. Ich verstehe, dass du einen Rückzugsort brauchst, aber meinst du nicht, dass hier ist etwas übertrieben?“
„Ehm … Entschuldigung … ich spreche kein ‚Neidisch‘ – wer wohnt denn in einem Museum? Mit einem lebensgroßen Hirsch aus schimmernden Bubbles?“
Er fing an zu lachen. Seunghyun liebte Kunst und er gönnte sich, zumal es eine gute Investition war. Skye investierte in Goldbarren.
„Ja, ja, schon gut, aber ich bin in der Stadt.“
„Die Stadtgrenze zu Seoul liegt direkt hinter meinem Grundstück!“
Ihr war klar, dass sie schon etwas die Dimensionen gesprengt hatte, doch wer hätte das nicht zu dem Preis? TOPs Haus hatte 3 Millionen Dollar gekostet, das alte Dorm von BTS hatte sogar einen noch höheren Schätzwert. Doch Skye mochte diese ganzen modernen, kalten Wohnungen und Häuser nicht. Alles Beton und kahl und kalt. Ihr Haus hatte Charakter, es hatte Stolz und eine Geschichte zu erzählen. Es war gemütlich und bestand nicht nur aus aneinandergereihten Quadraten. In jedem Raum gab es etwas zu entdecken. Für manche mochte Skyes Haus wie das perfekte Set für einen Horrorfilm wirken, doch sie fühlte sich hier wohl und das war bei Skye nicht unbedingt selbstverständlich. Im Haus am See hatte sie sich nicht wohl gefühlt und sie war sich sicher, dass das nicht nur daran lag, dass kurz vorher jemand versucht hatte sie umzubringen.
Bevor sie hier mit den Sanierungsarbeiten anfing, hatte sie eine Nacht hier geschlafen. Sie wollte wissen, ob sich der ganze Aufwand mit der Sanierung lohnte, denn wenn sie sich hier nicht wohl gefühlt hätte, hätte sie das ganze Haus abreißen lassen, um etwas Neues zu bauen. Also hatte sie sich ein paar Sachen gepackt und war zwei Tage eingezogen, ganz alleine. Der Garten war damals total verwildert gewesen und es miefte etwas im Haus. Auch ließ sie die ganzen ausgestopften Tiere entfernen, denn egal wie diese Nacht ausgehen würde, die würden nie mehr hier einziehen.
Es war ein guter Tag gewesen. Sie war durch alle Zimmer gegangen und hatte sich Notizen gemacht, wie sie sich die Zimmer vorstellte. In manchen Zimmern war sie eine Weile geblieben, um Schwingungen zu empfangen. Die Amerikanerin war niemand der mit dem Witchboard versuchte Kontakt mit dem Jenseits aufzunehmen, aber sie glaubte daran, dass es Juju gab, egal ob in Form von Geistern oder einem Paralleluniversum. Jeder kennt das, es gibt Orte, an denen fühlte man sich wohl, ohne dass man es benennen konnte und es gab Orte da fühlte man sich nicht wohl, ohne dass es dafür einen greifbaren Grund gab.
Nachts hatte sie im Schlafzimmer gelegen, es war ein anderes als ihres, mit Blick nach hinten auf den Garten und die Fenster haben im Wind gewackelt, weil sie uralt waren, Äste kratzten über das Dach und an den Fenstern hat das Holz hatte geknarrt, doch all das hatte ihr keine Angst gemacht, es war eher, als würde das Haus zu ihr sprechen. Am nächsten Morgen war klar gewesen, dass sie das Haus erhalten musste. Es erinnerte sie etwas an sich selbst. Sie war damals alleine gewesen, niemand hatte sich um sie gekümmert und dem Haus ging es nicht anders und obwohl es im Inneren dunkel war, weil viel dunkles Holz verbaut worden ist, so hatte es doch große Fenster, um Licht hinein zu lassen.
„Ich sage ja nur, eigentlich hast du dich doch in dem Gewusel der Fabrik ganz wohl gefühlt, dass hier ist das totale Kontrastprogramm dazu. Jetzt ist es vielleicht noch schön, die Frage ist, ob es in ein paar Monaten auch noch so ist.“
Er riss sie aus ihren Gedanken.
„Keiner kann wissen, was die Zukunft bringt“, sagte sie vielsagend
Als Seunghyun wegging hatten sie nicht miteinander geschlafen und Skye war so stolz auf sich. Zum einen war es der Beweis, dass sie auch weiterhin Freunde sein konnte – mit dem ein oder anderen doppeldeutigen Kommentar – zum anderen war es für sie auch der Beweise, dass nur weil sie Sex haben konnte, sie ihn nicht immer brauchte. Taehyung schwirrte ihr noch immer im Kopf rum, wie er heute Morgen ihre Hand genommen hatte. Vielleicht war es nur für die Medien gewesen, dass er zeigte, wie liebevoll er sich um seine unerfahrene Co-Sängerin kümmerte, doch irgendwie glaubte sie das nicht.
Dann folgte die Musik Bank. Natürlich schaut Skye sich die Show an und natürlich war ihr Auftritt so ziemlich am Ende der Show. Das machten sie immer so, um die Leute vom Umschalten abzuhalten. Zur gleichen Zeit war Taehyung schon wieder im Studio der Musik Bank, um bei einem Gewinn den Preis entgegen zu nehmen. Er fragte sich, ob Skye auch schaute oder ob es ihr egal war. Und natürlich gewann er, doch am liebsten hätte er Skye hier bei sich gehabt.
Jungkook kam am frühen Abend wieder und fand Skye mit einem Buch auf der Terrasse.
„Schatz, ich bin Zuhause – was gibt’s zu essen?“, begrüßte er sie. Doch dann stockte er, als er ihr Gesicht sah. Zwar hatte Skye ein Buch in der Hand, doch sie las nicht darin und über ihr Gesicht liefen Tränen. Er ging in die Hocke vor ihr.
„Hey, was ist passiert?“
Erst jetzt schien sie ihn zu bemerken und wischte eilig die Tränen weg.
„Ach … ich …“, sie seufzte und sammelte sich.
„Mein Anwalt hat angerufen, es gibt einen Termin für die Verhandlung.“
„Für die Verh-?“ Doch dann wusste er was sie meinte. Die zwei Frauen, die sie von der Brücke geworfen hatten.
„Musst du da hin?“
„Ich könnte die Aussage verweigern, doch es wäre für die Verurteilung besser und … irgendwie will ich auch…“
In Skyes Gedanken würde sie ihnen ins Gesicht spucken, aufhängen und mit kleinen Schnitten ausbluten lassen. Aber das ging natürlich nicht. Schade.
„Okay, wie kann ich deinen Abend besser machen?“