Es war ungefähr Mitternacht, als der Film fertig war. Changmin hatte angeboten noch zu bleiben, aber Skye wollte gar nicht so sehr bemuttert werden. Sie wusste, dass er bleiben würde, wenn sie ihn fragte. Wahrscheinlich wären alle gekommen, wenn sie gefragt hätte! Doch wie gesagt, die vergangenen Monate seit dem Mordversuch, hatte sie sich recht tough gezeigt. Sie hatte sich der Presse entgegengestellt und die starke Frau raushängen lassen.
Jetzt konnte sie auch nicht mehr heulen. Jetzt musste sie es durchziehen.
Fakt war, dass sie unter gar keinen Umständen wieder unten schlief. Und sie ließ die Katzen bei Snickers. Skye hatte sich das angeschaut. Artemis liebte den kleinen, Apollon wollte einfach nur schmusen und Pan interessierte sich nicht groß für das Eichhörnchen – und wenn doch, dann vertraute sie darauf, dass Snickers geschickter und schneller war als Pan. Aber wenn sie die Katzen nicht zu ihm ließ, waren sie am maunzen und das würde sie die ganze Nacht lang nicht ertragen. Also, wenn sie sich gegenseitig umbringen sollten, dann war es eben so. Skye brauchte Schlaf. Die Gerichtsverhandlung war um 9 Uhr.
Es hieß, dass wenn man einen Fernseher im Schlafzimmer hatte, dass der Körper das Bett nicht mehr mit Schlafen in Verbindung brachte und man Schwierigkeiten hatte einzuschlafen. Skye hatte keinen Fernseher und trotzdem konnte sie nicht schlafen. Über eine Stunde lag sie wach. Sie hatte sich Musik an gemacht, dann wieder aus, dann hatte sie auf dem Laptop die ISS angemacht. Eine Methode, die sich bisher ganz gut bewährt hatte. Nur nicht heute. Es war kurz nach 1 Uhr und die Amerikanerin war total genervt. Niemand war da, sie könnte schlafen, also woran lag es?
Doch dann hörte sie unten die Haustür oder meinte zumindest die Haustür zu hören. Sofort saß sie ihm Bett und horchte in die Dunkelheit. Skye zog sich ein Shirt über und schnappte sich den Baseballschläger, der hinter der Tür stand. Man bekam zwar den Amerikaner aus Amerika raus, aber wohl nicht Amerika aus dem Amerikaner.
Sie ging nicht über den normalen Flur, sondern schlich sich über die Seitentreppe runter in die Küche und lauschte wieder. Irgendwer bewegte sich definitiv im Flur. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals und ihre Hände wurden schwitzig. Sie könnte den Sicherheitsmann unten anrufen, doch dann würde sie sprechen müssen und egal wer in ihrem Haus war, wüsste, wo sie wäre. Es sei denn sie ginge in den Panic Room, der war mit der Außenwelt vernetzt. Mit gehobenem Baseballschläger stand Skye noch grübelnd in der Küche, als das Licht anging und sie sich Angesicht zu Angesicht mit Taehyung fand. Skye fing an zu schreien, dann fing Taehyung an zu schreien.
„Wieso schreist du?!“, motzte sie ihn an.
„Wieso schreist du?!“, motzte er zurück.
„DU bist eingebrochen!“
„Nein, ich habe Jungkooks Schlüssel“, verteidigte er sich und zog den Schlüssel aus seiner Hosentasche.
„Aber was machst du hier?! Du hast in Neuseeland zu sein!“
Erst jetzt fiel es ihr auf, dass er auf dem völlig falschen Kontinent war, doch auf seinem Gesicht breitete sich nur ein Lächeln aus.
„Die Dreharbeiten waren vorgestern fertig und die restlichen Tage wären Urlaub gewesen, aber ich wollte nach Hause, zu dir.“
Skye schaute ihn mit großen Augen an. Ihr Herz füllte sich Liebe und Zuneigung. Er kam wegen ihr früher zurück?
„Zu mir?“
„Natürlich zu dir.“
Mit offenen Armen ging er auf sie zu und Skye legte den Baseballschläger ab, um ihn in die Arme zu schließen. Er hob sie hoch und drehte sich langsam.
„Ich habe dich vermisst.“ Taehyung vergrub sein Gesicht in ihren Haaren und hier sie fest. „Und ich kann Morgen vielleicht nicht mit dir zu Gericht, aber ich kann auf dich warten und dann gehen wir etwas essen.“
Skye wollte ihn nicht mehr loslassen, nie wieder. Er war so lieb und süß – selbst, wenn er in ihr Haus einbrach.
„Und du hättest mich fast in den Panic Room getrieben“, gab sie lachend zu und löste sich aus der Umarmung.
„Du hast einen Panic Room?“
„Hallo? Ich bin Amerikanerin. Wir sind der festen Überzeugung, dass es irgendwann zu einem atomaren Krieg kommt, ein riesiger Asteroid die Erde trifft oder Aliens die Erde überfallen. Natürlich habe ich einen Panic Room“, erklärte sie ihm. Panic Rooms und Bunkern waren in Amerika ein boomendes Geschäft -schönes Wortspiel. Verschwörungstheorien und Panik hatten sich so in der Bevölkerung festgesetzt, dass man vorbereitet sein wollte. Es gab Prestige und Deluxe Bunker mit einer Ausstattung vom Feinsten und wer nicht das nötige Kleingeld hatte, der baute sich auch mal gerne selbst einen Bunker in einem abgelegenen Stück Wald. Es war ein Milliardengeschäfte. Vielleicht hätte Skye da einsteigen sollen?
„Wieso weiß ich davon nichts?“, entrüstete er sich.
„Weil das der Sinn von einem Panic Room ist. Von dem versteckten Dachboden wusstest du ja auch nichts.“ Und es gab noch das ein oder andere Geheimnis im Haus, versteckte Gänge, doppelte Böden, geheime Zugänge und Türen, von denen Taehyung auch nichts wusste.
„Und es hat meine Gefühle sehr verletzt“, Theatralisch hielt er sich das Herz, als sich Laila zu ihm hochbeugte und einen Kuss gab.
„Verletzt das auch deine Gefühle?“, neckte sie ihn und während sie sprach berührten ihre Lippen die seinen.
„Ich habe das Gefühl, dass es etwas besser wird.“
Er küsste sie zurück, voller Leidenschaft. Skye liebte es ihn zu küssen, er war so vorsichtig und bedacht, doch wenn sie ihn etwas forderte, dann forderte er zurück. Als würde er sich nicht trauen von alleine einen Schritt weiter zu gehen.
„Ich will den Panic Room sehen.“
Nun hatte er den Kuss beendet. Die Neugier war wohl zu groß gewesen. Die Amerikanerin schüttelte nur den Kopf und nahm ihn dann bei der Hand.
Der Panic Room lag im Keller hinter dem Weinkeller. Der Raum war schon immer ein Panic Room gewesen. Da es drei Treppen vom ersten Stock ins Erdgeschoss gab, einmal die Haupttreppe, einmal die Treppe, die in die Küche führte und einmal die Wendeltreppe, die die Bibliothek im ersten Stock mit Skyes Büro verband und noch einmal drei Treppen in den Keller, einmal wieder die Haupttreppe, dann eine Treppe von der Speisekammer und einmal eine versteckte Treppe in der Bibliothek im Erdgeschoss. Damit gab es genug Möglichkeiten, um von jedem Ort des Hauses in den Panic Room zu kommen.
Ein Weinregal war die versteckte Tür zu dem Raum … oder eher zu den drei Räumen. Schon zuvor waren die Räume als Bunker ausgelegt worden. Skyes Firma hatte nur geprüft, ob die Außenwände noch intakt waren oder Risse aufwiesen. Innen war dann alles renoviert worden. Durch die schwere Tür wurde man durch ein Stück Flur in den Hauptraum geleitet. Im Endeffekt sah es aus wie eine Suite in einem hochpreisigen Hotel. Es gab einen großen Fernseher, eine Couch, eine Bar, Regale, die mit Büchern und Filmen bestückt waren, doch es gab auch einen Schreibtisch mit vier Monitoren, womit sie die 22 Kameras, die in und um das Haus verteilt waren, steuern konnte und eine gesicherte Telefon- und Internetleitung.
Taehyung stand der Mund offen, als er sich umschaute.
„Der Stromkreis ist separat und damit unabhängig vom Haus. Selbst wenn einer wüsste, wo die Stromzuvor wäre, so gibt es ein Notstromaggregat, dass mehrere Wochen halten kann. Es gibt Wassertanks, aber auch eine eigene Wasserleitung, die Grundwasser zieht und filtert“, erklärte sie ihm und zeigte ihm die kleine Küche mit Speisekammer. Konserven über Konserven, aber auch Schokolade, Kekse und verschiedene Getränke fand man hier. Es folgte das Badezimmer, mit WC und Dusche und das Schlafzimmer, mit einem Doppelbett.
„Das Bett ist zum Ausziehen, damit hätte man zwei Doppelbetten und in der Decke sind auch noch zwei Einzelbetten eingelassen. Im Endeffekt haben hier sechs Leute Platz.“
„Das ist unfassbar.“
„Hey, wir sind sehr nahe an Nordkorea dran.“
Zwar war das Marketing der Nordkoreaner etwas besser geworden und sie taten so, als wollten sie vielleicht so etwas wie Frieden, aber wirklich glaubte Skye daran noch nicht.
Er schaute sich neugierig um und stellte sich irgendwann hinter die Bar. Skye war gerade in der Küche und schaute, ob hier etwas fehlte. Frau Kim brachte Sachen hoch und runter, je nachdem wie lange sie haltbar waren. Wenn man rationierte, könnte man mit dem Essen hier unten bei sechs Leuten ungefähr 3 Monate überleben. Skye plante gerne voraus.
„Oh, was ist das für ein Knopf?“, hörte sie Taehyung noch fragen. Es vergingen zwei Sekunden, bis sie verstand, was er meinen könnte und dann lief es ihr eiskalt runter.
„Tae, nein!“, rief sie, aber zu spät. Sie sah wie sich die Tür zum Weinkeller verschloss. Unschuldig schaute Taehyung, als Skye sich zu ihm drehte.
„Du sollst nicht auf Knöpfe drücken, deren Funktion du nicht kennst!“
Stellt euch den mal in einem Atomkraftwerk vor!
„Der Knopf macht … die Tür zu?“
„Für 24 Stunden.“
„Für …?!“
Sein Kiefer fiel runter.
„Was? Wer baut denn so einen Knopf ein?!“
„Es ist ein Sicherheitsknopf im Falle eines atomaren Angriffs, dass keiner auf die Idee kommt zehn Minuten später die Tür zu öffnen.“
„Aber …“, hilflos schaute er sich um, „wir haben doch gar keinen atomaren Angriff!“
„Weiß die Tür das?!“
Beide starrten sie die Tür an, doch als ihr Blick sich traf, fingen sie beide an zu lachen bis ihnen die Tränen kamen.
Nun, was sollten sie auch anderes tun? Es gab keine Möglichkeit, außer man würde die Tür aufschweißen. Skye musste zwar vor Gericht, aber eigentlich ‚musste’ sie nicht. Ihr Anwalt würde ihr schon ein Gutachten von einem Psychologen besorgen, der bestätigte, dass die psychische Belastung zu hoch gewesen ist. Vielleicht war es sogar besser so.
„Du bist nackt!“, rief Taehyung plötzlich. Die Amerikanerin schaute an sich hinab. Sie hatte ein Victoria’s Secret Panty an, was fast wie eine Hotpans war und darüber ein Shirt, dass sie sich übergezogen hatte, als sie dachte, dass Tae ein Einbrecher wäre.
„Aber dir fällt schon auf, dass ich das die ganze Zeit anhabe?“
Sein Gesicht war rot geworden und sie fand es so süß. Skye ging auf ihn zu und küsste ihn. Er schien sich zu entspannen, seine Arme umschlossen sie und langsam begannen sie auf Wanderschaft unter ihr Shirt zu gehen. Sie waren alleine, niemand würde sie stören und Skye wollte ihn endlich für sich haben. Es war Taehyung, der sie langsam in das Schlafzimmer drängte, bis sie das Bett gegen ihre Beine merkte. Ihre Hände zogen ihm sein Polo aus und als ihre nackte Haut aufeinanderstieß, schien es sie beide nur noch mehr anzustacheln.
„Du bist wunderschön“, murmelte er, als sie sich auf das Bett legte und selbst ihr Shirt auszog. Seine Lippen begannen ihren Körper zu erkunden. Sie wollte mehr, sie wollte alles. Er machte sie nervös, noch nie war sie mit jemand wie Taehyung zusammen gewesen, er war besonders und sie wusste es. Ihre Körper reagierten aufeinander wie zwei Magneten, hungrig von Liebe. Skye wollte sich nicht mehr zurückhalten.
Skye erinnerte sie an einem Traum, vor langer Zeit, in dem es genau so war. Andererseits waren sie schon mal fast so weit gewesen, als sie bei seiner Familie waren und die Nacht im Wald verbracht hatten. Sie waren ziemlich weit in dieser Nacht gegangen, weit genug, dass sie voller Entzücken seinen Namen in die Nacht gerufen hatte. Ihr Herz klopfte wie wild. Sie hatte mit allem heute Nacht gerechnet, nur nicht damit und in diesem Moment verstand sie, dass er der einzige war, der sie wirklich glücklich machen könnte.
„Lala…“ Ihre Lippen fanden sich.
Als Skye aufwachte hatte sie fast Angst, dass es wieder nur ein Traum gewesen ist und eigentlich lag sie alleine in ihrem Bett. Doch dann bemerkte sie seinen warmen Körper neben sich und öffnete langsam die Augen. Sie lag in seinen Armen, mit ihrem Kopf auf seiner Schulter und ein Gefühl von Glück breitete sich von ihrem Bauchnabel aus. Nie wieder würde sie ihn gehenlassen. Es war kein Über-Sex gewesen, keine Offenbarung, aber es war schön gewesen. Sie waren beide noch vorsichtig miteinander und hatten Angst etwas zu machen, was der andere nicht mochte. Skye war jedoch auf ihre Kosten gekommen und Taehyung auch. Zweimal. Tae war kein Macho, kein Weiberheld, doch wenn ihm eines am Herzen lag, dann Skyes Wohlbefinden. Er ging so vorsichtig mit ihr um, als hätte er Angst sie könnte zerbrechen.
„Morgen …“, hörte sie ihn brummen und sofort zog er sie noch enger an sich heran.
„Wieso hatten wir immer Klamotten an? Ohne Klamotten ist es viel schöner!“
Skye fing an zu grinsen – das hätte sie ihm schon früher sagen können.
Bis sie dann wirklich aufstand, war noch mal eine halbe Stunde vergangen. Skye ging als erstes ins Bad, auch wenn Taehyung ihr traurig hinterher schaute. Ihr Herz sprang freudig, wenn sie ihn so sah. Eine Weile hatte sie gedacht, dass er vielleicht körperlich kein Interesse an ihr hatte, doch die vergangene Nacht hatte sie vom Gegenteil überzeugt. Er war vielleicht einfach schüchterner, wenn es um solche Dinge ging. Bisher hatte er noch nie von seinen ehemaligen Beziehungen gesprochen und dass er auch anders konnte, wusste sie spätestens seit der Nacht am See. Schon damals hatten sie fast miteinander geschlafen und wie sehr hätte Skye es sich in dieser Nacht gewünscht.
Die junge Frau stieg aus der Dusche und legte sich einen Bademantel um.
„Hast du Klamotten hier unten? Nicht, dass ich etwas dagegen hätte dich den ganzen Tag so zu sehen …“
Taehyung lehnte an der Tür, selbst nackt.
„Klar habe ich Klamotten, auch für dich.“
Da hob er erstaunt die Augenbrauen.
„Wirklich?“
„Klar, ich habe ja nicht nur damit gerechnet, dass ich hier unten lande.“
Als Taehyung duschen war, setzte sich Skye an den Computer und rief zuerst Frau Kim an, dass sie früher kommen musste.
„Sie haben was?!“, ertönte es von der anderen Seite des Telefons.
„Ich habe gar nichts, Taehyung hat auf den Knopf gedrückt. Verhungern tun wir nicht, aber es muss sich jemand um die Katzen und um Snickers kümmern.“
„Kein Problem, ich mache mich fertig.“
Auf Frau Kim war Verlass.
Als nächstes rief sie ihren Anwalt an, um ihm zu erklären, dass sie heute nicht an der Verhandlung teilnehmen würde. Der fand das gar nicht so schlecht, weil es die enorme psychische Belastung zeigen würde und wünschte ihr noch einen schönen Tag.
Es war gerade einmal 7 Uhr, also noch viel zu früh, um irgendetwas zu tun, also legte sich Skye wieder hin.
„Was tust du?“ Tae kam gerade aus der Dusche und sah Skye im Bett liegen.
„Wieder schlafen.“
„Wie schlafen? Für was habe ich mich angezogen?!“
„Das kann ich dir auch nicht beantworten“, erwiderte sie und hob die Decke hoch. So schnell konnte sie gar nicht schauen, da war er wieder aus den Klamotten und bei ihr.
Die beiden schliefen – mehr oder minder – dann noch bis 11 Uhr. Es war mal ganz schön ohne Handy, ohne dass irgendwer reinkam und ein paar Stunden ohne die Katzen. Skye hatte die Kätzchen echt lieb, aber es waren eben Babys und die brauchten viel Aufmerksamkeit. In einem halben Jahr würden sie nicht mehr ständig an Skye hängen, aber bis dahin war sie die Mama.
Diesmal zog sie sich was an, zumindest eine Jogginghose und ein Shirt. In der Küche fand sie allerlei zu essen, zum Beispiel Baguette zum Aufbacken, Marmelade, Honig, Butter und Nutella.
„Das ist der beste Bunker, in dem ich jemals geschlafen habe“, lobte Taehyung, als sie den Tisch deckte.
„In genau wie vielen Bunkern hast du schon geschlafen?“, fragte sie skeptisch.
Dann begann er von Neuseeland zu erzählen und Skye erzählte ihm von G-Next. Das BTS eine Welt voller Gletscher, aktiver Vulkane und Klippen überlebt hatte, hörte sich auch mehr an wie ein Zufall, als tatsächliche Überlebenskunst. Tae wäre fast von einem Seelöwen gebissen worden, Jungkook war von Pinguinen gejagt worden, Namjoon hatte seine Tasche in einer Fledermaushöhle stehen lassen, was erst aufgefallen war, nachdem die Fledermäuse aufgewacht waren und auf die Jagd gingen und Yoongi hätten sie … nein … hatten sie an einem See vergessen und es war ihnen erst 120 Kilometer später aufgefallen. Skye wäre so gerne dabei gewesen!
„Und du bist wirklich auf der Südinsel mit Weißen Haien geschwommen?“
Ja, dort … und in Südafrika … Manchmal war Skye froh, dass ihre Mutter tot war, sie hätte Skye für solche Sachen erschlagen.
„Getaucht, ja, ganz ehrlich, wirklich Angst machen sie mir nicht. Ich habe wahnsinnigen Respekt vor ihnen, aber Angst? Nicht wirklich.“
Er starrte sie regungslos an.
„Was?“
„Ich habe einen Adrenalin-Junkie als Freundin“, stellte er fest.
„Und du stehst drauf.“
„Sehr“, gab er zu.
„Du hast Platz für sechs Leute hier unten?“, fragte Tae schließlich und Skye nickte.
„Im Falle des Falles, wen würdest du mit hier runter nehmen?“
Skye grübelte. Es war ja nicht so, dass man im Falle eines Falles immer Zeit hatte alle zusammen zu trommeln, aber sie wollte kein Spielverderber sein.
„Also dich – aus offensichtlichen Gründen“, begann sie grinsend.
„Jungkook auf jeden Fall… allein schon für den Sarkasmusfaktor“, sie grübelte.
„Mia, weil ich glaube das sie ne sehr gute Weltherrscherin wäre, wenn wir hier wieder rauskommen.“
Taehyung lachte fröhlich bei der Erklärung auf.
„Und Donghae, weil Mia und Donghae verdammt gut darin sind die Welt neu zu bevölkern.“
Wieder lachte er.
„Mhhh … also entweder Jiyong oder Heechul als letzten. Jiyong ist dieser geniale Mastermind und irgendwie habe ich das Gefühl, dass er von nutzen sein könnte – das gleiche gilt für Heechul.“
Es war ungefähr gegen 13 Uhr, die beiden lagen zusammengekuschelt auf der Couch und schauten ‚10 Cloverfield Lane‘. Ein Psychothriller, in dem eine Frau in einen Bunker verschleppt wurde und angeblich nicht raus konnte, weil draußen Strahlung wäre. Der Film war ziemlich spannend, man wusste nie so genau ob es stimmte oder nicht, manchmal war es dann auch etwas ekelig, aber generell fand Skye, dass der Film super zu ihrer aktuellen Lage passt. Sie hatten immerhin schon fast 12 Stunden rum bekommen und sie war sich sicher, dass ihnen für die kommenden Stunden auch noch etwas einfallen würde.
Von der Couch aus hatten sie einen ganz guten Blick auf die Monitore. So konnten sie ab und zu nach den Kätzchen und Snickers gucken. Irgendwann merkten sie hektische Bewegungen bei den Kameras und Skye lehnte sich rüber, um besser sehen zu können. Mia sprang vor einer Kamera auf und ab.
„Hey guck mal, Mia. Sie will bestimmt jemand ankacken.“
„Nein … schau mal, sie hält ein Schild hoch…“
Taehyung war aufgestanden, um besser sehen zu können.
„Da steht, dass sie schwimmen gehen.“
„Wer sie?“ Skye sprang auf und eilte zu den Bildschirmen, da sah sie wie drei Vans vor ihrem Haus parkten. Teile von Super Junior, EXO, NCT und Red Velvet stiegen aus den Vans, bewaffnet mit Schirmen, Essen und Schwimmsachen.
„They’ve invaded my home!“
Fassungslos saß sie vor den Bildschirmen und wollte schon zum Telefon greifen, als Taehyung ihre Hand aufhielt.
„Lass sie doch. Ich bin ganz froh, dass ich dich für mich habe und keiner uns stören kann.“
Und dann zog er sich wieder das Shirt aus. Wenn Skye geahnt hätte, dass es nur einen Bunker brauchte, um seine Hormone in Wallung zu bringen, dann hätte sie ihn schon vorher hierhergebracht.
„Sag mal, dafür, dass du immer ziemlichen Sicherheitsabstand gehalten hast, bist du jetzt aber ganz schön zutraulich“, stellte sie fest. Nicht, dass sie sich beschwerte. Wie oft hatten die Gedanken an Taehyung sie wahnsinnig gemacht.
„Ich wollte warten bis wir zusammen sind, ich wollte nicht, dass du denkst ich will nur deinen Körper. Manchmal habe ich das Gefühl, als würde ich schon ein halbes Jahr darauf warten, noch niemand hat mich so wahnsinnig gemacht.“
Skye kam zu ihm auf die Couch. Manchmal war er so lieb und naiv. Er war gut erzogen, er wollte das alles den geordneten Weg ging. Und eigentlich hatten sie ein halbes Jahr darauf gewartet und für Skye war das mindestens genau so schlimm, wie für ihn.
„Ach so und jetzt sind wir zusammen?“, fragte sie herausfordernd.
„Hatten wir nicht gesagt nach Neuseeland …?“
„Eigentlich hatten wir gesagt wir lassen es vier Wochen langsam angehen und das wäre der 3. Oktober.“
Taehyungs Mund blieb offenstehen. Irgendetwas hatte er da wohl fehlinterpretiert.
„3. Oktober?!“
„Jup. Aber wenn du willst … what happens in the bunker, stays in the bunker…“
„Nein, ich will nie wieder so tun, als würde ich nicht zu dir gehören“, sagte er bestimmend. Er nahm ihr Gesicht in seine Hände und ihr Herz fing an zu trommeln.
„Keine Ausreden mehr, keine Kompromisse. Ich liebe dich Lala Jones, mit Bunker oder ohne Bunker.“
Und mehr musste sie gar nicht mehr hören.
Skye fühlte sich, als wollte sie nie mehr diesen Bunker verlassen. Alles war perfekt. Sie und Tae hatten gemeinsam Mittagsschlaf gemacht, Arm in Arm. Zuvor hatte Skye noch mal auf die Monitore geschaut, doch am See gab es keine Kamera. Das würde Skye ändern. Auch würde sie überall Pumpguns aufhängen, die sie von hier unten fernsteuern könnte.
Doch eine Sache ließ sie heute doch nicht ganz los und das war die Gerichtsverhandlung. Noch hatte sie nicht von ihrem Anwalt gehört. Inzwischen war es 16:30 Uhr und vor 6,5 Stunden war die Verhandlung losgegangen. So viele Zeugen gab es ja schließlich nicht.
„Er wird sich schon melden.“
Taehyung merkte natürlich, dass sie das Ganze anspannte, auch wenn sie nicht darüber gesprochen hatte. Es lag schon so lange zurück, doch heute kam es Skye vor, als wäre es gestern gewesen. So vieles hätte schief gehen können. Sie hätte sich verletzten können, gelähmt sein können und auch ganz einfach tot. Sie hatte Glück gehabt, pures Glück.
In Gedanken verloren schreckten beide auf, als das Telefon klingelte. Das Geräusch wirkte in der Umgebung so fremd, dass sie kaum noch damit gerechnet hatten.
„Anthony?“ Anthony war ihr Scheidungsanwalt gewesen, doch seine Kanzlei hatte sie heute auch vertreten, nur eben einer von Anthonys Kollegen dessen Spitzname ‚Pitbull‘ war. Skye mochte ihn. Jedenfalls arbeitete Skye schon lange mit Anthony zusammen und er war heute bei der Verhandlung anwesend.
„9 Jahre“, sagte er nur.
„9 Jahre?“
Irgendwas verspürte die Amerikanerin – sie wusste nur nicht was? War sie froh? Ja, denn fast schon hatte sie gerechnet, dass man es auf Alkohol schob und wer betrunken war, kam in Korea mit allem davon. Tatsächlich. War sie sauer? Hatte sie sich eine härtere Strafe erwartet? Na ja, beschwert hätte sie sich nicht. Tatsächlich gab es in Korea noch die Todesstrafe und sie wurde auch noch immer verhängt, die letzte Hinrichtung fand jedoch das letzte Mal 1997 statt. Ungefähr 60 Verurteilte warteten noch auf die Vollstreckung. Nein. Todesurteil hatte sie den beiden Frauen nicht gewünscht, aber bei Lebenslänglich hätte sie sich jetzt auch nicht beschwert.
„Ja, zuerst wollten sie noch niedriger ansetzen, weil du kaum Verletzungen hattest, doch die Jury war der Meinung, dass die Folgen nichts an der Tat änderten.“
„Okay, dann weiß ich Bescheid. Danke für den Anruf.“
Skye legte den Hörer auf, öffnete die Schublade und holte sich ein Päckchen Zigaretten raus. Ja, sie hatte an alles gedacht.
„Du willst doch nicht etwa rauchen?!“
„Klar, habe eine Lüftung, wir könnten drei Shishas hier aufbauen.“
Sie bot ihm eine an, denn sie wusste, dass er gelegentlich rauchte – meistens E-Shisha. Diesmal nahm er eine an und so saßen sie rauchend in dem Bunker.
Die Amerikanerin wartete darauf, dass sie etwas fühlte. Erleichterung, Wut, irgendetwas, doch es kam nicht. So viele Gedanken hatte sie sich um die Verhandlung gemacht und nun war es vorbei und sie fühlte nichts. Sie suchte auch nicht im Internet nach Videoaufnahmen, dafür wäre sie erst Morgen bereit. Sie wusste das die Verhandlungen mitgefilmt wurden und das sie als Zeuge und Klägerin darauf Zugriff hatte.
Die Amerikanerin saß auf der Couch und starrte vor sich hin, als Taehyung sich hinter sie setzte und in seine Arme zog. Als hätte er irgendeinen Schalter umgelegt, merkte sie, wie sich Tränen in ihren Augen formten.
„Es ist okay, ich werde dich beschützen“, flüsterte er gegen ihr Ohr. Sie ließ los und die Tränen liefen über ihre Wange. Tae hielt sie in den Armen wie ein Kind und streichelte ihre Haare. Er war nicht der stärkste, er hatte keinen schwarzen Gürtel, doch noch nie hatte sie sich bei jemand so sicher gefühlt, wie bei ihm.
Skye fing sich wieder. Zwar versuchte sie sich immer einzureden, dass diese ganze Sache keine Macht über sie hatte, doch ihr Unterbewusstsein sah das wohl anders. Ihr Therapeutin hatte immer gesagt ‚Ihnen ist etwas Furchtbares passiert, es ist okay zu fühlen‘. Damals hatte Skye das noch abgewunken, doch jetzt verstand sie.
Nachdem sie sich wieder gefangen hatte, begann sie mit dem Abendessen. Taehyung stand in der Tür und versuchte nicht im Weg zu stehen, während Skye die Küche auf den Kopf stellte.
„Was ist das?“, fragte er neugierig und reckte seinen Hals, um zu sehen, was da in der Dose war.
„Gulasch, von meinem deutschen Lieblingskoch. Er macht mir das immer und packt es in Dosen. Nobel geht die Welt zu Grunde“, erklärte sie grinsend. Dazu gab es Nudeln und sie kochte einen Pudding für danach, der erst noch abkühlen musste. Im Gefrierfach waren Himbeeren, mit denen sie eine Soße für den Vanillepudding machen würde. Sollte sie wirklich einmal hier gefangen sein und es war abzusehen, dass die Welt sich nicht in ein paar Wochen erholen würde, dann wollte sie ihre letzten Tage wenigstens noch ordentlich genießen können und nicht nur Bohnen essen.
Taehyung schlich sich von hinten an sie ran und küsste ihren Nacken.
„Also, wenn es nach mir geht, können wir hier unten ruhig öfters eingesperrt sein.“
„Na im Moment hast du aber auch nichts zu tun. Du kannst das gerne dann Sejin erklären“, erwiderte sie grinsend und sah, wie sein Lächeln erstarb.
„Hey, für die nächsten vier Wochen haben wir Urlaub. Vielleicht schaffen wir es ja mal ein paar Tage weg zu kommen.“
Hoffnung schwang in seiner Stimme, Hoffnung, die sie ihm noch nicht nehmen wollte. G-Next und die IDOLLs würden sie für die nächsten Monate gut beschäftigen und sie konnte nicht so eigennützig sein und einfach Urlaub machen- das ließ ihr Gewissen nicht zu. Ihr Gewissen ließ es aber auch nicht zu ihm seine Träume zu zerstören. BTS wurde tatsächlich mal eine Auszeit gegönnt, nach den vergangenen Jahren, in denen sie ein Album nach dem anderen veröffentlich hatte, so viele Drehs für V Live und andere Sendungen und so viele Tourneen hatten. Sie hatten es sich verdient mal auszuspannen und Urlaub zu machen. Skye wollte, dass er mal rauskam und wenn er mit seinen Kumpels in Urlaub fuhr, dann war das auch vollkommen okay.
„Erstmal sollten wir uns damit beschäftigen, wie wir die vergangenen Stunden verbringen …“, erwiderte sie ihm vielsagend, doch er verstand den Wink recht deutlich.