Es war eine BTS Party. Jimins Freunde waren dabei, doch keine anderen Idols – zumindest keine, die Skye als solche erkannte – und Skye fühlte sich etwas fehl am Platz. L.A war tolle Gesellschaft und stellte sie allen vor.
„Wie hast du Jimin eigentlich kennengelernt?“, fragte sie, als sie irgendwann an der Bar saßen.
„Oh, das ist eine süße Geschichte“, erwiderte L.A grinsend. „Es war vor knapp 4 Jahren. Zu der Zeit war ich super im Stress wegen den ganzen Prüfungen. Ich wusste schon immer, dass ich Ärztin werden möchte und meine komplette Schulzeit habe ich nur gelernt und gelernt, um meine Noten zu halten. Als es auf die Abschlussprüfungen zuging, war ich nur noch Zombie. Nicht weit weg von meinem Zuhause gab es diesen kleinen Ramenladen. Da habe ich immer gesessen, um zu lernen. Irgendwann kam Jimin, ich habe ihm nicht wirklich Beachtung geschenkt und ich hatte auch keine Ahnung, wer er war. Fast jeden Tag kam er dort hin und hat mir Ramen bestellt, doch er hat mich nie angesprochen, aber er hat immer zu mir geschaut und er hat dieses süße Lächeln – ich war zwar im Stress, deswegen aber ja nicht blind. Nach fast zwei Wochen bin ich dann aufgestanden und zu ihm und wie gesagt, ich war komplett ein Zombie“, sie musste jetzt schon lachen, „und ich war so ‚Ya! Willst du mit mir ausgehen?!‘ und er schaute nur hoch und nickte eifrig und ich war so ‚Okay, hier ist meine Nummer – aber schreib mich erst in drei Wochen an, ich habe Abschlussprüfungen und jetzt hör auf mich mit deinem süßen Lächeln zu irritieren, ich muss mich konzentrieren!‘ und er fing nur an zu grinsen und hat mich tatsächlich erst drei Wochen später angeschrieben.“
Skye lachte fröhlich, es war so eine süße Geschichte und irgendwie so passend zu den beiden.
„Und du wusstest nicht, wer er war?“
Sicher, Idols sahen privat schon anders aus, als wenn sie in irgendwelchen Musikvideos oder Shows rumsprangen. L.A zuckte mit den Schultern.
„Kpop ist komplett an mir vorbeigegangen, ich steh mehr auf Indi Pop und BTS waren damals zwar schon bekannt, aber noch nicht so penetrant“, die Jüngere zuckte mit den Schultern.
„Wann hast du herausbekommen, wer er ist?“, wollte Skye wissen und L.A grübelte etwas.
„Ich glaube, beim dritten Date. Sobald wir draußen unterwegs waren, hatte er immer eine Kappe oder einen Hoodie auf, das fand ich schon etwas komisch. Er suchte für unsere Dates auch nie so öffentliche Plätze aus, zwischen drin dachte ich, er wäre so ein Psycho, der mich umbringt und in Stücke zerteilt – ich hatte immer Pfefferspray dabei.“
Skye konnte nicht mehr, sie lachte fröhlich und hielt sich den Bauch. Jimin war vieles, aber den potentiellen Jeffrey Dahmer sah sie in ihm nun nicht.
„Irgendwann hat er mich in eine Seitenstraße gezogen und ich dachte schon, dass jetzt mein Leben vorbei ist, doch er hatte sich nur versteckt, weil er dachte, dass uns zwei Fans folgten. Anfangs habe ich das noch nicht so ernst genommen. Ich mein, es gibt gefühlt tausend Idols und nicht jeder ist erfolgreich. Und dann habe ich ihn gegoogelt. Und dann bekam ich eine Panikattacke.“
Es war so goldig. Jimin war bescheiden und liebenswert. Er gab nicht mit seinem Erfolg an oder profilierte sich durch schicke Restaurants. Jimin würde wohl nicht auf die Idee kommen Lotte World für das erste Date zu mieten.
„Vorhin, als es darum ging, dass Taehyung mich heiraten will … da war dieser Blick in deinen Augen …“, begann die Amerikanerin, doch L.A winkte ab.
„Nein, es ist nur Spaß. Ich habe Jimin gesagt, dass ich erst mit meinem Studium fertig sein und mir etwas aufgebaut haben möchte, bevor ich heirate. Ich will nicht nur die Ehefrau von jemand sein. Ich liebe ihn, aber ich bin ja trotzdem noch mein eigener Mensch.“
Das war eine gesunde Einstellung und L.A wollte Kardiologin werden. Sie war ambitioniert und war selbstständig.
„Du weißt, wenn du was brauchst, sagst du Bescheid ja? Mein Krankenhaus hat eine ziemlich gute Kardiologie.“
Nun war es L.A, die fröhlich lachte.
„Das ist einfach SO merkwürdig zu sagen!“
Das stimmte auch, aber tatsächlich sahen die Zahlen des Krankenhauses gut aus. Skye hatte ein paar Vorschläge eingebracht, vor allem, was die Betreuung von Promis betraf und sie wollte die Psychologie ausbauen und vor allem Depressionen mehr Beachtung schenken, denn viel zu viele Idols litten darunter. Am liebsten würde sie alle mal dorthin schicken, damit sie wussten, dass sie nicht alleine waren.
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Am nächsten Morgen wachte Taehyung auf, doch Skye war nicht da. Verwundert schaute er sich um, doch er wusste, dass Hasen auch Gewohnheitstiere waren, also hatte er eine Vermutung, wo sie stecken könnte. Er ging duschen, zog sich an und marschierte zum Super Junior Dorm – entweder wäre sie dort oder bei EXO. Skye saß am Tisch, gemeinsam mit Leeteuk und Heechul.
„Und er hat gesagt, der Song wäre zu gut?“, regte sich Heechul auf und Tae wusste genau, in welche Diskussion er hier reingestolpert war. Er setzte sich neben sie und zog sie in die Arme.
„Du sollst dich nicht ständig aufregen. Glaube mir, wenn ich dir sage, dass Bang ein guter Stratege ist, er meint es nicht böse“, redete er ruhig auf sie ein. Es war irritierend, wenn ausgerechnet er der Vernünftige war.
„Ja, aber könnte er es nicht netter verpacken?“, eschauffierte sie sich noch immer.
„Für jemanden, der mir gestern sehr unverpackt gesagt hat, dass du mich nicht heiraten willst, lehnst du dich ganz schön weit aus dem Fenster.“
„Was?!“, kam es nun von Leeteuk und Heechul.
„Nein, nein Leute, Taehyung hatte einen ‚Moment‘ gehabt. Natürlich will ich ihn irgendwann heiraten, aber er pusht das etwas hoch.“
„Du nimmst mich gar nicht ernst!“, nun begann Tae sich aufzuregen. Heechul fing fröhlich an zu lachen.
„Mach dir keine Sorge, dir wird man sie nicht wegnehmen.“
Skye hatte das Gefühl, dass hier eine Konversation in der Konversation stattfand und schaute mit zusammengekniffenen Augen zwischen den beiden Männern hin und her.
„Er hat Angst um dich. Ich mein, du ziehst schon viel männliche Aufmerksamkeit auf dich, aber Taehyung-shi ist eigentlich so beliebt, dass es keiner wagen wird an dich zu gehen“, erklärte Leeteuk und Skye schaute entsetzt zu Tae.
„Ach, ist das deine Intention? Willst du mich jetzt branden, damit jeder weiß, dass ich zu dir gehöre?!“
Tae hingegen schaute genervt zu Leeteuk.
„Natürlich nicht, ich finde nur, dass wenn man sich sicher ist, muss man auch nicht warten.“
Noch immer schaute sie ihn böse an. Glaubte er wirklich, dass sie jemand angraben würde, solange sie zusammen waren?
„Mia und Donghae haben auch schnell geheiratet“, wand Leeteuk ein und wurde nun von beiden genervt angeschaut.
„Nicht jeder ist wie die beiden!“, beschwerte sich Skye und nun wurde sie wieder von Taes bösem Blick getroffen. Über was stritten sie sich hier eigentlich?
„Entschuldige, wir sind genauso epic!“
„Hörst du jetzt auf! Ich werde dich heiraten, wenn du es ernst meinst und nicht, weil du einen sensiblen Moment hattest, wegen dem, was ich gesagt habe und auf jetzt, du hast Training und du musst mich vorher zu Jeep fahren.“
Entsetzt schaute er ihr nach, als sie aufstand. In 10 Tagen war das BTS Konzert in Seoul und sicherlich hatte er irgendein Training.
„Aber ich habe noch nicht gefrühstückt!“
„Einzelschicksal – du musstest ja diskutieren.“ Und damit war sie aus der Tür raus.
„Liebe ist schon eine schöne Sache“, kam es trocken von Heechul.
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Natürlich fuhr er sie zu Jeep, die angerufen hatten, dass ihr Auto wieder funktionierte.
„Wollen wir heute Abend etwas machen?“, fragte sie ihn.
„Date Night?“, grinsend schaute er zu ihr.
„Date Night“, bestätigte sie. Schließlich sollten sie es ausnutzen, dass ihr Schedule im Moment etwas lockerer war – um nicht zu sagen, dass sie gar keinen hatte. War auch irgendwie mal angenehm.
„Ich sag dir Bescheid, wenn ich weiß, wann ich fertig bin.“
Und damit entließ sie ihn ins Training und holte ihr Auto ab. So. Was tun mit der Zeit? Sie fuhr nach Hause – nach Hanam, nicht in die Fabrik. Ohnehin wollte Skye die Katzen wieder zu sich holen und nach Snickers schauen.
Sie fand alle im Gehege von Snickers und Artemis kam direkt zum Kuscheln. Frau Park war nicht da und es war still im Haus. Von wegen hier war immer jemand. Taehyung kam nur zum falschen Zeitpunkt hierher. Während sie sich in den Ohrensessel fallen ließ und sich umschaute, merkte sie wieder, wie sehr sie dieses Haus liebte. Es war ein Zuhause. Ihr Zuhause. Ein Ort, um sich die Zukunft aufzubauen. Natürlich wollte sie auf immer und ewig mit Tae zusammenbleiben und doch konnte sie diese Angst, verlassen zu werden, nicht ganz abschütteln. Er war an so einem wichtigen Punkt seiner Karriere und solange nichts ‚Skandalöses‘ passierte, würde es bis mindestens zu seinem Armeeeintritt weitergehen. BTS hatten international etwas ausgelöst, was vorher in dem Ausmaß noch nie da gewesen ist und Skye war die Letzte, die ihm im Weg stehen wollte. Im Moment hatte er sich für sie entschieden, doch wer konnte schon wissen, wie seine Meinung in 6 Monaten oder einem Jahr war? Vielleicht würde es ihm dann doch zu viel werden und er würde sich auf seine Musik konzentrieren, anstatt Zeit mit seiner Freundin zu verbringen. Sie wusste es nicht und so schnell wollte sie keine Scheidung mehr durchmachen. Es war zwar süß, wie er sich aufregte, doch sie wusste, dass es alles nur ein Spiel war. Schon einmal hatte er seine Gefühle beteuert und hatte dann einen Rückzieher gemacht und auch wenn im Moment alles okay war, so war diese Wunde noch nicht geheilt. Und dann war das Jongin. Skye wehrte sich gegen die Gedanken, aber da war etwas zwischen den beiden. Es war mehr als Freundschaft, sie konnte es nicht benennen, doch es war mehr als Freundschaft, auch wenn sie keine Ahnung hatte, wie er fühlte. Es war, als wäre er ein Teil ihres Lebens und er ließ sich nicht gänzlich abschütteln.
Skye beschloss die Katzen hier zu lassen. In ein paar Tagen wäre sie wieder nach Hause kommen und hier hatten die Katzen auch mehr Platz zum Toben und so wie es aussah, hatte Frau Park alles unter Kontrolle. Lieber würde sie für ein paar Streicheleinheiten herkommen, als den Kätzchen einen ständigen Umzug zuzumuten.
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Gegen Mittag beschloss die Amerikanerin zu G-Next zu fahren. Immerhin war das auch noch ihr Entertainment und nur, weil sie noch nicht zu 100% sagen konnte, was sie wirklich tun würde, hieß das nicht, dass sie sich vor Arbeit versteckte.
Immerhin verwehrte man ihr nicht den Zugang – damit hatte sie fast gerechnet. Die Kings waren gerade im Vocaltraining und Skye lunzte durch die Tür hinein. Sie traute sich nicht rein zu gehen, war die Situation irgendwie zu komisch, doch irgendwann erblickte London sie und schaute entsetzt. Einen Moment später öffnete Kendra die Tür und schaute genervt.
„Traust du dich jetzt nicht mehr rein?“
„Doch … ich … habe nur auf einen geeigneten Moment gewartet.“
Lüge! Die Sängerin zog Skye in das Studio und sofort stürzten sich alle auf sie, um sie zu drücken. Frau Yang beobachtete das Treiben mit einem Lächeln und gab ihnen diesen Moment. Es fragte Skye auch niemand, ob sie sich entschieden hatte oder was sie tun würde.
Nach der Begrüßung stellte sich die Amerikanerin zu Frau Yang. Ja, sie könnte das machen. Sie könnte CEO sein und sich um die Künstler kümmern und Lieder produzieren und schreiben, ohne selbst zum Idol zu werden. Dabei machte sie sich weniger Gedanken, dass die Kings sie bräuchten, als andersherum. Sie hatte sich an die Girls gewöhnt, an die Gruppendynamik und sicher würde Jiyong sie in ein normales Dorm stecken. Eine leise Stimme in ihrem Kopf sagte, dass sie doch einfach im Nebenhaus wohnen bleiben könnten, doch das Gebäude mit den Dorms wäre nicht weit weg vom HQ und sie wären in der Stadt und nicht irgendwo in Hanam. Sie könnten ausgehen und shoppen und müssten nicht jedes Mal ein Auto nehmen. Im Moment war es bestimmt spannend auf ihrem Anwesen zu wohnen, doch sie waren ja junge Frauen und wollten sicher irgendwann wieder mehr im Leben sein.
Nach dem Training, ging Skye mit den anderen Essen. Noch immer versuchten sie das Thema ‚Skye‘ und vor allem ihre Bandzugehörigkeit zu umgehen, doch letztendlich war aufgeschoben nicht aufgehoben.
„Skye“, es war London, die das Wort ergriff, „wir wollten nur, dass du weißt, dass wir okay sind. Wir hätten dich super, super gerne in der Band, aber wir verstehen auch all deine Beweggründe, wenn du dich dagegen entscheidest. Wir kommen klar. Aber es wäre schön, wenn du Songs für uns schreiben könntest – allein schon um Bangs Gesicht zu sehen.“
Nun lachten dann doch alle und Blake lehnte ihren Kopf an Skye.
„Ich habe euch wirklich sehr liebgewonnen und ihr seid alle toll. Ich weiß, dass ihr das ohne mich schafft. Aber ich will auch keine Last sein und ich kenne mich – ich bin ein Fluchttier und es ist einfach zu flüchten, wenn man eine Insel hat.“
Vielleicht hatte sie Geld doch verändert. Vieles war einfacher geworden. Früher, wenn ihr alles zu viel geworden ist, hätte sie gar nicht die finanziellen Mittel gehabt, um wochenlang oder gar monatelang zu verschwinden. Und es war eine Freiheit, die sie sich nicht nehmen lassen wollte. Skye plante nicht BTS hinterher zu reisen, dass würde ihr zu blöd werden, doch ohne Band hätte sie natürlich die Möglichkeit das ein oder andere Mal mitzureisen. Ach warte, wir haben Bang in dieser Gleichung vergessen, der solche Späße sicher nicht dulden würde. Freundin auf dem Hotelzimmer. Skandal! Freundin beim Frühstück. Skandal! Mit Freundin im Pool. Skandal! Wenn sie so darüber nachdachte, hatten sie und Jongin doch ein recht einfaches Leben gehabt. Natürlich hatten sie nicht wild in der Öffentlichkeit geknutscht, aber sie hatten nie darauf achten müssen, wie nah sie beieinanderstanden.
„Ich habe überlegt, wer Bandleader werden könnte“, begann Skye.
„Wir auch“, kam es nun grinsend von Honey. Da war sie nun gespannt, auf die auf der gleichen welle surften.
„Wir wären für Kendra“, meinte nun Mi Cha und Skye nickte, sie hatte auch an Kendra gedacht.
„Yeah, yeah alright, I’m pretty awesome, thanks“, kam es von Kendra gespielt überspitzt.
„Ja, das bist du“, bestätigte Skye und irgendwie fühlte sie sich schon besser.
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Es war kurz nach 18 Uhr. Skye hatte sich in ihr Büro gesetzt, um noch ein paar Dinge nachzuschauen und Mails abzuarbeiten. Noch hatte sie nichts von Taehyung gehört, aber der Abend war noch jung.
Als dann aber Jiyong in das Büro gestürmt kam, konnte sie schon an seinem Gesicht sehen, dass etwas nicht stimmte.
„Skye, wir müssen nach Hause.“
Diese Aussage verstand sie erst einmal nicht.
„Was ist passiert?“
„Sulli hat sich umgebracht.“
Es waren Aussagen wie diese, die einem das Blut in den Adern gefrieren ließen. Skye hatte nicht viel mit Sulli zu tun gehabt. Natürlich hatte man sich mal gesehen, doch sie hatte nie wirklich mit ihr gesprochen, doch das änderte nicht daran, dass das furchtbar war. Sie war sehr gut mit Heechul befreundet und natürlich kannten alle SM Künstler sie seit Jahren.
„Fuck.“
Sie nahmen Skyes Auto. Das Radio war aus und sie hatte auch keine Musik angemacht. In solchen Situationen gab es ohnehin nichts, dass passen würde. Hatte sie nicht gestern daran gedacht, dass sie die Psychologische Abteilung im Krankenhaus ausbauen wollte? Es war so unendlich traurig, dass so ein junger Mensch keinen anderen Ausweg mehr fand. Während sie darüber nachdachte, wurde ihr bewusst, dass es die meisten treffen könnte. Ein falscher Schritt, eine falsche Aussage und man wurde online zerfetzt und Netizen waren nachtragend – wie man an T.O.P sah. Er und auch Jiyong hatten beide schon Situationen gehabt, in denen man denken könnte, dass es ein Selbstmordversuch war und moralisch konnte sie es beiden nicht vorwerfen. All dieser Druck. Sie fragte sich, was diese Hater dachten, wenn sich jemand umgebracht hat. Verspürten sich Reue, weil sie dazu beigetragen hatten oder dachten sie sich ‚Geschieht ihr recht!‘? In Skyes perfekter Welt würde jeder, der online Leute mobbt, wegen versuchten Mordes angeklagt werden. Leider war die Welt nicht perfekt.
„Hast du schon mal daran gedacht, dir das Leben zu nehmen? Nachdem all …“, Ji brauchte nicht weitersprechen, sie wusste, was er meinte.
„Nie.“
„Wirklich nie?“ Das schien ihn zu überraschen. Sie schüttelte den Kopf.
„Ich liebe das Leben zu sehr. Ja, manchmal läuft es nicht so, wie man will, aber wir sind im 21. Jahrhundert – man muss keine Millionen auf dem Konto haben, um irgendwo neu anzufangen, mit neuem Namen, einer neuen Geschichte.“
„Du meinst, wie Skye Jones in Korea?“
„Genau so.“
Sie hatte sich bewusst dazu entschieden gehabt nicht mit Laila hier aufzukreuzen. Sie wollte nicht googlebar sein.
„Und wirklich, vielleicht ist es ja so, dass es weitergeht. Das man an irgendeinen Ort kommt, der besser ist und man trifft auf all die geliebten Menschen, die man verloren hat. Aber, was wenn nicht? Was, wenn das hier alles ist, was wir kriegen? Was kommt dann?“
„Ruhe.“
Traurig schaute sie zur Seite.
„Versprich mir, dass du sowas niemals machst. Egal was ist. Ich leihe dir meine Insel und meine Schulter und mein Ohr, aber bitte, bitte, tu dir niemals etwas an.“
Grinsend schaute er zu ihr rüber.
„Was könntest du dagegen machen?“
„Ich wahrscheinlich gar nicht viel, aber denk immer daran, dass Mia sehr gut vernetzt ist. Die findet dich im Jenseits und den Arschtritt wirst du auch spüren.“
Dann musste er tatsächlich auflachen. Galgenhumor war wichtig. Sie wusste noch, als ihre Mama gestorben war. Man hatte Skye einen Tag vorher angerufen und generell wusste man, dass etwas ganz schieflief, wenn morgens um 8 Uhr die Intensivstation anrief. Man musste ihre Mutter Notoperieren, aber die Chancen standen sehr schlecht. Schon die Wochen davor war es ein ständiges auf und ab gewesen. Dann ging es ihr besser, dann wieder schlechter, wieder besser, wieder ganz schlecht. Es waren die schlimmsten Wochen in Skyes Leben. Manchmal dachte sie ‚Dann lass doch endlich los und finden Frieden‘ und dann wieder ‚Jetzt kämpfe, verdammt noch mal‘. Nach der OP war sie ins Krankenhaus gefahren. Wenn die Mama wochenlang auf der Intensivstation lag, kannte man jeden. Wirklich jeden. Skye kannte jeden Arzt, jeden Pfleger, jede Schwester. Jeden Tag war sie dort gewesen, über Wochen, so regelmäßig, dass es eine Schwester gab, mit der sie sich abends immer überschnitt und die wohl irgendwann dachte, dass Skye dort arbeitete, denn sie wünschte ihr irgendwann einen schönen Feierabend.
Man hatte sie nicht aus der Intensiv geschmissen, die eigentlich sehr strenge Besucherzeiten hatte, doch sie alle hatten gemerkt, welch enges Verhältnis Mutter und Tochter hatten. Man hatte ihr abends Decken und Kissen gebracht und Trinken hatte sie sowieso. Und so hatte sie die ganze Nacht bei ihrer Mama gesessen und hatte mit ihr gesprochen und ihre Lieblingsmusik vorgespielt und als ihre Mama am Morgen gestorben war, waren alle da gewesen. Alle Schwestern, alle Ärzte. Sie alle hatten ihr Beileid bekundet. Ihre Mama hatte gekämpft, sie war wie ein Pitbull gewesen, doch gab es einen Punkt, an dem war der Körper zu geschwächt, zu kaputt. Abends waren dann all ihre Freunde gekommen. Sie hatten noch gefragt ‚Wie viele von uns erträgst du denn?‘, doch Skye hatte sich über jeden einzelnen gefreut. Es war der Tag, an dem die neue Staffel von ‚Real Housewives‘ anfing. Ihre Mutter schaute wenig Trash TV, aber diesen Quatsch hat sie geliebt und so saßen sie abends zusammen, um sich die Show anzuschauen und sie haben geweint und gelacht und geweint und gelacht und Skye glaubte, dass ihrer Mama das gefallen hätte.
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Das Super Junior Dorm war irgendwie zum Treffpunkt geworden. Es war voll und voll mit SM Künstlern, Yunho und Changmin waren da, einige von SNSD, SHINee, Red Velvet und EXO. Mia war natürlich da und versuchte allen das Leben einfacher zu machen – sie stellte Essen auf und Getränke. Skye wusste, dass es nur ihre Art der Ablenkung war. Einige weinten, manche schienen in Schock. Heechul war bei Sullis Familie, denn die beiden standen sich nahe. Kurz nach Skye und Jiyong, kamen auch BTS an. Taehyung hatte geweint und Skye nahm ihn in den Arm, um ihn zu trösten. Trost war eine Illusion. Niemand konnte es besser machen. Es gab keine Worte, die halfen. Wenn es sie gäbe, hätte Skye sie bereits gefunden. Es war einfach furchtbar und es würde immer furchtbar sein – man gewöhnte sich nur daran.
Luna und Amber kamen irgendwann und spätestens da fing jeder an zu weinen. Manchmal wurde gesprochen, doch oft schwiegen sie einfach und doch wollte keiner so wirklich alleine sein. Und so blieben sie.