Es wurde besser. Er wurde wirklich besser. Plötzlich schien er Interesse zu haben, an mir, woher ich komme, was ich machte. Ich versuchte ihm zu erklären, dass ich nicht darüber reden konnte, reden durfte, also machte er es sich zur Aufgabe meine Erinnerungen über mein vergangenes Leben zu wecken.
„ Kyu, ich bekommen Kopfschmerzen!“, jammerte ich. Sungmin war drei Tage in Japan und somit hatte Kyuhyun sein Zimmer für sich alleine.
„ Du kannst keine Kopfschmerzen haben.“ Schlaues Kerlchen. Ich hasse es wenn er so schlau war.
„ Metaphorisch!“
„ Okay, weißt du was wir jetzt machen?“
Wollte ich es wissen? Ich verzog das Gesicht und brachte ihn damit zum Lachen. Das war nicht meine Absicht gewesen.
„ Wir erstellen dein Profil.“
„ Profil?“
„ Ja, Name, Alter, Geburtstag, Hobby und solche Sachen, du bekommst eine Identität.“
Ich dachte darüber nach.
„ Aber ich habe keine.“
„ Deswegen bekommst du ja ein“, meinte er genervt und holte seinen Laptop.
Ich saß vor seinem Bett im Schneidersitz.
„ Hast du einen Namen? Also im Himmel? Im Amt für Schutzengel?“
Er schien nicht zu begreifen wie das ablief, es war nicht so als hätten wir eine Hauptstraße im Himmel, mit einem Rathaus und Beamten, doch die Vorstellung war witzig.
„ Nein, ich habe noch niemanden getroffen.“
Er stutzte.
„ Was? Woher weißt du zu wem du musst?“
„ Ich … fühle es.“
„ Hmm ….“ Kyuhyun schien tatsächlich angestrengt darüber nachzudenken.
„ Okay, du brauchst einen Namen, aber um den Namen zu ermitteln müssen wir wissen woher du kommst. Du bist eindeutig europäisch … Irland?“
Ich verzog das Gesicht, nein, ich stammte bestimmt nicht aus Irland, nicht dass ich es wusste, aber ich glaubte nicht daran.
„ Nein, ich glaube eher Dänemark.“
Nun verzog er das Gesicht.
„ Dänemark? Wirklich? Warst du mit Hamlet verwandt?“
Ich lachte und hatte das Bedürfnis ein Kissen nach ihm zu werfen.
„ Was hälst du von Schweden?“
Ich grübelte.
„ Okay, gut, ich komme aus Schweden.“
Dann fing er an Namen zu googlen. Also dieses Internet verwirrte mich noch immer etwas. Im Prinzip konnte jeder etwas hochladen – was auch immer das hieß – und somit konnten andere Leute darauf zugreifen. Eigentlich wie ein modernes ‚schwarzes Brett‘, nur digital – was auch immer das hieß.
„ Oh je … Svenja … nein, du bist keine Svenja … Frauke?“, er lachte fröhlich und ich mit.
„ Und hier ist ein Name, den kann ich noch nicht mal aussprechen … Jordis? Nein. Oh aber du siehst definitiv aus wie eine Helga!“
Ich setzte ein Schmollgesicht auf. Ich wollte keine Helga sein. Wieder lachte er.
„ Quatsch, ich mach nur Spaß. Lass mal sehen … Elina, Elina find ich schön und die Bedeutung passt.“
Neugierig lehnte ich mich zu ihm.
„ Wieso? Was bedeutet der Name?“
„ Hör dir das an: Elina wird von Helene abgeleitet und bedeutet ‚die Leuchtende‘; ‚die Strahlende‘ oder ‚Engel‘ – im Griechischen oder auf keltisch ‚Wasser des Lebens‘ …“
Seit Langem war ich froh dass ich keinen Körper mehr hatte durch dessen Adern Blut fließen konnte, denn ansonsten wäre ich jetzt rot geworden.
„ Ich .. ich bin kein …“ Er schaffte es echt mich verlegen zu machen.
„ Was? Klar bist du ein Engel, Schutzengel sind auch Engel, richtig? Und du strahlst … du bist hübsch …“
Ich bin tot – war mein Gedanke.
Also schrieb er Elina auf.
Er machte den 1. August zu meinem Geburtstag, weil er der Meinung war das Geburtstage im Sommer viel schöner waren. Meine Hobbys waren Reiten, Singen und Botanik. Mein Berufswunsch als Kind war es eine Reitschule zu haben. Zugegeben, es machte wirklich Spaß und Kyuhyun schrieb alles auf, bis mein Steckbrief fertig war. Er suchte sogar einen Avatar, der ihn an mich erinnerte. Ein Mädchen aus einem Videospiel – was sonst – Final Fantasy Ashe, auch wenn er sagte dass ihre Haare zu kurz waren und meine heller.
Ich sagte dazu nichts.
Bis der Steckbrief fertig war, war es lange nach zwei Uhr. Ich konnte nicht müde werden, er schon.
„ So und jetzt gehst du schlafen“, sagte ich und stand auf. Gähnend stellte er den Laptop weg.
„ Bleibst du hier?“
Er hatte sich unter die Decke gelegt und schaute mich bittend an. Ich ging zu ihm und setzte mich auf sein Bett.
„ Ich bin dein Schutzengel, ich bin nie weit weg“, flüsterte ich.
Wenig später war er eingeschlafen. Ich beugte mich zu ihm und küsste seine Stirn, ich spürte seine wärme, das Blut dass in seinen Adern pulsierte und ihm am Leben erhielt. Noch vor einer Woche wollte er mich bei Gott eintauschen und nun waren wir fast Freunde.
Halt. Das war auch nicht meine Aufgabe, ich war nicht seine Freundin.
Irritiert von meinen eigenen Gedanken ging ich ins Wohnzimmer.
Leeteuk, Shindong, Siwon und Ryeowook saßen noch zusammen und schauten Fernsehen. Ich stellte mich an die Wand und beobachtete sie ein wenig – irgendwie musste ich ja auch die Zeit tot schlagen. Yesung kam dazu und setzte sich zu den anderen, etwas an seinem Blick machte sie aufmerksam.
„ Alles in Ordnung?“
„ Mit mir schon.“
„ Wie meinst du das?“, fragte ihn Leeteuk.
„ Ich glaube etwas stimmt mit Kyuhyun nicht.“
Nun ging ich doch näher ran, was stimmte mit Kyu nicht?
„ Wie meinst du das?“ Siwon hatte sich näher an Yesung heran gesetzt.
„ Na ja, er spricht mit jemanden, aber niemand ist bei ihm.“
Oh oh.
„ Vielleicht telefoniert er“, schluck Ryeowook vor.
„ Nein, er spricht als wäre jemand bei ihm, er sagt Sachen wie ‚Guck und hier …‘ … irgendwas stimmt nicht.“
Ich musste nicht mehr hören.