Es war Wahnsinn. Einfach Wahnsinn. Mia würde den ganzen Tag wieder Super Junior gehören. Ganz wie in den ‚guten, alten Zeiten‘. Zumindest fast. Fröhlich stand sie morgens auf um das Frühstück mit Ryeowook vorzubereiteten. Heute drehten die Jungs eine ganz besondere Sendung. Sie würden gemeinsam mit SHINee in eine Grundschule fahren und einen Tag lang Ersatzlehrer sein. Nicht ganz allein – zum Glück für die armen Kinder – sondern zusammen mit einem richtigen Lehrer. Die Sendung sollte vier Wochen lang laufen, ab nächste Woche wären dann auch Donghae und Siwon dabei.
Alle zogen sich also ordentlich an und versuchten verantwortungsbewusst auszusehen, keine zerrissenen Jeans, keine quietsch-pinkten Marsmännchen auf den Shirts, nein, Pullunder und Hemden waren angesagt. Heechul musste das Ganze natürlich übertreiben. Er hatte eine braune Cordhose an und hatte sich die Haare streng zu einer Seite gegelt.
„Who’s gonna teach which subject?“, fragte Mia beim Frühstück und Sungmin reichte ihr den Plan:
Koreanisch: Leeteuk
Mathematik: Kibum
Wirtschaftswissenschaften: Shindong und Taemin
Sozialkunde: Onew und Sungmin
Englisch: Key
Kunst: Ryeowook und Hangeng
Musik: Kyuhyun und Jonghyun
Sport: Minho und Eunhyuk
Handwerk: Yesung
Moralische Erziehung: Heechul
Mia verzog beim Lesen nicht einmal die Miene, aber ehrlich, es war ja schon merkwürdig, dass es in Koreanischen Schulen das Fach „Moralische Beziehung“ gab, aber wie merkwürdig war denn derjenige der beschlossen hatte es von Heechul unterrichten zu lassen?! Doch die meisten Sachen passten, außer Yesung und Handwerk. Die Assistentin fragte sich ob ein ärztlicher Notdienst bereit stehen würde, selbst mit Tesafilm würde Yesung es wahrscheinlich hinbekommen sich das Blut von Körperteilen abzuschnüren. Vielleicht sollte sie etwas mehr Vertrauen in ihn haben, ihn weniger wie Seth Cohen sehen, das tat ja schon Zoey.
Jedenfalls würde es lustig werden.
Als sie bei der Schule ankamen war schon ein riesiges Aufkommen an Kamerateams und Schülern anwesend. SHINee waren schon da und begrüßten ihre neuen alten Kollegen. Die beiden Bands arbeiteten wirklich sehr eng zusammen.
Stylisten wuselten um die Jungs herum, die Moderatoren besprachen den Ablauf, die Kameramänner gingen auf Position und das Intro wurde eingespielt. Die beiden Bands wurden bei der Sendung ‚Idols for School‘ vorgestellt, man erklärte kurz was gemacht wurde, der Direktor der Schule nahm Super Junior und SHINee offiziell in den Lehrerstatus auf und der Moderator erklärte wer welche Fächer übernehmen würde. Sie brauchten ein paar Shots, doch dann war der Anfang im Kasten und die einzelnen Teams wurden auf die Klassenzimmer aufgeteilt. Um ehrlich zu sein gab es für Mia nicht viel zu tun.
In der ersten Stunde blieb Mia bei Key im Englischunterricht. Sein Englisch war wirklich gut, auch wenn er sich ab und zu ermahnen musste nicht zu viel rum zu albern. Obwohl ein Idol vor ihnen stand, waren die Kinder relativ ruhig und versuchten aktiv beim Unterricht mit zu machen. Sobald Key eine Frage stellte gingen fast alle Hände hoch und er hatte wirkliche Probleme alle mal dran zu nehmen.
In der zweiten Stunde machte Mia sich den Spaß Heechul zu beobachten. In dem Fach ‚Moralische Erziehung‘ wurden viele Traditionen gepflegt, wie man sich zu benehmen hatte, was sich schickte und was nicht, koreanische Traditionen wurden erklärt und zu Mias Erstaunen kannte sich Heechul sehr gut aus. Heechul war jemand der vor nichts zurückschreckte, er brachte in seiner Radiosendung Sachen die die Deutsche als gewagt bezeichnete und eigentlich war es verwunderlich, dass er noch nie wirklich eine auf den Deckel bekommen hatte. Heechul hatte aber auch ein gutes Feingefühl – ob er es nutzte oder nicht war eine andere Angelegenheit. Er merkte wenn er es zu weit trieb und konnte eine Situation mit Selbstironie schnell kippen. Er war aber auch gut erzogen und war durchaus im Stande anderen Respekt zu zeigen. Mit großen Augen hörten die Kinder ihm aufmerksam zu, inklusive Mia. Sie bekam das Gefühl nie ausgelernt zu haben, vor allem nicht wenn sie 8000 Kilometer von ihrer Heimat entfernt war, in einem Land, das sich Deutschland so gar nicht glich, dessen Menschen so ganz anders waren.
Als die Stunde fertig war, war sie fast schon traurig darüber.
Die nächste Stunde nutzte Mia aus um sich aus dem Schulgebäude zu stehlen. Sie ging zu dem Spielplatz auf dem Pausenhof und setzte sich auf eine Schaukel. Wie war sie hier her gekommen? Was war sie? Assistentin? Model? Deutsche? Eine Auswanderin? Geliebte? Verlobte? Tänzerin? Depp vom Dienst? Eine komplett Verarschte? In Gedanken versunken schaukelte sie hin und her. Wieso hatte sie ‚ja‘ zu Jihoons Heiratsantrag gesagt? Liebte sie ihn wirklich oder wollte sie nur herausfinden ob Kyuhyun Recht hatte – mit dem was er auf der Flugzeugtoilette gesagt hatte? Wieder fragte sich ob ihr Schicksal so schlimm war, dass man sie hatte reinlocken müssen. War Jihoon ehrlich zu ihr? Liebte er sie wirklich oder machte er das alles nur wegen den Geschäften? Andererseits war sie wohl auch nicht ganz ehrlich zu ihm. War das wirklich ein gutes Fundament ihrer Beziehung? Zoey hatte Recht, sie musste sich entscheiden. Donghae oder Jihoon oder keinen von beiden. Das Problem war das irgendeiner verletzt werden würde, zur Not sie selbst.
Mia hasste es Antworten nicht zu kennen, es bereitete ihr Kopfschmerzen. Also suchte sie sich lieber etwas anderes was sie davon ablenken würde zu denken. Mails. Mails waren eine ganz großartige Ablenkung. Vor allem wenn man nur 4 Mails hatte mit Infos die Mia alle schon hatte. Toll, ganz toll. Sie war zwar noch in ein paar Mails einkopiert, aber die waren nur zur Info.
Allerdings war ihre Urlaubsgenehmigung von Kim zurück gekommen – genehmigt. Sie würde also am 18. Mai für 9 Tage nach Hause fliegen. Es war alles ziemlich eng geplant, wegen dem Schedule. Vorher konnte sie nicht weg, da sie – falls alles schief ging – bis 17. Mai die Kochsendung hatte. Und wenn sie wieder in Seoul landen würde, hatte sie exakt 4 Stunden für sich, bevor sie mit Kyuhyun, Yesung und Ryeowook nach Osaka zur Vorbereitung für ihr Super Junior K.R.Y. Konzert fliegen würde. Egal. Hauptsache sie kam nach Hause für ein paar Tage. Nun konnte sie Vorbereitungen treffen, schauen wann sie wo hin wollte und wen sie sehen wollte.
Zumindest war sie beschäftigt. Irgendwann gesellte sich Heechul zu ihr, der gerade eine Freistunde hat.
„I tell ya, beeing a teacher is freaking hard! I like to be an idol“, meinte er in seinem Ghetto-Englisch.
„But you’re a good teacher, really. By the way, I thought about spending the night over Jihoons place tonight.“
„Oh, yeah … that’s great.“ Er log und versteckte es nicht. Mia bumpte ihn mit der Schulter an.
„Come on …“
„No, it’s okay, he’s your boyfriend, I accept that … okay yeah I’m trying!“, das Ende wurde leicht hysterisch und Mia fing an zu lachen.
„You know what’s great?“
„What?“, fragte er schmollig.
„The last year was quiet … hard, there was a lot of stress, I was unhappy in my job, my friends got on my nerves – ever since I’m here I’m laughing so much, I can’t remember that I ever so much joy in my life and it’s all because of you guys.“
Heechul lächelte, legte den Arm um sie und klappte ihre Mac Book Air zu.
„You know what’s also funny? Watching Leeteuk in the Korean class.“
Yep, da hatte er recht. Gemeinsam machten sie sich auf die Suche nach dem Klassenraum des Bandleaders nur um sich dann neben Shindong, Taemin und Onew zu quetschen.
„Ain’t you guys got something to do?“, fragte Mia verwirrt, doch anscheinend hatten sie gerade alle eine Freistunden und fanden es lustig Teukie zu beobachten.
Nach jeder Stunde gab es Einzelinterviews der ‚Lehrer‘. Sie sollten erzählen was sie für einen Eindruck hatten, wie sie dachten dass sie sich anstellten und was sie hofften vermittelt zu haben.
Damit waren sie den halben Tag beschäftigt. Um 12:30 gab es eine große Pause und die ganzen Lehrer, die normalen und die Idols, aßen gemeinsam zu Mittag.
„Ah I still remember school, time good then“, seufzte Leeteuk.
„I liked school it was so …“, begann Sungmin.
„Notstressful?“, beendete Yesung und viele lachten.
„I think I had lot free time in school“, grübelte Teukie.
„How can you remember – it like thaaaaaaaaat long ago“, mische sich Kyuhyun ein und bekam erst mal etwas von Heechul an den Kopf geworfen.
„Hey my school times is as long over as Jungsus! If you insult him dude, you also insult me, got me?“
„Sorry.“
Kyuhyun schien seinen Meister de Boshaftigkeiten in Heechul gefunden zu haben und neckte ihn potentiell weniger als die anderen.
„Sometime I think you not do servus me!“, beschwerte sich Leeteuk, doch irgendwie wusste keiner was er vor gehabt hatte zu sagen.
„You mean he doesn’t take you serious as the bandleader?“, versuchte Mia ihr Glück.
„Exactly!“, meinte Leeteuk, glücklich das ihn jemand verstand.
„How could you understand that?“, wunderte sich Sungmin.
„I speak ‚Leeteuk‘ very goooooood.“
Es folgten noch zwei weitere Stunden bevor es zurück zu SM ging. Heechul hatte seine Radiosendung, ebenso Shindong, die anderen gingen ins Fitnessstudio und irgendwie hatte Mia nicht sehr viel zu tun.
Sie suchte Cho Haedong, den Manager von M81 in seinem Büro.
„Hallo, ich wollte fragen ob es in Ordnung ist, wenn ich mit den Jungs in die neue Wohnung fahre.“
Der Mann schaute von seinem Bildschirm auf.
„Natürlich, gute Idee. Um 19 Uhr haben sie einen Termin im Tonstudio, ich dachte mir Sie wollten vielleicht dabei sein.“
Sie siezten sich noch, immerhin kannten sie sich ja noch kaum.
„Ja, das würde mich freuen.“
Mia verbeugte sich und sammelte die Bambis ein. In dem Proberaum standen zig Koffer von ihnen, Plüschtiere lagen rum und ein Reiskocher. Fragend betrachtete sie das Gerät, sie hatten doch einen Reiskocher.
„Schau nicht so, das ist ein ganz besonderer Reiskocher“, meinte Jaesun und stellte sich neben sie.
„Aha.“
„Ja, wir vertrauen keinem billigen No-name-gerät“, erklärte Jaeyoung weiter.
„Aha.“
Mia trockene Reaktion brachte Jino dazu herzlich zu lachen.
„Wenigstens sind wir nicht die einzigen die das für merkwürdig halten!“
„Naw, I’m with you“, bestätigte Mia.
„Alright, we’ve got the big van, better get this stuff up.“
Zwei Securitys von Mike halfen ihnen beim Tragen und würden auch mit zu der Wohnung fahren. Die Zwillinge hatten eindeutig am meisten Sachen dabei.
„Wieso hast du nur eine Tasche?“, fragte sie Dongmin. Und keine große.
„Meine Eltern leben nur drei Straßen weiter, ich werde nach und nach holen was ich brauche.“
Okay, das erklärte den Minikoffer, mit dem Mia keine drei Tage überleben könnte.
Es war das erste Mal seit die Jungs gestrichen hatten, dass Mia die Wohnung sah. Was Farbe alles ausmachte. Das Wohnzimmer wirkte durch das Lila ganz anders und Dongmin und Tyler hatten das Logo an die Wand gesprüht und hatten eine halbe Galaxie an die Wand gebracht. Sie hatten den weißen Bezug auf die Couch und die weißen Vorhänge, die Einbauregale waren ohnehin weiß gewesen.
„What’s with that?“
Sie deutete auf eine Ecke, die relativ leer war, aber ein Haufen Sterne bildeten einen Rahmen.
„Wir wollen unsere Artikel und Bilder da hin kleben. Wir haben gesprochen und wir wollten nicht das einfach überall etwas hängt, also haben wir diese Ecke frei gehalten“, beantwortete Dongmin.
„Gefällt mir.“
Es hatte sich wirklich viel getan, Teppiche, Farbe an den Wänden, Vorhänge, die Wohnung war nicht schlecht, ihr hatte nur etwas Liebe gefehlt. Sie schafften die ganzen Sachen mit hoch und Shincho stand neugierig vor einem schmalen Karton.
„Mia Noona, was ist das?“
„Das ist mein Einweihungsgeschenk.“
Zack und schon war sie von 6 Kerlen umgeben.
„Einweihungsgeschenk?“, fragte Jaesun.
„Yep, aber ich hab zwei und ihr bekommt erst das andere.“
Denen war das vollkommen egal, Hauptsache sie bekamen Geschenke.
Skeptisch betrachteten sie den Korb.
„This is … bread and salt?“ Tyler schien den Sinn nicht ganz zu begreifen.
„So machen wir das in Deutschland. Wenn man neu in einer Wohnung ist schenkt man Brot und Salz – das bringt Glück.“
„Ahhhhhhhhh“, kam er erleuchtend aus 6 Mündern.
Mias 2. Geschenk kam von Anfang an besser an. Sie hatte das Cover des ersten Kapitels als Poster drucken lassen und es in einen Rahmen gepackt.
„Ich dachte es ist eine schöne Erinnerung.“
„Danke Mia, wirklich.“
„Gern geschehen.“
Dongmin und Tyler überlegten wo sie das Bild am besten aufhängen sollten, die Zwillinge bezogen die Betten mit der neuen Bettwäsche, Shincho machte eine Lebensmittel-Bestand-Liste und Jino versuchte die Taschen auf die richtigen Zimmer aufzuteilen.
Mia bestellte ihnen für 18 Uhr etwas zu essen, denn sie mussten ja auch zurück ins Studio. So saßen sie da, an dem ersten Abend des neuen Idol-Dorms und aßen zu Abend. Die Band verstand sich schon wirklich gut, in den kommenden Jahren würden sie noch mehr zusammen wachsen.
„Übrigens, wenn ihr etwas braucht, wenn etwas ist, dann ruft an, ja?“
Die Bambis nickten, Mia Blick blieb vor allem auf Shincho hängen. Er war der Jüngste der Truppe, auch wenn es für alle nicht leicht war, hatte sie mit ihm am meisten Mitleid.
Das hatte sich im Tonstudio aber erledigt, Shincho hatte eine Stimme wie ein junger, griechischer Gott, oder besser wie ein junger, koreanischer Gott. Eigentlich hatten sie alle tolle Stimmen. Tyler total rauchig und tief, Dongmin klar und kraftvoll, Jaesun war eher für die tiefen Töne, Jaeyoung für die hohen. Mia hatte Dauer-Gänsehaut beim Zuhören.
Sie nahmen die erste Single auf. Ein paar Songs hatten sie schon aufgenommen, später würde sich entscheiden, welcher Stil am Besten in das Konzept passte und welche Lieder sie dann tatsächlich produzieren würden.
Die Deutsche nahm sich die Zeit mit dem Songwriter zu sprechen. Die Single war schnell und langsam zugleich, es gab verschiedene Beatwechsel und doch ergab es irgendwie ein Gesamtbild. Sie fragte den Songwriter wann er auf das Lied kam, was ihm dabei im Sinne war. Zum einen half es neue Kontakte zu knüpfen, zum anderen kam sie mehr mit anderen Menschen in Kontakt. Andere Menschen = keine Idols.
Mia hatte eine Freundin die auch Sängerin war, sie wusste also wie lange Studioarbeiten sein konnten und hatte schon ein gewisses Maß an Geduld entwickelt. Wenn SuJu das neue Album aufnehmen würden, könnten sie praktisch im Studio schlafen, sie sah dem sehr realistisch entgegen.
Gegen 22 Uhr machten sie Feierabend für heute. Mia verabschiedete ihre Bambis und wünschte ihnen eine gute Nacht. Dann setzte sie sich in ihren Beetle und fuhr zu Jihoon. Soweit sie wusste war er zu Hause und selbst wenn nicht, würde sie einfach auf ihn warten – für was hatte sie denn einen Schlüssel?
Beim Autofahren waren ihre Gedanken zerstreut, sie dachte an Amerika, Amsterdam, an all das was ihr jemand gesagt hatte. Jaejoong. Wieso hatte sie ihm nicht vertraut? Okay, gut, er war ein Arsch gewesen, hatte sie ständig geärgert und bloß gestellt. Einmal hatte er sie gefragt, ob sie begriffen hatte um was es ging, mittlerweile glaubte Mia dass sie wusste was er meinte. Was wäre gewesen, wenn sie sich tatsächlich auf ihn eingelassen hätte? Wenn sie sich ineinander verliebt hätte? Dann wäre sie in genau der doofen Situation in der sie nun war. Sie konnte eine Variable immer austauschen, Donghae blieb. Was machte sie mit dem Kerlchen bloß?
Verwundert schaute Mia auf, als vor Jihoons Haus sechs Autos standen – was war denn hier los? Nicht dass er einen Kerle-Abend machen wollte, weil sie gesagt hatte, dass sie keine Zeit hatte. Sie überlegte kurz wieder nach Hause zu fahren, andererseits, wenn sie ihn wirklich heiratete war das auch ihr Haus, sie sollte keine Hemmungen haben ‚nach Hause‘ zu kommen.
Sie stieg aus und schloss die Tür auf. Während sie im Vorraum ihre Schuhe auszog hörte sie ein gewohntes Geräusch dass sie, seit sie Deutschland verlassen hatte, nicht mehr gehört hatte: das Klicken von Chips. Casino-Chips. Unweigerlich zogen sich ihre Augenbrauen zusammen, nur um sich dann zu heben, als sie in den großen Wohn-Essbereich kam und sah dass die Männer um einen Pokertisch saßen. Plötzlich wurde sogar in dem Haus geraucht. Aha.
„Liebling!“ Jihoon sprang sofort auf, als wollte er die Szene vor ihren Augen blocken.
„Hey … was tut ihr?“ Mia versuchte an ihn vorbei zu sehen.
„Ach, wir spielen nur ein wenig, ich dachte du kannst heute nicht?“
„Überraschung“, sagte sie grinsend und versuchte mehr von der Szene zu erhaschen.
„Was spielt ihr? Poker?“
„Ja, aber Schatz, wieso gehst du nicht hoch, nimmst ein Bad und ich komme bald …“
„Hold’em or Omaha?“
Das brachte nun Jihoon zum Stutzen.
„Ehm … Omaha …“
„High low or normal?“
„Normal … what’s high low?“
Wieso kannte seine Verlobte sich mit Poker aus? Mia ließ ihm nicht die Chance zu fragen, sie schob sich an ihm vorbei und schlenderte auf den Tisch zu.
„Good evening gentlemen, mind if I join you?“
Die Männer waren alle ungefähr in Jihoons Alter, Mia kannte sie nicht, also waren sie keine Idols. Ehe Jihoon sie davon abhalten konnte hatten die sechs Männer Mia einen Stuhl organisiert und sie in ihre Mitte genommen.
„Aber … aber Liebling“, er lächelte verlegen, „du willst doch nicht wirklich spielen?“
„Wissen Sie denn wie man spielt?“, fragte ein anderer Mann.
„Ein wenig, ich habe es oft im Fernsehen gesehen … wie hoch sind die Blinds?“
„5/10 $“, erklärte ein anderer Mann.
„Also ist der Minimum 500 $?“
Jihoon betrachtete ungläubig seine Freundin. Sie sagte zwar dass sie sich nicht auskenne und die anderen schienen es ihr sogar zu glauben, doch er nicht – welche normale Frau wusste schon was Omaha High/ Low war? Selbst er verstand nicht ganz wie es ging. Zielsicher wusste sie auf Grund der Blinds den Minimum-Buy-In und dann dachte er, er müsste vollkommen vom Glauben abfallen.
„Liebling, leihst du mit 1000$ bitte?“
„WAS?“
„I didn’t know I needed that much money if I came here…“, verteidigte sich Mia.
„Wenn Sie möchten kann ich Ihnen das Geld auch vorstrecken“, bot sich einer der Männer an und das passte Jihoon gar nicht. Er zog sofort das Geld und ließ es in Chips wechseln.
„I’ll give it to you tomorrow, if I lose it.“
„‘If‘ you lose it?“ Für ihn stand es außer Frage dass sie verlieren würde.
„Maybe I have beginners luck“, meinte Mia grinsend.
„Maybe….“
Die folgenden drei Stunden war Jihoon damit beschäftigt Mia ganz genau zu beobachten. Sie verlor auch mal, stellte sich manchmal naiv an, ihre unwissende Maske war nahezu perfekt, doch Jihoon sah wie sie, bevor sie ihre eigenen Karten anschaute, in die Gesichter ihrer Mitspieler blickte, sie genau studierte, ihre Hände beobachtete oder auch wie sie an einer Zigarette zogen. Er sah wie sie gelangweilt ihre Karten anschaute und wie sie ab und zu geschickt mit den Chips spielte. Meistens nur ein paar Sekunden, dann besann sie sich wieder ihrer Maske. Die anderen Männer waren von Mia begeistert, obwohl sie verloren. Mia gab auch ‚bon chance‘, wenn man gecalled wurde und eigentlich hinten lag und doch noch gewann, konnte man dem Verlierer, der den Gewinn verdient hätte ‚bon chance‘ geben, ein paar Chips zurück, als die Entschädigung für den Bad Beat. Selbst das machte Mia und war dabei so charmant und liebreizend.
Was auch auffiel war die Art wie sie mischte. Sie war unheimlich schnell, unheimlich genau, sie hatte Angewohnheiten, wie das Klopfen vor dem Flop oder dass ihre rechte Hand immer auf denjenigen zeigte der dran war. All das entging Jihoon nicht.
Drei Stunden später war der Tisch ziemlich geputzt, die Männer hatten alle ziemlich viele Miese gemacht, auch Jihoon. Langsam aber sicher hatte Mia ihnen einiges aus der Tasche gezogen. Der Chipsberg vor ihr war zu über 4000$ herangewachsen und die Runde löste sich langsam auf.
Einer der Männer verwaltete das Geld und die Chips.
„Da hat die Dame aber einen guten Lauf heute gehabt.“ Er sah leicht gefrustet aus und hatte auch schon den ein oder anderen Soju intus.
„Wie sagt man? Anfänger gewinnen immer.“
Das stimmte sogar, meistens. Anfänger wussten meistens nichts was sie taten und gewannen aus Zufall ohne zu wissen was sie gemacht hatten.
„Dann freue ich mich auf die nächste Runde“, sagte der Mann und verabschiedete sich dann von Jihoon.
Mia sank zurück auf den Stuhl und zählte die Scheine durch – ausgezahlt wurde natürlich in Won, sie hatten einen guten Wechselkurs.
„Okay, 1000 Dollar I own you – how deep are you in?“, fragte sie um zu wissen wie viel er verloren hatte. Jihoon starrte sie nur an.
„What?“
„Wieso weißt du wie man Omaha spielt?“
„Wieso weißt du es?“, erwiderte Mia und zog die Augenbrauen hoch. Sie sah Jihoon an das er sauer war, aber ihr ging es gerade ums Prinzip.
„Ich … du hast das nicht zu können.“ Seine Argumentation wurde deutlich schlechter.
„Neither do you.“
„Wieso kannst du mischen? Spielst du Poker?“
„No, I don’t and whatever I had to do with this game, it belongs to my past. I keep my secrets.“
Mia legte ihm das Geld auf den Tisch.
„Naw, keep it, maybe it was a lesson.“
„Lesson? That you never play poker again?“
„No.“
„That you’ll never play against me again?“
„No – that I lock the doors when I want to play a little poker.“
„Play a little poker?!“ Mia fiel aus allen Wolken.
„Jihoon this is like real money – a lot of money. A little poker you can call the blinds 5/10 CENT but not DOLLARS. Do what you want I’m gonna take a bath now and then go to bed.“
Wütend ließ sie ihn unten sitzen, vielleicht würde ihm eine kalte Dusche auch ganz gut tun.