Mia war während des Schreibens eingeschlafen. Als um kurz nach 6 Uhr ihr Handy sie weckte, stöhnte sie. Jessis Couch war zwar bequem, doch wenn man sich eine doofe Position zum Schlafen aussuchte, half das auch nichts. Und ihr Arm war eingeschlafen, weil sie drauf gelegen hatte.
Donghae hatte sie in dieser Nacht Heim gesucht – zumindest in ihren Träumen. Sie waren weggelaufen, zusammen. Aber immerhin waren sie zusammen gewesen. Ihr Magen verkrampfte sich, als sie an den Traum dachte. Die Deutsche versuchte im Moment alles um ihr Gewissen zu ignorieren und was tat es? Schlich sich in ihre Träume. Nicht fair.
Sie ging ins Bad und putzte sich die Zähne, als sie hörte wie Jessi runter kam.
„Morgen!“, rief sie und Mia murmelte etwas zurück.
Auf dem Weg zur Arbeit schaute Jessica ihre Freundin skeptisch an.
„Okay, willst du mir nicht langsam erzählen, was in Korea passiert ist?“
„Ich habe einen der bekanntesten Sänger geheiratet, heimlich, sein Manager hat es heraus gefunden und wohl überlegt, ihn deswegen zu verklagen – denn laut Vertrag, darf er nicht heiraten. Das führt dazu das er all sein Vermögen verlieren würde und das alles wegen mir. Also habe ich das Problem – ergo: mich – beseitigt.“
Jessi schaute zur Seite und hob die Augenbrauen.
„Du Arschkind, dann sag es eben nicht!“
Wie war das? Sag die nackte Wahrheit – die wird dir niemand glauben. Mia zuckte mit den Schultern und grinste, zumindest konnte Jessi jetzt nicht mehr sagen, Mia hätte es ihr nicht gesagt.
Um kurz nach 8 Uhr fuhr Mia von Jessis Arbeit los. Was nun? Liam hing ihr immer noch quer und es gab nur ein Mittel was half: Frustshopping. Allerdings machte die Mall er um 10 Uhr auf.
Sie fuhr also zu Dunkin‘ Donut, stellte dort fest, dass es in Amerika nicht die gleichen Donuts bei Dunkin‘ Donut gab wie in Korea, war gefrustet darüber, nahm dennoch zwei mit und fuhr dann runter an den Chattahoochee. Chattahoochee mochte sich vielleicht anhören wie irgendein verslangter Ghettobegriff, in Wahrheit war es jedoch indianisch. Der Fluss stellte die Grenze zwischen Alabama und Georgia dar. Es war nicht der Hangang, doch am Flussufer in Columbus verlief ein kleiner Park entlang des Flusses und Mia setzte sich dort hin um zu frühstücken.
Wieso musste sie mitten im Nirgendwo jemanden treffen, der tatsächlich wusste wer sie war? Allerdings gab es hier Alligatoren, Klapperschlangen und Riesenspinnen – das Problem, in diesem Fall Liam, würde man doch sicherlich auf eine natürliche Art und Weise beseitigen können, oder?
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Der Morgen in Seoul war weniger entspannt und weniger von Mordgelüsten geprägt.
„Willkommen ihr Brüder des geheimen Rates“, begrüßte Key die restlichen Anwesenden.
„Wir müssen nicht so Kapuzendinger anziehen, oder?“, fragte Junho skeptisch Jaejoong, der neben ihm saß und welcher den Kopf schüttelte. Neben diesen drei waren noch Jonghyun, Leeteuk, Siwon, Wooyoung und Yunho anwesend.
„Wir ihr wisst sind wir hier heute zusammen gekommen, um über Mias Verschwinden zu reden. Wir wissen mittlerweile, dass die Gründe, wegen denen sie weggelaufen ist, nicht der Wahrheit entsprechen – was sie nicht wissen kann, wenn sie nicht hier ist. Ich denke also, dass es unsere Pflicht ist, sie ausfindig zu machen und den Irrtum aufzuklären, damit sie mit gutem Gewissen nach Hause zurück kehren kann.“
Key schaute in die Runde und Junho hob die Hand.
„Ja Junho.“
„Wie wollen wir das machen? Also das mit dem ausfindig machen … und so?“
„Na ja, wir sind die einflussreichsten Leute in Korea, es sollte einen Weg geben“, wand Yunho ein.
„Twitter“, kam es von Jaejoong.
„Twitter?“
„Wir verkaufen es den Fans als Spiel. Wir sagen Mia ist im Urlaub und wir müssen herausfinden wo und fragen unsere Fans, ob sie uns nicht helfen können und uns Bilder schicken, wenn sie Mia irgendwo sehen sollten. Als Austausch können wir ja VIP Tickets für Autogrammstunden oder so einen Schnickschnack vergeben“, erklärte Jaejoong und ‚Ooooh’s‘ und ‚Aaaaah’s‘ gingen durch die Reihen.
„Das klingt gar nicht mal doof“, stellte Siwon fest.
„Und immer dieser Ton der Überraschung …“, murmelte Jaejoong.
„Nehmt es mir nicht übel, aber ich denke nicht wir sollten solche Entscheidungen, ohne Donghae, treffen“, wand Leeteuk ein.
„Aber Donghae will nicht nach ihr suchen“, erklärte Jonghyun. Der Göttergatte war ja nämlich gar nicht anwesend. „Er geht davon aus, dass sie von alleine zurück kommt.“
„Dann sollten wir uns da vielleicht raus halten …“, brachte es Leeteuk auf den Punkt.
„Hyung! Ich habe dich zu diesem geheimen Geheimtreffen nicht eingeladen um es dann zu sabotieren!“, beschwerte sich Key.
„Das tue ich nicht. Ich will auch dass sie wieder nach Hause kommt, aber Donghae ist ihr Ehemann.“
Bei diesem Wort zuckte Jonghyun zusammen.
„Fakt ist, dass sie gegangen ist. Mia muss sich ihrer Gefühle bewusst werden. Ich weiß dass sie Donghae beschützen will, doch sollte es in einer Ehe nicht darum gehen alles gemeinsam zu überstehen? Sie stellt sich nicht dem Problem, sie läuft davor weg und hat damit zugleich Donghaes Entscheidungsrahmen extrem eingeschränkt. Selbst wenn unsere Fans sie finden, dann ändert es nichts daran, dass sie ihre Einstellung ändern muss.“
„Du bist voll der Jedi“, stellte Junho fasziniert fest.
„Ich lade dich nie wieder zu geheimen Geheimtreffen ein“, schmollte Key.
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Um 10 Uhr fuhr Mia in die Mall, mal mit Ruhe und Zeit. Im Fan-Sport-Laden stattete sie sich erst mal mit Auburn Sachen aus. Auburn war das Alabama Football-Team, welches in Konkurrenz zu Georgia stand. Hier an der Grenze der beiden Staaten, musste man sich entscheiden. In Mias Fall hatte Eric, Jessicas Ehemann, die Entscheidung getroffen: Auburn. Zumal in Georgia die Bulldogs waren und Tiger einfach cooler waren. Jedenfalls musste sie Footballsachen kaufen, wenn sie schon hier war, dass einzig Verwunderliche war, dass sie auch Shirts in Donghaes Größe kaufte. Es passierte einfach so, sie dachte eigentlich gar nicht groß darüber nach. Sie schaffte es wieder bei Victoria Secret zu landen und nun ging sie richtig shoppen. Klamotten, Jogginghosen, Unterwäsche, Dessous, Parfüm, Bodysprays, Bodylotion, Handtücher, Taschen und Flip Flops – die konnten froh sein, dass sie keine Bettwäsche da hatten, doch die hatte Mia bereits online bestellt. Hier holte sie, zum Glück, nichts in Donghaes Größe. Das wäre doch zu absurd gewesen. Sie schaffte die ganzen Tüten erst einmal ins Auto und aß dann im Food Court zu Mittag.
Die Peachtree-Mall war zwar nicht das Coex, aber es gab viele Klamottenläden.
Der nächste fatale Laden war ‚New York & Company‘. Der Laden war nicht all zu teuer, hatte aber an diesem Tag 40% auf alles, außer die bereits reduzierte Ware. Hier waren die Sachen weniger nuttig, schöne Schnitte und Farben waren hier zu finden und coole Handtaschen.
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Mia rechtfertigte sich das Shoppen damit, dass sie ja kaum etwas dabei hatte, als sie her gekommen war – es war also nur legitim und so shoppte sie sich über Liam hinweg.
In so einem Einkaufszentrum konnte man sich wirklich verlieren. Auch wenn man nur durch die Läden ging, waren die teilweise so groß, dass man sich darin verirrte. Und zu essen gab es auch. Was brauchte sie mehr?
Das Leben konnte so einfach sein. Ihre Gedanken waren fern ab von Donghae und Liam, im Moment bestand ihr größter Konflikt darin zu entscheiden, ob sie sich im Food Court beim Thai oder beim Subways zu essen holen sollte.
Nach dem Essen ging es halbwegs zurück in die Stadt. Mia parkte bei einem Laden mit … ja, schwer zu definieren, aber draußen stand ‚Style & Co‘ und das machte sie neugierig. In Deutschland wäre es ein Paki-Laden gewesen. Es gab Perücken, Haarteile, Reizwäsche und Make-Up. Eine interessante Mischung, doch dann hörte sie etwas, was sie stutzig machte und in Zeitlupe drehte sie sich um.
Sprachen die Verkäuferinnen Koreanisch? Sie hatte nicht darauf geachtet, aber der ganze Laden war voller koreanischer Verkäufer. War sie in feindliches Gebiet eingedrungen ohne es gewusst zu haben? Mia überlegte sich auf den Boden zu werfen und zum Ausgang zu robben, entschied dann aber, dass das wohl doch zu affig wäre. Also verließ sie den Laden so unauffällig wie möglich und flüchtete sich in den benachbarten Schuhladen – wo sie ganz nebenbei noch vier Paar Schuhe kaufte.
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„Wow, was hast du denn gemacht?“
Verwundert schaute Jessi in das Auto, das voll und voll mit Taschen war.
„Shoppen“, erwiderte Mia mit einem glücklichen Grinsen.
„Alles klar“, sagte sie trocken und schaute panisch nach hinten, so dass Mia anfing zu kichern.
„Also Uschi, wo wollen wir essen holen?“
„Burger King!“
Jessi seufzte und legte den Kopf in den Nacken. Seit ihren nun fast 10jähirgen Freundschaft gab es den Konflikt Burger King vs McDonalds.
„Keine Sorge! Das ist Amerika! Auf dem Weg nach Hause kommen wir an drei Burger Kings und zwei McDonalds vorbei. Wir halten erst bei dem einen und dann bei dem anderen“, schlug Mia vor und Jessis Gesicht hellte sich auf.
„Sag mal, sind eure Pakis Koreaner?“
„Jup.“
Super.
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Zuhause angekommen musste Mia Jessi natürlich zeigen, was sie alles eingekauft hatte und danach setzten sie sich raus in die Abendsonne.
„Also, Morgen, nach der Arbeit holst du mich ab und dann gehen wir in die Mall und lassen Hände und Füße machen – nehm‘ deine Umziehsachen mit, denn wir machen uns dann bei der Melanie fertig, weil ich sie und Vanessa schminken muss. Oh und der Phillip bei mir auf der Arbeit hat nach dir gefragt. Fragt der mich allen Ernstes ob du hübsch bist und ich nur ‚I don’t hang out with ugly people – sure she’s gorgeous!‘ Ehrlich … wie ist das mit fahren? Willst du trinken oder ich oder wir beide und wir schlafen dann bei der Melanie?“
„Ne, schon okay, ich muss nicht trinken … aber Jessi … fang nicht an mich zu verkuppeln!“
„Ich habe nur dein Bestes im Sinn!“
Sie saßen auf der Veranda und machten sich einen gemütlichen Abend. Zugegeben, das ganze Viehzeug, was rund um das Haus herum machte, war leicht nervend …
„Mia! Flip Flop!“
Jessi deutete auf eine Spinne, die sich in Richtung Haus auf machte und einfach zu groß war.
„Wieso immer meine?“, jammerte Mia und beschloss dass sie Morgen im Supermarkt eine Fliegenklatsche holen musste.
„Willst du das Zeug im Haus haben?“
Das war ein schlagfertiges Argument! Mia zog ihren Flop Flop aus und Jessi ließ in gerade auf den Boden fallen.
Wenn sie so da saßen, auf der Veranda, am quatschen waren und Viehzeug töteten, hatte Mia fast das Gefühl ein normales Leben zu führen. Ohne Stress, ohne Angst, aber wohl auch ohne Liebe – es sei denn sie würde auf Jessis Kupplungsversuche eingehen.
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Als Jessica ins Bett ging, sagte Mia, dass sie noch mal zu Nate fahren würde.
„Ich sehe schon, du brauchst mich gar nicht als Kupplerin…“, grinste Jessi.
„Wir sind buddys … you know … like homies…“
„Just don’t call him bro’“, riet Jessi.
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Es war gerade mal 22 Uhr, doch für Morgen Nacht mussten sie ausgeschlafen sein – Mia konnte ja den ganzen Tag schlafen, doch Jessi nicht. Als sie in die Bar ging war diese noch recht gut gefüllt.
„Hey Marissa, what’s up?“
Sie setzte sich zu ihm an die Bar.
„Coke?“, fragte er schon, da er sich daran gewöhnt hatte, das Mia keine Alkohol trank.
„Sure, thanks.“
Sie quatschten über den ‚Bar Crawl‘ am nächsten Tag. Nate konnte nicht hin, da er ja selbst eine Bar hatte, die geführt werden musste.
„But you gonna have fun. ‚The Tab‘ is a cool place to be, they always having good Djs and the location is smooth“, erzählte er. Mia war gespannt, was das Morgen geben würde.
Es war einfach mit Amerikanern auszukommen. Jeder sprach mit jedem und bald hatte Mia einen guten Überblick über die Kleinstadtprobleme der Nachbarschaft. Hier war es einfach Leute kennen zu lernen, man war nicht so reserviert und baute sich schnell einen großen Bekanntenkreis auf – Amis eben.
Die Kellnerinnen hatten schon Feierabend und Mia half Nate den Laden zu zu machen.
„How long are you planing to stay?“, fragte der Mann sie.
„Dunno.“
Sie wusste ja noch gar nichts, nicht was sie als nächstes tun wollte, wie sie sich ihre Zukunft vorstellte … Sie könnte zu ihren Eltern, doch sie wollte sich den Fragen nicht stellen. Könnte sie sich vorstellen wieder einen normalen Bürojob zu haben? Zurück zu kehren zu ihren Zeiten als Flugdisponent, wo sie den ganzen Tag nur sich und ihren Bildschirm hatte um mit Flugplätzen zu jonglieren? Wahrscheinlich nicht. Aber was könnte sie tun? Sie war noch nicht bereit darüber nachzudenken. In ihrer Welt war sie die Frau von Lee Donghae, dem bezaubernsten Mann der ganzen Welt, der sie sprachlos machte und den sie anhimmelte. In ihrer Welt war sie eine Tänzerin und Assistentin der besten Band der Welt. Schade dass sie selbst aus dieser Welt ausgereist war.