Als Mia um 00:34 Uhr in Atlanta über die Startbahn rollte, lag Donghae im Bett des Gästezimmers des Hauses seiner Mutter. Erntedankfest. Bald müsse er aufstehen, von allen Feiertagen war dieser der Wichtigste. Sein Bruder würde bald kommen und dessen Frau und noch andere Familienmitglieder waren eingeladen, bei dem Erntedank-Ritual mitzumachen. Heute war der Tag gewesen, wo er ihnen alle seine Frau vorstellen wollte.
Gestern Abend, bevor er losgefahren war, hatte er wehleidig den Hanbok angeschaut, welches er mit ihr geholt hatte. Sie hatte so toll darin ausgesehen.
Nun war es nur ein normales Erntedankfest. Er war so aufgeregt gewesen seiner Familie endlich seine Frau vorstellen zu können. Seine Frau. Seine Familie. Sein ein und alles. Und wenn ihn jemand fragte, wo all das war, dann konnte er das noch nicht einmal beantworten. ‚Und, wo ist deine besser Hälfte?‘. Er hasste das.
Sobald sie wieder da sein würde, würde er ihr einen Peilsender verpassen, wie bei James Bond ‚Casino Royale‘, einfach unter die Haut schießen. Obwohl er etwas motzig war, fragte er sich dennoch wo Mia war, ob es ihr gut ginge und ob sie an Chuseok dachte.
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Hoch über den Wolken …
Die Deutsche war recht schnell eingeschlafen – oh Wunder.
Diesmal wurde sie nicht von Super Junior tyrannisiert. Diesmal war es Dennis. Sie war in Fort Benning – der Kaserne von Jessis Mann, die kaum 10 Kilometer von ihrem Haus entfernt lag – und da stand er, bei einem Softballspiel, am Rand und schaute zu. Mia dachte zuerst sie hätte sich verguckt – Farbiger, in Amerika, mit Uniform, das traf auf gut die Hälfte der Bevölkerung zu! Doch dann drehte er sich um und schaute sie genauso fragend an und dann formten seine Lippen ein breites Lächeln.
Wie angewurzelt blieb sie stehen und spürte dann seine warmen Arme um sich, die sie fest umklammerten.
„Mia …“, murmelte er und sie schloss die Augen, erwiderte die Umarmung.
„Was tust du hier?“, fragte er und hielt sie eine Armlänge von sich entfernt an den Schultern fest.
„Urlaub …“
„Komm, lass uns was essen gehen.“
Sie spazierten durch den Wald und plauderten. Dennis. Sie hatten Geschichte … Jahre voller Geschichte. Neben ihn fühlte sich Mia so leicht, als gäbe es nichts mehr, was er nicht wusste, nichts wovor sie Angst haben müsste. Sie erreichten einen Supermarkt und Dennis ging hinein um Getränke und Eis zu kaufen. Und kam nie wieder heraus.
Mia wartete und wartete und langsam wurde es dunkel. Schließlich ging sie hinein und er war nirgendwo zu sehen. Er hatte sie verlassen. Mal wieder.
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Sie schlug die Augen auf. Kaum zwei Stunden hatte sie geschlafen und diesen Traum sah sie als Kriegserklärung von ihrem Gewissen an. Nun spielte es mit unfairen Waffen. Wie immer, wenn sie sauer war, musste sie dem, was sie ärgerte, einen Namen geben. Seit diesem Tag war Mias Gewissen ‚Rosalie‘. (Nachdem ihr Laptop Alice, ihr Auto Emmett und das Ding in ihrem Kopf Edward hießen, schien das nur fair)
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„Und, schon Hinweise?“
Hibbelig saß Junho mit Wooyoung und Jaejoong im SuJu Wohnzimmer und schaute Leeteuk erwartungsvoll an.
„Nein, bisher noch nichts brauchbares.“
„So ein Mist!“
„Hey, die Aktion läuft erst seit gestern und ich denke Mia ist gut im Verstecken“, wand Wooyoung ein, der sowieso nicht damit gerechnet hatte irgendwelche gescheiten Hinweise zu bekommen.
„Da hast du Recht, diese blöde Kuh war sogar schlau genug ihre Karte aus dem Handy zu holen, so dass ich sie nicht orten kann“, beschwerte sich Jaejoong, der seit Tagen versuchte sie ausfindig zu machen.
„Wir müssen Geduld haben“, ermahnte Leeteuk.
„Da bin ich so schlecht drin“, erwiderte Jaejoong und verließ das Dorm.
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Im Flugzeug wehrte Mia sich mit Händen und Füßen gegen den Schlaf. Sie guckte Thor und Green Lantern, aber der war schlecht und sie machte ihn bald wieder aus. Was würde sie tun, wenn sie wieder in Korea war? Vielleicht könnte sie einen Pokerclub auf machen, Zocker gab es überall und man verdiente gutes Geld damit. Vielleicht würde Kim sie jetzt doch Zwangsverkaufen an YG. Als Assistent von Big Bang hatte man sicher auch Spaß. Man musste trinkfest sein, keine Frage, aber ansonsten waren die Jungs recht umgänglich. Gut, dass hatte sie auch von DBSK gedacht. Jiyong … Mia vermisste ihn. Das Chillen auf seinem Balkon, in den großen Loungesesseln, die Cocktails und die anregenden Konversationen. Das Kerlchen hatte viel auf den Kasten, war aber auch total ausgelassen und als Party-Maker geeignet. I-Tasia … wann die nächste wohl stattfinden würde? Von allen Leuten, hätte sie in den vergangenen Tagen am liebsten Jiyong angerufen. Er hatte einen angemessenen Abstand zu der Geschichte, war bei einem anderen Entertainment. Er würde nicht urteilen, auch wenn sie bezweifelte dass er ihr sagen würde, was sie gerne hören wollte.
Wie würde sie diese Sache mit Donghae hin bekommen? Er würde enttäuscht sein, sauer, sich gar betrogen vorkommen und Mia wusste, dass er absolut im Recht war. Aber noch war sie in der Luft, noch konnte ihr nichts geschehen. Noch 5 Stunden Flug und ihre Augen wurden immer schwerer. Sie wollte nicht einschlafen, diese Genugtuung würde sie ihrem Gewissen nicht geben. Was tat sie also? Sie packte den Laptop aus und schaute Vampire Diaries.
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Sie meisten von M81 waren an diesem Tag ausgeflogen. Es war Erntedankfest, wenn man sich mal eine Pause von all den Strapazen verdient hatte, dann heute.
Während alle bei ihren Eltern waren, waren es ausnahmsweise mal die Zwillinge, die im Dorm saßen. Ihre Eltern waren auf Barbados. Ohne sie. Sie mussten ja zur Schule gehen und trainieren und irgendwie hatten sie das Gefühl, dass ihre Eltern mal ganz froh waren alleine Urlaub machen zu können.
„Pfff … Erntedankfest, wer braucht das schon?“
„Eben. Zumindest kann uns Großmutter nicht in die Hanboks zwängen.“
Der Oma war es nämlich herzlich egal ob die beiden zwei, fast erwachsene, Männer waren, Tradition blieb Tradition.
„Wo Mia wohl gerade ist?“
„Es ist Chuseok – sie sollte bei ihrer Familie sein.“
Jaeyoung nickte. Die zwei, die nicht bei ihrer Familie waren, machten so eine Aussage?
„Was ist, wenn sie nicht wieder kommt?“
„Sie muss wieder kommen, sie hat uns!“
„Ja, aber ehrlich, wir waren auch nicht immer nett.“
„Wir müssen netter zu ihr sein, wenn sie wieder kommt.“
„Aber erst nachdem wir ihr ein schlechtes Gewissen gemacht haben, dass sie uns alleine gelassen hat.“
Na das waren ja Aussichten.
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Seoul rückte immer näher und Mia wurde immer hibbeliger. Es fühlte sich an wie damals, vor neun Monaten, als sie nach Seoul geflogen war. Wer hätte gedacht dass es so verlaufen würde? Sie erinnerte sich an den Flug. Mia war ein guter Schläfer, doch auf dem Flug nach Seoul im Januar hatte sie so gut wie kein Auge zu gemacht. Sie hatte versucht so viel Koreanisch wie möglich noch aufzunehmen und ihr Herz hatte wie wild geschlagen. Sie hatte sich zig Videos von Super Junior runter geladen um sie besser kennen zu lernen. Wie peinlich es gewesen wäre, wenn sie die Jungs verwechselt hätte! Somit war sie fast die ganze Nacht auf gewesen, während der ganze Flieger am Schlafen war und mehr als einmal hatte Mia Panik gehabt und wäre am liebsten zurück geflogen. Deswegen war sie auch abends bei Sukira eingeschlafen. Sie lächelte bei der Erinnerung. Alles war so neu gewesen, so anders.
Kyuhyun am ersten Tag. Wieder grinste sie. Und wie sie dann zusammen gekommen waren. Irgendwie hatte sie von Anfang an gewusst, dass sie nicht funktionieren würden, doch wenn man fremd in einem Land war, gab eine Beziehung einem das Gefühl dort mehr zu Hause zu sein. Sie mochte Kyuhyun, sie liebte ihn. So wie sie alle ihre Welpen liebte … bis auf Donghae, den liebte sie ein wenig mehr.
Und wie könnte sie nicht? Seit sie Korea verlassen hatte, kam ihr ihr Leben sehr viel unlustiger vor. Mia war es gewohnt aus vollem Herzen zu lachen, jeden Tag lachten sie so oft und hatten so viel Spaß. Sie kam sich versteinert vor, als hätte man sie in Beton gegossen. Sie freute sich darauf wieder zu lachen, zu grübeln und zu kichern.
Wie sollte sie es ihnen übel nehmen? Sie sollten chaotisch sein und nur Blödsinn im Kopf haben. Sie hatten so viel Stress, schränkten ihr Leben so sehr ein, dass es nur Recht war und Mia glaubte, dass wenn sie nicht die ewigen Kinder wären, sie an dem Job zerbrechen würden.
Die verlorenen Jungs … mit Ninja-Betreuung.
Wenn sie Mia denn zurück haben wollten. Ihr Magen verkrampfte sich. Was, wenn sie Mia nicht mehr haben wollten? All die Monate hatte sie sich geärgert, wenn man sie wie Vieh behandelt hatte, nun freute sie sich darauf wieder Super Junior zu gehören.
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„Was machst du da, so viele sind wir doch gar nicht.“
Ryeowook deckte gerade den Tisch ein, als Sungmin ihn fragend anschaute.
„Das ist Mias Teller“, erwiderte Wookie. Sungmin und Eunhyuk tauschten einen fragenden Blick auf.
„Ehm … Ryeowook…“, begann Eunhyuk.
„Ich weiß sie ist nicht da!“, fuhr der Jüngere Eunhyuk an und räusperte sich dann.
„Aber sie gehört zur Familie. Wir haben Chuseok. Sie ist Familie. Sie bekommt einen Teller“, sprach er weiter in seiner lieben, netten, fröhlichen Art. Das Gollum-Kostüm hatte keinen guten Einfluss auf ihn.
„Und wieso hat Donghae keinen Teller?“, fragte Sungmin, denn es fehlten ja einige.
„Weil ich weiß, dass er Chuseok bei seiner Familie verbringt. Er hat ein Erntedankfest. Wer weiß wo Mia ist? Vielleicht arbeitet sie in einer chinesischen Provinz als Tänzerin in einem muffigen Stripclub und muss sich von ekeligen, alten Männern angrabschen lassen.“
Da war wieder Gollumwook und die beiden anderen zogen die Augenbrauen hoch bei der Vorstellung.
„Ich glaube eher dass sie versucht Königin eines kleinen Landes zu werden, um ihre Weltherrschaft von dort aus anzutreten“, kam es von Kyuhyun, der eben erst nach Hause gekommen war. Es war fast Mitternacht, sie alle hatten diesen langen Tag voller Sendungen überstanden.
„Das ist aber unrealistisch“, bemerkte Ryeowook.
„Klar, deine Vorstellung war ja viel realistischer“, erwiderte Kyuhyun und rollte die Augen.
„Das ist beides Blödsinn“, kam es von Sungmin und Eunhyuk gleichzeitig.
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Mia hatte inzwischen den Kampf gegen den Schlaf aufgegeben und lag zusammen gemurmelt in ihrem Platz in der Business Class. Sie wusste nicht was passieren würde, wusste nicht wie sich die Dinge entwickeln würden, sie wusste nur, dass sie nach Hause wollte.