Mia war tatsächlich eingeschlafen. Unglaublich, wenn man beachte, dass sie ja gar nicht müde gewesen war. Als sie aufwachte, war es immer noch dunkel, doch etwas hatte sich verändert. Sie bewegte sich – oder viel eher der Boden. Langsam gewöhnten sich ihre Augen an die neue Dunkelheit und sie bemerkte, dass sich ihr Bewegungsrahmen eingeschränkt hatte. Sie saß in einer Kiste, welche sehr unliebevoll umher getragen wurde. Licht schien zwischen den Holzplanken in das Innere, doch die Spalte waren nicht breit genug um die Umgebung zu erkennen.
„Was will der Käpt’n nur mit ihr?“, hörte sie eine Stimme. Stimmen! Ja, ein Fortschritt.
„Sie soll so schön sein wie der Sonnenaufgang!“, hörte sie einen anderen Mann.
„Hexerin! Ich sag es dir! Wo ist sie so plötzlich her gekommen?!“
„Der Mader sagte sie lag am Strand.“
„Was hat sie da verloren? Sie ist keine Nixe!“
„Vielleicht war sie eine….“
„Blödsinn! Hast du schon jemals eine Frau gesehen die einst eine Nixe war!“
Mia hörte wie der Mann spuckte und verzog das Gesicht. Von wem sprachen sie nur? Was für eine Nixe? Gespannt lauschte sie weiter.
„Nein…“, gab der andere Mann zu.
„Nein“, äffte ihn der erste nach.
„Und keine Frau mit zwei Beinen könnte jemals eine Nixe gewesen sein, willst du das damit sagen?“
„Nein. Ich will sagen, dass ich noch nie eine Frau gesehen habe, die einst eine Nixe war.“
„Wie ich schon sagte, keine Frau, die eine ist, war je eine Nixe.“
Irgendwie erinnerten die beiden Mia an die zwei Soldaten aus Fluch der Karibik Teil 1, als sie sich über die Black Pearl unterhalten haben – sie hatte schon längst den Faden verloren.
„Doch uns kann es egal sein, der Käpt’n wollte sie und wir schaffen sie zu ihm. Vielleicht lässt er uns etwas von ihr übrig…“
Plötzlich änderte sich der Neigungsgrad der Kiste und Mia purzelte auf die andere Seite. Schmerz setzte ein. Auch ein Fortschritt zu dem vorigen Zustand, auch wenn es ihr gerade nicht wirklich passte. Kaum erholt polterte es schon wieder, als sie unsanft abgesetzt wurde.
„Käpt’n hier ist sie“, hörte sie den Mann sagen.
„Hat euch jemand gesehen?“
„Nein Käpt’n.“
„Guuuuut. Niemand soll auch nur ein Auge auf sie werfen.“
Die Stimme kam näher, sie war tief, hatte aber auch etwas melodisches und Mia dämmerte es, dass sie es vielleicht sein könnte, von der sie da sprachen. Dabei wusste sie noch nicht einmal wo sie war, geschweige denn wie sie an einen Strand gekommen sein sollte. Da wo sie her kam war kein Strand gewesen.
„Geht jetzt!“, scheuchte der Kapitän die Männer raus und sie hörte eilige Schritte und dann die Tür. Sie war alleine mit ihm, gefangen in einer Kiste. Wo kam die überhaupt her?! Sie konnte gar nicht großartig darüber nachdenken, als der Deckel geöffnet wurde. Mia musste die Augen vor der Helligkeit abschirmen und nahm ihre Umgebung nur grob wahr.
„Mylady, entschuldigt bitte diese ungewöhnliche Weise des Transports, ich wollte nur sicher gehen, dass euch auf dem Weg hier her nichts geschieht.“
Allmählich tat das Licht nicht mehr weh und sie sah einen waschechten Bilderbuch-Kapitän vor sich. Er trug weite Plumphosen und ein weißes Leinenhemd. An seinem breiten Gürtel hing ein Schwert und goldene Anhänger, genau wie um seinen Hals und seine Handgelenke. Sein Kopf zierte ein weiter Hut mit einer Feder und er reichte ihr soeben die Hand.
So nicht mein Freund, dachte sich die Frau, der die ganze Situation noch zu suspekt war und so rappelte sie sich von alleine auf und stieg rückwärts aus der Kiste.
„Oh, ich braucht nichts zu befürchten. Dürfte ich mich Euch kurz vorstellen, mein Name ist Captain James …“
„Hook.“
Als es über ihre Lippen kam, war es ihr klar gewesen. Verblüfft schaute er sie an und zeigte seine Zähne – was wohl ein Lächeln darstellen sollte.
„Wie ich sehe habt Ihr schon von mir gehört. Verratet ihr mir Euren Namen?“
Sie zögerte einen Moment.
„Lyra … Belacqua.“
Es war ein Name aus ‚His dark Materials‘ (oder zu Deutsch ‚Der goldene Kompass‘). Sie mochte die Buchreihe noch nicht einmal, doch irgendwie erschien es ihr falsch ihren richtigen Namen zu benutzen.
„Lyra Belacqua… welch reizender Name zu einer reizenden Frau …“
Käpt’n Hook bewegte sich langsam auf sie zu und Mia bewegte sich entgegen gesetzt um die Kiste, ständig verfolgt von den blauen, durchdringenden Augen des Captains. So ne Kiste war toll, wenn man sie gerade brauchte.
„Darf ich erfahren woher Ihr kommt?“
„Aus Seoul.“
„Oh, Asien. Ich selbst bin noch nicht so weit in den Pazifik vorgedrungen, sagt, was treibt Euch an einen Ort wie diesen?“
Sie liefen weiter und weiter gegen den Uhrzeigersinn. Käpt’n Hook schien das nicht zu stören, doch Mia fühlte sich irgendwie etwas wackelig auf den Beinen. Anscheinend verlor er doch die Geduld und blieb schließlich stehen, so wie Mia daraufhin.
„Ich weiß nicht so recht“, antwortete sie wahrheitsgetreu. In dem Moment rief jemand nach Hook und genervt schaute er zu der Tür.
„Lyra, was haltet Ihr davon, wenn wir heute Abend unser Gespräch fort führen? Ich lasse euch in euer Haus bringen.“
Er klackte zweimal mit den metallenen Absätzen seiner Stiefel und Mia hörte Fußgetrampel vor der Tür.
„Mein Haus?“
Sie hatte ja versucht einigermaßen ruhig und cool zu wirken, aber hä?!
„Nun, ich möchte nicht dass Euch etwas geschieht. Auch da Nimmerland ist nicht mehr so sicher wie es einst war. Ich hoffe Ihr versteht das gewissen Vorsichtsmaßnahmen nötig sind.“
Mit einer einladenden Handbewegung deutete er auf die Kiste. Das war ja wohl ein Scherz. Das Nimmerland unsicher? Wenn es wohl einer unsicher machte, dann einzig und alleine er! Doch Mia war sich bewusst, dass sie nicht in einer Situation war um ihm zu widersprechen, sie hatte keine Waffen, kannte sich nicht aus und war ziemlich verwirrt. Sie starrte den eisernen Haken an, da wo einst seine rechte Hand war. Vor Käpt’n Hook musste man sich in Acht nehmen. Er soll der einzige Mann sein, den ‚Long John Silver‘ jemals gefürchtet hat und es heißt, er sei damals Blackbeards Steuermann gewesen. Und er war seinerzeit in Eton zur Schule gegangen. Er war gerissen und grausam, er war ein Pirat.
„SMEE!“, rief er, genervt wieso seine Männer wohl so lange brauchten.
„Hier bin ich Käpt’n!“
Der kleine Mann kam hastig die Tür hinein gestolpert und blieb vor der Truhe stehen.
„Smee, Sorge dafür das Ms Belacqua auf die Insel der Wind gebracht wird.“
„Aber… aber Käpt’n, haltet Ihr das für eine gute Idee? Der Seher sagte es würden Stürme heute Nacht heraufziehen…“
„Der alte Mann mit seinen Rinderknochen macht nur den Leuten Angst! Ich will sie nicht hier haben, nicht wo er so nahe ist, er wird sie mir nicht weg nehmen, nicht noch einmal wird so etwas geschehen, nicht noch einmal werde ich mich zum NARREN MACHEN!“
Er hatte ganz ruhig angefangen und steigerte sich so weit, dass Mia bei seinen letzten Worten zuckte – ebenfalls wie Smee.
„Entschuldigt Käpt’n, natürlich habt ihr Recht, die Insel der Winde ist genau der richtige Ort.“
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Ohne zu murren war Mia zurück in die Kisten gestiegen, wo sie auf ein kleines Boot getragen wurde. Sie war gefangen in einem Disney-Film … Nein. Sie war gefangen im Nimmerland. Wenn man von der Originalgeschichte ausging, war das Nimmerland nicht wirklich stets ein freundlicher Ort und Mia wusste nicht ob sie mehr Angst vor Käpt’n Hook haben sollte oder vor Peter Pan, der Erwachsene hasste und alle Piraten und sie tötete als wären sie Vieh. Peter Pan hatte wohl im Kampf gegen das Erwachsen-werden vergessen, dass das wahre Leben kein Spiel war. Somit war sie sich unsicher, auf welcher Seite sie gerade besser aufgehoben war, doch von ihrer Kiste aus, waren das ohnehin nur spekulative Gedanken.
Sie schipperten eine Weile auf den Wellen. Die drei Männer auf dem Boot unterhielten sich über belanglose Sachen und Mia hörte irgendwann auf ihnen zu zuhören. Müde lehnte sie den Kopf an die Kiste und schloss die Augen. Sie konnte wohl auch wieder müde werden. Das war gut, Schlafen hätte sie irgendwann angefangen zu vermissen
„Verflixt!“, rief Smee auf und Mia öffnete die Augen. Was war geschehen? Sie hörte wie die Männer aufsprangen und das Boot zum schwanken brachten. Sie würde definitiv einen Anfall bekommen, wenn das Boot ein Leck hatte. Dann hörte sie jemanden brüllen und einen stumpfen Schlag. Okay, jetzt mochte sie ihre Kiste nicht besonders.
„Was ist denn da draußen los?!“, rief sie, wartete jedoch vergebens auf Antwort. Dann noch ein Schrei und das Boot schwankte mittlerweile gefährlich, bis es sich soweit zur Seite neigte, dass Mia, in ihrer Kiste, einfach von Bord kullerte. Die Kiste war nicht dicht und fing sofort an mit Wasser voll zu laufen. Dafür war sie aus Holz und trieb erst mal vor sich hin – um dann plötzlich, wie ein Stein zu sinken. Mia schlug von Innen gegen den Deckel, der sich nicht bewegte. Die Kiste war wohl mit einer Art Schloss zu gemacht worden, denn Nägel hatte niemand hinein geschlagen. Da brachte das ganze Schlagen auch nichts, wenn man die Kiste nicht entriegelte von außen. Und wieder umgab sie Dunkelheit, eine andere als zuvor, diese machte ihr Angst. Die Deutsche wusste, dass sie sie nicht unter Wasser atmen konnte, auch nicht im Nimmerland. Ihr Herz schlug viel zu schnell, so würde sie die Luft nicht lange anhalten können.
Doch dann öffnete jemand den Deckel. Mia blickte in das Gesicht eines Jungen. Er grinste sie an, schnappte sich ihren Arm und gemeinsam schwammen sie an die Oberfläche, wo sie das Boot auf dem Kopf fand. Die drei Piraten trieben fluchend an der Oberfläche, doch da war noch etwas anderes… Steine mit Moos bedeckte trieben ebenfalls auf dem Wasser und beschossen die Piraten mit Steinen. Mia musste zweimal hingucken, um zu sehen dass die Steine wohl Helme waren, unter denen andere Jungs steckten. Peter schaute gar nicht nach ihr, sondern lachte fröhlich über das Schicksal der Piraten, bis er sie auf den Arm nahm.
„Festhalten!“, sagte er und noch ehe sie irgendwie reagieren konnte, waren sei auch schon in der Luft, aus der Reichweite der Piraten. Vor ihnen lag das Nimmerland, es war atemberaubend. Umgeben von Wasser lag das Land so versteckt unter einem dichten Dschungel, dass man wenig erkennen konnte.
„Du bist erwachsen!“
Jetzt erst achtete sie wieder auf ihn und er sah nicht mehr fröhlich aus.
„Wer hat das Gegenteil behauptet?“
„Man sagte du seist der neue Schatz von Captain Hook! So wie einst Wendy! Doch du bist erwachsen!“
Die Tatsache, dass er sie noch nicht hat fallen lassen war fast schon ein gutes Zeichen.
„Du eigentlich auch! Du bist über HUNDERT Jahre alt! Eigentlich bist du so alt, dass du schon tot sein müsstest.“
„Aber ich bin ein Junge!“
„Wenn du über hundert Jahre alt bist und behauptest immer noch ein Junge zu sein, dann bin ich immer noch ein Mädchen, ich bin mehr als dreimal so jung wie du!“
Da hatte sie Recht – ob ihn das interessierte, war eine andere Frage. Zumindest schien sie ihn irritiert zu haben, denn er erwiderte nichts mehr. Zielstrebig steuerte er auf eine Felsformation zu und landete dann schließlich in einem großen Nest, in dem sie beiden locker Platz hatten.
„Was ist das hier?“, fragte sie, immer noch klitschnass von dem unfreiwilligen Tauchgang.
„Das Nest des Riesenvogels.“
„Was machen wir hier Peter?“
„Ich gebe dir die Möglichkeit mir zu beweisen, dass du immer noch ein Kind bist. Wenn du es nicht schaffst bevor der Vogel zurück ist, wird er dich fressen.“
Er sagte das ganz ruhig, als wären Riesenvögel und hundertjährige Teenies was ganz Normales.
„Wie beweist man denn dass man ein Kind ist?“, fragte Mia, leicht gestresst, doch Peter zuckte nur mit den Schultern.
„Ich weiß nicht, ich bin ja eins.“
Da stand sie nun und wusste nicht was sie tun sollte. Wirklich nicht. Sie erinnerte sich an ziemlich viele kindische Sachen, die sie bei Super Junior gemacht hatte, doch was sollte sie hier, in einem Nest, davon umsetzen?
Schmollig hockte sie sich auf den Boden und verschränkte die Arme. Der Pan schaute skeptisch in den Himmel und ging dann vor ihr in die Hocke.
„Nun mach schon!“, forderte er sie auf.
„Soll ich aus deiner Hand lesen?“
„Aus meiner Hand lesen?“
„Ja, gib mal her.“
Sie zog seine Hand zu sich und drehte sie auf den Rücken.
„Ooooh“, machte sie vielsagend.
„Was denn?“
Natürlich war er neugierig, er war Peter Pan, er hatte sie aus einer sinkenden Holzkiste gekidnapped, weil er neugierig war.
„Du hast schon viel erlebt, nicht wahr?“
Aufgeregt nickte er.
„Und du kommst aus London. Du lebst hier im Nimmerland mit den verlorenen Jungs und du hast das Krokodil auf Captain Hook gehetzt, wodurch er seine Hand verloren hat.“
Stolz krähte er, wie er es so gerne tat.
„Wow, woher weißt du das alles?“
Natürlich konnte er nicht wissen, dass er nur eine Figur aus einem Buch war.
„Steht hier alles“, erwiderte Mia ganz locker und deutete auf eine Linie in seiner Handinnenfläche.
„Steht da auch etwas über meine Zukunft?“
„Warte, ich schau mal nach …“
Angestrengt verengte sie die Augen.
„Du bist ein starker Kämpfer und bisher dem Hook immer einen Schritt voraus, doch es wird bald der Tag kommen, da wirst du auf die Nase kriegen.“
„Was?! Niemals! Zeig mir, wo steht das?!“
Und er beugte sich vor zu ihr.
„Genau hier.“
In dem Moment schnickte sie seine Nase mit der freien Hand von unten an, so wie man es tat, wenn man Leute ärgerte und vor lauter Schreck kippte der Junge nach hinten um. Eine Sekunde lang schaute Mia zu ihm, aus Angst ihn sauer gemacht zu haben, doch statt sauer zu sein, fing er fröhlich an zu lachen und sein Lachen war so ansteckend, dass Mia mit anfing zu lachen und zu lachten sie so lange, bis beiden die Tränen liefen.
„Oh nein!“
Je war ihr Lachen verklungen und Peter schaute in die Ferne.
„Was denn?“
„Der Vogel kommt.“
Eilig rannte Peter an den Rand des Nests und machte Anstalt einfach abzuhauen.
„Peter!“
„Hm?“, fragend drehte er sich um.
„Was ist mit mir?!“
„Ach ja, natürlich.“
Nun griff er nach ihrer Hand die Mia dankend entgegen nahm. Mit solchen Dingen musste man bei Peter rechnen, er vergaß sehr schnell und war sich oftmals dem Ernst der Situation nicht bewusst.
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„Aber Peter, sie ist erwachsen!“
„Und ein Mädchen!“
Mia saß in einer Ecke, wurde streng bewacht von einem Drei-Käse-Hoch und seinem Handgefertigten Speer und beobachtete die Diskussion zwischen Peter und den anderen verlorenen Jungs, die sich noch nicht so ganz geeinigt hatten, ob sie Mia ‚behalten‘ wollten oder nicht. Nicht dass sie die Diskussion nicht sonderlich ernst nahm, obwohl es mehr oder minder um ihr Leben ging.
Die Deutsche betrachtete die Umgebung. Es war ein unterirdischer Bau, es gab wohl verschiedene Ein- und Ausgänge, denn von dem Hauptraum aus gingen mehrere Tunnel in alle möglichen Richtungen weg. Es war hoch genug, dass sie gerade so stehen konnte und sie war froh nie unter Platzangst gelitten zu haben. Wenn man sich im Erdreich ein Zuhause schaffte und das mit einfachen Mitteln, dann stieß man auf unüberwindbare Probleme, wie Wurzeln und Felsen. Manche Felsen waren freigelegt und dienten als Tisch oder Stühle, die wurzeln dienten zum Trocknen von Sachen und zum Aufhängen. Mia zählte acht Jungs, ob es noch mehr gab, wusste sie nicht.
„Du hast uns eine Mutter versprochen!“, beschwerte sich der eine.
„Ich weiß das! Schließlich bin ich euer Vater!“
Es war ein Spiel das sie spielten, in dem Peter der Vater war und so noch mehr zum Kommandeur der Truppe wurde. Etwas in ihren Gedanken verloren, bemerkt sie nicht wie der Junge vor ihr Platz für Peter machte und der sich vor ihr hinkniete.
„Lyra Belacqua … möchtest du meine Frau und Mutter dieser Kinder werden?“
In Händen hielt er ihr einen Ring, geflochten aus Gänseblümchen, hin. Es war ein Spiel, wie alles hier und sie waren Kinder, die nichts schlimmer fanden, als den Gedanken erwachsen zu werden.
„Ja, ich will“, erwiderte sie feierlich und streckte ihm die Hand entgegen. Sie dachte an Donghae, an ihren Hochzeitstag und wie sie zu ihm ‚Ja, ich will‘ gesagt hatte und war den Tränen nah. Die verlorenen Jungs dachten natürlich, dass sie von Peters Antrag so gerührt war und fanden das süß. Der Pan steckte ihr vorsichtig den Ring an und dann wurde Hals über Kopf eine Hochzeit geplant.
Man musste ihnen eins lassen, sie waren super im ‚Dinge schnell erledigen‘. Sie schmückten eine Lichtung, mitten im Wald, mit Blumen und Blüten und sie sammelten Beeren, die sie essen konnten und Früchte, wie sie Mia noch nie gesehen hatte. Selbst die Tiere kamen um das Spektakel zu betrachten und Peter schaffte einen Baumstumpf heran, den er als Hocker benutzte, um größer zu sein als sie.
„Peter, wo ist Tinkerbell?“
Normalerweise war die kleine Fee immer dort wo Peter war und mochte weiblichen Besuch so gar nicht.
„Sie ist bei den anderen Feen im Moment“, sagte er so daher und zuckte die Schultern.
„Vermisst du sie nicht?“
„Ach, irgendwann kommt sie wieder.“
Er nahm es so hin, denn Gefühle zu zu geben wäre zu viel verlangt von Peter Pan.
‚Wuschel‘, einer der verlorenen Jungs, nahm die Rolle des Priesters ein und man hatte ihm einen schweren Piratenumhang um die Schultern gelegt. Stolz erzählte Peter wie er den Schurken mit seinem eigenen Schwert erlegt hatte – sollte es Mia beunruhigen einen Massenmörder zu heiraten? Vielleicht.
„Liebe Gemeinde, Kinder, Mutter und Vater. Wir haben uns heute hier eingefunden um diese beiden zu trauen, um in den heiligen Stand der Ehe einzutreten“, er machte das wirklich gut, zumal er ein Buch mit nur leeren Seiten in Händen hielt.
„Willst du, Peter Pan, unser Vater sein, uns gut erziehen und gegen die Piraten kämpfen um Lyra Belacqua zu verteidigen?“
Peter atmete tief ein und schaute zu ihr rüber.
„Ja, ich will“, sagte er sehr überzeugend.
„Und willst du, Lyra Belacqua, uns immer Gute-Nacht-Geschichten erzählen, unsere Kleidung stopfen und die Haare kämmen, wann immer du es als nötig empfindest?“
„Ja, ich will.“
Vor allem das Letztere wäre mal wieder nötig.
„Dann erkläre ich euch hiermit zu Vater und Mutter! Peter, du darfst Mutter nun fingerhuten!“
Was bei uns ein Fingerhut war, war im Nimmerland ein Kuss. So war andersherum ein Kuss ein Fingerhut. Peter schaute nervös zu ihr, lehnte sich dann vor und gab Mia einen Kuss auf die Wange. Die verlorenen Jungs jubelten.
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So saßen sie zusammen und aßen, träumten sich aus Wasser Wein und fühlten sich beschwipst, was war im Nimmerland nicht möglich? Sie entzündeten Kerzen und Peter spielte die Flöte, während die anderen dazu tanzten.
„So, ich denke es ist nun Zeit für euch ins Bett zu gehen“, kündigte Mia als pflichtbewusste Mutter an und das Gejammer war groß.
„Mutter, Mutter, bitte erzähle uns noch eine Geschichte!“, bat sie ‚Nadelohr‘.
„Wenn ihr in euren Betten liegt und euch die Hände und Füße gewaschen habt, dann erzähle ich euch eine Geschichte!“
Da waren sie so gespannt, dass sie alle zu dem Fluss rannten um sich zu waschen, selbst Peter und bald darauf lagen sie im Hasenbau, eng an eng zusammen gedrängt.
„Ich erzähle euch von Luffy, dem Piraten und seiner Mannschaft auf der Thousand Sunny, wie sie sich auf dem Weg machten um den Schatz von Gold Roger zu suchen…“
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Für die Jungs war das mal eine völlig andere Piratengeschichte und diese Piraten wollten sie ausnahmsweise mal nicht umbringen.
„Ich möchte auch eine Teufelsfrucht essen!“, beschloss Peter begeistert.
„Aber dann könntest du nie wieder ins Wasser“, erinnerte ihn Mia und brachte ihn zum Schmunzeln.
„Trotzdem! Morgen ziehen wir los und suchen nach Teufelsfrüchten!“
Die verlorenen Jungs jubelten begeistert. Mia erzählte noch eine Weile weiter und nach und nach schliefen sie ein, bis Peter irgendwann aus dem Bett krabbelte, die Arme verschränkte und zufrieden auf die schlafende Horde blickte.
„Das habe ich gut gemacht!“
Mia stupste ihn mit dem Ellebogen an.
„Habe ich wenigstens ein wenig geholfen?“, fragte sie ihn neckisch.
„Ein wenig vielleicht …“
Doch dann grinste er und wer könnte ihm widerstehen?
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Es stellte sich heraus, dass Peter sein Bett oben in der Baumkrone hatte und für Mia hängte er neben sich ebenfalls eine Hängematte auf. Sie konnte zwar mit Peter nach oben fliegen, wollte aber gar nicht darüber nachdenken, was sie tun würde, wenn sie heute Nacht auf die Toilette müsste.
Der Raum war riesig hoch und sie blickten über das Nimmerland und sahen sogar die Lichter auf der Jolly Roger, wo sich Hook bestimmt noch immer grün ärgerte.
„Peter?“
„Hm?“
Langsam drehte er sich zu ihr und schaute über den Rand seiner eigenen Hängematte.
„Als ich noch ein … jüngeres Mädchen war, habe ich nachts mein Fenster immer offen gelassen, doch du bist niemals gekommen.“
Sie hatte Peter geliebt, wie gerne wäre sie als Kind mit ihm ins Nimmerland gekommen um zu fliegen und niemals alt zu werden.
„Ich habe es nicht gefunden.“
„Das ist schon okay.“
Sie lächelte und er grinste.
„Gute Nacht Mister Pan.“
„Gute Nacht Misses Pan.“
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Mia lag noch eine Weile wach, es war, als würde die Zeit hier anders vergehen, der Tag kam ihr unheimlich lange vor und doch war sie nicht müde. Sie schaute in die Sterne und suchte nach den ihr bekannten Sternenbildern, als sie plötzlich ein Flüstern hört.
„Mia …“, flüsterte der Wind, mit Donghaes Stimme.