Es war ungefähr 4 Uhr morgens. Die Gruppe hatte sich etwas zerstreut, manche sind nach Hause gefahren, manche waren noch da. Das Feuer loderte nicht mehr so hoch und die Stimmung war etwas ruhiger geworden. Taemin hatte seinen Kopf an Mias Schulter gelegt.
„Glaubst du Jonghyun war heute Abend hier?“
„Schatz, er wird immer bei dir sein, du wirst immer ein Stück von ihm in dir tragen.“
„Du weißt, dass gerade meine Vorstellungskraft mit mir durchgeht?“
Da lachte sie fröhlich, ja, die tatsächliche Vorstellung davon war schon etwas gruselig. Stellt euch mal vor man hätte den Teil von Jonghyun in sich, der immer für das .leidenschaftliche Singen verantwortlich war und man würde nachts immer vor Schreck aufwachen, wenn es im Kopf anfing zu singen!
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Als der Rest nach Hause kam, war die Sonne schon aufgegangen. Mia schaute aus dem Fenster.
„Die Sonne geht auf …“, murmelte sie geistesabwesend und hatte ein Deja-vu Erlebnis, was dazu führte dass sie noch ziemlich lange wach war. Die Angst vor dem Einschlafen … was, wenn sie wieder nicht aufwachen würde? Mia wusste es war Blödsinn. Sie hatte keinen Unfall, sie war Zuhause und war zumindest einigermaßen gesund. Leute fielen nicht einfach so ins Koma. In Ohnmacht, ja, dass dann schon eher.
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„Wieso schläfst du nicht?“
Ehrlich, Mia hatte sich nicht bewegt, aus Angst Donghae zu wecken und doch schlug er müde die Augen auf.
„I just … can’t.“
„Hast du Angst?“
„Ein wenig.“
Nun setzte er sich doch mal auf und lehnte sich auf seine Ellenbögen.
„Du hast so viel Mut wie Lady Gaga auf die Beerdigung eines Freundes zu gehen und traust dich nicht einzuschlafen?“
Der Schalk klang eindeutig in seiner Stimme mit – sie ignorierte es nur.
„Es ist komisch. Ich habe Angst, dass wenn ich einschlafe, ich nicht mehr aufwache.“
Der Mann zog sie in seine Arme.
„Ich bin da, ich passe auf dich auf.“
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„Ich weiß nicht wann ich das letzte Mal so wenig zu tun hatte und mich deswegen nicht gestresst gefühlt habe“, grübelte Leeteuk vor seinem Laptop.
„Also ich habe mich noch nie gestresst gefühlt, wenn ich nichts zu tun hatte“, wand Henry ein.
„Leeteuk ist ein anderer Maßstab. Er bekommt Panik wenn er nicht 8 Stunden Sendezeit am Tag bekommt“, erwiderte Eunhyuk und wurde von Leeteuk mit einem finsteren Blick gestraft.
Normalerweise arbeitete der Bandleader gerne hart. Er rannte von einem Termin zum nächsten, war die halbe Nacht wach um zu trainieren und sich Scripte durchzulesen, sich Sachen einfallen zu lassen. Es war das erste Mal in seiner Karriere, dass er nichts zu tun hatte und es ihn nicht beunruhigte. Er war noch nicht bereit dazu sich wieder auf die Welt zu stürzen und der Vorzeigeleader zu sein. Im Moment fühlte es sich gut an, sich im Schneckenhaus zu verkriechen.
Eigentlich wären sie jetzt schon auf dem Weg nach Busan zum Busan Power Konzert. Allein schon der Gedanke daran heute auf der Bühne zu stehen, zu grinsen und zu feiern drehte Leeteuk den Magen um. Es fühlte sich nicht richtig an. Früh genug würden sie alle zurück an die Arbeit gehen.
Andererseits hatten sie, bei all der Zeit, Zeit. Also so richtig Zeit. Zum Denken. Und das war schlecht. Also versuchte Leeteuk sich abzulenken von der freien Zeit und dem Grund, der dazu geführt hat.
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Mia war gerade mal eine halbe Stunde eingeschlafen, da klingelte es an der Tür. Es war Eunhyuks ‚geheimes‘ Klingelzeichen, was wahrscheinlich das ganze Haus zur Not weckte. Genervt schlug sie die Augen auf, was konnte er jetzt schon wollen.
„Wir gehen Fallschirmspringen!“, sagten Mama und Papa im Chor. Mia, die noch nicht ganz wach war, reagierte angemessen …
„Habt ihr was am Kopf?!“
Damit die Gruppe nicht im Flur diskutierte, wurde Mia links und rechts von Siwon und Henry hoch gehoben und ins Wohnzimmer getragen. Sie wehrte sich nicht, fand es aber auch nicht toll.
„Mia, Jonghyuns Tod hat uns gezeigt, dass wir jeden Tag voll auskosten müssen. Wir müssen lebendig bleiben. Alles kann so schnell zu Ende sein, alles ist so vergänglich. Ich will nicht darüber nachdenken, wir brauchen einen Adrenalinschub.“
Anfangs hatte Mia noch gedacht, dass Leeteuk ihr jetzt einen moralischen Vortrag hielt, um sie um den kleinen Finger zu wickeln, doch zumindest das Ende schien ehrlich zu sein. Ihr Blick ging zu Donghae.
„Darf ich mit, darf ich mit???“
Womit hatte sie das verdient? Sie hatte fast selbst das Leben verloren, hatte einen Freund zu Grabe getragen und jetzt kam ihr Mann auf den Geschmack sich aus einem Flugzeug raus zu stürzen. Sehr sensibel. Doch wahrscheinlich war es das, was Jungs gerne machten. Sie nickte nur mit dem Kopf und grölend verschwand die Truppe wieder aus der Wohnung. Donghae rannte noch mal zurück, küsste Mia grob und sagte er, dass er sie liebte.
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Fünf Minuten später … Mia saß gerade auf den Balkon und rauchte eine, da klingelte ihr Handy. Es war Donghae, sie erkannte es am Klingelton.
„Ja Schatz.“
„Du … wolltest nicht mit oder? Also ich denke auch, dass der Arzt das nicht als gut empfinden würde, oder was meinst du?“
„Keine Sorge, auch wenn ich gesund wäre, wäre ich nicht mit gekommen.“
„Ah, dann ist ja gut. Shindong Hyung wollte mir ein schlechtes Gewissen einreden. Siehst du Hyung, sie will nicht, das nennt man Gedankenübertragen, weil unsere Beziehung so gut ist.“
„Ich werde jetzt auflegen.“
„Schatz… Schatz?“
Und dann fing Shindong an herzlich zu lachen.
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Jongi … es ist ein neuer Tag. Ich werde heute rausgehen und wenn mich einer fragt wie es mir geht werde ich sagen ‚Danke, mir geht es gut‘ und wenn es nicht stimmt…
Der Morgen war jetzt auch gelaufen, jetzt musste sie sich auch nicht mehr hinlegen. Und ja, sie hatte Angst alleine einzuschlafen. Es war also die Zeit der Taten.
„Hallo Park-Mama, wie geht es ihnen?“
„Mia, mein Kind, wieso fragst du MICH das? Wie geht es dir?“
Leeteuks Mama war einfach zum Fressen.
„Mir geht es gut, haben Sie sich Sorgen gemacht?“
„Aber natürlich! Und der arme Jonghyun! Wenigstens bist du wieder auf den Beinen, Jungsu ging es ganz schrecklich.“
„Ja, ich weiß … Park-Mama, ich weiß Sie haben im Moment viel mit der Eröffnung von ihrem Café zu tun, aber meine Mama ist auch gerade in Seoul und ich würde heute Abend gerne für Super Junior etwas kochen mit den Mamas. Ich denke Familie ist im Moment sehr wichtig.“
„Das ist eine tolle Idee Mia, ich werde die anderen anrufen, die meisten werden sicher kommen. Komm doch einfach in zwei Stunden zu Kona, die Küche ist soweit fertig und hier haben wir Platz.“
„Danke schön Park-Mama.“
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Sie ging also duschen, soweit das möglich war und zog sich an, bevor sie ihre Mama abholte. Mit dem Taxi. Mia war sich ihrer Grenzen bewusst und sie merkte, dass ihr Körper Zeit brauchte. Sie fühlte sich ausgezehrt und manchmal duselig und kraftlos. Der Arzt hatte gesagt das sei normal nach so einem Unfall und einer OP, doch Mia freute sich darauf, wenn es ihr wieder gut gehen würde.
„Hallo mein Schatz, schon so früh hier?“
„Ja, wir treffen uns mit den Mamas der Welpen und kochen.“
„Kochen?“
„Ja.“
„Du und kochen?“
„Also, erstens wurde ich zweite bei einer Kochshow, zweitens kann ich so Kleinigkeiten.“
„Ich sehe schon, Korea verändert sich ganz schön.“
Darauf sagte Mia nichts mehr. Schon vorher hatte sie gerne gebacken und Essen ‚hübsch‘ gemacht.
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Mia liebte die SJ-Moms. Sie hatte sie nicht oft gesehen, aber wenn, dann waren sie immer herzlich gewesen. Mit Yesungs Mom hatte sie am meisten zu tun gehabt bisher, was daran lag, dass Händel & Gretel einfach extrem gut bei KBS positioniert war. Nun hatten sich Leeteuks, Sungmins und Kyuhyuns Mutter dazu entschlossen ebenfalls ein Café zu eröffnen. Es lag oben im Gangnam, auf halbem Wege zwischen U-Bahn Station und SM Town. Noch war es nicht eröffnet, vieles fehlte noch, doch als Leeteuks Mom Mia und ihre Mutter in das Café führte, staunte die Deutsche nicht schlecht.
„Park-Mama! Das sieht toll aus!“
Es war größer als Händel & Gretel und modern, mit viel Holz und einem futuristischem Design. Die Getränkeschilder hingen noch nicht, es war noch keine Deko da, draußen hing das Schild noch nicht und die Fensterscheiben waren noch mit Zeitungspapier zugeklebt – was wohl auch besser war für heute.
Nach und nach kamen Eunhyuks, Yesungs, Kyuhyuns und Sungmins Mama. Das Faszinierende bei Mamas war, dass egal welche Sprache sie sprachen und selbst wenn sie nicht die Gleiche sprachen, sie verstanden sich irgendwie und alle scheuchten Mia entweder weg oder sagten ihr, was sie tun sollte.
Sie werkelten in der Küche und kreierten eine lustige Mischung aus koreanischem und internationalem Essen. Mia durfte allerdings nicht viel machen, denn sie war ja noch krank. Ihre Mama sprach Deutsch und fuchtelte mit den Armen und die koreanischen Mamas verstanden sie irgendwie und antworteten auf Koreanisch. Es war interessant zu beobachten.
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Eine SMS von Donghae riss sie aus dem Kino-Modus.
‚Hallo Schaaaaaaaatz! Ich war fliegen! Ich habe ein Video! Ich liebe dich!‘
Sein Deutsch war echt süß. Schnell schrieb sie ihm zurück, dass alle zu Kona Beans kommen sollten und dann sagte sie den Mamas Bescheid.
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Es war ein fröhliches Zusammenkommen. Die Welpen freuten sich unheimlich ihre Eltern zu sehen – die Väter kamen natürlich erst, als schon alles erledigt war. Zuerst bestaunten alle wie weit der Laden schon fertig war und dann bestaunten sie das Essen. Es war unheimlich viel, aber sie waren auch über 20 Leute, also war es wohl gerechtfertigt.
Mia saß mit Leeteuk, Donghae und ihrer Mama an einem Tisch. Donghae packte sein Handy aus, um Mia das Video zu zeigen. Er hatte wohl am Helm eine Kamera und Leeteuk war auch zu sehen, wenn er im Hintergrund immer mal wieder vorbei flog. Donghae rief ‚Miaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa‘, auch wenn Mia glaubte das aus dem ‚Mia‘ irgendwann einfach nur ein ‚Ahhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhh‘ wurde. Jedenfalls brachten sie alle zum Lachen. Seine Backen flatterten im Wind, eigentlich wäre es ein ideales Bild für das Foto-Twitter-Spiel gewesen. Die Deutsche lachte bis ihr die Tränen kamen und es war gut, es fühlte sich gut an zu lachen. Das war ihr Ziel, einmal am Tag zu lachen, ehrlich. Nach all den Tränen, musste sie sich auf etwas konzentrieren.
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„Ich finde das cool deine Mama wieder gesehen zu haben, sie ist wirklich sehr nett“, meinte Donghae irgendwann zu ihr.
„Du kennst sie noch nicht gut“, erwiderte Mia lachend. Ja, ihre Mama war cool, aber sie konnte auch ein kleines Biest sein, wenn sie wollte und in der Regel legte sich niemand mit ihrer Mama an, ohne danach einen Kopf kürzer zu sein.
„Vielleicht lernst du ja bald auch mal meine Mama kennen …“
Donghae sagte das in diesem Ton … eine versteckte Nachricht, die so beiläufig fallen gelassen wurde. Sie erinnerte sich an Chuseok und an das Hanbok und sie wusste, auf was er hinaus wollte.
„Ich schulde dir Chuseok?“
„Du schuldest mir Chuseok“, bestätigte er nickend und Mia ließ den Kopf hängen.
„Fair enough.“
Erstaunt hob er die Augenbrauen, er hatte damit gerechnet, dass das schwieriger gewesen wäre.
„Und weißt du Schatz …“, jetzt nutze er die Gunst der Stunde.
„Ich dachte mir, jetzt, wo es eh schon zumindest unsere Kollegen und so wissen, können wir doch richtig heiraten. Also mit einer richtigen Trauung. Wir müssten meiner Mama gar nicht sagen dass wir geheiratet haben, sondern machen eine richtige Hochzeitszeremonie…“
Nun hob die Deutsche den Kopf wieder.
„Du bekommst mich in keine Kirche.“
Jetzt war es Donghae, der den Kopf sinken ließ.
„Fair enough…“, murmelte er.
„Stellt euch mal vor Siwon würde seinen Priesterschein machen und würde euch trauen“, kam es von Ryeowook, der hinter ihnen an einem Tisch saß. Siwon, der am anderen Tisch, Mia gegenüber saß, schaute auf und ihre Blicke trafen sich, bevor sie anfingen zu lachen.
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Es war wirklich ein schöner Nachmittag gewesen.
Die Jungs wollten noch zu SHINee und den Abend mit ihnen zusammen verbringen. Natürlich fragte Donghae Mia, ob sie mit wollte, doch sie lehnte ab. Die Jungs kannten sich länger und besser und Mia wollte sich da nicht einmischen. Also beschloss sie mit ihrer Mama ins Kino zu gehen.
Manche mögen denken, dass es unfair wäre, mit einer deutschen Mama in ein koreanisches Kino zu gehen, da Mias Mama aber generell nach 20 Minuten immer einschlief – und es war vollkommen egal was für ein Film es war, selbst bei 007 knackte sie weg -– würde sie so oder so nichts von dem Film mitbekommen.
„Ich will nur kurz nach Hause und mich umziehen“, meinte sie, als sie in die Tiefgarage von Star City fuhren, von wo aus man eigentlich direkt zum Lotte Cinema hätte laufen können.
„Alles was du willst, du sollst ja auch noch eigentlich gar nicht so viel machen …“
„Mama …“
So fuhren sie nach oben. Vor ihrer Haustür fand Mia zwei Sachen.
- Das Klavier
- Kaylee, die auf dem Klavier saß
„Mia!“
„Kaylee? How did you get here?“ Mias Überraschung stand ihr deutlich im Gesicht.
„I came here as soon as I heard that you’ve woken up … aaaand after I had this big fight with my dad and he blocked my credit cards and than I had to convince him to unblock ‚em but than I came! So I went to your apartment – apparently your OLD apartment, because some dude opened the door and than I wanted to call the police because I thought he’d be a housebreaker. Found out that he really lives there now and than I’ve went to the dorm but the pin has changed so I asked the doorman and he told me you live here now.“
Wow. Story.
„And the piano?“
„It was here even before me but with a message … I can’t read it thoughm it’s korean stuff.“
Kaylee reichte ihr den Brief.
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‚Liebe Mia,
ich weiß dass ich vieles falsch gemacht habe und verstehe, dass du im Moment keinen Kontakt zu mir wünschst. Doch bitte behalte das Klavier. Es war ein aufrichtiges Geschenk, damit du dein Talent verbessern kannst, es wäre schade wenn es ungenutzt wäre. Bitte ….
Jaejoong‘
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„Oh boy …“, im Moment setzten ihre Kopfschmerzen wieder ein.
„Ehm … wer ist das?“
Und dann auch noch die Mama!
„Das ist meine Assistentin Kaylee, Kaylee this is my mom.“
„Oh, so nice to meet you!“ Und natürlich wurde die Mama erst mal gedrückt – Amis … was soll man sagen.
Nachdem sich alle begrüßt hatten, stand vor allem Mia vor einem Problem. Im wahrsten Sinne des Wortes. Wohin mit dem Klavier damit Donghae es nicht sah? Mia hatte schon Lust es zu behalten, sie mochte Klavier spielen, sie musste aber Donghae emotional darauf vorbereiten, also musste es vorerst versteckt werden. Dann kam ihr eine Idee.
Zu dritt schoben sie das Klavier zum Fahrstuhl, was ein gutes Stück war, von Mias Wohnung aus betrachtet, und dann fuhren sie ein paar Stockwerke höher – in das Dorm-Stockwerk.
Sie schoben das Klavier also ins Dorm.
„Wo willst du hin damit?“, fragte ihre Mutter, leicht am Schnaufen.
„In Hangengs und Heechuls Zimmer, da ist es erst mal sicher.“
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„Mia … why do your german mom and your super hot american assistant have to watch a korean movie?“
Mittlerweile waren sie rüber zum Lotte Cinema gelaufen und saßen schon im Kinosaal. Allerdings schien nicht jeder begeistert von der Idee zu sein.
„First, my mom will fall asleep in like 30 minutes and second, if you wanna stay in korea you have to improve your skills.“
„But I don’t want to…“, schmollte die Blondine und rutschte etwas tiefer in ihren Sitz.
„Shut up, watch the movie and learn.“