Um Punkt 8 Uhr stand Jihoon in der Tür zum Haus und zugegeben, er hätte nicht gedacht, dass sie das Haus so schnell wieder in Ordnung bringen könnten. Der Dreck war verschwunden, es war gewischt, kein Müll lag mehr umher. Bis auf ein paar Kleinigkeiten, wie zum Beispiel die riesigen Lautsprecher und die dutzenden Müllsäcke, sah es ziemlich ordentlich aus.
Was Jihoon nicht wusste, war das Zoey natürlich eine Reinigungsfirma bestellt hatte und da sie eigentlich damit gerechnet hatte, dass er früher kommen würde, um sie zu kontrollieren, hatte sie extra zehn Leute kommen lassen, die innerhalb von zwei Stunden alle sauber hatten. Zoey und die anderen hatten sich dann um die Kleinigkeiten gekümmert. An für sich war nicht das ganze Haus betroffen gewesen. Die obere Etage war off limits gewesen und unten lag kein Teppich. War ja nicht so, als wären sie nicht in irgendeiner Weise organisiert gewesen.
„Ich bin beeindruckt…“
„Und hoffentlich auch zufrieden! So und jetzt sag, was du noch willst, damit dies unser kleines Geheimnis bleibt!“
Zoey hatte erkannt, dass er sich wahrscheinlich nicht so einfach zufrieden geben würde, denn die Tat an sich war auch sehr uneigennützig gewesen, was nicht seinem Wesen entsprach.
„Ach na ja, du kannst ja einen Geschenkkorb holen und ihn Mia überreichen in meinen Namen – einen schönen Geschenkkorb.“
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An diesem Tag gönnten sie sich immerhin bis um 9 Uhr zu schlafen, wie gesagt, sie waren ja nicht zum Vergnügen in Deutschland.
Sie saßen am Frühstückstisch und checkten beide mal ihre Mails und was so geschehen war.
„Schatz?“
Mia schaute auf. „Hm?“
„Was macht unser Wohnzimmer auf Facebook?“, fragte er ungläubig und zeigte Mia was Bild.
„Was?! Ist das Unterwäsche auf dem Esstisch?!“
Nun schaute Donghae aber auch noch mal genauer hin.
„Ja, ich denke …“
Die Deutsche zückte ihr Handy und rief Yesung an. Sie wusste das er und Zoey ab und zu mal nach dem Rechten schauen wollten, wobei Mia das nicht so gemeint hatte, wie es anscheinend umgesetzt wurde.
„Hallo Mia!“
„Hallo Yesung-shi! Wie geht es dir?“
„Super, wie geht es denn euch? Wie ist Deutschland?“
„Donghae hat es gekauft, Stück für Stück.“ Da lachte Yesung.
„Ich bin sehr gespannt, was ihr alles mitbringt.“
„Und Zuhause alles okay? Irgendwelche Katastrophen, irgendetwas was wir müssen wissen?“
„Ohm… nein, außer … Jihoon war hier und hat einen Geschenkkorb da gelassen, er lässt dich grüßen.“
„Aha.“ Nicht die Information die sie erwartet hatte, aber auch okay.
„Na dann können wir ja beruhigt weiter Urlaub machen.“
„Na klar, habt viel Spaß!“
Mia legte auf und schaute ihr Handy an.
„Und?“, wollte Donghae wissen.
„Er hat nichts zugegeben… aber wir haben einen Geschenkkorb von Jihoon bekommen.“
„Aha … was bedeutet das jetzt für unser Wohnzimmer?“
„Rache.“
Donghae schaute sie gedankenverloren an. In seinem Kopf lief der Spielfilm von Mias Rachezügen, angefangen von Eunhyuks Beinhaaren, zu Sperrstunden, versalzenen Kaffee und Kuchen, bis zu den unzähligen Backpfeifen, die Kyuhyun gefangen hatte.
„Irgendwie bin ich froh, dass dein Rachepeilsender nie auf mich gerichtet war.“
„Remember, we’ll spend eternity together, so you better watch out.“
Da fiel ihm aber der Kiefer runter.
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Die beiden flanierten ein letztes Mal durch Rothenburg und checkten dann aus. Ihr Wagen sah aus, als wollten sie umziehen und Mia war froh den großen Wagen genommen zu haben. Heute hatten sie 280 Kilometer vor sich und kein Outletcenter auf dem Weg nach München.
Um sich die Zeit zu vertreiben, erfanden sie Spiele. Zum Beispiel spielten sie Lieder nur 3 Sekunden an und dann mussten sie selbst weitersingen. Donghae war haushoch am Verlieren.
„Das gibt’s doch nicht! Du kannst doch nicht so viele Lieder kennen!“
„Anscheinend doch“, entgegnete Mia grinsend.
„Mit dir könnte man echt eine Gameshow machen! Bei der nächsten 1000 Song Challenge werde ich dich mitnehmen!“
Mia stellte sich vor wie sie Kyuhyun Zuhause lassen würden um Mia als ihn zu verkleiden, damit sie besser Chancen hatten.
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Nach drei Stunden Autofahrt kamen sie in München an, Mia konnte es nicht erwarten aus dem Auto auszusteigen. Sie hatten eine Suite im Sofitel Munich Bayerpost Hotel gemietet. Es war wieder ein tolles Hotel. Sie könnte Hoteltesterin werden. Sicherlich gab es viele wohlhabende Leute, für die es nichts mehr Besonderes war in ein traumhaftes Hotel einzuchecken, doch ihr Herz klopfte noch immer laut und sie fühlte sich wieder wie ein Kind.
Als sie klein war, waren sie viel gereist, teilweise gezwungenermaßen und sie waren immer in diesen tollen Hotels gewesen. Als sie Kind war, hatte Geld keine Rolle gespielt. Dann hatte sich alles geändert und sie mussten ein bescheidenes Leben führen. Nun hatte sich für ihre Eltern alles wieder geändert und Mia freute sich für sie. Als Kind war sie immer durch die Hotels gestreift, hatte sie erkundet, war abends durch leere Ballsäle getanzt und hatte sich vorgestellt eine Prinzessin zu sein. In Kitzbühel waren sie immer in der Tenne gewesen, das exklusivste Hotel der ganzen Region. Die Zimmermädchen hatten sie tagsüber immer mitgenommen und mit Schokolade gefüttert. Eros Ramazzotti hatte sie auf dem Arm getragen und ihr Papa hatte fast die Frau von Udo Lindenberg umgefahren, während ihre Mutter und Udo Lindenberg gemeinsam im Wintergarten beim Frühstück saßen und das ganze beobachteten. Mia kannte sie Namen der meisten Hotels, in denen sie gewesen war nicht mehr, nur das sie schön waren und groß und das es als Kind unheimlich viel zu entdecken gegeben hatte.
Nun hatte sie wieder die Möglichkeit die schönsten Hotels der Welt zu bewohnen und genoss es mit vollen Zügen. Das Sofitel war modern und futuristisch.
„Schatz, wenn wir nächstes Jahr offiziell heiraten, dann haben wir auch richtige Flitterwochen?“, fragte Donghae. Mia lag auf dem Bett und drehte sich zu ihm um.
„Ja, das wäre schön.“
„Wo willst du hin?“
„Überall!“
Da lachte er fröhlich.
„Überall?“
„Ja! Ich will nach Buenos Aires, auf die Malediven zum Tauchen mit Walhaien, ich möchte durch die Hochwüste von Chile und nach Kauai zu dem Drehort von Pirates of the Caribbean und nach Peru! Ich möchte beim Sonnenaufgang in Machu Picchu sein und ich möchte nach Afrika ins Palace of the Lost City und die Big 5 sehen! Natürlich in einer sinnvolleren Reihenfolge. Ich denke wir sollten in Argentinien anfangen, dann nach Chile und Peru, dann nach Hawai und dann müssen wir irgendwie nach Johannesburg kommen, dann auf die Malediven und dann zurück nach Seoul…“
Donghae staunte nicht schlecht – ob es wirklich das Beste war sich jemand aus der Touristik als Ehefrau auszusuchen?
„Da sind wir sicher 4 Wochen unterwegs.“
„Mindestens fünf!“, korrigierte ihn seine Frau und Donghae freute sich schon jetzt auf den Kampf Mia vs Kim, wenn es darum ging, dass sie beide fünf Wochen frei bekamen. Allein schon das wäre es wert diese Reise zu bezahlen.
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„Mama!“
Mia streckte die Arme aus und was tat ihre Mutter? Die stürzte sich auf Donghae!
„Ei mein Bub‘, gut siehst du aus!“
„Danke Mama“, sagte er grinsend und Mia zog ein Schmollgesicht auf, als ihr Stiefpapa kam und sie drückte.
„Hallo mein Schatz!“ Nun kam die Mama doch an und knuffte sie.
Sie gingen zu Käfers um einen Café zu trinken und Mia erzählte, was sie die letzten beiden Tage alles unternommen hatten.
„Und, Singapur ist toll, oder?“, fragte Sascha. Als sie nach Bali geflogen waren, hatten ihre Eltern drei Tage in Singapur zwischen gestoppt und waren seither völlig begeistert.
„Obercool! Wir waren in dem Marina Bay Sands untergebracht, weißt du das mit den drei Türmen und dem Pool ganz oben und es war so toll!“
„Und sie war im Krankenhaus“, petzte Donghae und bekam dafür unter dem Tisch einen Tritt verpasst. Das mit dem Deutschunterricht musste aufhören.
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Sie wollten heute gar nicht mehr so viel machen, ihre Eltern waren aus der Schweiz angereist und sie aus Rothenburg, also schlenderten sie ganz belanglos durch die Münchner Innenstadt, was sie natürlich zwangsläufig auf den Weihnachtsmarkt führte. Diesmal hielt Donghae sich sogar in Grenzen. Wahrscheinlich waren die letzten zwei Tage Weihnachts-Power-Shopping selbst für ihn genug gewesen. Shopping-Muffel hatte aber nichts mit Essen zu tun und so stürzten sie sich auf den erstbesten Stand.
„Eine Bratwurst bitte“, bestellt Donghae brav, doch als die Bratwurst kam, klaute Sascha sie dem Koreaner und reichte sie seiner Stieftochter. Da stand Mia plötzlich mit ner Wurst in der Hand. Immer diese unerwarteten Erlebnisse.
„No, no boy, Bratwurst is for beginners! You will try a Nierenspieß!“
„A Nierenspiss?“
„That’s right!Zwei Nierenspieße bitte!“
Mit völlig panischem Blick drehte sich Donghae zu seiner Frau um, doch die konnte ihm da auch nicht helfen, Nierenspieße war ein Männerding – zumindest in ihrer Welt. Zum Glück fragte er nicht was das war, denn Mias medizinisches Vokabular war zwar weitreichend, aber Niere wusste sie bei Gott nicht und sie war sich auch nicht sicher, ob sie ihn damit nicht verschrecken würde.
Donghae schmeckte es! Er hatte zwar keine Ahnung was er da aß, aber immerhin schmeckte es. Mia war mit der unverhofften Bratwurst vollkommen zufrieden.
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Ihr Flug würde Morgen Mittag gehen und eigentlich hatte Mia nicht vorgehabt viel zu schlafen, denn sie hatten einen 10 Stunden Flug vor sich – mal wieder. Ob irgendjemand nachvollziehen könnte wie viele Meilen sie dieses Jahr geflogen war? Schon letztes Jahr hatte sie gedacht sie sei viel geflogen. Mia erinnerte sich daran, als sie letztes Jahr im November von Wien wieder nach Hause geflogen war, sie keine Lust mehr auf Flugzeuge hatte. Und dann kam Korea. Konnte ja auch keiner wissen dass sie überall als Handgepäck mitgenommen wurde.
Bisher hatte sie alle Flugtickets aufgehoben, das war so ein Tick von ihr und eines Tages würde sie eine ganze Wand bekleben mit ihren Flugtickets.
Sie suchten sich eine gemütliche Kneipe um dort zu versacken.
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„Und was macht ihr an Weihnachten?“, fragte die Deutsche ihre Mama.
„Ach, die Jungs kommen und wahrscheinlich gehen wir Ski fahren.“
„Schön.“
Es war das erste Weihnachten ever, dass sie nicht mit ihren Eltern verbrachte. Sie wusste, dass sie jetzt eine eigene Familie hatte und das sie ohnehin zu viele Termine rund um Weihnachten hatte um auch nur den Gedanken zu wagen daran zu denken in die Schweiz zu fliegen, aber irgendwie war sie doch schon ein Mama-Kind und Weihnachten würde wahrscheinlich die schlimmste Zeit werden, was das Heimweh betraf.
„Ich wird euch ganz schön vermissen.“
„Wir dich auch mein Schatz.“
„Wenn ich euch sage, dass ich ein Fondue Zuhause habe, steigert das die Chancen, dass ihr nach Korea fliegt?“
„Nicht … wirklich.“
Na das nannte man dann wohl Nächstenliebe.
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Sie parkten die Männer in einer Kneipe und plünderten den Supermarkt, wo Mia Lindt Adventskalender kaufte für ihre Welpen, denn nirgendwo gab es schönere Adventskalender, als in Deutschland.