„Ich glaub du spinnst!“
So tönte es schon am frühen Morgen im Hause Mihae.
„Mia, dass sieht nicht normal aus!“
„Es ist ein blauer Fleck! Ich gehe deswegen bestimmt nicht noch mal zum Arzt.“
„Das ist kein blauer Fleck mehr, du bist ein Schlumpf!“, bemerkte Donghae.
„Dann … bin ich eben ein Schlumpf!“ Mit diesem letzten Satz stapfte Mia davon, ins Ankleidezimmer. Um genau zu sein in den Schrank. Gestern war gestern, doch heute musste sie sich damit beschäftigen, es ging nicht anders und den letzten, den sie jetzt brauchte, war Donghae.
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Einen Tag zuvor …
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„So Frau Martin, Blutwerte, Röntgen und Ultraschall sind alle in Ordnung und den Babys geht es auch gut.“
Sie dachte zuerst, dass er ihre Brüste meine und empfand es als unhöflich. Sie könnte ihre Brüste ja Babys nennen und vielleicht auch Donghae, aber sicherlich kein Arzt, den sie erst seit einer Stunden kannte. Dann besann sie sich, sie war in Korea, Koreaner waren nicht so unhöflich. Mia hätte sich daran stören können, dass er im Plural sprach, doch das Wort, nein die Behauptung an sich, war schon völlig absurd.
„Entschuldigung, was haben Sie gesagt?“
„Den Babys, den Babys geht es gut.“
Verdutzt schaute sie ihn an.
„Ehm … nein, Sie haben die Ergebnisse vertauscht.“
„Nein, Martin Mia steht hier. Oh… wussten Sie nicht, dass Sie schwanger sind?“
„Das hat nichts mit wissen zu tun. Ich kann nicht schwanger werden! Ich habe ein Stäbchen in meinem Arm…“
Während sie sprach tastete sie nach dem Streichholzgroßen Stäbchen in ihrem linken Arm und stocke. Da war nichts! Panisch suchte sie ihren Arm ab, vielleicht war es ja nur verschoben, aber nein, sie tastete den ganzen Arm ab und fand einfach kein Stäbchen. So ein Ding löst sich doch nicht in Luft auf!
Zwei Panikattacken später kam ihr Arzt, der sie nach dem Autounfall betreut hatte, zu ihr.
„Frau Martin, Sie hatten so viele Schnittverletzungen, Splitter unter ihrer Haut, wir haben damals alles entfernt, was wir als Fremdkörper empfunden haben. Das ist auch alles in Ihrer Krankenakte dokumentiert.“
„Sie meinen die 20 Seiten Akte auf Koreanisch?! Ich habe extra einen Ausweis für das Stäbchen, gleich hinter meinen Blutausweis.“
„Ja, aber der Ausweis war in Deutsch.“
„Erkennen Sie das Sprachproblem hier?! Ich habe einen Deutschen Ausweis, den Sie nicht lesen können, entfernen mir mein Stäbchen und dokumentieren das dann auf KOREANISCH anstatt mich darauf hinzuweisen dass ich plötzlich wieder schwanger werden kann?! Ich schwöre Ihnen SM Entertainment wird Sie verklagen, dass Sie sich wünschten SIE würden diese Kinder austragen!“
Angesichts der Tatsache, dass Mia ihn gerade fließend in Koreanisch zur Schnecke machte, empfand er das Sprachproblem jetzt nicht als so gravierend.
„Aber, aber Frau Martin, Sie dürfen sich nicht so aufregen…“ Sanft drückte er sie zurück ins Kissen.
„Das ist mein Job! Und der ist jetzt vorbei, weil Sie daran Schuld sind, dass ich mit Zwillingen schwanger bin!“
Er hätte gerne erwidert, dass da wohl jemand anderes eher für verantwortlich war, verkniff es sich aber. Und dann kam Kyuhyun die Tür rein.
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Mia saß im Schrank und ließ das Ganze Revue passieren. Sie war in der 10. Woche. Mit Zwillingen. Sie wusste dass Donghae Kinder wollte und das er nicht das Problem war, im Moment war sie selbst ihr größtes Problem. Generell war Mia gegen Abtreibung, zumal dies ja wirklich Kinder waren, die in Liebe entstanden waren, mit ihrem wundervollen Ehemann, aber wollte sie jetzt schon Kinder? Eigentlich war das nicht der Plan gewesen. Sie wollte Karriere. Nächstes Jahr würde sicherlich noch anstrengender werden, mit M81 und Super Junior und der Welttournee. Sie würde ihren Körper zerstören, der in gewisser Weise ihr Einkommen war. Tanzen, Promotions, Fashionshows – all das würde als laufender Globus flach fallen. Natürlich gab es genug Models und Schauspielerinnen, die nach der Schwangerschaft ihre alte Figur wieder bekommen hatten, doch das bedeutete Arbeit, viel Arbeit. Darüber hinaus hatte Mia die Zweisamkeit mit Donghae genießen wollen, etwas länger. Sie kannten sich gerade seit einem Jahr, sie waren frisch verliebt, es war noch nicht an der Zeit für Kinder. Der Kerl und sein Ninja-Sperma!
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Donghae ließ sie im Schrank und bereitete das Frühstück vor. Es würde heute eine lange Aufnahme werden. Als Mia runter kam war sie bereits fertig, Haare, Make Up, Klamotten. Sie hatte beschlossen es ihm noch nicht zu sagen. Mia musste erst einmal dazu im Stande sein es selbst auszusprechen, bevor sie es Donghae sagen konnte, aber das Bewusstsein registrierte, dass da plötzlich zwei Menschen in ihr heran wuchsen und das fand sie noch ziemlich gruselig.
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Bei SBS ging es drunter und drüber und sie waren erst bei den Proben. Neben den besten Hits des Jahres hatten die Künstler auch Teile zusammen, wie Dance-Mixes. SM Entertainment hatte darüber hinaus ein knapp 9-minütiges Special, in dem Henry Violine spielen würde, Tiffany Flöte, es gab Tanz- und Gesangselemente und in diesem Special würden auch vier der Bambis auftreten. Natürlich waren die anderen auch da, zum Unterstützen.
Bei der Probe zu ‚Mr. Simple‘ stand Mia an der Seite und schaute zu Donghae. Ihr Mann. Ihre Hand streifte unbewusst über ihren Bauch. Sie war zu einem Wirt geworden für zwei Menschen, aber es waren ihre und Donghaes Menschen und das machte es irgendwie okay. Kleine Menschen, Teetassen-Menschen. In Gedanken würfelte sie schon mit Namen. Noch wusste sie nicht ob es Jungs oder Mädchen oder beides waren, dafür war es noch zu früh. Auf jeden Fall sollten sie coole Namen bekommen wie Grand Master Flex oder Xena. Nein, natürlich würde sie ihre Kinder nicht so nennen. Seit vielen Jahren hatte Mia eine Liste mit Babynamen. Wo diese steckte, konnte sie spontan nicht sagen. Sicherlich in irgendwelchen Kisten im Keller. Mädchennamen fielen ihr einfacherer, als Jungennamen. Ganz oben bei den Mädchen stand Thalia Isabella, wobei sie das in Korea sicherlich haken könnte. Bei Jungs war es schwieriger. Sie mochte Kilian sehr gerne.
„Schatz?“
„Huh?“, just wurde sie aus ihren Gedanken gerissen.
„Du hast ja gar nicht hin geguckt!“, beschwerte sich Donghae.
„Entschuldige, ich war gerade … woanders.“
Schnaubend kletterte er zurück auf die Bühne. Mia durfte sich nicht so gehen lassen, sie hatte einen Job, auf den sie sich konzentrieren musste.
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Das SBS Gayo war wirklich super. Ebenso das SM Special. Henry fing mit der Violine an, danach kam ein Solotanz von Victoria und dann folgte der von Sungmin, danach kamen Taemin, Eunyhuk und Tyler mit ‚Max Step‘ und später noch Jaesun und Jaeyoung. Mia verfolgte jeden ihrer Schritte und war stolz auf sie.
„Sie sind gut.“
Wooyoung hatte sich an die Deutsche ran geschlichen.
„Ja, das sind sie.“
„Ist alles okay? Du wirkst heute irgendwie so … zerstreut.“
„Ich habe ein Geheimnis, kann es aber noch nicht sagen.“
Das war nicht die Antwort mit der Wooyoung gerechnet hatte. Normalerweise stritten die Leute es ab, sagten alles wäre in Ordnung.
„Erfahre ich das Geheimnis auch?“
„Sicher, früher oder später. Aber es ist nichts Schlimmes … glaube ich.“
Der Sänger lachte fröhlich.
„Okay, du weißt, wenn was ist …“
„Ja, ich weiß.“
Dann eilte sie hinter die Bühne, um ihre Bambis in Empfang zu nehmen.
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„Mia! Mia!“
„Hast du uns gesehen?!“
„Hat es den Leuten gefallen?!“
„Das war so cool!“
„Waren wir gut?!“
Völlig aufgedreht sprang die Truppe auf sie zu. All die Angst und der Druck war völlig von ihnen abgefallen.
„Ihr ward super und es hat allen gefallen“, lobte Mia die Bambis und reichte ihnen Wasserflaschen.
„Wir sind sehr zufrieden“, kam es auch von Haedong und die Bambis freuten sich noch mehr. Jino war der erste der das Weinen anfing und das obwohl er heute gar nicht aufgetreten war. Shincho folgte und dann standen natürlich auch Mia die Tränen in den Augen. Sie hatten hart gearbeitet, auch wenn Mia ihnen schon angedroht hatte, dass man sie erst in 10 Jahren auf die Bühne lassen würde.
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Nach dem SBS Special waren sie alle ziemlich kroggi. Mia war schon in der Garderobe eingeschlafen, während die anderen ihre Sachen zusammen suchten. Wobei man dazu sagen musste, dass die Schmerzmittel sicherlich ihr den Rest gaben.
„Wieso nehmt ihr euch nicht den Rest des Tages frei?“, kam es von Kim und diesmal nahm Mia das Angebot dankend an. Sie konnte sich kaum bewegen und natürlich tat sie so, als wäre alles okay, aber schmerzhaft waren die Nachwirkungen des Sturzes alle Male. Wobei natürlich die Tatsache mit Donghae alleine zu sein, sie wieder zu dem wachsenden Problem in ihrem Buch brachte.
Auf dem Weg nach Hause entschied sie sich um.
„Schatz, können wir auf den Achasan?“
Der Achasan war ein Berg, gar nicht mal weit weg von ihnen zu Hause und man hatte einen tollen Ausblick über die Stadt. Donghae schien die Idee genau so absurd zu finden, wie sie tatsächlich war.
„Ehm … du kannst kaum gehen.“
„Wir können ja so weit hoch fahren, wie es geht. Er ist nicht sehr hoch. Ich mag den Ausblick über die Stadt.“
Wenn der Sänger eines begriffen hatte, dann, dass Diskutieren sinnlos war.
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Oben angekommen stellten sie fest, dass es doch ziemlich kalt war. Mia vermisste den Sommer, wenn es nachts so warm war, dass man mit Minikleidchen durch die Nacht spazieren konnte. Sie blickte auf ihre Stadt, Seoul. Wie sie diese Stadt liebte und wie sie Donghae liebte … und wie sie ihr Mary Poppins-artige Kindermädchen lieben würde! Die Deutsche drehte sich zu ihm um und griff sich ans Herz.
„Donghae, ich …“ und dann klingelte sein Handy.
„Sorry … Ja? .. Nein … bestimmt … wann sollen wir kommen?… Ok… bis dann … Schatz, wir gehen später feiern. Was wolltest du sagen?“ Doch da hatte sie der Mut schon wieder verlassen.
„Nur das mir kalt ist. Fahren wir nach Hause?“
„Klar!“
Also fuhren sie Heim um sich dort noch mal hin zu legen, bevor sie heute Abend um die Häuser zogen. Jetzt würde sie es ihm nicht sagen, einen letzten Abend in Freiheit wollte sie noch habe, denn Donghae würde sie mehr denn je wie ein rohes Ei behandeln, wenn er wusste, dass sie schwanger war.
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Um 23 Uhr, einigermaßen ausgeschlafen, zogen sie los. Auch hier war Mia wieder genervt von der Kälte, denn in Clubs war es warm, aber um dort hin zu kommen, musste man sich erst mal warm einpacken. Ironischerweise hatten sie den gleichen Club gewählt wie im Januar, damals, als Leeteuk und seine Freundin fast aufgeflogen waren und als Mia Siwon dazu genötigt hatte sich auszuziehen. Mia saß oben in der Lounge und lächelte bei der Erinnerung daran.
„So junge Dame, hier ist dein Orangensaft. Donghae hat mir gesagt du nimmst Medikamente, also kein Alkohol für dich heute Nacht.“
Und auch nicht die nächsten sieben Monate.
„Danke Papa.“
Wie viel Alkohol hatte sie die zwei Monate zu sich genommen? Einiges, aber sie war nie vollkommen wasted gewesen. Der Arzt gestern hatte gesagt, es gehe den Babys gut. Er hat auch gesagt, dass sie dringen für alle möglichen Untersuchungen zu einem Frauenarzt sollte. Sie kannte noch nicht mal einen! Am Ende hatte ihr Lebensstil dazu geführt das ihre Kinder drei Augen und vier Füße hatten. Nein, das hätte man gestern auf dem Ultraschall wohl gesehen.
„Mia?“
„Huh?“
„Was ist denn los mit dir heute? Ist es wegen gestern, geht es dir noch nicht gut? Sollen wir nach Hause?“
Besorgt blickte Donghae zu seiner Frau.
„Nein, nein, alles ok. I just thought about the first time we’ve been here.“
Mit all dem was seitdem passiert war, könnte man ein Buch füllen! Einen 12-Teiler.
„Es war die Nacht als ich dich zum ersten Mal küssen wollte“, erinnerte sich der Sänger.
„Ich finde wir sollten eine Tradition daraus machen! Siwon, zieh dich aus!“, befahl sie. Der junge Mann schaute sie völlig entgeistert an.
„Hätte ich damals gewusst, welche Konsequenzen das mit sich bringt, hätte ich mich niemals für dich ausgezogen!“, erwiderte er und alle lachten
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Es war ein Abend wie fast vor einem Jahr. Sie hatten eine gute Zeit, sie tanzten, sie lachten – auch wenn all das Mia im Moment ganz schön weh tat.
Hier das Video zu dem Auftritt vom SBS Gayo Special: