Skye hatte versucht zu schlafen und es irgendwann zwischen 2 und 3 Uhr aufgegeben. Der Alkohol hatte nachgelassen und der Verstand meldete sich zu Wort. Genervt stand sie auf und ging ins Wohnzimmer. Mit dem Laptop auf dem Schoß murmelte sie sich in einen Kokon und checkte Mias Mails. Sie hatten zwei Restaurantketten, zwei Cafés, eine Bar, das Geschäft mit dem Parkhaus und die Akademie. Alles was Shows betraf regelte SM Entertainment. Nach gut einer halbe Stunde, war Skye zu der Erkenntnis gekommen, dass es Mia dreimal geben musste. Anders hatte sie keine Ahnung wie sie all das und die Familie unter einen Hut brachte. Ob Donghae das wusste? Vielleicht war er mit drei Frauen verheiratet und wusste es gar nicht!
„Kannst du nicht schlafen?“
Plötzlich stand da Leeteuk vor ihr und Skye schreckte auf.
„Sorry, wollte dich nicht erschrecken.“
„Schon gut. Was ist mit dir?“
„Ich habe mich noch auf eine Show für morgen vorbereitet und habe Licht gesehen.“
Leeteuk war den ganzen Abend eher reserviert gewesen. Skye fand das angenehm.
„Was guckst du da?“, fragte er und deutete auf das Video, das an die Wand projiziert wurde.
„Der Live Stream von der ISS, das einzige was mich nach einem aufregenden Tag runter bringt.“
„Live Stream? So was haben die?“
„Ihr seid nicht die einzigen mit Fanservice“, stellte Skye fest und lächelte.
„Darf ich dir Gesellschaft leisten?“
„Klar“, erwiderte sie – schließlich war er ihr zukünftiger Ehemann oder so was.
Leeteuk legte sich in einen anderen Kokon und schließlich schliefen sie beide ein, während die ISS gemütlich die Erde umrundete.
Kyuhyun war der Erste der am Morgen wach war. Die ISS zog noch immer ihre Bahnen um die Erde. Verdutzt blieb er stehen. Wieso hatten sie die Erde im Wohnzimmer? Dann fand er Leeteuk und Skye, die noch schliefen, in getrennten Kokons. Kopfschüttelnd ging er zur Kaffeemaschine. Spätestens als die Kaffeebohnen gemahlen wurden, wachten die beiden Semi-Astronauten auf. Skye hatte ausgesprochen gut in den Kokons geschlafen, so gut wie schon lange nicht mehr. Wobei das weniger am Bett und mehr am Kopf lag, der nachts einfach nicht Ruhe geben wollte. Sie hatte schon alles probiert. Tabletten, wobei sie davon kein großer Fan war und morgens so schwer in die Gänge kam. Joints, aber da hatte sie nach 3 Wochen 2 Kilo zugenommen – war also auch keine Lösung. Einmal war sie mitten in einem Fressflash eingeschlafen und die Tafel Schokolade war auf ihr schmolzen und Skye hatte sie dann im ganzen Bett verteilt. Den Schock am Morgen konnte man sich vorstellen. Seither war ihr Verhältnis zu Schokolade maßgeblich gestört.
„Und was steht heute auf dem Plan?“, erkundigte sich Leeteuk.
„Mia hat ein Fotoshooting auf der Karosugil und dann moderiert sie eine Kochsendung auf KBS …“
Skye wurde unterbrochen, als sowohl Leeteuk als auch Kyuhyun herzlich anfingen zu lachen.
„Was … was ist so lustig?“, fragte sie irritiert. Sie hasste es nicht mitlachen zu können, wobei sie an ihrem zweiten Tag auch nicht über ihre Arbeitgeberin lachen würde … trotzdem wüsste sie gerne um was es ging. Es brauchte fünf Minuten bis die beiden halbwegs wieder atmen konnten.
„Was ist denn hier los?!“, entrüstete sich Heechul, dessen Haare wild abstanden.
„Mia moderiert eine Kochsendung!“, erzählte Leeteuk und konnte sich wieder kaum halten. Heechul fiel sofort mit in das Gelächter und Skye trommelte genervt mit ihrem Kuli auf der Theke ein.
„Ok guys … not funny …“
„Oh du hast keine Ahnung …“, sagte Heechul während der Luft schnappte.
„Mia hat keine Ahnung von …“
„Von was?“
Sie hatten nicht bemerkt wie Mia in das Loft kam. Als die drei Sänger ihre ehemalige Assistentin sahen, brachen sie gleich wieder zusammen.
„What did you do?“, fragte sie Skye.
„I … nothing! I just told them that you’ve got this cook show today and …“
Nun nickte Mia verständnisvoll.
„Okay, okay, ihr hattet euren Spaß … ich werde nicht kochen, ich werde probieren. Ich kann vielleicht nicht kochen, aber essen schon.“
Nun verstand Skye was los war und grinste. Leeteuk wischte sich die Tränen weg.
„Du hasst koreanische Küche!“
„Also das … das ist so nicht richtig“, verteidigte sie sich.
„Im Übrigen ist es eine Backsendung, es wird Kuchen geben und Kekse und Honeybread and whatnot.“
Die drei waren immer noch recht amüsiert.
„Weißt du, du ziehst sie groß, hältst ihnen die Hand, wenn sie eine Schramme haben, beendest Beziehungen für sie und wiegst sie in den Schlaf und das ist der Dank, den du bekommst!“, jammerte Mia.
„Du hast sie in den Schlaf gewogen?“
„Das ein oder andere Mal…“
Schließlich machten sie sich auf den Weg. Als sie das Gebäude verließen, schaute Skye sich um und fragte Mia, was sie mit dem Gelände vorhatte. Die Deutsche schaute sich lächelnd um.
„Eine psychiatrische Anstalt für Kpop-Idols … und Suju haben den Anfang gemacht.“
Skye lachte über den Scherz. Es war doch einer, oder? Wenn nicht, dann hätte man sie dann auch direkt in die Klapse gesteckte. Vielleicht bekam sie eine leitende Position? Schließlich hatte sie vier Semester Psychologie belegt – als Dolmetscher war ein psychologisches Wissen nicht schlecht. Schließlich hieß es, dass der Frieden der Welt in den Händen der Dolmetscher lag. Vielleicht würde Mia ihr aber auch nur unterjubeln wollen, dass sie zum Personal gehörte, obwohl sie selbst Patient war. Das wäre dann angewandte Psychologie. Wieso musste sie gerade jetzt an ‚Shutter Island‘ denken?
Sie parkten auf der Karosugil, eine der belebten Ausgehstraßen von Seoul. In Itaewon fand man Ausländer und Koreaner, die gerne einen Ausländer als Freund oder Freundin hätten. In Hongdae fand man Studenten und inzwischen viele Franzosen und auf der Karosugil fand man die hippen Karriereleute, die ohne mit der Wimper zu zucken 20$ für einen Drink ausgaben – wenn es denn reichte. Auf 500 Quadratmeter kamen 200 Bars und Restaurants. Das war ziemlich viel. Skye war hier gerne unterwegs, doch hatte sie ein Problem mit der Karosugil: Man fand nachts nichts zu essen. Es gab zig Schickie-Mickie Restaurants mit Mikroküche, Nanoküche, Makroküche, doch wenn es 4 Uhr morgens war, dann wollte man was Herzhaftes. Ein Stück Pizza, ein Hotdog, einen Döner oder Burger oder Chicken Wings oder irgendwas, aber kein gedünstetes Gemüse, mariniert mit Koriander auf einem milden Limettensorbet. Etwas weiter oben, auf der Querstraße, gab es einen Subway. Aber Subway war in Korea ungenießbar. Skye war schon ziemlich offen für Essen und egal wo sie bisher gewesen ist, sie hat sich immer irgendwie ernähren können, doch Subway in Korea ging gar nicht.
Skye hatte vor vielen Jahren mal die Geschäftsidee gehabt nachts auf der Karosugil Burger und Hot Dogs zu verkaufen. Sie hätte sie für 30.000 Won verkauft und die Leute hätten ihr den Stand leer gefuttert.
Morgens hingegen war es hier noch recht entspannt und sie fanden recht schnell einen Parkplatz. Skye wunderte sich wieso Mia keine Security hatte. Sie war vielleicht nicht so berühmt wie Super Junior, aber unbekannt nun auch nicht. Es stellte sich heraus, dass es kein offizielles Shooting war. Also zumindest nicht so richtig. Eine Freundin von Mia war Designerin und hatte jetzt auf der Karosugil eine kleine Boutique. Diese jungen Designer lebten von Instagram und so gab es keinen Katalog oder Webshop, sondern die neuste Kollektion auf Instagram zu sehen und Mia wollte ihrer Freundin unter die Arme greifen. Es war Januar und somit stellte Mia die nächste Frühlingskollektion vor. Nicht das der Frühling in absehbarer Nähe wäre. Immerhin war es trocken und sonnig. Skyes Aufgabe war es Mia mit Chai Latte zu versorgen und selbst Bilder für Mia zu schießen, während die Karosugil zu Mias Fotostudio wurde. Das war hier völlig normal. Fast immer wenn die Amerikanerin hier gewesen ist, hatte sie ein Shooting beobachtet.
Gute eine halbe Stunde später, froren Skye die Finger ab. Mia sprang noch fröhlich durch die Gegend. Vielleicht lag es daran, dass Skye bis vor ein paar Tagen noch auf Fiji gewesen ist. Sie musste sich nur akklimatisieren.
Nach dem Shooting ging es direkt zu KBS. Mia war völlig in ihrem Element und scheuchte alle rum. Lang genug war sie Super Juniors Assistentin gewesen, um zu wissen wie der Hase lief. Skye konnte nur neben ihr stehen und lernen und irgendwie kam sie sich total überflüssig vor.
Die Deutsche schien ihre Gedanken gelesen.
„Believe me, my first days .. what .. weeks … were the same. Don’t worry, soon all of this will make sense to you“, munterte sie die Frau auf. Skye hatte da noch ihre Zweifel.
Als Mia in der Maske saß, dachte sie an ihren Anfang zurück. Damals war alles so anders gewesen. auch die Jungs waren anders damals. Sie würde nicht sagen, dass sie sich auseinander gelebt hatten, aber sie hatten mehr ihre eigenen Leben. Sungmin war verheiratet und erwartete sein erstes Kind. Yesung hatte seit vier Jahren eine Beziehung und alle warteten nur drauf, dass er ihr einen Antrag machte, Heechul war Heechul. Leeteuk hatte gerade eine recht lange Beziehung beendet. Heute vor acht Jahren war Mia wie Skye gewesen. Acht Jahre. Unfassbar wie die Zeit rannte. Sie hatte sich in Donghae verliebt. Noch immer erinnerte sie sich an das Gefühl, als er sie das erste Mal geküsst hatte. Pure Liebe, bis tief in ihre Seele verankert und dieses Gefühl hatte sich nie geändert. Manchmal ertappte sie sich dabei, wie sie ihn anschaute und sich fragte, ob er wirklich ihr war. Ihr ganz allein, so wie sie sein war.
Die Kochsendung war total lustig. Idols mussten backen und eine Jury bewertete ihre Werke. Mia gehörte zur Jury. Skye saß an der Seite und googelte die Idols. Viele waren noch jung. Kai von EXO erkannte sie, ebenso Amber von f(x). Die älteren Idols sah man potentiell seltener in Shows. Sie hatten ihre Jahre der unendlichen Shows bereits hinter sich, doch hier und da kamen sie dann doch zu Besuch und es war dann immer etwas Besonderes. Mia fütterte sie in den Pausen mit Kuchen.
„Was machst du?“, fragte sie und setzte sich auf die Stuhllehne.
„Ich google diese ganzen Leute. Ich komme bei der neuen Generation nicht mehr mit…“
Mia lachte und nickte.
„Ich habe Zuhause eine Wand mit Bildern und Infos zu den Leuten … ah, kennst du schon Kai?“, fragte sie und winkte dem jungen Sänger zu.
„Kai, das ist Skye, meine neue Assistentin.“
Er lächelte sie fröhlich an und verbeugte sich leicht.
„Nice to meet you. Mia is a good boss, don’t worry. Sie ist ganz schön hübsch – hat sie einen Freund?“
Der letzte Teil war an Mia gerichtet. Er hatte versucht sich so normal wie möglich anzuhören.
„Ich weiß nicht, Skye – hast du einen Freund?“
„Nein, im Moment nicht, aber danke für das Kompliment.“
Kai schaute entsetzt von Skye zu Mia.
„Sie … du … sprichst …“
„Ja“, antworteten die beiden Frauen gleichzeitig und man konnte sehen wie sich seine Gesichtsfarbe änderte.
„Ich ehm … ich geh dann mal.“
Es war eiserne Willensstärke nicht zu lachen.
„Sag Bescheid wenn du seine Nummer willst. Er ist wirklich liebeswürdig … wie ein kleiner Donghae“, grübelte Mia und wurde dann wieder zur Aufnahme gerufen. In Skyes Gedanken waren Exo immer noch die Küken, die Kleinen. Die Kleinen, die noch kleiner waren als SHINee, doch inzwischen waren SHINee zu Männern geworden und Exo so langsam auch. Doch das spielte keine Rolle. Skye hatte kein Interesse an irgendeiner Beziehung. Sie wollte nur arbeiten. Den Kopf frei bekommen.
Mia setzte sie im Loft ab nach der Sendung. Niemand war da und Skye nutzte die Chance ein ausgiebiges Bad zu nehmen. Sie hatte ewig nicht mehr gebadet. Auf Fiji hatte sie zunächst auf dem Grundstück einer Familie gewohnt, die mehrere Hütten vermieteten. Dort gab es nur Freiluftduschen. Und selbst wenn sie woanders war, hatte sie immer nur geduscht, weil es viel zu viel zu tun gab. Nun ließ sie sich ein heißes Bad ein, mit mehr Schaum als nötig. Als Kind hatte sie es geliebt sich im Schaum zu verstecken. Sie hatte immer so viel Badezusatz in die Wanne gekippt, dass regelmäßig das Bad mit Schaum überflutet war. Entspannt ließ sie sich sinken. Die Wanne war riesig, vor allem für koreanische Verhältnisse. Sie hielt den Atem an und zählte die Sekunden. Bei der 183. Sekunde hörte sie auf einmal etwas und schreckte auf, nur um festzustellen, dass Siwon im Bad stand. Der war gestern noch nicht da gewesen! Er starrte sie an. Sie starrte ihn an. Dann erschreckte er sich.
„So sorry!“, sagte er eilig, wand sie ab und schloss die Tür.
Er hatte nichts Wichtiges gesehen, es war viel zu viel Schaum in der Wanne, doch sie wusste das es jetzt vorbei war mit gemütlich Baden.
Sie machte sich fertig und ging dann raus. Sie fand Siwon am Esstisch sitzen, als er sie sah, wirkte er immer noch verlegen.
„Ich hätte die Tür abschließen sollen, entschuldige“, sagte sie und lächelte aufmunternd.
„Tut mir wirklich leid … ich bin Siwon … zu wem gehörst du? Leeteuk?“, erkundigte er sich. Schön dass er nicht auf die Idee kam, dass sie ein Einbrecher war. Immerhin schien sie vertrauenswürdig auf ihn zu wirken.
„Nein, zu Mia.“
Siwons Augen wurden groß. Danke für das Kopfkino. Als sie die Fehlinterpretation bemerkte, schüttete sie mit dem Kopf.
„Nein, nicht so. Ich bin Skye, ihre neue Assistentin.“
Siwon fiel ein Stein vom Herzen. Er hatte keine Ahnung, wie er das sonst Donghae erklärt hätte! Erleichtert fing er an zu lachen.
„Meine Güte .. ich dachte …“
„Ja…“
„Aber…“
„Nein“, erwiderte sie und grinste.
„Und du wohnst jetzt hier?“
„Ja, vorerst. Und du?“
Siwon erzählte, dass er eine eigene Wohnung hatte, aber irgendwie gerade ein paar Stalker Mädchen ständig davor rumlungerte. Er war vorhin erst aus Taiwan zurückgekommen und hatte im Protokoll seiner Wohnung gesehen das unzählige Male ein falscher Code eingegeben worden war. Nach dreimaliger Falscheingabe wurde unten der Wachmann informiert, doch er ging davon aus, dass es jemand war, der im gleichen Haus wohnte. Nun fühlte er sich dort nicht mehr wohl, was Skye absolut nachvollziehen konnte und so wollte er ein paar Wochen hier bleiben, bis der Umzug durch war.
„Woher kannst du Koreanisch? Du sprichst es sehr gut.“
„Ich wollte Dolmetscher werden und habe einige Sprachen studiert, mitunter auch Hangul. Ein paar Semester habe ich an der Seoul National studiert, mitunter auch Geschichte. Ich mag Korea.“
Siwon schien beeindruckt.
„Und wo kommst du her? Wo bist du Zuhause?“
Diese Frage war nicht einfach zu beantworten. Skye stand auf und ging zu dem großen Fenster. Die Nacht war schon über Seoul herein gebrochen und sie blickte zum Himmel.
„Second star to the right and then straight to the morning…“, sagte sie und lächelte. Ja, das Nimmerland war ein guter Heimathafen.
Später am Abend sollte sie Mia wieder treffen. Sie hatte ein Abendessen mit G-Dragon alias Jiyong und Donghae war auch dabei. Sie trafen sich alle im I-Tasia. Offiziell würde man es wohl als ‚Erlebnis-Gastronomie‘ bezeichnen. Es gab eine große Tanzfläche, aber generell war es sehr verzweigt und verwinkelt. Es gab ein integriertes Restaurant mit Liegeflächen, eine Sauerstoff-Bar und eine Cocktailbar, die auf besondere Cocktails spezialisiert war. Sie dampften und leuchteten und änderten die Farbe. Manche sahen aus, als würde in ihnen eine Blume wachsen. Skye hatte Videos auf Youtube gesehen und war beeindruckt. Und man konnte tatsächlich alles trinken, was eigentlich viel zu schade war. Die erste Bar mit solchen Cocktails hatte in Australien vor ein paar Jahren auf gemacht und einer der Barkeeper war nun hier, im I-Tasia. Skye hatte einen Cocktail, der einen Vulkan am Boden hatte, aus dem rote Bubbles raus ploppten. Sie hatte keine Ahnung, nach was er schmeckte, das hatte sie sich noch nicht getraut heraus zu finden. Die vier hatten ein eigenes Zimmer für sich um ungestört zu sein.
Nach dem Essen kamen sie zum geschäftlichen Teil. Donghae bedeutete Skye ihm zu folgen und so schlichen sie sich raus zur Bar.
„Wenn die beiden sprechen, verstehe ich immer nur die Hälfte“, gab er zu und bestellte zwei Soju.
„Oh wow und ich dachte das ging nur mir so.“
Sie lachten und stießen gemeinsam an.
„Mit Jiyong hat sie etwas, was wir nicht haben und wir haben wirklich viel. Aber die zwei sind wie … der Mad Hatter und Alice. Wie gefällt es dir bisher?“
„Gut, auch wenn ich noch nicht viel machen kann. Alle sind sehr nett.“
„Keine Sorge, das ist nur am Anfang so“, sagte Donghae so dahin und Skye schaute ihn entsetzt an.
„Nein, nein, nein, wir sind in der Regel nett … also … die meisten … nicht alle … aber das wirst du schon noch heraus bekommen.“
„Na du machst mir ja Hoffnung.“
Nach ungefähr einer Stunde waren Mia und Jiyong fertig und sie gingen ebenfalls zur Bar.
„Ich muss noch was erledigen, kannst du Skye später zum Loft fahren?“, fragte Mia den Rapper.
„Klar, kein Problem.“
Und dann war sie weg, einfach weg und Skye saß da, mit dieser Legende neben sich.
„Hey, ein Freund macht eine Einweihungsparty, willst du mit?“
„Klar“, kam es aus ihrem Mund ohne wirklich darüber nachzudenken.
Ehe sie sich versah landete sie auf der Einweihnungsparty von Big Bangs TOP, nur eine Sache irritierte Skye.
„Wohnt er hier?“
„Noch nicht, aber bald.“
Skye stand immer noch auf dem Schlauch. Die Malertische waren zur Bar geworden und Farbeimer zu Sitzgelegenheiten.
„Wieso feiert er eine Einweihungsparty, wenn er noch nicht eingezogen ist?“ Sie konnte nicht anders, sie musste fragen.
„Weil er Angst um seine Sachen hat und den Teppich und seine Weinsammlung. Jetzt kann man noch alles kontrollieren, noch kann kein Schaden entstehen.“
Huh. Okay, ja, komisch, aber okay.
Seunghyun hatte ein Haus mit Blick auf den Hangang. Es war modern und großzügig geschnitten, viel zu viel Platz eigentlich für eine Person.
„Und gefällt es euch?“, fragte Seunghyun seinen Bandkollegen und seine Plus-Eins.
„Es ist sehr … groß“, antwortete Skye.
„Ja, bald wird es hier etwas voller. Da drüben kommt eine Couch hin, beige, ein Big Sofa, eine riesige Liegefläche und auf den Boden wird ein weicher, dunkelbrauner Boden liegen. Dort wird ein Podest sein mit einem großen Esstisch aus Holz. Er ist nicht einfach rund, sondern uneben, als wäre er aus einem Stück Baum geschnitten, ähnlich wie bei Super Junior, nur nicht ganz so groß. Ich habe die Platte selbst ausgesucht. Hier drüben kommt ein Kamin hin und dort die Wand wird voll und voll mit Bildern von der Band, meinen Freunden und meiner Familie sein.“
Seunghyun erklärte es ganz genau und vor Skyes innerem Auge veränderte sich der Raum, wurde warm und gemütlich. Sie lächelte ihn zustimmend an.
Kurz darauf kam ein DJ und es wurde laut in dem hallenden Haus. Unterhalten ging nicht, trinken schon. Jiyong war ein Magnet für Leute, er schien alle auf einmal unterhalten zu wollen und jeder hing förmlich an seinen Lippen. Skye schlich sich davon in das obere Stockwerk und setzte sich vor die Fensterfront des einen Schlafzimmers, um die Skyline zu genießen.
„Da bist du!“
Jiyong stand in der Tür, zwei Gläser und eine Flasche Tequila in der Hand.
„Ich habe dich gesucht.“
„Ich habe mich nicht versteckt.“
Er setzte sich zu ihr auf den Boden und füllte die Gläser.
„Was siehst du, wenn du aus dem Fenster schaust?“, fragte er sie. Skye ließ ihren Blick noch einmal schweifen.
„Ein wundervolles Lichtermeer. So viele Möglichkeiten, so viel zu erleben. Was siehst du?“, fragte sie zurück und sie stießen gemeinsam an.
„Ein Monster.“
„Ein Monster?“ Skye lachte. Seoul war vieles, aber kein Monster – oder doch?
„Alle schuften sich ab, um das Monster zu nähren. Keiner hat mehr Zeit stehen zu bleiben, Luft zu holen und zu sehen, was um einen herum geschieht. Jeder will immer nur mehr. Höher, schneller, länger. Früher konnte man nachts die Stille hören, die sich über die Stadt gelegt hat, jetzt hört man immer Autos, immer. Selbst nachts steht man im Stau. Es ist ein Monster, dass niemals schläft.“
Beide starrten sie raus zu dem Monster.
„In der Stille der Nacht dumpfes Rauschen,
Blitze, Feuer, leise lauschen,
Lichter, Farben überall,
Häuser neu und im Zerfall,
Leises Klieren, laute Klingen,
Wollen einen in die Knie zwingen,
Menschen leben,
Straßen beben,
Der Raum so groß und doch allein,
Herrschen oder der Beherrschte sein?
Ohne Schlaf und immer wach,
Die Großstadt hält uns stets in Schach.“
Nun starrte er sie an.
„Ist das von dir?“ Skye nickte.
„Ernsthaft? Du dichtest in Hangul?“
„Es war ein Projekt im Unterricht – ich hab auch eins auf Schwedisch, willst du es hören?“
Beide fingen sie an zu lachen und plötzlich war er Mensch. Kein Star, kein Idol, kein Millionär, einfach nur Mensch.
Der Moment wurde unterbrochen, als unten jemand ‚Polizei‘ rief und das ziemlich panisch. Wahrscheinlich dachte einer der Nachbarn, dass in das unbewohnte Haus eingebrochen war und hatte die Polizei verständigt. Jiyong stand auf und reichte ihr die Hand.
„Komm mit.“
Sie liefen den Gang entlang und fanden dort noch eine Treppe, die wieder nach unten führte. Skye hatte diesen Teil des Hauses noch nicht gesehen und verließ sich auf Jiyongs Führung. Durch eine Tür gelangten sie ins Freie, hinten auf der Gartenseite. Ein Weg führte runter, das Grundstück lag am Hang. Unten gab es eine Tür mit Sicherheitscode, den Jiyong natürlich kannte.
„Was ist mit Seunghyun?“, fragte sie, bevor sie durch die Tür ging.
„Sein Haus, sein Ärger“, und damit war das Thema erledigt.
Sie liefen, bis ihnen die Puste ausging. Skye lehnte sich an eine Wand, als sich ihre Blicke trafen, fingen sie an zu lachen. Es war Seunghyuns Haus, ihnen wäre nichts passiert, aber so konnten sie erzählen, wie sie vor der Polizei geflüchtet waren.
Gemeinsam suchten sie ein Taxi und fuhren zuerst ins Loft. Jiyong stieg mit ihr aus.
„Werde ich dich wieder sehen?“, fragte er reuevoll.
„Meine Jacke ist in deinem Auto, ich denke schon.“
„Wir könnten sein wie Harley Quinn und der Joker“, schlug er vor.
Skye zog die Augenbrauen zusammen.
„Du weißt schon, dass in den Comics die Beziehung nicht wirklich gesund ist?“
„Ich meine die Filmversion!“
„Ah … unwissend und von einem Gedanken besessen“, stellte sie fest. Leute die nur den Suicide Squad gesehen hatten, aber die Comics nicht kannten, dachten tatsächlich das Harley und der Joker verliebt waren, doch in den Comics sah es anders aus. Verquer und psychopathisch.
„Ich werde es dir beweisen.“ Beschwor er, halb Drohung, halb Versprechen.