Es war fast 19 Uhr, als Laila koreanischen Boden unter den Füßen hatte. Sie fühlte sich ausgeschlafen und hatte einige Stunden gemütlich in ihrem Sitzplatz in der Ersten Klasse geschlummert. Sie fühlte sich wie neu geboren, dabei war es schon Abend in Korea.
Während Laila durch den Transitbereich in Richtung Gepäckausgabe ging, überlegte sie jedoch, wie sie nach Seoul kam. Jiyong hatte ihr seine Adresse und seine drei Handynummern geschickt, erwartete er, dass sie direkt zu ihm fuhr? Und wenn ja wie? Laila dachte an die zwei riesigen, schweren Koffer und was für eine Tortur es sein würde mit der Bahn oder dem Bus in die Stadt zu fahren. Welcher Bus fuhr überhaupt in seine Gegend? Sie konnte schlecht die Adresse von G-Dragon der Dame am Ticketschalter hinlegen und fragen, welche Buslinie dort hin fuhr. Wobei, dort wohnten auch noch viele andere Seouler, doch seine Adresse kam ihr heilig vor. Ja, es war Blödsinn, denn wenn man bedachte, wie viele Fans vor seinem Haus kampierten, dann konnte man nicht wirklich sagen, dass sein Wohnsitz anonym wäre.
Sie erreichte die Rolltreppe, die zu den Gepäckbändern führte. Obwohl Laila so lange nicht mehr hier gewesen ist, kam es ihr vor, als wäre es gestern gewesen. Die große Halle, der Wechselschalter, die Zollkontrolle, alles war an der gleichen Stelle wie beim letzten Mal. Ihre Koffer rotierten schon auf dem Gepäckband, als sie ankam und sie fragte sich, wie ihre Koffer es geschafft hatten schneller als sie zu sein.
An dem Wechselschalter wechselte sie etwas Geld. Der Kurs war hier schlechter, als in der Stadt, daher wechselte sie nur 50 Dollar, das reichte um nach Seoul zu kommen und sich etwas zu Essen zu kaufen, alles weitere würde sie dann später sehen. Sie ging durch den Zoll in die Ankunftshalle. Hier standen Freunde und Familien anderer, die auf ihre Lieben warteten, Hotelshuttles und Firmenfahrer, die auf die ankommenden Geschäftspartner warteten und zwischen all diesen Leuten, stand ein Mann mit einem Schild, auf dem ‚Lala‘ stand. Fast hätte sie ihn gar nicht gesehen, sie hatte nur durch die Menge geschaut und war aus Zufall an seinem Schild hängen geblieben.
„ Entschuldigen Sie, meinen Sie mich?“ Sie deutete auf das Schild und erwartete eigentlich schon fast, dass noch jemand anderes ‚Lala‘ hieß.
„ Sind Sie Park Laila?“
„ Ja.“
„ Dann meine ich Sie. Herzlich willkommen in Seoul! Warten Sie, ich nehme ihre Koffer.“ Und ehe sie sich versah hatte der Mann ihr die Koffer aus der Hand genommen und bedeutete ihr ihm zu folgen. Sie hatte absolut die Kontrolle verloren, seit sie in dieses Flugzeug gestiegen war und sie genoss es! Zum ersten Mal seit langem dachte jemand anderes für sie, es war ein tolles Gefühl.
Auf dem Parkplatz stand ein Van, in dem der Fahrer ihre Koffer verstaute und ihr die Tür öffnete. Auf der Rückbank lag ein Umschlag, auf dem ihr Name stand. Das erste, was ihr auffiel, war ein Iphone, was ihr in dem Umschlag entgegen strahlte und ein weiterer, kleinerer Umschlag.
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‚Lala,
ich hoffe du hattest einen guten Flug, ich freue mich sehr das du da bist. Leider musste ich spontan ein paar Tage nach Singapur, es tut mir leid, dass ich nicht da sein kann. Ich habe die ein Hotelzimmer reserviert, wo du die nächsten Tage wohnen kannst. Anbei liegt ein Telefon, eine Kreditkarte und etwas Bargeld, sehe es als Entschuldigung dafür, dass ich dich erst nach Korea scheuche und dann selbst nicht da bin ^-^
Sobald ich wieder in Seoul bin, rufe ich dich an und dann können wir uns sehen. Ich freue mich sehr darauf!
Ji‘
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Laila schaute in den zweiten Umschlag, dort fand sie eine Kreditkarte und gut 2000 Dollar in Won. Dieser Mann hatte überhaupt keinen Bezug zu Geld, was sollte sie in ein paar Tagen mit so viel Geld anfangen? Seoul kaufen? Sie packte die Sachen in ihre Handtasche und lehnte sich zurück. Immerhin hätte sie Zeit ihre Familie zu besuchen. Morgen würde sie Joonho anrufen und bei ihrer Tante vorbei fahren.
Die Fahrt in die Stadt dauerte eine Stunde. Seoul kam immer näher und irgendwann waren sie mitten drin. Die Sonne war bereits fast unter gegangen und durch die getönten Scheiben versuchte sie während der Fahrt so viel wie möglich von der Stadt aufzunehmen. Alles leuchtete! Überall waren Leuchtreklamen, bunte Gebäudefassaden und strahlende Springbrunnen. Es war ein Unterschied wie Tag und Nacht, wenn sie an ihr kleines Städtchen in Amerika zurück dachte, in dem sie bis gestern noch gewesen ist.
Das Hotel, was der Herr sich raus genommen hatte für sie zu buchen, war kein anderes als das Park Hyatt. Als Laila die Autotür von einem Concierge geöffnet bekam und zu dem Hotel aufschaute, war es reine Willenskraft gewesen den Mund geschlossen zu halten. Dennoch starrte sie, wenn auch nicht wie ein Karpfen.
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Das Zimmer war zauberhaft! Noch nie hatte Laila so viel Platz für sich alleine gehabt und nun, wo die Tür verschlossen war, fing sie fröhlich an zu quietschen und wie ein Kind auf dem Bett zu hüpfen. Auch wenn sie nächste Woche nach Amerika zurück fliegen sollte, schon jetzt hatte es sich gelohnt. Sie erinnerte sich daran, wie es war ungezwungen zu sein, frei, lebendig. Sie hatte so lange auf diese Gefühle verzichtet, dass sie sich kaum daran erinnern konnte. Natürlich hatte sie auch mit ihren Freunden Spaß, doch eine Party oder ein Trip waren irgendwann zu Ende und die Angst um ihren Vater waren immer da gewesen. Vielleicht lag es daran, dass sie auf der anderen Seite der Welt war, dass sie ihr altes Leben einfach mal vergaß, sogar vergaß Eric eine Nachricht zu schicken, dass sie gut gelandet war.
Nach diesem ersten Anfall der Freude, packte sie das Wichtigste aus und legte sich dann in die Badewanne, um darüber nachzudenken, was sie als nächstes tun sollte. Sie schaute raus in der die Stadt, von ihrem Zimmer im 18. Stock, aus dem Fenster, dass von der Decke bis zum Boden reichte und wollte am liebsten an 1000 Orten gleichzeitig sein. Physisch war das nicht möglich, dass wusste sie, deswegen musste sie gut überlegen, was sie mit diesem Abend anstellte. Sie schrieb Jiyong eine Nachricht und bedankte sich – sie bekam einen Smilie zurück. Kommunikation konnte so einfach sein.
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Bis Laila angezogen und fertig war, war es fast 22 Uhr, was in Seoul nicht viel zu sagen hatte. Sie wach wach, hell wach und auch wenn sie am liebsten die ganze Nacht durch Dongdaemun shoppen würde, wusste sie, dass sie keinen Jetlag gebrauchen konnte. Also würde sie etwas essen gehen, vielleicht etwas spazieren, dann würde sie schlafen gehen und Morgen würde ein ganz normaler Tag werden.
Bei der Samsong Station holte sie sich eine T-Money Card und nahm dann die Inner Circle Line in Richtung Ttukseom. Allein schon U-Bahn fahren … diese Melodie, wenn die Bahn kam und bei den einzelnen Stopps, erinnerte sie an früher. Alles war sauber, alle Leute tippten wie wild auf ihren Smartphones ein. Laila saß neben einer älteren Frau, die ein Jump & Run Spiel auf ihrem Samsung Note 2 hatte. Laila kannte es nicht, aber es sah lustig aus. Und hier setzte der Unterschied zwischen Amerika und Korea ein. In Amerika hätte sie jetzt die Frau gefragt, was das für ein Spiel sei, doch in Korea schickte sich das nicht einfach Gespräche mit Fremden anzufangen. Obwohl sie den Ausländervorteil hatte – zumindest optisch. Ältere Leute waren entweder von Ausländern fasziniert oder hassten sie. Zu welcher Kategorie die Frau gehörte war schlecht zu sagen, denn Laila hatte sich neben sie gesetzt. Wenn sich die Frau neben Laila gesetzt hätte, wäre es ein Zeichen gewesen, dass sie keine Angst vor Ausländern hatte, auch wenn Laila es hasste über sich als Ausländer zu denken. Sie war Koreanerin, sie sah eben nur nicht so aus, aber ihr Pass sagte eindeutig, dass sie Koreanerin war. Konnten Koreaner mit anderen Koreanern sprechen, einfach so?
„ Entschuldigen Sie, was ist das für ein Spiel?“ Die Frau drückte auf Pause und schaute zu ihr.
„ Das ist Cookieron.“
„ Cookieron?“
„ Ja, es ist ein Kakao Talk Spiel, hast du Kakao Talk?“
„ Ehm, ja, ich denke schon. Ich habe ein ganz neues Telefon bekommen.“
Mit dem sie bisher noch nicht viel angestellt hatte. Sie hatte Smartphones bei Freunden gesehen, hatte aber selbst noch nie eins gehabt. Sie holte ihr Iphone 5S raus.
„ Du musst dir nur das Kakao Talk App runter laden und dann das Spiel. Es macht sehr viel Spaß.“
„ Danke.“
Laila wusste was Kakao Talk war, Minsoo warf ihr immer vor, dass sie es nicht hatte und dass die Kommunikation viel einfacherer wäre, wenn sie es hätte.
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Sie stieg an der Konkuk Universität aus und lief die große Treppe runter. Schräg gegenüber der Station lag Star City, ein Gebäudekomplex aus Wohnhochhäusern, Bürogebäuden, einem Einkaufszentrum und einem Kino. Auf der anderen Seite lag die Konkuk Universität und zu ihrer Linken lag das Ausgehviertel von Ttukseom. Sie lief eine Weile die Hauptstraße entlang und wurde reizüberflutet von den Kosmetikläden. Etude House, Artitaum, Tony Moly, Nature Republic, Shara Shara und viele andere Marken. Mädchen standen vor den Läden und versuchten Kunden in die Geschäfte mit Gratisproben zu locken. Die Läden würden bald schließen, Laila hatte wenig Kosmetikprodukte dabei, beschloss aber Morgen früh nach Myeongdong zu fahren um dort einkaufen zu gehen. Sie wollte nur etwas essen und dann unten am Hangang spazieren gehen. Das Wetter war schön, trocken und warm. Sie hatte eine Jeans an, ein Shirt und eine weißes Hemd. Es war sehr leger, doch sie wollte ja auch nicht feiern gehen. Sobald man von der Hauptstraße abbog gelangte man in ein verwinkeltes Viertel, in dessen Gassen kaum genug Platz für ein Auto war und trotzdem quetschten sich immer wieder Wagen hier durch. Laila wäre es viel zu stressig hier zu fahren. Sie suchte sich ein kleines Restaurant, oben im ersten Stock. Um diese Uhrzeit war in den Restaurants nicht mehr so viel los, um diese Uhrzeit waren die meisten in den Bars.
Sie zog ihre Schuhe am Eingang aus und kniete sich vor einem der niedrigen Tisch.
„ Guten Abend“, sagte sie der Kellnerin, die sie überrascht ansah.
„ Hello. Do you need … menu?“, stotterte sich die Frau einen ab.
„ Nein danke, nicht nötig. Ich nehme Naengmyeon und Pajeon und einen grünen Tee bitte.“
Die Kellnerin war nun in einem Dilemma. Da saß eine Ausländerin, die akzentfrei Koreanisch sprach und Essen bestellte, was so gar nicht zusammen passte. Sie wusste schlicht nicht wohin sie Laila stecken sollte, doch das würde sie natürlich nicht zugeben und so nickte sie und ging in die Küche.
Laila war sich bewusst, dass eine kalte Rinfleisch-Nudelsuppe und ein koreanische Pfannkuchenmit Gemüse nicht wirklich zusammen gehörten, doch sie hatte auf beides Hunger. Sie hatte so lange auf koreanisches Essen verzichtet, denn Arlene mochte es nicht, wenn sie koreanisch kochte und sie hatte in Amerika auch nicht immer die Zutaten bekommen, die sie brauchte.
Es dauerte nicht lange, bis die Kellnerin Lailas Tisch mit Essen voll stellte.
„ Vielen Dank, das sieht sehr gut aus.“
„ Ihr Koreanisch ist sehr gut“, erwiderte die Kellnerin, offensichtlich doch neugierig in welche Schublade sie den Gast stecken sollte.
„ Danke, ich bin Koreaner“, gab Laila zurück, als wäre es das normalste auf der Welt und begann zu essen. Die Kellnerin stutzte, sagte jedoch nichts weiter und wunderte sich nur.
Vielleicht lag es daran, dass sie Hunger hatte oder das sie so lange kein koreanisch mehr gegessen hatte, aber Laila hätte sich am liebsten in das Essen rein gelegt, um sich von innen nach außen zu futtern.
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Gut gesättigt verließ sie das Restaurant. Sie mochte es nicht so viel zu essen, dass man das Gefühl hatte, man würde sich rollend schneller fortbewegen würde, als laufend. Ihre Freunde behauptete, dass das ihr Geheimnis wieso sie eine – wie drückten sie es so liebevoll aus? Ah – ‚Skinny bitch‘ war. Dabei war es nicht so, dass sie wenig essen würde, um nicht zuzunehmen. Sie machte viel Sport, sie turnte, machte Yoga und joggte und die hatte kein Hang zu Süßigkeiten oder fettigen Sachen. Sie aß auch mal ein Stück Schokolade, sie musste sich nur keine ganze Tafel gönnen, davon wurde ihr schlecht. Fastfood verweigerte sich Laila ganz, weil sie es als Betrug an der Menschheit empfand das Essen zu verkaufen. Wenn sie darüber nachdachte, was in diesem Zeug alles drin war und woher die Sachen kamen, wurde ich übel. Das bedeutete nicht, dass sie nicht mal einen Burger aß, doch nur in Restaurants die richtiges Fleisch genutzten. Auch die Pizzaketten waren nicht ihres, es war ihr zu fettig und zu ölig. Somit ernährte sie sich tatsächlich meistens von gesunden, unfettigen Sachen. Lieber von gesunden Sachen ernähren und eine ‚Skinny Bitch‘ sein, als Übergewicht zu haben und sich Sachen in den Mund zu schieben, die eigentlich gar nicht in den menschlichen Organismus gehörten.
Unten am Hangang ging sie in den kleinen Supermarkt und holte sich Proviant für ihren Spaziergang und für später im Hotel, falls sie heute Nacht Gelüste bekommen sollte. Sie holte sich Reiskekse, koreanische Zwiebelringe, einen kleinen Kuchen und zwei Flaschen Vitaminwasser, von dem sie wusste, dass es so viele Vitamine beinhaltete wie Softeis, doch sie mochte den Geschmack.
Laila folgte dem Hangang Richtung Osten. Es war eine ruhige Nacht, das Wasser des Hangang plätscherte gegen das Ufer, als sie plötzlich von etwas getroffen wurde. Sie schaute auf, war es ein Zufall? Nein, da war es wieder und wieder. Regentropfen und auf einmal waren es so viele, dass sie Ausschau nach einem Rettungsring hielt. Regen in Asien war anders. Es gab diesen netten, harmlosen Regen und dann gab es diesen monsunartigen Regen, so gewaltig, dass er eigentlich eine eigene Facebook-Seite brauchte. Sie hatte kein Cape, keinen Schirm, die einzige Möglichkeit, die ihr blieb war rennen. Doch wohin? Sie war von beiden Brücken ungefähr jeweils einen Kilometer entfernt, dazwischen lag nicht viel. In der Ferne konnte sie Lichter von einem Parkplatz erkennen, wie es sie häufig am Hangang-Ufer gab und so rannte sie los, auf der Suche nach einem Unterschlupf. Eigentlich war es egal ob sie rannte oder ging, denn binnen weniger Minuten, war sie bis auf die Haut durchnässt. Das Rennen führte nur dazu, dass sich an diesem Zustand vielleicht ein wenig schneller etwas änderte.
An dem Parkplatz gab es eine Ecke mit Sitzgelegenheiten, die überdacht waren, zu denen sie eilte. Zwar wäre sie immer noch nass, doch zumindest aus dem Regen. Anstatt einer Kreditkarte hätte Jiyong ihr lieber einen Schirm eingepackt, doch wahrscheinlich hatte er gedacht, dass sie mit der Kreditkarte ja einen kaufen könnte. Mit diesen irritierenden Gedanken, wäre sie fast noch in jemanden rein gerannt, der sich auch dort unter gestellt hatte, doch ernsthaft, wer ging denn mitten in der Nacht mit einem schwarzen Jogginganzug joggen und zog sich die Kapuze ins Gesicht als wäre er ein Ninja?
„ Oh Entschuldigung“, sagte sie, als sie gerade noch rechtzeitig zum Stehen kam.
„ Schon gut“, sagte der Mann und lächelte. Und schon wieder starrte sie, denn das Gesicht im Dämmerlicht, welches sich ihr präsentierte, war kein anderes, als das von Choi Siwon von Super Junior. Verlegen schlug sie die Augen nieder und lächelte, bevor sie sich hinsetzte. Was hätte sie denn tun sollen? Wie ein Groupie nach einem Autogramm fragen? Sie war dabei G-Dragons offizielle Freundin zu werden, für groupiehaftes Benehmen war keine Zeit.
„ Puh … was ein Regen“, sagte er nach ein paar Minuten und setzte sich ebenfalls hin – nicht ohne den höflichen Mindestabstand zu bewahren.
„ Ja, ich wünschte ich hätte eine Tauchausrüstung, dann könnte ich nach Hause tauchen.“
Siwon lachte auch wenn Laila ihre Worte ziemlich dämlich vorkamen.
„ Du sprichst Koreanisch?“ Die Frage war rhetorisch, denn offensichtlich sprach sie Koreanisch, ansonsten wäre diese Unterhaltung gar nicht möglich.
„ Ja, ich bin Koreanerin.“
Sein Blick ähnelte der der Kellnerin.
„ Ernsthaft, wieso schaut mich jeder so an?“ Sie lachte verlegen und streifte sich durch die nassen Haare.
„ Na ja … du …“
„ …siehst nicht aus wie eine Koreanerin, ich weiß.“
„ Verrätst du mir dein Geheimnis?“, fragte er neckisch.
„ Ich bin ein Findelkind. Meine Eltern haben mich gefunden, als ich ein paar Tage auf der Welt war und haben mich adoptiert. Ich bin hier aufgewachsen – ich habe einen koreanischen Pass.“
„ Oh, das tut mir leid.“
„ Du musst dich nicht für etwas entschuldigen, was du nicht getan hast – oder bist du meine Mutter, die mich damals vor die Tür Fremder abgelegt hat?“
Er lachte wieder. Laila mochte es, wenn er lachte.
„ Nein.“
„ Beruhigend.“ Wenn er ihr Mutter wäre, müsste sie grundlegend ihr Weltbild ändern. Sein Magen knurrte.
„ Was hast du getan, dass er so sauer ist?“ Sie deutete auf seinen Bauch.
„ Ich habe ihn mit dem Essen warten lassen“, gab er zu und schaute nicht glücklich.
„ Oh warte…“ Laila durchsuchte ihre Handtasche nach dem Essen, dass sie gekauft hatte und platzierte es zwischen ihnen. Zu guter Letzt reichte sie ihm ein Vitaminwasser und nahm sich selbst das andere.
„ Oh wow, was hast du noch alles in deiner Handtasche?“
„ Eine Heimkinoanlage, aber die Batterie ist leer.“
Kopfschüttelnd grinste er und sie begannen zu essen. Sie saß mit Siwon auf einer Bank im strömenden Regen und plauderte mit ihm! Die natürliche Reaktion darauf wäre eigentlich Ohnmacht gewesen.
„ Und du bist erst kürzlich wieder nach Seoul gezogen?“ Hey, das war nicht gelogen.
„ Ja.“
„ Und was machst du hier?“
Ich werde die offizielle Freundin von G-Dragon, aber ich sehe das eher als einen Nebenberuf an. Jetzt mal ehrlich, wie könnte sie die Wahrheit sagen?
„ Ich studiere.“
„ An welcher Uni?“
„ An der Inha.“ Das war die Universität an der Minsoo studierte und das erste was ihr einfiel. Sie lag zwar in Incheon, aber viele Studenten kamen aus Seoul, es wäre also nichts ungewöhnliches. Siwons Augen weiteten sich.
„ Nicht dein Ernst! Ich auch!“ Oh oh.
„ Nein, was ein Zufall!“ Sie versuchte ihr Geschocktheit zu überspielen.
„ Welches Studienfach?“
„ Wirtschaftswissenschaften.“ Das studierte Minsoo. Unfassbar das sie als ehemalige Medizinstudentin des Hopkins sich ein anderes Studium zurechtlügen musste.
„ Und wer ist dein Professor?“ Jetzt hörte ihr Wissen auf. Gut, sie waren in Korea, der Großteil der Bevölkerung wurde durch Parks, Lees, Kwons und Chois abgedeckt, sie hatte also gute Chancen damit richtig zu liegen. Gerade als Laila ihren Mund öffnete, kam er ihr zuvor.
„ Entschuldige, ich quetsche dich hier völlig aus. Übrigens, ich bin Choi Siwon.“
„ Ich heiße Park Laila.“
„ Laila … ein schöner Name.“
„ Danke.“
Er machte sie verlegen und das in ihren Augen mit voller Absicht.
„ Ist dir kalt?“ Laila rubbelte sich leicht die Arme, es war zwar nicht sehr kalt, doch dadurch dass sie komplett durchnässt war, fror sie.
„ Nur ein wenig.“ Das ließ Siwon nicht gelten und er zog sein Zipper aus und legte ihn Laila um die Schultern.
„ So, schon besser.“
Es wurde immer später und doch hörte es nicht auf zu regnen.
„ Ich denke ich rufe einen Freund an, um mich abzuholen.“
„ Ja, das solltest du tun“, erwiderte Laila. Es war ein Wunder, dass sie nicht von Fans umzingelt waren. Viele Stalker rannten ihren Idols wortwörtlich Tag und Nacht hinterher. Etwa zwanzig Minuten später kam ein Auto auf den Parkplatz gefahren.
„ Das ist mein Freund. Es war nett dich kennen gelernt zu haben, vielleicht sich man sich auf den Campus?“
„ Ja, bestimmt. Komm gut nach Hause.“
Und dann joggte er davon. Laila hatte noch immer seinen Zipper, er hatte nichts gesagt. Vielleicht waren Zipper-Pullover so etwas wie der moderne Glaspantoffel und sein Zeichen ihr zu sagen, dass er sie wieder sehen wollte. Wahrscheinlich bekam sie nur Fieber.
„ Bye Siwon…“, flüsterte sie, als er in den Wagen stieg. Allerdings fuhren sie nicht los. Sie beobachtete das Auto und dann öffnete sich die Tür wieder und Siwon joggte auf sie zu. So viel zum Thema Glas-Pantoffel-Zipper-Pullover. Sie zog den Pulli schon von ihren Schultern.
„ Wie … wie kommst du hier weg?“, fragte er sie ohne den Pullover zu nehmen.
„ Ehm … ich weiß nicht. Es wird sicher bald aufhören zu regnen.“
Er schien kurz nachzudenken.
„ Na komm schon mit.“
Laila zögerte, meinte er das ernst?
„ Na komm schon. Ich verspreche dir, ich bin kein Verbrecher“, scherzte er und sie lachte.
Gemeinsam liefen sie zu dem Wagen und Laila stieg auf dem Rücksitz ein. Da drehte sich der Fahrer zu ihr um.
„ Hi, ich bin Donghae.“
„ Hi … ich bin Laila.“
Okay, langsam wurde es zu viel. So viele Zufälle konnte es statistisch doch gar nicht geben! Es war eine Beleidigung der Mathematik.
„ Wo wohnst du denn?“, nun drehte sich auch Siwon zu ihr um.
„ Bei der Ewha in einem Studentenwohnheim.“
Von dort aus würde sie schon irgendwie zum Hotel kommen.
„ Aber die Sperrstunde ist doch schon längst vorbei“, bemerkte Donghae und blanke Panik musste ihr im Gesicht gestanden haben. Daran hatte sie nicht gedacht.
„ Oh ja … ich Dummerchen. Das ist nicht schlimm, ich kann ins Jimjilbang gesehen … da ist es wenigstens warm.“
Es war normal für Studenten, die ihre Sperrzeit verpasst hatten ins Badehause zu gehen. Dort gab es Essen, Fernseher und Bücher, natürlich auch die Sauna und oft auch richtige Schlafräume mit Betten. Siwon schaute zu Donghae.
„ Meinst du …“
„ Können wir…?“
„ Aber die anderen …“
„ Doch andererseits …“
„ Überlege mal wie oft …“
„ Da hast du recht …“
„ Na komm, was soll’s.“
Sie beobachtete das Pingpong-Match und fragte sich wie sie sich mit diesen paar Wortfetzen verständigen konnten. Wahrscheinlich jahrelange Übung.
„ Wäre es okay für dich, wenn du bei mir schläfst?“
„ Siwon … das ist nicht nötig …“
„ Wir können dich nicht einfach hier draußen lassen, du bist völlig durchnässt, du brauchst trockene Sachen und du hast mich vor dem Hungertod bewahrt.“
Laila tat so, als müsste sie innerlich mit sich ringen. Für was brauchte man ein Park Hyatt, wenn man im Super Junior Inn nächtigen konnte?
„ Okay, aber nur, wenn es dir nichts ausmacht.“
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Das Dorm war nicht weit weg, es dauerte nur ein paar Minuten, da bog Donghae in die Tiefgarage ab und blieb stehen.
„ So, hier endet meine Fahrt. Zuhause warten mindestens zwei Schreihälse auf mich“, sagte Donghae lachend. Er hatte Zwillinge, so viel wusste Laila. Einer der wenigen Idols, die öffentlich zu ihrer Beziehung standen und damit sogar Erfolg zu haben schien.
„ Laila… nur damit du es weißt, ich … habe ein paar Mitbewohner…“
„ Willst du meine Intelligenz beleidigen? Ich gehe auf die Inha.“ Sie hatte sich ohnehin schon weit genug aus dem Fenster gelehnt, wieso also nicht noch einen drauf packen?
„ Ich lebe zwar noch nicht lange wieder in Seoul, doch auch ich habe einen Fernseher – ich weiß wer du bist.“
Mit diesen Worten stieg sie aus dem Auto und hinterließ einen verblüfften Siwon. Donghae grinste und zuckte mit den Schultern.
„ Na dann viel Glück mit deinem eigenen Ausländer.“
„ Sie ist kein … vergess es…“
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„ Du hast mich angelogen.“ Er wirkte schmollig, wie ein kleiner Junge.
„ Nein.“
„ Nein?“
„ Nein. Ich habe nie gesagt, dass ich nicht wüsste wer du bist.“ Siwon schien darüber nachzudenken.
„ Weißt du, was ich hier gerade tue ist sehr heikel…“
„ Ich weiß, deswegen habe ich gesagt, wenn es dir nichts ausmacht. Macht es denn ein Unterschied ob ich weiß wer du bist oder nicht? Wenn mich hier jemand erwischt ist es ein Skandal.“
„ Da hast du Recht.“ Das schien selbst ihn zu überraschen.
„ Du hast mir versprochen, dass du kein Verbrecher bist und ich verspreche dir, dass ich kein gestörter Fan bin, der sich an dein Bett bindet. Deal?“
„ Ich denke das ist fair.“
Er betätigte den Fahrstuhlknopf.
„ Auf wen muss ich mich einstellen?“
„ Also normalerweise teile ich mir ein Zimmer mit Kyuhyun, der ist aber gerade nicht da – weswegen du mein Zimmer haben kannst. Eventuell Heechul … Henry wird wahrscheinlich Zuhause sein. Im Moment sind viele unterwegs …“
Das war übersichtlich, dachte sich die Frau.
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Als er die Tür zur Wohnung öffnete, war alles ruhig. Irgendwo lief ein Fernseher, ansonsten versuchte sich Laila einen Überblick zu verschaffen. Die Wohnung war etwas chaotisch, aber wohl groß genug für alle. Es standen unheimlich viele Schuhe im Eingangsbereich, was bei so vielen Jungs aber auch nichts besonderes war. Sie sah Kisten mit Fansachen, Kartons die nicht geöffnet waren und andere Kleinigkeiten, die rumlagen. Es wirkte wie ein sortiertes Chaos.
„ Komm rein“, sagte Siwon und sie fühlte sich wie ein Vampir, den man erst rein bitten musste. Langsam ging sie hinein, es war der private Bereich einer der größten Kpop Bands und sie hatte Respekt davor. Es war wie als wenn man das Baby eines anderen in den Arm gelegt bekam und man hatte Angst es kaputt zu machen.
Siwon machte das Licht in der Küche an und bot Laila an sich zu setzen.
„ Willst du etwas trinken? Wir haben bestimmt auch noch etwas zu essen…“
„ Sehr gern.“
Siwon ging zu den Töpfen, die auf dem Herd standen und öffnete den ersten. Er zog die Augenbrauen zusammen, rümpfte die Nase und verschloss den Topf schnell wieder. Bei dem zweiten Topf ging er etwas vorsichtiger an die Sache ran, doch sein Blick klärte sich.
„ Ah, Ryeowooks Hühnersuppe – ich mache sie warm?“
„ Soll ich helfen?“ Eilig stand sie auf, sie war es nicht gewohnt nichts zu tun, denn Zuhause hatte sie alles gemacht.
„ Schon in Ordnung, es ist nur eine Suppe.“ Er machte den Herd an und rührte kurz um.
„ Ich werde mich schnell umziehen und dann hole ich dir trockene Sachen. Wir sehen ja aus, als wären wir durch den Hangang geschwommen.“
Siwon ließ sie alleine in der Küche zurück und Laila bewachte die Suppe.
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Er gab ihr eine Jogginghose und ein Hemd von sich. Natürlich war es ihr viel zu groß und sie versank darin. Der Look war eine Mischung aus ‚Kleines Mädchen durchstöbert Kleiderschrank der Mutter‘ und ‚Ich hatte gestern Nacht Sex und war zu faul mich umzuziehen‘, doch es waren trockene Sachen und Laila fühlte sich gleich viel wohler in ihrer Haut.
„ Oh nein, nicht schon wieder ein Ausländer! Siwon, was habe ich dir darüber gesagt, dass wir keine Leute aufsammeln? Schau welches Chaos Mia über uns gebracht hat und du schleppst gleich die nächste an!“
Heechul stand in der Tür und raufte sich die Haare, in dem Bewusstsein, dass sie ihn nicht verstehen würde.
„ Ich bin Laila und ich bin kein Ausländer.“
Heechul fiel der Kiefer runter, als sein Blick auf Siwon traf, zuckte dieser unschuldig mit den Schultern.
„ Sie ist kein Ausländer“, bestätigte Siwon und löffelte weiter seine Suppe. Heechuls Neugierde war geweckte. Er setzte sich neben Laila und kam ihrem Gesicht sehr nah um es zu studieren. Sie hingegen zuckte leicht zurück und zog die Augenbrauen zusammen. Super Junior hin oder her, aber er drang gerade in ihren privaten Bereich ein und dafür kannten sie sich wirklich nicht gut genug.
„ Du musst einen hervorragenden Chirurgen haben …. keine Narben …“
„ Nein Sherlock, ich bin kein Zombie-Koreaner der Texas Chainsaw Massacre gespielt hat. Ich bin ein Findelkind.“
„ Huh … also doch ein Ausländer“ Und an diesem Punkt gab Laila es auf zu erklären.