Gestern hatten sie keinen Fuß mehr vor die Tür gesetzt. Das Paar hatte Essen bestellt und sich einen Film angeschaut, auch wenn sie nicht so viel vom Inhalt mitbekommen hatten. Jiyong war als erstes wach und stand an seinem Panoramafenster. Es fühlte sich so normal an. Dass sie hier schlief, dass er nachts einschlafen konnte. Es war schön. Sonst war allein schon die Koordination schwierig. Wer hatte wo welche Termine und wie konnte man sich zwischen drin sehen? Dazu kam, dass Jiyong gar nicht so gerne Besuch hatte. Er brauchte einen Rückzugsort, seine Wohnung war seine Burg. Doch Skye störte ihn hier nicht, im Gegenteil, so eine junge, nackte Frau im Bett hatte etwas sehr dekoratives.
Er hatte nicht bemerkt wie Skye aufgestanden war. Sie legte ihre Arme um seinen Bauch und legte ihr Kinn auf seine Schulter.
„Guten Morgen“, sagte sie und lehnte ihren Kopf an seinen. Manchmal hatte sie das Gefühl, als sei er ganz weit weg mit seinen Gedanken. Skye hatte ein Shirt von ihm angezogen, was sie in der Kommode gefunden hatte.
„Hast du dir die Zähne geputzt?“, fragte er und sie hörte förmlich sein Grinsen.
„Ich schon.“
„Ich auch“, erwiderte er und drehte sie zu der Fensterscheiben.
„Ich mag es, wenn du meine Klamotten an hast“, sagte er und küsste sie.
„Liebling … die Leute …“ Schließlich klebte ihr nackter Hintern an einem Panoramafenster.
„Wir sind zu hoch, keiner sieht uns“, erwiderte er nur und dachte sich, dass es eine Hammerschlagzeile werden würde, wenn sie doch jemand sah.
Beim Frühstück hatte Skye den Laptop offen und schaute über die Mails.
„Mia hat gesagt du hast heute frei, bis zum Flug“, erwähnte Jiyong, für den Fall das sie an spontanem Gedächtnisverlust litt und schenkte ihr Kaffee nach.
„Ja, ja, ich will nur kurz was schauen …“ Und dann klappte Jiyong den Laptop einfach zu.
„Hey!“, beschwerte sie sich und stand auf. Jiyong nahm den Laptop und fing an zu rennen und Skye hinterher.
„Ich sage dir, wenn der fällt…!“
„Dann was?“, fragte er herausfordernd. Skye zog einfach das T-Shirt aus. Game over. Jiyong hatte keine Chance. Er legte den Laptop bei Seite und folgte ihr.
Beim zweiten Frühstück saß sie schon wieder mit Laptop da, doch der Sänger hatte es aufgegeben. Wie sollte er sich gegen sie wehren? Dafür wurden seine Pancakes immer besser. Er war so ein Pantoffelheld geworden.
„Wann ist euer Rückflug?“, erkundigte er sich.
„Morgen Mittag, wieso?“
„Weil ich morgen Abend gerne mit dir ausgehen würde.“
Skye grinste ihn an.
„Das hört sich gut an.“ Doch keine Zeit für ein drittes Frühstück, Skye musste nach Hause und eine Tasche packen.
Es fiel Skye schwer sich von ihm los zu reißen, er machte sie high, anders konnte sie es nicht sagen. Sie konnte schlafen und sie fühlte so ein Kribbeln im Bauch. Es war schön, doch der Realist in Skye flüsterte ihr zu, dass alles Schöne irgendwann verging.
Als sie die Tür des Lofts öffnete fand sie nur Siwon am Tisch sitzen und er sah aus, als wäre es aus einer Hugo Boss Werbung gefallen. Er schaute auf und lächelte. Ja, Skye sah dass er versuchte die Wogen zu glätten, sie konnte aber noch nicht. Auf irgendjemand musste sie sauer sein und das Kriegsbeil mit Youngbae war auf unbestimmte Zeit begraben.
Skye ging ohne Kommentar auf ihr Zimmer, um sich umzuziehen. Sie wählte eine graue Jeans und ein schwarz-weiß kariertes Flanellhemd, schwarze Ankleboots, ein roter Strickschal und das passende Make Up. Sie war nur die Assistentin, doch sie wollte nicht das schwarze Schaf der Truppe sein. Für eine Nacht brauchte sie nicht viel, zwar landete der Bikini im Trolley, weil man ja nie wissen konnte, doch ansonsten packte sie nicht viel ein.
„Bist du fertig?“, fragte sie Siwon, der nur nickte und seinen Koffer nahm.
Der Fahrer holte sie zuerst ab und dann fuhren sie weiter zu Mia und Donghae und dann zu Herrn Kim.
„Hey! Roadtrip!“, rief Mia fröhlich als sie in den Van stieg. Dann blickte sie zu Skye und Siwon, die nebeneinander saßen.
„Was ist mit euch?“
„Nichts“, antworteten sie gleichzeitig.
„Siwon hat Skye geküsste, aber sie ist mit Jiyong zusammen und jetzt ist sie sauer“, erklärte Donghae, der von der ganzen Geschichte natürlich schon gehört hatte.
„Donghae!“, beschwerten sich Siwon und Skye wieder gleichzeitig. Dann schauten sie einander an.
„Hör auf mir alles nachzusagen!“, kam es wieder gleichzeitig und sie schauten sich schockiert an. Siwon wollte ansetzen etwas zu sagen, doch Skye hob mahnend den Finger.
„Kein Wort mehr.“
Donghae und Mia saßen ihnen gegenüber und hatten die Köpfe zusammen gelehnt.
„Owww… sind die nicht süß? Sie wären so ein schönes Paar und erst die Kinder!“, kam es von Mia.
„Ich mag Jiyong, aber ich hoffe fast dass es nicht klappt“, kommentierte Donghae.
Skye schaute von Siwon zu Mia und dann zu Donghae.
„Ich hasse euch. Ich hasse euch alle.“
„Siehst du Schatz, das ist der Unterschied zu Skye und mir – sie spricht aus was sie denkt, ich habe das früher immer nur gedacht. Korea ist viel offener geworden“, erklärte Mia.
„Ach Quatsch, du hast uns doch nicht gehasst“, wand Donghae ein.
„Oh doch, manchmal schon … ziemlich oft sogar …“
Sie flogen Business Class und Skye checkte sie ein, ganz gemütlich, in einem Sessel sitzend. Es musste ja Vorteile haben. Der nächste Vorteil war die Lounge. Die einen stürzten sich auf das Essen, wie Donghae zum Beispiel und Skye wiederum nutzte das Wifi um noch mal schnell die Mails zu checken und ein paar Anrufe zu machen. Alle schienen sich selbst zu versorgen, sie war ja auch Assistentin und kein Babysitter.
Bei einem Flug von Seoul nach Shanghai lohnte es sich noch nicht mal einen Film zu schauen. Skye saß neben Siwon.
„Willst du ans Fenster?“, fragte er sie und wollte nur nett sein, was sie anerkannte.
„Nein, schon okay“, erwiderte sie und ließ sich nieder. In der Business Class hatte man ohnehin mehr Platz. Skye wollte den Flug nutzen, um das Programm von heute noch mal durchzugehen und um sich Notizen zu machen. Die Agentur in China hatte soweit alles organisiert und Skye fühlte sich überflüssig.
So wie sie in Seoul von dem kleineren Flughafen Gimpo los geflogen waren, so landeten sie in Shanghai nicht in Pudong sondern in Hongqiao, dem Stadtflughafen. Es hatte angefangen zu schneien. Ein Fahrer holte sie am Flughafen ab und fuhr direkt zu dem Fanmeeting in der Stadt. Die drei Schauspieler wurden überschwänglich von den chinesischen Organisatoren begrüßt. Donghae und Siwon sprachen ein paar Floskeln, aber da war es gut jemanden dabei zu haben, der fließend Chinesisch sprach und Skye hatte endlich wieder eine Aufgabe.
„Hätten Sie vielleicht kleine Snacks und Früchte?“, fragte Skye eine der Angestellten. Sie erntete viele verwirrte Blicke – wieso sprach eine Amerikanerin Mandarin? Skye hatte sich daran gewöhnt. In Korea schaute man sie auch immer noch komisch an, aber in China waren die Leute noch überraschter. Schnell hatte sich herum gesprochen, dass sie in der Lage war alle zu verstehen und die Amerikanerin hatte das Gefühl, dass jetzt viel leiser gesprochen wurde.
Sie stellte das Essen in die Umkleide, wo die drei gestylt wurden.
„Oh, Essen!“ Donghae sprang auf und nahm sich einen Apfel.
„Mia hat uns früher auch immer Obst hingestellt“, erzählte er und grinste.
„Ich stelle euch immer noch Obst hin. Eigentlich hätten sie lieber Kuchen, aber wenn sie so viel Kuchen essen würden, wie sie wollten, wären sie alle fett und würden Super Sumo heißen“, erwiderte Mia und Skye lachte fröhlich.
„Dann hätten sie nur so einen Lendenschutz an“, wand Skye ein.
„Ja, aber das will dann auch keiner mehr sehen.“ Wieder lachten sie, während Siwon und Donghae sich übergangen fühlten.
„Hey, wir können euch hören“, meinte Siwon, doch sie lachten einfach weiter.
„So weit ist es jetzt schon gekommen, dass wir von unserer Assistentin und ihrer Assistentin ausgelacht werden“, bemerkte Donghae und ließ sich seufzend in den Stuhl fallen.
Das Fanmeeting fand in einer Halle statt. 2500 Fans hatten ihre Eintrittskarte für das Event gewonnen und Skye fand nicht nur chinesische Fans. In der Menge waren koreanische Schilder, japanisch, englische und sogar spanische. Auf der Leinwand wurde alles auf Chinesisch und Englisch übersetzt. Skye erinnerte sich noch, als sie bei ihrer ersten Koreareise in einem Musical war. Goong war ein sehr beliebtes Musical, es war eine Mischung aus den ‚Tudors‘ und ‚Gossip Girl‘ und DBSKs Yunho spielte die männliche Hauptrolle – was ausschlaggebend für den Ticketkauf war. Links und rechts auf den Leinwänden wurde in Japanisch und Chinesisch übersetzt. Sie verstand damals halbwegs alle Sprachen, musste aber doch schmunzeln. Gut, sie hatte außer sich keinen anderen Ausländer entdeckt, aber englische Untertitel wären auch nett gewesen. Dann war sie in Rock of Ages gewesen, als Onew die Hauptrolle sang und sie dachte sich, dass es ja alles klassische Rocklieder waren. Englische Lieder. Und daher konnte sie zumindest mitsingen. Ja, von wegen, die hatten alle Lieder ins koreanische übersetzt und Skye hatte sich einen Spaß daraus gemacht alles auf Englisch mitzusingen.
Zuerst gab es eine Pressekonferenz und dann das Fanmeeting. Wer zu wem durfte, um sich ein Autogramm abzuholen, wurde schon bei der Verlosung entschieden. Jeder hatte also um die 800 Fans zu beglücken. Vor der Pressekonferenz, gab es ein kleines Fanmeeting für schwerbehinderte Fans und Kinder, damit sie nicht so lange später anstehen mussten. Siwon, Donghae und Mia machten das wirklich gut und redeten mit allen, nahmen sie in den Arm und schossen Selfies mit ihnen. Wenn Skye das so sah, wünschte sie sich, dass alle Probleme der Welt mit einer Umarmung zu lösen seien. Mia musste jedoch etwas aufpassen, denn sie hatte ein schwarzes Lolita-Kleidchen an, mit viel Rüschen. Sie sah aus, wie aus einem Manga gefallen. Skye war immer mit der Kamera dabei, um später in den Social Medias auch Bilder zu posten und die drei posierten gerne. Skye schoss ein Bild von den dreien, da zogen Donghae und Siwon jeweils an einer Hand und Mia stand in der Mitte und wusste nicht wohin mit sich. Genau so war es bei ‚Royal Vampires‘ gewesen.
Bei der Pressekonferenz konnten nicht nur die offiziellen Medienvertreter Fragen stellen, sondern auch die Fans. Sie hatten vorab Fragen einreichen können und die zehn besten davon waren ausgesucht worden. Der Moderator ließ zuerst die Fans ihre Fragen stellen und dann kam die Presse.
„Nach dem großen Erfolg der Serie und der noch immer andauernden Begeisterung, gibt es vielleicht doch noch Hoffnung, auf eine Fortsetzung?“
Siwon beugte sich zum Mikrofon und diese Aussage sollte den Rest des Abends gravierend verändern.
„Ja, wir werden eine 2. Staffel diesen Sommer drehen.“
Selbst Skye fiel der Kiefer runter. Sie schaut in das Programm, aber nirgendwo stand etwas davon. Die Reporter waren natürlich völlig aus dem Häuschen und die Fragen überschlugen sich, die Fans sangen fröhlich die Titelmusik. In anderen Ländern wäre das eine Revolution gewesen.
Zuhause im Loft war die Welt noch heil. Leeteuk, Eunhyuk, Ryeowook, Heechul, Yesung, Kyuhyun und Sungmin saßen in der Bar. Sie hatten beschlossen, dass das nur fair war. Wenn sie eine Bar im Keller hatten, dann sollten sie sie auch nutzen. Allerdings hatte Sungmin ein schlechtes Gewissen sich einfach Sachen aus dem Kühlschrank zu nehmen, daher hatten sie eine Getränkekarte mit Preisen auf eine Servierte geschrieben. Die Preise orientierten sich an den üblichen Preisen, abzüglich einer Freundschaftspauschale von 10% pro Freund – Donghae war ihr Freund und Mia ihre Freundin, also zogen sie 20% ab. Sungmin hatte die Bar voll unter seiner Kontrolle und achtete darauf, dass jeder seine Getränke bezahlte. Allerdings machte Sungmin die Bar und Ryeowook half mit dem Aufräumen, also zogen sie sich den Mindestlohn von den Einnahmen ab.
„Sollten wir mit Mia nicht reden?“, schlug Ryeowook vor.
„Ich weiß gar nicht was ihr mit Mia habt, Donghae ist unser Bandkollege. Er sollte uns sagen, wieso er ein Gelände gekauft hat, in dem unser neues Dorm ist und eine geheime Bar im Keller“, wand Heechul ein, womit er nicht ganz Unrecht hatte.
Es war Mitternacht bis die Truppe im Hotel einfiel. Herr Kim checkte sie ein und alle anderen ließen sich auf die einladenden Sessel sinken. Die Neuigkeiten von der Neuauflage hatte eine totale Hysterie hervorgerufen. Skye hörte immer noch das aufgeregte Murmeln der Menge in den Ohren und würde damit auch einschlafen.
Die Straßen waren kaum noch befahrbar, so viel Schnee war gefallen und sie waren alle hungrig. Eigentlich war auf dem Dach des Radisson ein sich drehendes Restaurant, aber das hatte auch schon ab 22:30 geschlossen.
Mia, Donghae, Siwon und Skye verabredeten sich alle in einer halben Stunde in der Suite von Donghae und Mia, um dann etwas zu essen zu bestellen. So konnten sie vorher duschen und etwas Bequemes anziehen, nach diesem Tag.
„Echt, sie wollen weiterdrehen?“, fragte Jiyong am Telefon während Skye sich duschte.
„Du wusstest davon nichts?“
„Nein“, gab er zu. „Aber jetzt was anderes: Was hast du an?“
Skye fing an zu lachen und packte die Zahnbürste zur Seite.
„Du weißt ich bin duschen, ich bin nackt.“
„Sehr gut und wo berührst du dich gerade?“
„Ich werde keinen Telefonsex mit dir haben!“ Soweit kam es noch! War ja nicht so, als wären sie nicht aktiv genug.
„Na dann muss ich jetzt Youngbae anrufen“, scherzte der Rapper.
„Da wünsche ich dir viel Spaß“, sagte Skye und legte auf.
Sie hatte sich die Haare nur angeföhnt und hochgesteckt. So schnell würde Skye die Haare nicht unter Kontrolle bekommen. Siwon kam ihr ebenfalls entgegen, doch die Amerikanerin erreichte die Tür zuerst und klopfte. Nichts geschah und sie klopfte wieder. Fragend schaute sie zu dem Sänger, der nur mit den Schultern zuckte. Beide lauschten sie auf Geräusche, doch es war totenstill in dem Zimmer.
Von wegen. Donghae und Mia saßen auf dem Bett und hielten sich gegenseitig den Mund zu, um nicht zu giggeln. Sie wollten den beiden etwas unter die Arme greifen. Natürlich könnte der Plan auch total nach hinten losgehen und sie gingen getrennt essen, aber sie wollten positiv denken.
„Ob die allein sein wollen?“, fragte Skye Siwon.
„Nein, das würdest du hören“, erwiderte der Sänger grinsend.
„Wollen wir bei mir etwas essen?“, bot er an. Die Amerikanerin schaute ihn einen Moment an. Eigentlich wollte sie noch sauer auf ihn sein, aber alleine Essen machte auch keinen Spaß und so nickte sie langsam.
Mia und Donghae standen vor der Tür und lauschten und als sie die Schritte sich entfernten machten sie ein lautloses High-Five in die Luft.
„Das war ein ganz schöner Rummel heute“, stellte Skye fest und ließ ihren Blick über das Winterwonderland von Shanghai gleiten. Es hörte einfach nicht auf. Gut dass sie im 38. Stock waren, bis der Schnee zu ihnen reichen würde, würde es noch dauern.
„Ja, aber genau das wollten wir“, erklärte Siwon und stellte sich neben sie.
„Seit einem Jahr haben wir jetzt mit den Produzenten verhandelt, auch über unsere Gehälter und um die zu rechtfertigen, muss es ein Überfliegen werden“, erzählte Siwon weiter.
Essen war schon bestellt und Siwon hatte ihnen die Flasche Wein, die als Geschenk ins Zimmer geliefert worden war, geöffnet.
Skye betrachtete sein Spiegelbild im Fenster. Er war perfekt. Zu perfekt. Sie hatten diesen einen Kuss geteilt und Skye war fast sauer, dass sie ihn nicht hat genießen können. Auch wenn der eigene Freund G-Dragon war, wie oft bekam man die Chance Choi Siwon zu küssen? Es jetzt zu tun wäre natürlich falsch und würde nur verkehrte Signale senden. Sie dachte an den Dreh von dem Musikvideo zurück. Wenn er sie da geküsst hätte, hätte sie sich wahrscheinlich nicht gewehrt.