Als Nadia los gegangen war, um zu joggen, hatte der Himmel noch freundlich ausgesehen. Selbst der leichte Niesel hatte sie erst einmal nicht großartig aufgehalten, doch als es dann anfing zu schütten und sich irgendwann Donner und Blitz mit dazu gesellten, wusste sie, dass sie einen Unterschlupf bräuchte und zwar schnell.
Sie liebte das Ufer des Hangang, doch manchmal war es recht weitläufig. Sie wusste, dass es weit und breit keine U-Bahn Station gab und der nächste Ausgang des Hangang-Parks war auch schon eine Weile her. Nadias einzige Möglichkeit waren die überdachten Bänke, die bald auftauchen würden. Ansonsten würden ihr Schwimmhäute wachsen und das mit der Bahn hätte sich dann auch erledigt.
Schwer atmend kam sie unter den Überdachungen stehen. Sie boten keinen 100%igen Schutz vor dem Regen, doch es war besser als nichts. Die junge Frau stützte die Hände auf den Oberschenkeln ab und sah, wie noch ein Mann dort saß und Schutz vor dem Regen suchte. Er schaute auf und lächelte, als er Nadia sah. Nadia war hübsch, selbst durchnässt zog sie noch die Aufmerksamkeit der Männer auf sich. Ihre Mutter kam von den Philippinen und ihr Vater war ein irischer Kanadier. Viele konnten auf den ersten Blick nicht einschätzen, woher sie kam. Doch diesmal war es nicht nur Nadia, die interessant war, nein, denn dort auf der Bank saß EXOs Kai.
Nadia hatte es nicht so mit Kpop, doch es war schwer in Korea Kpop aus dem Weg zu gehen. Manche Bands machten so viel Werbung, dass sie unter Verfolgungswahn litt. Es gab Bands, die wurden so gehypt, dass sie sich fragte, wann im SM Atrium, in dem riesigen Fanshop von SM Entertainment, getragene Unterhosen verkauft werden würden. In Japan konnte man mit solchen Dingen viel Geld verdienen. Dennoch waren die meisten Idols zumindest hübsch zum Ansehen.
„Als ich los bin sah der Himmel deutlich freundlicher aus“, sagte Nadia, nachdem sie wieder Luft bekam.
„Bei mir auch“, erwiderte er. „Gehst du öfters hier joggen?“
„Ja, ich mag es, dass weit und breit nichts ist, keine Shops, keine Restaurants … man kommt sich fast vor, als wäre man nicht mehr in der Stadt. Nur heute … heute hätte ein Café auf dem Weg liegen können.“
Er lachte fröhlich.
„Ich bin Jongin“, stellte er sich ihr vor und reichte ihr seine Hand.
„Freut mich, ich bin Kayla“, erwiderte sie und hielt seine Hand nur einen Moment zu lange fest.
„Bist du von hier?“, erkundigte sich der Sänger. Sie sah nicht aus wie eine Koreanerin, doch sie sprach fast akzentfrei.
„Ich bin in Kanada und in Japan aufgewachsen, aber seit sieben Jahren bin ich in Korea“, erzählte sie ihm.
„So lange schon? Was machst du hier?“
Nadia zog ihre Jacke aus, offensichtlich um sie trocknen zu lassen, aber auch, um Jongin einen besseren Blick zu bieten.
„Ich habe die Schule hier fertig gemacht und studiere an der Konkuk internationales Management. Was machst du?“, spielte sie die Ahnungslose und war gespannt, ob er zugeben würde, wer er war.
„Ich studiere auch“, erzählte er. Es war nur eine halbe Lüge, es studierte mit Sicherheit, wie die meisten Idols.
Nach einer Stunde hatte der Regen noch immer nicht aufgehört. Es war Ende Juli, die Tage waren warm und schwül, doch bei all dem Regen, kühlte es schon runter. Vorhin erschien Nadia die kurze Hose noch als die richtige Entscheidung, doch inzwischen wurde ihr kalt.
„Okay, ich rufe einen Freund an, dass er mich abholt – sollen wir dich mitnehmen?“, bot Jongin an.
„Das wäre toll“, erwiderte sie lächelnd.
„Wo musst du hin?“
Nadia schaute auf die Uhr und seufzte.
„In irgendein Badehaus … mein Studentenwohnheim hat vor 15 Minuten zu gemacht.“
Er dachte nach und spielte mit dem Handy.
„Kayla, das ist vielleicht eine unangebrachte Frage, aber … magst du bei mir schlafen? Wir könnten etwas zu essen bestellen und eine warme Dusche habe ich auch“, schlug er vor. Er kam vielleicht von einem anderen Stern, doch blind war er deswegen noch lange nicht. Und sie schien nicht zu wissen wer er war – wie oft kam so etwas schon vor?
„Ich will dir nicht zur Last fallen“, begann sie, doch er winkte ab.
„Auf keinem Fall lasse ich dich auf dem Boden in einem Badehaus schlafen.“
„Okay, aber … Danke.“
Jongin hatte einen Fahrer, doch den konnte er nicht anrufen, also rief er einen Freund an, der so nah wie möglich an den beiden parkte und sie dann mit einem Schirm abholte. Bei so einem Regen half ein Schirm meistens auch nur bedingt und sie rannten bis zum Wagen. Lachend ließen sich Nadia und Jongin auf die Rückbank fallen und fuhren zu ihm nach Hause.
Jongin wohnte in einem Apartment auf Youido, Nadia hatte auch nichts anderes erwartet, gab sich aber erstaunt.
„Wow! Was studierst du bitte?!“, sagte sie, als sie die Wohnung betraten. Im Wohnzimmer hatte er eine wundervolle Aussicht auf Seoul, doch bei dem Regen erkannte man kaum das Ufer auf der anderen Seite des Hangangs.
„Die Wohnung gehört meinem Onkel. Er arbeitet in Amerika und kommt nur ein paar Mal im Jahr her“, erklärte Jongin zuversichtlich. Nadia blieb vor dem großen Panoramafenster stehen und schaute nach draußen.
„Ist es nicht gruselig bei so einem Unwetter hier oben zu sein?“ Sie waren im 25. Stock, ziemlich weit oben. Nadia hatte kein sonderlich großes Problem mit Höhen, sie war nur der Meinung, dass wenn der Mensch hier oben sein sollte, er Flügel hätte.
„Keine Sorge, hier passiert uns nichts.“ Er stellte sich neben sie und ihre Blicke trafen sich. Herr, war er aber auch ein Schnuckel! Ein naives Schnuckel, aber wahrscheinlich dachte er in diesem Moment das Gleiche über sie.
„Willst du duschen gehen? Ich würde dann etwas zu essen bestellen – Hühnchen?“
„Sehr gern.“
Nadia ging in das riesige Bad, dass nicht nur eine Regendusche hatte, sondern auch eine riesige Badewanne. Sehnsüchtig schaute sie in die Wanne, nein, dafür war der Abend noch zu jung. Allerdings musste die junge Frau zugeben, dass ihr die heiße Dusch guttat. Die Stunden im Regen hatten sie doch ganz schön ausgekühlt. Sie föhnte sich ihre langen, schwarzen Haare, die ihr fast bis zum Hintern reichten. Männer liebten ihre Haare und Nadia liebte es ihren Kopf hin und her zu werfen und so zu tun, als wäre sie Model einer Shampoo-Werbung.
Da sie keine Wechselklamotten dabeihatte, schlüpfte sie in ihre Shorts und in ihr Unterhemd, ohne BH natürlich. Als sie aus dem Badezimmer kam, nahm Jongin gerade das Essen entgegen. Einen Moment vergaß er sich und starrt sie an. Ihre langen Beine und das enge Shirt irritierten ihn für einen Moment.
„Fühlst du dich besser?“, fragte er schließlich und stellte das Essen ab.
„Ja, danke … mmmhhh … das riecht gut. Hast du was zu trinken?“
Sie ging an die Küchenschränke, als würde sie hier schon wohnen und suchte Teller und Servierten heraus.
„Willst du ein Bier?“ Jongin ging an den Kühlschrank und ließ sie dabei nicht aus den Augen.
„Hast du Soju?“ Nadia fand endlich die Teller und stellte sie auf den Tisch.
„Ja, klar.“ Nur sein Manager durfte davon nichts wissen.
Und so aßen und tranken sie und mit jedem Gläschen Soju wurde die Stimmung etwas ausgelassener. Sie flirteten, nicht nur Nadia, Jongin sprang voll darauf an.
„Wir Koreaner sind nicht zu schüchtern!“, beschwerte er sich.
„Doch! Ihr seid wie Gremlins!“, kam es von Nadia.
„Gremlins?! Wie der Film?“
„Ja, du weißt doch, Gremlins sind süß und putzig, aber wenn du sie nach Mitternacht fütterst werden sie zu diesen kleinen, garstigen Biestern. So seid ihr Koreaner. Bei Tag traut ihr euch nicht Ausländer anzusprechen, aber nach Mitternacht, wenn ihr euch genug Mut angetrunken habt, dann sprecht ihr uns an.“ Klang doch plausibel, oder?
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass du tagsüber nicht angesprochen wirst. Du bist wunderschön“, sagte er verträumt, beschwipst von dem Soju.
„Du machst mich verlegen!“
„Es ist nach Mitternacht, ich darf ein Gremlin sein …“
„Jemand wie du hat sicher eine Freundin, mal schauen was sie dazu sagt, dass du eine Frau mit nach Hause genommen hast…“, erwiderte Nadia und schnappte sich sein Handy. Sofort sprang er auf, nicht weil er eine Freundin im Handy versteckte, sehr wohl jedoch seine wahre Identität.
Er lief ihr hinterher, um die Küche, über die Couch, bis er sie in eine Ecke getrieben hatte. Nadia hielt das Handy hoch über ihren Kopf und Jongin kam ihr gefährlich nahe. Er versuchte ihr sein Handy wegzunehmen, als sie ihm einen Kuss gab, nur kurz. Er schaute sie an.
„Truth or dare?“
„Dare“, antwortete er, zog sie zu sich und küsste sie innig. Nadia erwiderte den Kuss und es dauerte nicht lange, da hatten sie die wenigen Klamotten, die sie anhatten, verloren.
Erschöpft lag Nadia auf ihm, beide waren schwer am Atmen. Wenigstens hatte es sich gelohnt. Er war ein guter Liebhaber, voller Energie und Ausdauer, der nächste Teil würde ihr leidtun.
„Ich brauche Wasser – willst du auch?“
„Sehr gern“, erwiderte er, zog sie zu sich und küsste sie.
Die Frau ging in die Küche und goss zwei Gläser Wasser ein. Aus ihrer Jackentasche holte sie K.O. Tropfen und gab in ein Glas so viel, dass er bis zum Morgen durchschlafen würde. Normalerweise tat sie das, bevor es intim wurde, doch heute hatte sie nichts dagegen gehabt.
Er saß auf der Bettkante, als sie zurück ins Schlafzimmer kam und nahm dankend das Glas entgegen, dass er sogleich austrank.
„Wow … eigentlich mache ich so etwas nicht …“, begann er.
„Ich auch nicht, aber irgendwie …“
„… stimmt die Chemie zwischen uns“, beendete er ihren Satz und sie beide lachten verlegen.
„Hey, ich habe eine verrückte Idee: Geh nie wieder weg! Bleib einfach hier!“
Nadia lachte fröhlich.
„Du kennst mich noch nicht einmal!“
„Ich habe das Gefühl dich schon ewig zu kennen“, meinte er und sie sah, wie seine Augenlieder schwer wurden.
„Und du darfst niemals mehr etwas … anziehen … du siehst viel … zu gut aus …“
Er legte sich hin und schloss die Augen. Nadia wartete noch ein paar Minuten, bis er fest am Schlafen war.
Zuerst ging sie an seinen Schrank und nahm sich eine Jogginghose und einen Pullover. Sie sah einen Louis Vuitton Weekender und nahm ihn raus. Ihre Sachen schmiss sie in die Tasche, dann ging sie an sein Portemonnaie. Super, kaum Bargeld, aber immerhin um die 800.000 Won. Mit den Kreditkarten könnte sie nichts anfangen, aber seinen Führerschein nahm sie mit. Den könnte er einfach ersetzen und sie hätte ein Andenken.
Die Frau durchsuchte das Wohnzimmer ohne großen Erfolg und machte im Schlafzimmer weiter. Jongin lag zusammengerollt im Bett und sie deckte ihn zu. Irgendwie hatte sie ihn gemocht. Sie ging die Schubladen durch, irgendwo hier musste doch etwas sein! In der untersten Schublade fand sie den Jackpot. Mehr als 10 Luxusuhren tummelten sich hier, dazu noch Armbänder und Ketten, sie nahm was wertvoll aussah. Eine goldene Schatulle stach ihr ins Auge und ohne zu gucken, was darin war, packte Nadia sie ein. Bevor sie ging gab sie ihm noch einen Kuss auf die Stirn. Er würde schon drüber hinwegkommen.