„Ich glaube, ich habe eine Lösung!“, kam es von Chen.
Der Vorfall mit Jongin lag fast 1,5 Monate zurück. Recht schnell hatten sie es aufgegeben in einer 20 Millionen Metropole nach jemand zu suchen, der im Zweifel nicht gefunden werden wollte. Es gab ja noch nicht einmal Videoaufnahmen.
Also hatten sie überlegt, was sie tun könnten und Chen hatte viel, viel Zeit in der Datenbank, die seine Familie ihm hinterlassen hatte, verbracht.
„Eine Lösung für was?“, fragte Sehun gelangweilt. Das Thema war schon so in den Hintergrund gerückt, dass sie sich damit abgefunden hatten, dass der Ring weg war.
„Wie wir Jongins Ring wiederbekommen!“
Da waren plötzlich alle wach und setzten sich zu Chen.
„Also, der Ring reagiert auf Jongins Kräfte. Er kann dort Kräfte speichern und freilassen, nach seinem Willen. Ich habe wirklich nicht viel dazu gefunden, aber es heißt, dass wenn eine Kraft in einem Gegenstand gespeichert ist, sie nicht unbedingt berührt werden muss, um diese zu aktivieren. Heißt, der Ring kann teleportieren, ohne dass Jongin ihn tragen muss“, erklärte Chen.
„Das heißt aber auch, dass er im Zweifel den teleportiert, der ihn trägt, richtig?“, fragte Jongin.
„Ja, ich denke schon …“, erwiderte Chen.
„Also, wenn Kayla-“
„Wir wissen noch nicht einmal, ob das ihr Name ist“, wand Suho ein.
„Also, wenn Kayla den Ring trägt und ich den Ring her teleportiere, dann wird sie mitteleportiert?“ Jongin ließ sich nicht beirren.
„Theoretisch, praktisch haben wir es nie getestet“, erwiderte Chen.
„Okay, tun wir’s!“ Jongin klatschte in die Hände und setzte sich auf den Boden, als sich seine Bandkollegen auf ihn stürzten.
„Bist du irre?! Sie könnte genauso gut ein Kopfgeldjäger sein!“, sagte Baekhyun. Sie mussten nicht nur auf der Hut vor den Artanern sein, es gab genug Kopfgeldjäger, die sich die Gunst der Artaner erkaufen wollten und welche besseren Ziele gab es da, als die Erben der Zwölf?
„Wenn sie ein Kopfgeldjäger wäre, dann hätte sie mich damals erledigt, hat sie aber nicht“, erwiderte Jongin und die anderen nickten.
„Aber wollen wir sie da wirklich reinziehen?“, fragte Xiumin.
„Wir müssen auf jeden Fall herausfinden, was sie weiß. Wir wissen nicht was die Ringe mit Menschen machen, ob sie nicht doch Zugriff darauf haben“, erwiderte Jongin.
„Du willst sie nur wiedersehen“, bemerkte Baekhyun.
„Hey, ihr habt sie nicht gesehen! Sie ist wunderschön! Und sie hat diesen Pulli von mir!“
„Alles was wir wissen ist, dass sie eine Diebin ist“, meinte Suho.
„Hyung, sehe doch nicht alles so negativ. Vielleicht hängt sie gar nicht am Ring…“
Nadia machte sich für die Arbeit fertig. Es war eine heiße Sommernacht und sie trug nur eine Hotpans und ein enges Muscleshirt. Nadia arbeitete in einem illegalen Kartenclub. Glücksspiel war verboten in Korea. Die großen Casinos, die es gab, waren den Touristen und Ausländern vorbehalten. Nicht, dass das die Koreaner davon abhielt zu zocken. Kartenclubs gab es überall, nicht nur in Seoul, sondern in ganz Korea. Man musste nur jemand kennen, der jemand kannte, der dort hinging. Sie arbeitete seit fünf Jahren dort und war Poker Dealerin. Godori war immer noch sehr beliebt, aber Poker brachte einen internationalen Flair in die Kartenhäuser. Dreimal die Woche machte sie das nachts, von 22 Uhr bis wann auch immer das Spiel fertig war. Natürlich zog sie sich sexy an. Sie war zum einen an ihren Umsätzen beteiligt, durfte aber auch ihr Trinkgeld behalten und Nadia war diejenige, die mitunter am meisten Trinkgeld bekam und das in einem Land, indem es eigentlich kein Trinkgeld gab.
Sie legte noch einen roten Lippenstift auf und fuhr sich durch die Haare. In den Sommermonaten war immer etwas weniger los, aber es gab eine Regel, die immer galt: Zocker wollten zocken.
Nadia betrachtete sich im Spiegel und war zufrieden mit sich. Sie griff an den Spiegel, wo Jongins Ring an einer Kette hing und sie hängte ihn sich um. Sie traute sich nicht ihn an den Finger zu stecken, hielt ihn aber für zu wichtig, als dass sie ihn einfach in der Wohnung ließ.
Kaum berührte der Ring ihre Haut, fand sie sich in einem Raum wieder. Seit dem ersten Erlebnis war das nicht noch einmal passiert, aber sie hatte da auch kein Risiko eingehen wollen, deswegen die Kette. Das der Ring sie selbst an einer Kette irgendwo hin befördern konnte, war nun doch eine neue Information.
Langsam wurde sie sich ihrer Umgebung bewusst. Die EXO Mitglieder hatten fast vier Stunden in dem Zimmer gesessen und hatten darauf gewartet, dass etwas passierte. Um ehrlich zu sein hatten sie schon an Jongins Fähigkeiten gezweifelt, doch nun sprangen sie alle in Aktion und bildeten einen Kreis um die junge Frau, doch sie sah nur Jongin.
„Ich denke du hast etwas von mir.
Sie banden Nadia mit Handschellen an einem Stuhl fest und Jongin nahm ihr den Ring ab.
„Okay, du hast den Ring – willst du jetzt die Polizei rufen?“, fragte sie schnippisch, denn gefesselt zu werden war jetzt keine schöne Freizeitbeschäftigung.
„Nein“, sagte er nur und ging vor ihr in die Hocke. „Aber sag du mir, wieso ich die Polizei nicht rufen kann.“
Nadia schaute sich verunsichert um. Wenn sie wirklich Aliens waren, wäre das die Antwort auf seine Frage, doch wenn sie ihm sagte, was sie vermutete, würde sie wohl nicht mehr lebend hier rauskommen. Jongin konnte sich beamen, doch die anderen beherrschten auch die Elemente: Wind, Wasser, Feuer. Sie könnten alles Mögliche mit ihr anstellen. Und sollte sie wirklich Recht haben, wusste sie auch nicht was sie bereit wären zu tun um ihre Identität zu schützen. Nadia hatte selten Angst, doch jetzt war einer dieser raren Momente, in denen sie wirklich um sich fürchtete.
„Ich weiß nicht“, sagte sie, so standhaft wie es ging. „Wenn du die Polizei rufen willst, dann ruf sie nur, du hast keine Beweise, kein Videomaterial, du hast deinen Ring, jetzt lass mich gehen.“
Jongin schaute in die Runde. Er fand sich unheimlich zu ihr hingezogen und er dachte ständig an diese gemeinsame Nacht … also bevor sie ihm K.O Tropfen untergejubelt und ausgeraubt hatte. Doch hier ging es nicht um ihn, hier ging es um sie alle.
„Chanyeol …“, sagte er nur und stand auf. Alle verließen das Kellerzimmer und ließen die beiden alleine. Chanyeol zog sich einen Stuhl heran und setzte sich verkehrtherum auf ihn drauf.
„Was weißt du?“
„Nichts.“
„Wie bist du hierhergekommen?“
„Keine Ahnung.“
„Wie bist du hierhergekommen?!“, schrie er nun und Nadia zuckte.
„Keine Ahnung!“, schrie sie zurück, doch dann merkte sie wie es heiß wurde. Zuerst dachte die Frau es wären nur ihre Nerven, doch es wurde immer heißer und heißer. Sollte das EXO Konzept tatsächlich die Wahrheit als Marketing verpackt sein, so beherrschte Chanyeol Feuer und sie verstand, was hier passierte.
„Wie oft ist es vorgekommen?“, fragte er und Nadia wurde immer heißer.
„Ich weiß nicht was du meinst“, erwiderte sie, doch die Temperatur stieg weiter an. Ihn schien das nicht zu berühren. Es wurde heißer und heißer und sie sah, wie ihre Haut anfingen zu schmoren. Tränen liefen ihr vor Schmerzen über die Wangen, doch aus ihr kam kein Ton. Wenn sie hier schon sterben würde, dann mit Stolz.
„Wie oft ist es vorgekommen?“, fragte er wieder.
„Einmal! Okay?!“ Und von einem auf den anderen Moment war alles vorbei. Es war nicht mehr heiß und auch ihre Haut war nicht mehr verbrannt. Erstaunt schaute sie ihn an.
„Ich will dir nicht wehtun, aber ich muss die Wahrheit kennen. Einmal ist es passiert?“
Nadia konnte sich die übrig gebliebenen Tränen nicht wegwischen, da ihre Hände noch immer festgebunden waren. Sie nickte und er fragte was passiert war. Diesmal zögerte Nadia nicht ihm alles zu erzählen.
Vor der Tür standen die anderen Mitglieder. Jongin lief unruhig auf und ab.
„Ist das wirklich nötig?“, fragte er in die Runde.
„Du willst mir nicht sagen, dass du Mitleid mit ihr hast, oder? Du kennst diese Frau noch nicht einmal! Sie könnte ein Feind sein, ein Kopfgeldjäger und du lässt dir von ihrem Aussehen den Kopf verdrehen?“, erwiderte Suho genervt.
„Ich weiß vielleicht nicht wer sie ist, aber ich weiß wer wir sind und wir sind keine Menschenmörder und keine Folterer!“, meinte Jongin bestimmend.
„Und was denkst du war der Grund gewesen? Wieso ist es passiert?“, fragte Chanyeol, nachdem Nadia fertig mit ihrer Geschichte war. Sie starrte ihn an.
„Wenn ich sage, was ich denke, dann lande ich in einer Klapsmühle.“
Es war genau diese Aussage, die ihm verriet was sie dachte und was er befürchtet hatte. Er seufzte.
„Aber ernsthaft, wem soll ich es erzählen? Wer würde mir glauben?“, fragte sie verzweifelt. Wenn sie zu einer Zeitung ging und ihnen erzählte, dass EXO tatsächlich Aliens mit übersinnlichen Fähigkeiten waren, würde ihr doch niemand Gehör schenken.
„Es müssen nur die Falschen glauben“, erwiderte er und verließ ebenfalls den Raum.
Xiumin blieb als Wächter vor der Tür, während die anderen nach oben in das offizielle Dorm von EXO gingen. Chanyeol erzählte was passiert war und ein langes Schweigen legte sich über die Gruppe.
„Was tun wir jetzt?“, fragte Chen und fand selbst keine Antwort darauf.
„Was können wir tun? Wir müssen sicher gehen, dass wir ihr vertrauen können“, bemerkte Sehun.
„Und wie tun wir das? Indem wir sie bestechen oder indem wir sie verfolgen? Ich hoffe wir sind uns alle im Klaren, dass wenn wir sie gehen lassen, wir sie nie wiedersehen“, kam es von Jongin.
„Oder wir bringen sie um“, schlug Baekhyun vor und erntete einige entsetzte Blicke.
„Was?! Wollt ihr sie hierbehalten? Sie ist ein Mensch, kein Haustier! Wir können sie hier nicht einsperren und hoffen das sie irgendwann unter dem Stockholmsyndrom leidet und anfängt für ihre Kidnapper – in diesem Falle wir – Sympathie zu empfinden.“
Da hatte er nicht ganz unrecht, aber Töten war eben nicht die Lösung.
„Wir wissen nichts über sie, nicht ob sie Familie hat, einen Job, wo sie wohnt, ob sie jemand vermisst…“, grübelte Chen.
„Selbst, wenn sie uns nicht verrät, so heißt das nicht, dass sie nicht vielleicht in Gefahr ist. Wenn unsere Feinde sie mit uns in Verbindung bringen, könnte sie in größerer Gefahr sein, als wenn wir sie mit Baekhyun alleine lassen“, kommentierte Chanyeol.
Sie diskutierten und drehten sich im Kreis, bis sie alle zu erschöpft waren um zu reden. Es war Mitternacht und fast hatten sie vergessen, dass sie hier über ein lebendiges Wesen diskutierten. Chen stand auf und bedeutete Jongin mit ihm zu kommen.
Sie gingen in den Keller und sagten Xiumin das er gehen konnte.
„Was hast du vor?“, fragte Jongin.
„Etwas ganz Verrücktes: Mit ihr reden.“
Er öffnete die Tür und sah Nadia, deren Namen er noch nicht einmal wusste. Er löste ihre Handschellen und setzte sich ihr gegenüber. Sie sprang nicht auf, sondern blieb sitzen und rieb sich die Handgelenke.
„Wie heißt du?“, fragte er sie.
„Nadia“, erwiderte sie und Jongin fiel der Kiefer runter.
„Du hast gesagt du heißt Kayla!“
„Und du hast gesagt du studierst und wohnst in der Wohnung von deinem Onkel“, giftete sie zurück. Nach all den Stunden, gefesselt an einen Stuhl, lag ihr Nervenkostüm etwas flach.
„Weißt du wer wir sind? Was wir sind?“, fragte Chen und ignorierte Jongin.
„Anscheinend ja wohl Aliens.“
Und dann erzählte Chen ihr die Geschichte seiner Familie, die Geschichte aller EXO Mitglieder. Er hatte etwas zu trinken und zu essen mit runtergebracht und sie hörte ihm in Ruhe zu. Als er fertig war schwiegen sie eine Weile.
„Also, Gesetz des Falls ich glaube euch diese Geschichte und das ist nicht irgendwie die versteckte Kamera, was bedeutet das jetzt?“, fragte sie schließlich. Sie glaubte nicht, dass es ein Scherz war, schließlich war sie jetzt zweimal durch die Gegend gebeamt worden.
„Nun, das gilt es zu klären. Eigentlich können wir dich nicht gehen lassen, nicht nur, weil wir Angst davor haben, dass du jemand davon erzählst oder Beweise findest und verkaufst, sondern auch, dass dir etwas passieren könnte. Immer wieder werden wir von Kopfgeldjägern aufgespürt und du wärst ein tolles Druckmittel“, erklärte Chen.
„Nehmen wir mal an ich würde kooperieren wollen, was würdet ihr dann tun?“, fragte sie. Nadia wollte gar nicht wissen, was passieren würde, wenn sie nicht kooperieren würde.
„Du würdest bei uns bleiben und anfangs würden wir dich auch nicht alleine lassen.“
„Wie ein Haustier?“
„Ja, aber wir sind alle sehr tierlieb“, erwiderte Chen grinsend.
Nadia schaute zu Jongin.
„Heißt das, ihr geht mit mir auf die Arbeit und sonst überall hin?“ Sie stellte es sich etwas komisch vor ständig verfolgt zu werden, vor allem wenn es hier auch noch um Idols ging.
„Sofern es uns möglich ist oder eben einer unserer Sicherheitsleute“, erwiderte Chen.
„Habt ihr ein Raumschiff?“
„Nein“, erwiderte Chen grinsend.
„Ist das eure wirkliche Form oder werdet ihr zu komischen, grünen Männchen, wenn ihr euch unbeobachtet fühlt?“
„Dies ist unsere wirkliche Form.“
„Versucht ihr die Weltherrschaft an euch zu reißen und die menschliche Rasse zu versklaven?“
„Nein“, Chen lachte inzwischen.
Nadia überlegte, ob ihr sonst noch irgendwelche Klischees einfielen.
„Ich will mein eigenes Zimmer“, forderte sie noch.
„Das bekommen wir hin“, sagte nun Jongin und reichte ihr die Hand.