Anfangs war es etwas befremdlich. Nadia hatte ihre eigene Wohnung und Jongin teleportierte sich mit ihr hin und her, um ihre Sachen zu holen. Dann brauchte sie natürlich eine Ausrede, wieso sie nicht auf der Arbeit gewesen ist, doch auch das bekam sie irgendwie geregelt.
Lustig wurde es, als sie das nächste Mal wieder auf die Arbeit gehen musste. Es war der dritte Tag bei EXO und sie machte sich für die Arbeit fertig.
„Wo arbeitest du genau?“, fragte Chanyeol, der heute Abend Babysitter spielen musste und schaute auf die Uhr.
„In einem Cardclub, Poker, Godori, Black Jack …“, sagte sie und kämmte sich die Haare.
„Ist das … legal?“
„Bist du legal?“, fragte sie genervt zurück. Natürlich war es nicht legal, aber sie musste auch Geld verdienen und dort verdiente sie Geld. Nadia beobachtete ihn durch den Spiegel.
„Kannst du vergessen“, sagte sie nur und sein Kiefer fiel runter.
„Ich habe gar nichts gesagt!“
„Du hast gedacht. Auf deiner Stirn stand ‚Will Karten spielen‘ – kommt überhaupt nicht in Frage.“
Irritiert griff er sich an die Stirn, als hätte dort wirklich etwas gestanden. Nadia schüttelte nur den Kopf. Und die sollten die Hoffnung sein, für irgendwelche Planeten.
Es war alles noch frisch und beide Parteien mussten sich aneinander gewöhnen. Nadia kannte sie nur als Idols aus dem Fernsehen und hatte festgestellt, dass Alien und Idols gar nicht so weit auseinander waren. Viele von ihnen trauten sich nicht ihre Kräfte vor Nadia zu nutzen und das war wohl normal. Gestern Nacht war sie noch mal auf Toilette gegangen und Baekhyun kam ihr entgegen, mit einem Lichtball in der Hand. Als er sie sah erschreckte er sich zu Tode.
Es wohnten nicht alle im EXO Dorm oder zumindest nicht alle zu jeder Zeit. Jongin war in den vergangenen Tagen nur selten vorbeigekommen, auch wenn sie nicht wusste woran es lag. Vielleicht war es Zufall, vielleicht hatte er nur einen vollen Terminkalender, doch Nadia kam nicht umhin sich zu fragen, ob sie der Grund für sein Wegbleiben war.
Dafür verstand sie sich gut mit Chen. Sie kochten gemeinsam und schauten sich Filme an. Sie empfanden es wohl noch als zu gefährlich mit ihr die Wohnung zu verlassen und so musste sie sich irgendwie innerhalb des Dorms beschäftigen. Heute war es das erste Mal, dass sie das Dorm verlassen durfte und nicht nur Chanyeol begleitete sie. Als sie auf die Tür zugingen, stand dort auch Suho und nickte seinem Bandkollegen zu.
„Ernsthaft? Wie auffällig wollt ihr noch sein?“, fragte sie und rollte mit den Augen. Wieso hatte keiner von ihnen wirklich sinnvolle Kräfte, wie formwandeln? Doch sie hatte auch schon festgestellt, dass viele von den interessanten Kräften nicht mehr zur Band gehörten, wie Heilung, Telepathie und Zeit.
„Wieso … wieso seid ihr nicht mehr vollständig?“
Suho war am Fahren und Chanyeol saß bei ihr mit auf der Bank. Die beiden Männer seufzten.
„Wir dachten es wäre eine gute Idee in der Öffentlichkeit zu stehen. Wir dachten so könnte uns niemand so einfach angreifen, doch unsere Feinde wissen dafür auch immer wo wir sind. Sie greifen nicht uns an, sondern unsere Freunde und Familien. Menschen verschwinden und tauchen nie wieder auf. Manche von uns wollten das nicht länger und zogen sich zurück, um sich selbst und ihre Umgebung zu schützen. Andere waren der Meinung, dass es nicht mehr unser Kampf war und denken, dass wenn unsere Feinde uns nicht mehr als Bedrohung ansehen würden, sie uns dann in Ruhe ließen“, erzählte Chanyeol.
„Aber ihr glaubt das nicht.“ Es war keine Frage, sondern eine Feststellung.
„Nein“, sagten sie gleichzeitig, doch keiner erklärte genau wieso.
Es war einer dieser Abende, in dem der Cardclub gut besucht war. Die Poker-Dealer arbeiteten eine halbe Stunde und hatten dann eine halbe Stunde Pause. Das gab Nadia die Chance auf die beiden aufzupassen.
„Ihr wisst schon, dass die Idee war, dass ihr auf mich aufpasst, nicht umgekehrt“, erklärte sie, als sie Chanyeol vom Black Jack wegzog.
Manche dachten vielleicht, dass ein Cardclub war, wie man es aus dem Fernsehen kannte. In einer alten Lagerhalle und die Leute packten Bargeld und Autoschlüssel auf die Tische. Früher war das vielleicht mal so, doch heutzutage war es eher eine Lounge. Der Club war im Keller eines Hinterhauses eines Hinterhauses, doch mal abgesehen davon war es sehr modern. Vorne war der Kassenschalter, hier konnten die Kunden Geld gegen Jetons tauschen, die sie an den einzelnen Tischen einsetzen konnten. Es gab eine Bar, Sitzmöglichkeiten, Fernseher und sogar einen Raum mit einer Playstation und für die Croupiers gab es einen Schlafraum, denn manchmal gingen die Runden recht lange und manchmal waren sie drei Tage am Stück da. Sie hatten drei Pokertische, drei Blackjacktische und noch weitere Tische für Godori und Würfelspiele. Nadia überblickte eigentlich den kompletten Raum, doch irgendwie hatte es Chanyeol geschafft Chips zu tauschen und sich ans Blackjack zu setzen.
„Ich habe eine Glückssträhne!“, beschwerte sich der Sänger.
„Zwing mich nicht dazu dich irgendwo einzusperren“, drohte sie ihm. Suho fand es amüsant, denn nun passte sie auf die beiden auf und machte das ziemlich gut.
Nadia machte um 7 Uhr Feierabend. Für sie war das recht früh, doch die beiden Kerle waren total kaputt. Somit wehrte sich Suho auch nicht, als Nadia ihm den Autoschlüssel abnahm und selbst fuhr. Die beiden schliefen sofort ein und Nadia dachte daran, dass sie einfach abhauen könnte. Sie könnte irgendwo parken und weggehen. Es war die erste Gelegenheit, die sich ihr bot und obwohl es so einfach gewesen wäre, so konnte sie es nicht. Sie konnte noch nicht einmal benennen, was sie davon abhielt.
„Mist …“, murmelte sie und ärgerte sich über sich selbst. Sie hatte nicht mehr Jongins Ring, sie hätten keine Möglichkeit sie zu finden. Sie könnte frei sein. Gut, jetzt wussten sie wo Nadia arbeitete, doch dann würde sie sich einen anderen Club suchen, es war nicht so, als würden nicht überall neue Clubs entstehen. Aber sie konnte nicht.
Als sie das Auto in der Tiefgarage abstellte, schloss sich ihr Zeitfenster.
„Okay Sleeping Beautys“, sagte sie und rüttelte die beiden wach.
Kaum waren sie im Dorm gingen die beiden direkt auf ihr Zimmer, doch vorher wurde natürlich die Haustür abgeschlossen. Nadia hatte sich daran gewöhnt und doch irgendwie nicht.
Nach so langer Arbeit konnte sie nicht direkt schlafen gehen, also machte sie Frühstück, als sie die Tür hörte. Da kam wohl jemand sehr spät nach Hause … Nein, da kam jemand früh nach Hause. Jongin streckte den Kopf in die Küche.
„Hi.“
„Hey“, erwiderte sie.
„Wo sind … alle?“
„Also Bodyguard 1 und 2 sind schlafen gegangen und ich glaube die anderen schlafen noch“, erwiderte sie.
„Hast du Hunger?“
Er schien darüber nachzudenken und nickte dann langsam. Als würde sie ihn vergiften … wobei, die anderen waren am Schlafen, keine Zeugen. Schweigend saßen sie am Tisch und aßen, bis Nadia das Schweigen nicht länger aushielt.
„Was ist eigentlich los mit dir?“
„Was meinst du?“, fragte er zurück.
„Wir hatten diese Nacht und es war …“
„Wow?“
„Ja, wow und nun …“
„Du hast mich bestohlen!“
„Du hast deinen Ring zurück! Ich wusste ja noch nicht mal, dass er etwas wert ist. Meinst du wirklich, dass ich mir das hier ausgesucht habe?“, fragte sie ihn und streckte die Arme aus. Sie war nicht gern eine Gefangene und anstatt, dass die Männer wenigstens ab und zu mal oben ohne oder nackt rumliefen, um ihr Dasein erträglicher zu machen!
„Du hast meinen Lieblingspulli gestohlen!“
„Ernsthaft? Hier geht es um einen Pullover?“ Nadia dachte sie war im falschen Film. Hier ging es um einen interstellaren Krieg und er machte sich Sorgen um seinen Pullover! In dieser Nacht hatte es sich angefühlt, als würden sie sich schon immer kennen. Es war als kannten sie den Körper des anderen. Sie hatte so etwas noch nie erlebt. Es war fast Liebe, was Quatsch war, weil sie sich ja gar nicht gekannt haben, aber es hatte sich so angefühlt.
Nadia wusste nicht, dass es ihm genauso gegangen war und er konnte ganz schwer damit umgehen. Seit die Artaner seinen irdischen Vater getötet hatten, hatte er sich emotional sehr zurück genommen, um sich selbst zu schützen und dann traf er diese Frau, eine völlig Fremde und es war eine Explosion der Gefühle gewesen. Er hatte viele Frauen gehabt und sie waren ihm alle egal, doch sie raubte ihn aus, kam hinter seine wahre Identität und alles, an was er denken konnte war sie zu beschützen.
Nadia stand auf und ging in ihr Zimmer, welches ironischerweise Jongins Zimmer war, doch er hatte ja eine eigene Wohnung und schlief in der Regel auch nicht im Dorm. Natürlich hatte sie seinen Pullover noch und sie nahm ihn direkt mit in das Wohnzimmer.
„Hier.“ Sie schmiss ihm den Pulli entgegen, den er mühelos auffing. Er legte den Pulli zur Seite und teleportierte sich direkt zu ihr, zog sie in die Arme und küsste sie. Da war es wieder, dieses Gefühl. Es überraschte sie beide, wie ihre Körper aufeinander reagierten und so plötzlich, wie er sie geküsst hatte, so schnell löste er sich wieder von ihr und teleportierte sich ans andere Ende des Raums. Er atmete schwer und schaute sie panisch an.
„Ich kann das nicht!“, sagte er, als hätte sie irgendetwas getan und schon war er weg. Den Pullover hatte er natürlich nicht mitgenommen, also nahm Nadia ihn wieder zu sich. Sie drehte sich um und sah Chen am Türrahmen lehnen.
„Was ist das mit euch?“
„Ehrlich? Keine Ahnung.“ Für mehr Worte war sie zu müde und so stapfte sie an ihm vorbei und ging selbst schlafen.