Zwei Tage später lag Nadia in ihrem Bett und starrte nach draußen. Es war so ein schöner Sommerabend und sie lag hier. Das Gespräch mit EXO hatte geholfen. Sie verstand die Sänger jetzt besser, welche inneren Kämpfe sie ausstehen mussten und andersherum verstanden sie Nadia besser. Es war wirklich harmonischer geworden. Trotzdem hatte sie sich etwas mehr Freiheit von dem Ganzen erhofft.
Sie dachte viel darüber nach, was die Männer gesagt hatten. Für manche schien es realer, als für anderen, doch sie hatten zumindest alle ein Zusammengehörigkeitsgefühl. Vor allem für Jongin schien es sehr real zu sein und sie fragte sich, was in seinem vergangenen Leben alles passiert war.
Im Wohnzimmer war irgendeine Aufruhe, doch in der Regel betraf es sie ja nicht. Heute wohl schon, denn die Tür ging auf.
„Willst du mit?“, fragte Chanyeol.
„Wohin?“
„Wir treffen uns mit Freunden“, erklärte er und Nadia zog die Augenbrauen zusammen.
„Ist das ein Trick?“
Der Musiker fing an zu lachen und schüttelte den Kopf.
„Nein, kein Trick, nur ein freier Abend mit Freunden.“
Das musste man ihr nicht zweimal sagen und nach einer Viertelstunde stand sie fertig in der Tür.
„Auf gar keinen Fall nehmen wir dich so mit“, sagte Jongin bestimmend. Nadia schaute an sich runter. Sie hatte einen weißen Minirock und ein lockeres, mintgrünes Tanktop an. Dazu Sandalen, viele Armreifen und drei lange Halsketten. Sie hatte ein leichtes Make Up aufgelegt und die Haare offengelassen. Sie schaute an sich hinab.
„Was stimmt nicht?“
„Das würde ich auch gerne wissen“, sagte Chanyeol, der Nadia ebenfalls musterte.
„Das ist viel zu sexy! Nein, nein, nein, du steigst jetzt in eine Jogginghose und in ein T-Shirt“, beharrte Jongin, wobei man ihm ansah, dass es ihm schwerfiel ernst zu bleiben.
„Du eifersüchtiger Gockel“, meinte Sehun und ging auf die Tür zu.
Am Ende fuhren sie mit drei Auto, wobei Nadia bei Chen mitfuhr.
„Darf ich dich etwas fragen?“, kam es von der jungen Frau und Chen schaute zu ihr.
„Natürlich.“
„Jongin … er scheint sehr an seinem vergangenen Leben zu hängen, mehr als die meisten von euch…“
Chen wartete und fing dann an zu grinsen.
„Das war keine Frage.“
„Ach jetzt komm schon! Was ist in seinem vergangenen Leben passiert, dass ihn so mitnimmt?“
Wenn er eine Frage wollte, dann bekam er eine. Chen dachte einen Moment nach.
„Jongin sollte meine kleine Schwester heiraten. Eigentlich sollte sie Chanyeol heiraten. Es war üblich für unsere Familien untereinander zu heiraten, um die Allianz zu stärken. Dabei wurden gewisse Muster eingehalten, damit es nicht in Inzucht ausartete, aber bei zwölf Familie und einem Turnus, kam das eigentlich nicht vor. Jedenfalls war es vorgesehen, dass sie Chanyeol heiratete, doch sie und Jongin verliebten sich. Zuerst hielten sie es geheim, doch dann traten sie vor den Rat. Wir haben sehr alte Traditionen und der Rat verfährt gerne nach dem Konzept, dass etwas, was seit Tausenden von Jahren funktioniert, nicht geändert werden darf. Es ging so weit, dass Jongin auf den Thron verzichten wollte. Bevor der Krieg begann wollten sie weglaufen … wegfliegen … wie auch immer. Doch dann ging alles so schnell und sie wollten ihre Familien damit nicht allein lassen.“
Er machte eine Pause und seufzte.
„Als wir uns … opferten … war sie mit Jongins Kind schwanger.“
Nadia hörte sich die Geschichte an und blinzelte die Tränen weg. Kein Wunder, dass er emotional so nah an seinem alten Leben war.
„Sie waren ein tolles Paar gewesen, sie waren so glücklich, so voller Liebe. Er muss sich nur damit abfinden, dass selbst wenn wir es schaffen würden auf unsere Heimatplanten zurückzukehren, würde es nichts dran ändern, dass all die Leute, unsere Familien und Freunde, tot sind. Selbst wenn sie irgendwo ihre DNA hinterlegt haben, so würden es doch nicht die gleichen sein, verstehst du was ich meine?“
Nadia nickte abwesend. Nur weil man die Erinnerungen von jemand hatte, hieß das nicht, dass man das gleiche empfand. Erinnerungen und Gefühle war zwei unterschiedliche Dinge.
In der Bar angekommen versuchte Nadia ihre Gedanken umzulenken. Sie hatte Freigang und wollte es genießen. Es stellte sich heraus, dass wenn EXO von ‚Freunden‘ sprachen sie BTS meinten! Nadia war kein großer Kpop Fan, doch es war schwierig an manchen Bands nicht vorbei zu kommen. BTS gehörten dazu, sie waren praktisch überall und sie musste zugeben, dass sie einen eigenen Sound hatten und ein paar gute Lieder. Sie wurde jedem vorgestellt und dann nahmen sie Platz. Nadia landete zwischen Taehyung und Jimin und kam sich etwas unter Beobachtung vor.
„Von wem bist du die Freundin?“, wollte Jimin wissen und schaute in die Runde. Nadia hingegen schaute zu Jongin, doch der reagierte nicht wirklich. Sie war auch nicht seine Freundin, sie dachte nur … was dachte sie eigentlich?
„Nein, nein, wir sind nur Freunde“, erwiderte sie.
Sie bestellten zu Essen und nach dem Essen begann das trinken. Alle saßen verteilt in kleinen Grüppchen und unterhielten sich. Es war komisch für Nadia und sie hielt sich aus den meisten Gesprächen heraus. Irgendwann landete sie an der Bar, um sich noch etwas zu trinken zu holen, als sich Taehyung neben sie setzte.
„Sind wir so eine schlechte Gesellschaft, dass du alleine trinken musst?“, fragte er grinsend und setzte sich neben sie auf den Barhocker.
„Nein, ich will euch nur nicht stören.“
„Eine schöne Frau stört uns nie“, erwiderte er und wirkte verlegen. „Was trinkst du?“
„Gin Tonic“, erwiderte Nadia.
„Zwei Gin Tonic bitte“, bestellte Taehyung beim Kellner.
Jongin beobachtete die beiden eine Weile. Sie redeten und lachten und tranken und es passte ihm überhaupt nicht.
„Was ist los?“, fragte Chen und folgte seinem Blick. „Ah … eifersüchtig?“
Jongin riss seinen Blick los und schaute zu Chen.
„Sei nicht albern.“
„Ich weiß was du versuchst, aber vielleicht ist es Zeit nach vorne zu blicken. Du magst sie doch und … sie mag dich.“
Jongin zog die Augenbrauen zusammen. Mögen oder nicht mögen, jedenfalls mochte er es nicht wie Taehyung ihr so nahekam. Er ging zu den beiden rüber und legte den Arm um Nadia.
„Ich wollte kurz frische Luft schnappen, willst du mit?“
Verwundert schaute sie ihn an.
„Ah, ich wusste es doch, dass ihr beiden …“
„Nein, so … ist es nicht … dachte ich?“, fragend schaute Nadia zu Jongin.
„Ich bin auf dem Balkon“, sagte er nur und wand sich ab.
„Schade“, meinte Taehyung. „Aber wie wäre es, wenn du dir meine Nummer aufschreibst? Nur für den Fall?“
Er war witzig und kindlichen und dann doch so sexy. Nadias Hormone spielten völlig verrückt. Sie lächelte und nickte und so tauschten sie ihre Nummern aus.
Die meisten Plätze waren besetzt und da die beiden Bands etwas Privatsphäre haben wollten, hatten sie drinnen eine ruhige Ecke. Er stand nahe am Geländer und schaute über die Stadt.
„Das ist das für ein Spiel?“, fragte sie ihn.
„Spiel? Ist es das für dich?“, fragte er, ohne sich umzudrehen.
„Du küsst mich, du schupst mich weg, ich flirte, es passt dir nicht. Sag mir was du willst.“
Nun drehte er sich um schaute ihr in die Augen.
„Ich dachte ich wüsste was ich wollte und dann kamst du und jetzt weiß ich nichts mehr…“ Gedankenverloren spielte er mit ihren Haaren. Ihr Herz raste schneller. Immer wieder dachte sie an diese eine Nacht zurück. Es war als würden sie sich ewig kennen und es irritierte Nadia.
Diesmal küsste sie ihn und seine Arme schlossen sich um sie.