In den kommenden zwei Tagen verbesserte sich unser Verhältnis nicht wirklich. Ständig schaute er finster zu mir oder murmelte, dass ich endlich verschwinden sollte. Unsere Kommunikation war einseitig. Er wollte mich nicht verstehen und ich wollte ihm nicht mehr zuhören. Wieso gab es kein Rückgaberecht für Schützlinge? Oder eine Tauschbörse? Ich fand heraus, dass die Menschen Ebay hatten. Eine Internetseite, bei der man alles Mögliche versteigern konnte. Vielleicht sollte ich ihn dort versuchen los zu werden. Die Anzeige würde die Überschrift haben „Nerviger Schützling abzugeben“, Mindestgebot 1000 Won und zur Selbstabholung.
Mir war es unangenehm, dass ich ihn so nervös machte und ich versuchte aus seinem Sichtfeld zu bleiben. Allerdings begriff er schnell, dass ich nie weit weg war und manchmal war er einfach schneller als ich und schaute mich finster an. Er sprach mit seinen Bandkollegen nicht über mich, wahrscheinlich dachte er selbst, dass er kurz vor’m Durchdrehen stand. Wieso hatte ich keinen Ansprechpartner? Wieso hatte noch niemand einen Schutzengel-Support auf die Beine gestellt? Ich beschloss, dass sobald ich meinen Auftrag erfüllt hatte, ich mit irgendjemanden darüber reden würde, so was wollte ich nicht noch einmal erleben. Zum Glück blieben die Gefahren aus, alles war in Ordnung, er setzte sich nicht mehr Gefahren aus, als jeder normale Mensch. Ich begleitete ihn zu seinen Auftritten, Meetings, Interviews und sah ihm zu wie er vor dem Laptop saß oder telefonierte, Musik hörte oder durch die Stadt ging. Anfangs dachte er, er könnte mich abhängen, doch nach wenigen Stunden gab er auch das auf.
Es war Nachmittag, zwei Tage nachdem wir das erste Mal wirklich aufeinander gestoßen waren. Er saß im Musikstudio und arbeitete alleine an einem Song. Zugegeben, er konnte wirklich gut singen und wenn er nicht so ein einfältiger, überheblicher, realitätsfremder Dreikäsehoch gewesen wäre, hätte ich wirklich ins Schwärmen kommen können.
Ich versteckte mich hinter einem Schrank, damit er mich nicht sehen konnte.
„ Okay, ich weiß dass du hier bist.“
Mir war klar dass er mich meinte, sonst war ja niemand da. Ich stand auf und schaute ihn an, relativ emotionslos, denn ich wusste, dass wenn er mich so zu sich rief, dass da nichts Gutes bei raus kommen konnte.
„ Wieso habe ich einen Schutzengel?“
„ Jeder hat einen.“
Er schmunzelte einen Augenblick.
„ Nicht immer sind wir so nahe wie ich es bei dir gerade bin“, ergänzte ich.
„ Wieso bist du hier?“
„ Wenn ein Schützling davor steht sich in große Gefahr zu begeben, dann kommen wir zu ihnen um sie besser schützen zu können.“
Kyuhyun zog die Augenbrauen zusammen, ich wusste dass er sich fragte, ob sein Leben in Gefahr war. Das Traurige war, dass ich es ihm nicht beantworten konnte, nur dass er wohl im Moment eine Tendenz dazu hatte gefährlicher zu leben als sonst.
„ Das heißt, dass wenn jetzt etwas passiert, es noch nicht meine Zeit ist zu gehen.“
„ Theoretisch.“
„ Wie theoretisch?“
„ Theoretisch ja, aber wenn du jetzt denkst, du musst jetzt aus dem Fenster springen, kann ich daran auch nichts mehr ändern und du wirst auf deiner Beerdigung … scheiße aussehen.“
Mir viel nichts Besseres ein zum Umschreiben.
„ Das heißt eigentlich ist deine Anwesenheit sinnlos.“
Was nahm der sich heraus? Von wegen sinnlos.
„ Nein, ich bin da um dich zu schützen, doch ich kann Dinge nur in die richtige Richtung lenken, ich kann keine Wunder vollbringen, ich bin ja nicht Gott.“
Kurz schwieg er, so gefiel er mir am Beste.
„ Unter uns, wie ist Gott denn so?“, fragte er mich dann schließlich. Oh man. Gott war relativ, Gott hatte Tausend Gesichter und keins, Gott stellte sich so da, wie die Menschen ihn machten, als Göttin, als Buddha, all das war Gott oder eher die Macht die uns alle leitete, es war Irrsinn ihn auf eine Religion zu beschränken.
„ Er ist 1,46 Meter groß, hat eine Halbglatze und färbte sich die Achselhaare orange, frag mich aber bitte nicht wieso“, gab ich ihm als Antwort.
„ Du verarschst mich?“
„ Werden wir es je herausfinden?“
Ich war nicht dazu gemacht über solche Sachen zu reden, ich war nicht dazu gemacht überhaupt mit meinen Schützlingen zu reden und dann gar nicht über Gott. Kyuhyun machte ein Geräusch, dass einem Knurren sehr ähnlich war und ging zurück an die Arbeit.
Es gab keine Antworten die einen Menschen befriedigt hätten, ihr Leben lag im Endeffekt in ihren Händen, sie waren es, die die Fäden lenkten, nicht Gott.
Ich verzog mich wieder um ihn in Ruhe arbeiten zu lassen. In dem Raum vor dem Tonstudio saßen ein paar seiner Bandkollegen, Leeteuk, Sungmin und Heechul. Sie machten mir zumindest keine Sorgen und ich nahm etwas Zeit sie zu beobachten.
Kyuhyun war ein Einzelgänger. Natürlich suchte er den Kontakt zu den anderen, er hing aber nicht so zusammen wie Donghae und Eunhyuk oder Hangeng und Heechul. Hatte er einen besten Freund? Er war der Jüngste und hatte damit eine andere Stellung, aber vielleicht war er noch zu jung und musste sich erst selbst finden.
„ Irgendwie wirkt Kyuhyun abwesender als sonst“, sagte Leeteuk und schaute durch das Fenster in das Tonstudio. Die anderen nickten nachdenklich. Aus irgendeinem Grund wünschte ich mir, dass er einen besten Freund hätte.