Ich hielt mich von Kyuhyun fern, zumindest was meine Erscheinung betraf. Natürlich konnte ich ihn nicht alleine lassen, ich war sein Schutzengel, doch ich wollte nicht dass die anderen dachten er sei irre oder hätte einen unsichtbaren Freund.
Man sah ihm an dass er irritiert war, dass er nach mir schaute, doch es war besser so. Ich war die Ältere – offensichtlich – und musste somit auch die Vernünftigere sein. Allerdings konnte ich Siwon nicht davon abhalten am nächsten Tag zu ihm zu gehen.
„ Na, alles klar?“
Kyuhyun schaute seinen Bandkollegen verwundert an, er merkte dass etwas nicht stimmte.
„ Sicher.“
„ Sicher?“
„ Wieso?“
Siwon setzte sich zu ihm auf sein Bett.
„ Wir machen uns Sorgen.“
„ Sorgen? Wieso? Hyung, was ist los?“
Ich wusste mittlerweile dass er es hasste, wenn er anderen alles aus der Nase ziehen musste.
„ Wir haben ab und zu gehört wie du … mit jemand sprichst, wenn keiner da ist.“
„ Wenn ihr da ward um es zu hören, war doch jemand da.“
Siwon schien darüber nachzudenken, doch ich grinste nur.
„ Wenn du nicht wusstest dass wir da waren um zu hören wie du mit jemand sprichst.“
Kyuhyun schien ihn nicht ganz zu verstehen, auch wenn ich dachte dass er sehr wohl wusste um was es ging und sich nur dumm stellte.
„ Hast du irgendwelche Sorgen? Etwas über das du reden willst?“
„ Nein!“
„ Kyuhyun …“
„ Siwon, mir geht es gut!“
„ Mit wem redest du dann?“
Kyu seufzte und fuhr sich mit den Händen über das Gesicht, ich hoffte nur dass er nichts Doofes machte.
„ Du glaubst an Gott.“
Langsam nickte der Ältere, unwissend wohin dieses Gespräch führen würde.
„ Dann glaubst du auch an Schutzengel?“
Gut, zu spät, er hatte etwas Doofes gemacht. Siwon schien über seine Antwort genau nachzudenken.
„ Ja, ich glaube dass es etwas gibt wie Schutzengel … oder Engel an sich gibt.“
„ Ich habe meinen Schutzengel kennen gelernt.“
Ich lehnte meinen Kopf gegen die Wand, das durfte doch alles nicht wahr sein.
„ Bitte?“
„ Ja, sie heißt Elena … also ich habe sie so genannt weil sie sich nicht mehr an ihren Namen erinnern konnte, jedenfalls ist sie mein Schutzengel.“
Siwon starrte ihn einfach nur an.
„ Ich weiß das das total irre klingt, okay? Aber wenn ich weiß dass es sich verrückt anhört, würde ich es dir nicht sagen, wenn es nicht wahr wäre, weil dann würdest du mich für verrückt halten und glaub mir, ich habe das am Anfang auch gedacht.“
Siwon schien nach Worten zu suchen, schien aber keine geeigneten Worte zu finden – ich nahm es ihm nicht übel, wahrscheinlich hätte ich genau so reagiert … als ich noch lebte und selbst nichts über Schutzengel wusste.
„ Du sprichst mit deinem Schutzengel?“
„ Hörst du mir nicht zu?!“
Wieder suchte Siwon nach Worten.
„ Du glaubst an Gott! Wenn es einer versteht dann du!“
Ich sah das Kyuhyun seine Hoffnung auf Siwon gebaut hatte und bezweifelte dass er es den anderen anvertraut hätte.
„ Kyuhyun, wir haben alle viel Stress und jeder von uns sucht seinen eigenen Weg den Stress abzubauen. Du kannst mit uns sprechen, wir sind eine Band, wir gehen alle durch das Gleiche und verstehen dich …“
„ Nichts versteht ihr!“
Kyuhyun sprang von seinem Bett und schmiss die Tür hinter sich zu. Ich blieb ein paar Sekunden bei Siwon der dem Jüngsten hinter schaute und seufzte. Ja gut, vielleicht hatte ich auch meine Hoffnung ein wenig auf Siwon gestützt.
Dann zog mich der natürliche Drang meinem Schützling zu folgen aus dem Zimmer.
Kyuhyun lief und lief und lief das Hangangufer entlang – und ich hinterher. Er sah nicht besonders sportlich aus, aber im ‚vor sich hin stampfen‘ war er einsame Spitze. Ich war mir sicher dass er wusste dass ich da war, doch diesmal versuchte er nicht mich aus der Reserve zu locken. Er hatte sicher irgendwelche Termine, doch er ignorierte auch die konstruktiv und lief immer weiter und weiter. Er hatte kein Handy dabei, die anderen würden sich sicher Sorgen machen.
Irgendwann sah das Ufer ziemlich verwildert aus und abrupt blieb er stehen und drehte sich um.
„ Das ist so unfair!“
Ich rührte mich nicht, zeigte mich nicht, sagte nichts.
„ Elena! Wieso versteht mich keiner? Meine Bandkollegen denken ich dreh durch und du sprichst auch nicht mehr mit mir.“
„ Du machst es mir aber nicht einfach…“
Ich kam aus meinem Versteck, nein, er machte es einem nicht einfach.
„ Kyuhyun, ich kann nicht zulassen, dass ich so einen Einfluss auf dein Leben habe.“
„ Zu spät, dafür ist es zu spät.“
Er setzte sich an das Ufer und begann Steine in den See zu werfen.
„ Meine Bandkollegen halten mich jetzt schon für irre, egal ob du mit mir redest oder nicht. Lass mich nicht allein …“
Da saß es, das Häufchen Elend und seit langer, langer Zeit spürte ich etwas, was ich als ‚menschlich‘ kategorisierte. Mitleid, Verständnis, Zuneigung. Gefühle die mir lange versagt waren. Also ging ich zu ihm und lehnte meinen Kopf gegen seine Schulter.
„ Keine Sorge, ich lasse dich niemals allein.“