Skye musste laufen, also spazierte sie durch Bukchon und fragte sich, was mit ihr los war. Sie war gut darin Gefühle und Sex voneinander zu trennen und sie war gut darin Spaß zu haben. Es war ein natürliches Bedürfnis, es war nichts Schlimmes daran. Allerdings wusste sie nicht, ob das Problem bei ihren ungeklärten Gefühlen gegenüber Jongin lag oder ob es an Nikolai selbst lag. Er war zu gut für nur Sex. Sie hatte Siwon irgendwie das Herz gebrochen, dann Jiyongs und Jongin ging es auch schlecht. Sie wollte nicht noch ein Herz auf dem Gewissen haben, nur um sich selbst abzulenken. Dafür war er zu gut. Einerseits hatte er dieses Date organisiert und eigentlich strahlte so ein Date nicht aus ‚Ich will dich heiraten und Kinder bekommen‘, andererseits hatte er sich nur der Situation angepasst. Skye hatte ihm Auflagen erteilt, nicht er sich selbst. Doch als sie anfingen sich auszuziehen, hielt er sie auch nicht auf, doch dann war wieder die Frage: Welcher Kerl würde eine Frau schon aufhalten?
Nach ungefähr einer Stunde war ihr nun doch wieder kalt und Skye hielt ein Taxi an. Allerdings führte sie ihr Weg nicht nach Hause, sondern in diesen Strip Club von Noah. Sie musste da etwas testen.
Wie erwartet saß Fynn an der Theke und schaute schon fast gelangweilt die Show.
„Skye? Wo kommst du her?“
Sie beantwortete seine Fragen nicht und küsste ihn stattdessen. Er reagierte schnell auf sie und zog sie enger an sich heran.
„Hast du hier noch zu tun?“, fragte sie außer Atem, als sie den Kuss beendete. Und selbst wenn er etwas zu tun gehabt hätte! Als würde sich ein Kerl so eine Chance entgehen lassen.
„Zu mir oder zu dir?“
„Zu mir ist es kürzer“, erwiderte sie und schon waren sie unterwegs.
Eins musste sie Fynn lassen, wenn sie ihn sonst schon nicht besonders gut leiden konnte, Sex konnte er. Es war 5 Uhr morgens als sie beschlossen nun aufzuhören. Erschöpft lag sie neben ihn.
„Wieso kann ich mit dir Sex haben?!“, fuhr sie ihn an, was offensichtlich zu Verwirrung führte.
„Was?“
„Vorhin hatte ich schon mal einen nackten Mann vor mir stehen. Er ist groß und stark und ich schätze seinen Charakter und sein Wesen und ich konnte einfach nicht.“
Fynn zog die Augenbrauen zusammen.
„Willst du mir sagen, dass du mit mir Sex hast, weil du mich nicht magst?“
„Stört dich das? Ich meine im Endeffekt weiß ich überhaupt nichts über dich.“
„Nein stört mich nicht.“
„Okay super – und jetzt raus hier.“
„Was?!“
„Hey, willst du jetzt wirklich kuscheln und dann schlafen wir Arm in Arm ein?“ Sie verzog das Gesicht und er machte es ihr nach.
„Okay, hast Recht“, gab er zu und setzte sich auf.
Sie ließ ihn aber noch duschen und machte sich selbst schon mal den ersten Kaffee.
„Über was streitest du dich mit diesem Kai?“, fragte Fynn als er aus der Dusche kam. Er machte sich gar nicht die Mühe ein Handtuch umzubinden.
„Kennst du das, wenn man nur noch nach Dingen zum Streiten sucht, bis man gar nicht mehr weiß über was man sich streitet?“
Er nickte nachdenklich.
„Wenn es nach mir geht, könnt ihr euch ruhig noch eine Weile streiten.“
Skye rollte genervt die Augen.
„Tic tok…“
„Bin schon auf dem Weg.“
Erschöpft fiel die Amerikanerin in ihr Bett. Nachdem sie es neu bezogen hatte. Der Geruch von Sex haftete daran und sie wollte schlafen. Eigentlich hatte sie heute nicht viel zu tun. Außer ein paar Fanbriefe lesen, doch ernsthaft, wer würde tatsächlich kontrollieren, wie viele sie gelesen hatte und wie viele nicht?
Sie stellte sich den Wecker auf 12 Uhr. So hätte sie noch genug Zeit für Fanbriefe und um sich für die Party fertig zu machen. Sie hatte Taehyung gefragt, was sie als Geschenk holen sollte. Er sagte sie bräuchte nichts, doch dass sie wohl gerne reiste und man immer Dinge bräuchte wie Kofferanhänger oder Pass-Etuis.
Ihr Kopf berührte das Kissen und sie zog die dünne Decke über sich. Ihr normales Bettzeug lag an der Seite. Sie schlief lieber etwas kühler, als nachts verschwitzt aufzuwachen und in dem Loft war es angenehm. Sie hatte die Fenster aufgerissen und genoss die frische Luft.
Dann klingelte es. Skye öffnete nicht die Augen. Er/sie/es würde schon gehen, wenn sie nicht aufmachte. Wieder klingelte es. Genervt stand sie auf und stolperte die letzten Stufen runter. Schmerzhaft landete sie auf den Knien. Müde und Stufen und Wut waren keine gute Mischung.
„Hast du eigentlich auf die Uhr gesch-“, zeterte sie schon los als sie die Tür öffnete, hielt dann aber inne, als sie Nikolai sah. Um ehrlich zu sein hatte sie nicht gedacht ihn so schnell wieder zu sehen.
„Nikolai …“
„Entschuldige … habe ich dich geweckt?“
„Ehm … nein, ich war noch wach.“
„Es tut mir leid, wenn ich dich zu etwas gedrängt habe, was du nicht willst.“
Sie schaute zu ihm hoch. Wie hatte sie ihn nackt stehenlassen können? Skye nahm seine Hand und zog ihn in die Wohnung, bevor sie ihn küsste. Es dauerte nur einen Moment da reagierte er auf sie.
Diesmal hörte sie nicht auf. Er war trainiert und stark und total erschöpft schlief sie in seinen Armen ein.
Als sie wach wurde, waren sie noch eng miteinander verschlungen. Ihr ganzer Körper schmerzte, aber es war ein süßer Schmerz und seine Arme hatten sie eng an ihn gezogen. Ihn schmiss Skye nicht raus, im Gegenteil, am liebsten würde sie die Zeit anhalten und ihn für immer hierbehalten. Dieser Moment bevor die Dinge kompliziert wurden. Skye gab sich gerne ihrem Körper hin, es war für sie ein wichtiger Teil einer Beziehung, auch wenn eine Beziehung nicht notwendig war. Sie mochte unkomplizierte Liebschaften, doch oft hatte sie festgestellt, dass es die Männer waren, die auf einmal über Gefühle sprechen wollten. Auch wenn sie immer so taten, als wären sie Machos und Player, so konnte man sie schnell aus ihrer Bahn werfen. Meistens erwarteten sie, dass es der Frau nicht anders ging und diese komplizierten Windungen hatten Skye schon den einen oder anderen Liebhaber gekostet. Sie war noch nicht über Jongin hinweg und sie wollte und konnte sich nicht in eine neue Beziehung stürzen. Doch das bedeutete nicht, dass sie keinen Spaß haben konnte.
„Müssen wir schon aufstehen?“, murmelte er.
„Noch nicht“, erwiderte sie. Ohne die Augen zu öffnen suchten seine Lippen die ihren.
Als Skye später unter der Dusche stand und ihr alles wehtat, stellte sie fest, dass sie auch den ein oder anderen blauen Fleck bekommen hatte.
Ich bin eine Hure, dachte sie, als sie in den Spiegel schaute. Nein. Das war Quatsch. Sie genoss nur, mehr nicht. Und es waren Non-Idols. Eigentlich machte sie eine Therapie. Eine Non-Idol-Therapie. Weg von den Märchen und rosa roten Brillen, hallo internationale Sexerlebnisse. Es wurden keine Herzen gebrochen, sie hatten nur Spaß – Skye wohl etwas mehr, aber gut, man gönnte sich ja sonst nichts.
Nikolai saß am Tisch und schaute sich um.
„Sehr urban, ich mag es.“
„Danke“, erwiderte sie und stellte zwei Kaffeetassen auf den Tisch.
Nikolai war kein Mann von großen Worten und das war okay. Skye fühlte sich wohl in seiner Gegenwart. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass er sie verstand. Als würde in ihm auch eine Dunkelheit brodeln, nur dass er sie besser unter Kontrolle hatte.
„Also, Dienstag Training.“
„Was für ein Training?“, fragte Skye grinsend und er lächelte ebenfalls.
„Nicht den Fokus verlieren, ich mache aus dir einen Ninja. Einen … kleinen Ninja.“
„Hey, die Durchschnittsgröße im späten Mittelalter lag in Europa ungefähr bei 1,66 Meter. Japaner sind in der Regel 4-7 Zentimeter kleiner als Europäer, also war der Durchschnitts-Ninja ungefähr 1,60 Meter.“
Nikolai lächelte amüsiert.
„Okay, du bist mein Durchschnitts-Ninja.“
Skye nickte zufrieden. Er gab ihr einen Abschiedskuss und dann war er weg. Skye blieb noch in der Tür stehen und schaute ihm nach, doch als sie sich zur anderen Seite drehte, sah sie Jin, mit offenem Mund. Mist.
„Das ist nicht der gleiche Mann wie heute Morgen!“
Die Amerikanerin schaute verwundert.
„Wovon redest du?“
„Gegen 6 Uhr ist mir diese Finne entgegengekommen.“
„Schwede“, korrigierte sie ihn, doch Jin war das egal.
„Das war nicht der Schwede!“
„Nein, das war der Russe – wo kamst du eigentlich heute Morgen um 6 Uhr her?“, fragte sie ihn mit hochgezogenen Augenbrauen.
Bevor sie zu SM Entertainment ging, musste sie sich etwas zu essen suchen und dabei sah sie ein bekanntes Gesicht.
„Karma?“, rief sie der Tänzerin aus Noahs Club zu.
„Hi Skye!“ Die Frau war stehen geblieben und als sie die Amerikanerin sah, lächelte sie und begrüßte sie überschwänglich.
„You were gone so fast last night, I didn’t had the chance to say ‚hi‘“, beschwerte sie sich.
„Sorry, was kind of a science project“, erklärte Skye.
Karma erzählte ihr, dass die Schneiderin, die die Kostüme für die Tänzerinnen machte hier um die Ecke ihr Studio hatte und fragte, wann Skye wiederkommen würde.
„Knowing Noah it won’t take long“, erwiderte sie lachend. Immerhin wollte sie einen Dachgarten haben. Sie fand es aber auch interessant, als könnte sie dort eine Seite ausleben, die sie sonst nicht ausleben konnte. Es war praktisch wie ein Fight Club … nur eben ohne Fight.
„You really are a great singer, I’m looking forward seeing you soon, and hey, that’s my number, if you wanna grab a coffee just give me a call.“
Sie gab Skye ihre Nummer.
„That’s awesome, so I can tell people I’m having a drink with Karma.“
Die Kubanerin fing an zu lachen, sicherlich hörte sie solche Witze öfters, andererseits war es sicher ein Künstlername, denn sie sich wohl ganz bewusst ausgesucht hatte.
Skye ging zurück in ihren Kabuff und machte sich an die Fanbriefe. 50 wollte sie heute schaffen und dann wäre es aber auch gut. So viel Liebe konnte sie gar nicht verarbeiten. Skye mochte BTS, ja, sie mochte ihre Musik und kaufte die neusten Alben, doch sie würde zum Beispiel nicht auf die Idee kommen irgendwo Poster von ihnen aufzuhängen und sie würde sicherlich niemals auf die Idee kommen so einen Brief an jemand zu schicken, den sie nicht kannte. Wie konnte man jemand lieben, den man nicht kannte? Man konnte jemanden schätzen für seine Musik, natürlich und Skye hatte sich früher auch gerne BTS und Super Junior in den Shows angeschaut, weil sie witzig waren, doch das hieß noch lange nicht, dass sie privat auch so waren. Doch in diesen Briefen überreichten die Mädchen ihre Herzen auf einem Silbertablett. An jemand, der sie nicht kannte und wahrscheinlich nie kennen würde. Skye war einfach ein schlechter Fan. Sie verstand dieses ganze Fandom gar nicht. Es kostete doch viel zu viel Kraft jemand zu lieben, den man nicht kannte oder vielleicht war es gerade deswegen so einfach? Man konnte sich einreden wie die Person war und dachte sich etwas aus, dessen Existenz wohl nieder widerlegt werden würde. Man war verliebt in eine Idee, der man ein hübsches Gesicht verpasste hatte. Vielleicht sollte Skye das auch mal versuchen. Aber eigentlich fand sie es traurig, denn die Fans liebten, tief und innig und die Idols wussten zwar, dass da draußen viele Fans waren, doch natürlich konnten sie nie jeden Fan kennenlernen, nie persönlich zu schätzen wissen. Es war eine ziemlich einseitige Liebe.
Das bedeutete natürlich nicht, dass Skye plötzlich Verständnis hatte für durchgedrehte Weiber, die sie umbringen wollten, weil sie dachten Kai wäre ihr Freund. Wann war da eigentlich die Verhandlung? Sie wollte den beiden Frauen in die Augen schauen. Okay, ja, eigentlich wollte Skye sie vermöbeln, aber irgendjemand hatte ja gedacht die Selbstjustiz abzuschaffen.
Aber nun stellt euch mal vor Skye wäre wirklich gestorben, wegen einem Kerl, der sich von ihr getrennt hatte! Andererseits wäre es ja gar nicht so weit gekommen, wenn sie gestorben wäre. Jongin hätte wahrscheinlich auf Lebzeit ein schlechtes Gewissen gehabt. Oder noch besser, er hätte Krystal dafür verantwortlich gemacht und hätte sie getötet, auf die gleiche Weise, wie Skye gestorben war. Und Skye saß dann mit Kyrstal gemeinsam im Himmel. Super Idee. Das Nachleben hätte Skye Kai jedenfalls dann zur Hölle gemacht, so viel stand fest.
Nach 50 Fanbriefen und einer absurden Wanderschaft ihrer Gedanken war Skye tatsächlich wieder nach Hause gefahren. Für Morgen war sie schlauer, denn sie hatte sich einen Karton gepackt mit Fanbriefen, die sie mit nach Hause nehmen würde. Für so einen Quatsch musste sie ja nicht bei SME rumsitzen.
Kaum Zuhause angekommen, fiel sie auch direkt wieder ins Bett. Um 18 Uhr sollten sie auf der Feier sein, eine halbe Stunde vorher würden die Jungs sie abholen und Skye brauchte nur eine halbe Stunde zum fertig machen, also könnte sie bis 17 Uhr schlafen. Eine Stunde.
Sie schlief praktisch sofort ein und murrte leicht, als der Wecker klingelte. Sie vermisste ihren Mittagsschlaf auf Adavaci, wenn sie sich mittags in eine Hängematte gelegt hatte um beim Einschlafen dem Rauschen der Wellen zu lauschen. Heute würde sie alles dafür geben.
Sie schlüpft in einen schwarzen Jumpsuit und machte sich schnell mit dem Glätteisen ein paar Locken bevor sie sich ein leichtes Make Up auflegte. Ihre Kaffeemaschine hatte ihr noch einen Cappuccino gezaubert und sie stand am Fenster um eine zu rauchen, als es klingelte.
Die Jungs hatten einen Anzug an und Skye fragte sich, ob sie underdressed war. Doch zuerst nahm Taehyung ihr die Zigarette ab und schmiss sie aus dem Fenster. Genervt schaute Skye zu ihm hoch.
„Da steht ein Aschenbecher!“
Taes Augen gingen auf die Suche und fanden den Aschenbecher.
„Oh…“
Skye schüttelte nur den Kopf und holte sich noch eine schwarze Lederjacke zum Überziehen.
„Die Haare stehen dir wirklich gut“, meinte Jimin im Auto. Gemeinsam mit Jungkook und Jimin saß sie hinten und Namjoon war der Fahrer.
„Danke, ich gewöhne mich langsam daran.“
Am Anfang war es wirklich eine Umstellung, doch inzwischen mochte sie es und sie versuchte die Haare weniger zu waschen. Das war das Problem bei solchen Farben: Sie hielten nicht so lange.
Die Feier war sehr viel lockerer als Skye es erwartet hatte. Tante Kim hatten einen Saal mit einer großen Terrasse am Rande von Seoul gemietet und alles war in Blau gehalten. Man kam sich fast vor wie unter Wasser.
Die Tante drückte ihren Neffen an sich und danach die anderen Sänger.
„Schön, dass ihr gekommen seid. Und wer ist diese hübsche Dame?“
„Tante Hanjin, das ist Skye, eine Freundin von mir“, stellte Tae sie vor.
„Es freut mich Sie kennenzulernen – alles Gute zum Geburtstag“, erwiderte Skye lächelnd.
Sie verscheuchte die ‚jungen Leute‘ und sagte ihnen sie sollten essen, trinken und sich amüsieren. Doch zuerst wurde Skye der kompletten Familie vorgestellt. Sie war bei koreanischen feiern immer etwas zurückhaltend, denn es gab zwar genug Koreaner, die Ausländern gegenüber neugierig und offen waren, aber es gab eben auch diese, die Ausländer nicht mochten und ihnen die kalte Schulter zeigten – wenn man Glück hatte. Taes Familie war aber eher neugierig und nicht nur einmal wurden sie gefragt, ob sie ein Paar waren. Taehyung schüttelte dann eilig den Kopf und Skye sah, wie sein Kopf rot wurde. Sie fand es süß. Schließlich zog Jimin sie weg, um ihnen etwas zu trinken zu holen. Skye beobachtete immer noch wie Taehyung alle möglichen Leute begrüßte. Er war so fröhlich und ausgelassen.
„Er ist wie ein Kind“, sagte Skye lachend.
„Manchmal, ja. Er kann auch ernst sein … wenn er will“, erwiderte der Sänger und nahm die zwei Weingläser von dem Kellner entgegen. Skyes Handy klingelte, es war Jongin.
„Entschuldige …“, sagte sie zu Jimin und ging ans Telefon.
„Hey … wann geht es los? Geht es allen gut? Habt ihr genug gegessen?“
Sie hörte wie er fröhlich lachte.
„Ja, es geht uns gut. Einige vermissen dich.“
„Einige?“, fragte Skye neckisch.
„Ja, Chanyeol und Chen vor allem. Wie ist die Party?“
„Lustig. Taehyungs Familie ist sehr nett.“
„Ja, das glaube ich … Ich muss weiter machen, feiere schön.“
„Ja, du auch.“
Sie legte auf und nahm Jimin das Glas Wein ab.
„Das hört sich an, als hättet ihr euch wieder vertragen?“
„Keine Ahnung … ich traue dem noch nicht ganz“, gab sie zu und nahm einen tiefen Schluck. Erst hauten sie sich die Köpfe ein, dann taten sie so, als würden sie jemand Neues haben und jetzt war es fast wieder normal? Nein, nein, irgendwas war komisch, Skye konnte es nur noch nicht ausdeuten.
Es gab unheimlich viel zu Essen, was bei einer koreanischen Feier nichts Ungewöhnliches war. Sie saßen zusammen, plauderte und lachten und tanzten. Solche Abende sollte es viel öfters geben.
„Warum bist du nicht seine Freundin?“, fragte Hanjin, Taehyungs Tante, als sie sich zu ihnen setzte und deutete auf ihren Neffen. Skye suchte nach Worten, denn sie wollte nicht das falsche sagen, doch es war wirklich schwer, wenn die Hälfte von BTS um sie herumsaß und grinste.
„Ich denke Tae und ich passen nicht zusammen. Tae ist wie … Peter Pan, er braucht eine Tinkerbell.“
„Awwww“, machte Taehyung.
„Eigentlich braucht Peter Pan eine Wendy. Du bist eigentlich eine gute Wendy“, kam es von Jimin. Skye trat ihn unter dem Tisch. Schon gestern hatte sie so ein Peter Pan Erlebnis gehabt. Sie war nicht Wendy.
„Nun gut … aber so schlecht hast du es mit Kai ja auch nicht getroffen“, erwiderte Hanjin. Skye schaute überrascht.
„Ich schaue auch noch Nachrichten“, erklärte die ältere Frau und stand wieder auf, um sich zu dem nächsten Tisch zu setzen.
„Doch, doch, es ist schon sehr offensichtlich auf welchen Typen du stehst“, meinte Namjoon und Skye wusste gar nicht genau, wieso sie angefangen hatten Skyes Liebesleben zu analysieren.
„Ach, ist das so?“
„Also, ich gebe zu GD hat mich etwas überrascht, eigentlich würde TOP besser in dein Jagdgebiet fallen. Ich weiß nicht so genau was mit dir und Siwon war, aber es ist offensichtlich, dass er nicht abgeneigt ist. Jongin ist Siwon in klein. Du stehst auf die Smarten, die Gutaussehenden und die halbwegs Vernünftigen. Ich verstehe es, du hast ein Imperium und dieses viele Geld, du willst jemand an deiner Seite haben, der damit umgehen kann.“
Die anderen nickten grübelnd.
„Das bedeutet, dass jemand wie Taeyong oder Jaejoong auch in ihr Jagdgebiet fallen würden?“, wunderte sich Jungkook.
„Hey, ich habe überhaupt kein Jagdgebiet“, beschwerte sich Skye, fühlte sich trotzdem ertappt, denn Taeyong war schon jemand, der ihr generell zusagte. Und eigentlich auch Seunghyun. Er war außer Reichweite, weil da eben Jiyong war, aber wenn er den ersten Schritt auf sie zugemacht hätte, wüsste sie nicht wie das ausgegangen wäre.
„Aber es geht auch um etwas Autorität. Siwon und Kai sind keine Mainsänger, aber sie sind oft die Gesichter ihrer Band und einflussreich, Jiyong ebenso“, meinte Jimin.
„Was wirklich wichtig ist: Bist du glücklich mit deinen Beziehungen? Ja, nicht jede Beziehung ist dazu da für immer zu halten, aber vielleicht solltest du mal außerhalb deines Rasters suchen. Ich persönlich denke, dass du und Baekhyun viel besser zusammenpasst und auch Taehyung“, analysierte Namjoon weiter.
„Oppa!“
„Hyung!“, kam es gleichzeitig von Tae und Skye.
„Nein, ich meine ja nur. Manchmal muss man etwas anderes ausprobieren auf der Suche nach seinem Glück. Manchmal denkt man, etwas macht einem glücklich, bis man feststellt, dass man etwas anderes braucht. Ich denke du hast so einen Punkt erreicht. Du brauchst jemand der dich glücklich macht, der dich auf Händen trägt, der sich nicht von dir bedroht fühlt, weil du klug, hübsch und reich bist.“
„Bis letzte Woche habe ich genau das von Jongin gedacht …“, gab sie zu und schmunzelte.
Etwas später schlenderte Skye noch einmal am Büffet vorbei, als Taehyung den Kopf aus einer Tür streckte. Er schaute sich um und fing an zu grinsen, als er Skye sah. Skye schaute noch fragend, doch er fing an sie zu sich zu winken. Kuchen musste wohl warten.
Sobald sie in Reichweite war, nahm er sie beim Arm und zog sie zu sich in den Raum.
„Wha-?“ Die Amerikanerin schaute sich in dem Raum um. Es war praktisch eine Erweiterung zu dem Hauptraum. Hier waren Tische und Stühle gelagert, Kerzenständer und Tischdecken und Hula Hoops? An der Wand lehnten gut ein Dutzend Reifen und andere Sportgeräte, wie Steps und Matten. Vielleicht wurden hier tagsüber Sportkurse angeboten?
Taehyung schnappte sich einen Hula Hoop und rollte einen weiteren auf Skye zu. Sie hielt ihn mit der Hand fest. Tae war schon in Stellung.
„Ernsthaft?“, fragte Skye.
„Es sei denn du weißt nicht mehr wie es geht …“
Eine Kampfansage war immer gut um die Amerikanerin aus der Reserve zu hocken. Die beide brauchten ein paar Versuche, doch Skye war die erste die den Schwung wieder raus hatte. Zu ihrer Verwunderung bekam Tae es auch schnell hin und sie hoopten um die Wette.
In diese Szene platzte Namjoon rein, der ziemlich zufrieden mit sich war, weil er den Grundstein dieser eventuellen Beziehung gelegt zu haben.
Später gab es Nachtisch. Taehyung hatte Recht behalten, seine Familie war recht trinkfest. Daher war es auch wichtig, dass zwischen drin immer wieder etwas in den Magen kam, um den ganzen Alkohol aufzusaugen. Skye versuchte sich etwas zurück zu halten. Die vergangene Nacht war anstrengend gewesen und sie hatte keine Ahnung wie lange die Jungs vor hatten zu bleiben.
Sie schlenderte am Büffet entlang, als sie jemanden schreien hörte. Skye schaute sich um und sah mehrere Menschen sich zu einer Traube formen. Sie ließ den Teller fallen und eilte auf die Menge zu. Mittelpunkt des Trubels war Hanjin. Sie lag auf dem Boden und japste nach Luft.
„Aus dem Weg! Ruf einen Krankenwagen!“, bellte Skye in die Menge. Jungkook und Jimin standen direkt dabei und begannen die Leute wegzudrängen. Skye kniete neben der Frau, die offensichtlich keine Luft bekam.
„Hast du dich verschluckt?“, fragte Skye, doch Hanjin schüttelte nur den Kopf, schwerfällig und nach Luft ringend. Ihr Mann kniete auf der anderen Seite.
„Was ist passiert?“, fragte Skye nun ihn, doch eigentlich war er viel zu aufgelöst, um eine wirkliche Hilfe zu sein.
„Ich weiß nicht … sie hat gegessen und dann fing sie an zu Husten und hielt sich das Herz“, sagte eine Frau am Rand. Skyes Gedanken überschlugen sich.
„Ist sie allergisch auf etwas?“
Taehyung kam mit seiner Mutter und fiel neben seinem Onkel auf die Knie.
„Ist sie allergisch?!“, fragte sie noch einmal.
„Nüsse… Erdnüsse…“, stammelte Taes Mama. Noch bevor Skye etwas tun konnte, bracht Hanjins Kreiskauf völlig weg. Skye begann sie zu untersuchen, keine Atmung.
„Hat einer diesen Krankenwagen gerufen?! Noch mal anrufen! Allergischer Schock! Kreislaufzusammenbruch! Beginne Wiederbelebungsmaßnahmen!“, rief sie in die Menge. Die vom Notdienst mussten wissen, dass es sich hier nicht nur um eine Rötung handelte, sondern ernst wurde.
Skye fing an zu pumpen, dann zu Beatmen und dann wieder pumpen.
„Wo ist ihre Handtasche? Da muss ein Notfall-Kit drin sein!“, rief sie während der Herzmassage. Leute die unter Allergien litten hatten so etwas in der Regel bei sich.
Es schien eine halbe Ewigkeit zu dauern bis jemand die Tasche brachte, doch Skye konnte natürlich nicht aufhören.
„Jungkook, schau in der Tasche nach einem Etui.“
Er schien noch halbwegs zu funktionieren und schüttete einfach die Tasche aus, als sich darin durchzuwühlen.
„Jemand soll runter gehen und auf den Krankenwagen warten! Und macht Platz!“, rief Skye wieder und Namjoon sprang auf.
„Da!“ Jungkook hielt ein schwarzes Etui in der Hand. In diesen Notfalls-Kits war eine Spritze mit Adrenalin, Kortison und eigentlich auch Antihistamin.
„Adrenalin?“ Skye versuchte ihre Kräfte zu sparen. Keiner wusste wann der Krankenwagen kam, sie könnte hier noch 15 Minuten animieren.
„Ja“, erwiderte der Sänger und hielt eine Spritze hoch. Nun war es an Skye eine Entscheidung zu treffen. Normalerweise würde man Adrenalin in die Vene geben, doch der Kreislauf war bereits zusammengebrochen, ohne Zirkulation des Blutkreislaufs brachte das Adrenalin in der Vene nicht viel. Blieb nur noch das Herz und das war riskant. Man konnte da Herz verfehlen, die Lunge aus Versehen treffen oder das Herz verletzen. In ihrer Zeit als Sanitäter hatte sie dreimal gesehen, wie man Adrenalin direkt ins Herz gespritzt hatte, zwei hatten überlebt, einer nicht.
Sie hörte mit der Herzmassage auf und nahm die Spritze entgegen.
„You can do this…“, flüsterte sie sich zu. Es war nicht so einfach jemand eine Spritze ins Herz zu rammen. Vor allem nicht, wenn es die nette Tante eines Freundes war.
„Was tust du?!“, fragte Taehyung panisch, doch da war es auch schon geschehen.