Fynn ging viel zu spät und genau so fühlte sich Laila, als sie morgens aufwachte: das sie viel zu spät dran war und das entsprach sogar den Tatsachen. Sie eilte also ins Bad und zog sich an, fütterte die Katzen und gerade, als sie sich den Kaffee in den Becher To Go eingoss, klingelte Fynn auch schon an der Tür, um sie für die Arbeit abzuholen.
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„ Auf Grund der aktuellen Ereignisse, stellt Jiyong dir zwei Bodyguards zur Seite, die dich begleiten. Ich bin davon zwar nicht begeistert, aber wenn es die wütenden Fans davon abhält dich in Fetzen zu reißen, soll es mir recht sein“, eröffnete Amelia Laila, als sie in das Studio kamen.
„ Beruhigend“, war ihr Kommentar dazu.
„ Ja, denn du hast gestern gute Arbeit geleistet, es wäre schade dich schon wieder zu verlieren“, murmelte Amelia während sie ihre Unterlagen nach etwas durchsuchte.
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Fynn und Laila wurde zuerst auf die Karosugil geschickt, die angesagteste Straße in Seoul. Hier gab es viele koreanische Designer und da sie auf der Suche nach neuen Trends waren, schaute man gerne hier nach. Vom Studio waren es ungefähr 20 Minuten zu laufen und natürlich wollte Laila laufen, anstatt den Van zu nehmen, was bedeutete, dass nicht nur Fynn ein mieses Gesicht zog, sondern ihre zwei ‚Leibwächter‘ auch.
„ Ehrlich, was ist los mit dir? Wir könnten fahren!“
„ Ich liebe diese Stadt, im Auto fliegt alles so an einem vorbei und das Wetter ist schön. Ich verspreche dir, sobald das Wetter schlecht ist, fahren wir Auto.“
Die Karosugil war einfach cool. Es gab nicht nur unzählige Läden zum einkaufen, sondern auch hunderte Restaurants, Bars, Kneipen und Clubs. Zuerst plünderte Laila den Nylonladen. Die Klamotten waren sehr an Victoria’s Secrets Pink Collection angelehnt, doch da es in Seoul keinen richtigen Victoria’s Secret gab, war es wohl ein guter Ersatz. In Seoul gab es nur einen kleinen VS Store. Laila hatte ihn im Shilla Duty Free gesehen und sich geärgert, da sie nur ein wenig Unterwäsche hatten und ansonsten nur Make Up, Parfüm und ein paar Handtaschen. Jetzt hatte sie endlich Geld um dort einkaufen zu gehen und konnte es nicht nutzen. Jetzt hatte sie Nylon.
Sie hielt die Klamotten hoch und Fynn kommentierte sie. Manche Sachen waren ’so 2013′ und wurden wieder zurück gehängt, doch ein paar Sachen nahmen sie mit.
„ Gefällt dir das?“
Fynn stand neben Laila, die sich noch ein paar Klamotten anschaute.
„ Ja, aber ich komme irgendwann wieder.“ Sie war im Dienst, privates einkaufen gehörte da sicher nicht dazu.
„ Ach was, wir sind doch eh hier. Komm, schlüpf rein – ich spiele Jury.“
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Laila machte eine halbe Modeschau in dem Laden und da sie mal wieder Stalker hatte, die schon vor dem Laden standen und noch mehr Leute damit anlockten, war bald der ganze Laden voll und die zwei Verkäuferinnen völlig überfordert – es war Mittwochmorgen, so einen Andrang gab es hier normalerweise nicht.
„ You model?“, fragte ein Mädchen, dass sie mit großen Augen anschaute.
„ No I’m just a girl – like you and you’re beautiful!“ Ja,zugegeben, Laila war leicht beflügelt von der ganzen Aufmerksamkeit und hey, das Mädchen schien glücklich zu sein und schnappte sich einen Haufen Sachen.
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„ Okay, ich brauche Kaffee“, war Fynns Kommentar, als sie endlich aus dem Laden draußen waren. Auf dem Weg zum nächsten Café – welcher auf der Karosugil nie weiter als ein paar Meter war – gingen sie noch in zwei Geschäfte, mitunter einen mit coolen Kappen, wo sie sich noch mal austobten.
„ Ich habe das Gefühl, dass ich mit dir viel mehr einkaufe, als wenn ich alleine los ziehe … nein halt, DU kaufst mehr ein.“
„ Ich dachte das ist unser Job“, erwiderte Laila unschuldig und löffelte ihren Milchschaum.
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Gegen 15 Uhr waren sie zurück im Studio und Fynn war sogar froh, dass sie Begleitschutz hatten, denn den konnte man hervorragend zum Taschenschleppen zweckentfremden.
„ Süße, Jiyong hat angerufen. Er hat gesagt du wirst um 17 Uhr in einem Kosmetikstudio erwartet, ihr geht heute Abend zur Eröffnung zum Sakitumy.“
„ Vom was?“
„ Das ist ein neues, japanisches Restaurant, Schrägstrich Bar, Schrägstrich der Ort an dem alles möglich ist. Ich werde da auch sein.“
„ Ist es denn okay, wenn ich früher gehe?“
„ Schätzchen, unsere Arbeit entsteht aus Inspiration.“ Amelia legte den Arm um Laila und schlenderte mit ihr durch den Vorführraum.
„ Wenn wir schuften würden wie all die anderen Arbeiter, woher sollten wir dann unsere Inspiration nehmen? Nein, wir müssen unseren Geist frei halten um für Neues empfänglich zu sein. Damit verdienen wir unser Geld. 14 Stunden kann ja jeder am Tag arbeiten, die Kunst ist es mit so wenig Arbeit wie möglich den meisten Profit zu machen.“
„ Interessant Einstellung.“
„ Die richtige Einstellung! So und jetzt zeig mir, was ihr eingekauft habt.“
Auch wenn Amelia verrückt und quirlig war, so war Laila gerne um sie herum. Sie erinnert die Frau an ihre Freunde aus Amerika, die sie vermisste und im Moment nur über What’s App zutextete.
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Die beiden saßen auf dem Boden, mit ihren teuren Designersachen und durchwühlten die Einkaufstüten.
„ Kennst du Mia?“
„ Mia Martin-Lee? Ja, flüchtig. Wieso?“
„ Ich weiß immer noch nicht, ob ich mich mit ihr anfreunden soll.“
Amelia legte ein Tuch zur Seite und schaute sie an.
„ Auf gar keinen Fall.“
„ A-aber wieso nicht?“
Alle schienen so von Mia begeistert zu sein, die Panik in Amelias Stimme schreckte sie doch etwas.
„ Weil sie Jiyongs Freundin ist.“
Laila blinzelte, war die Aussage zu kompliziert oder verstand sie einfach nicht um was es ging?
„ Schau, Freunde sind dazu da ihnen zu vertrauen. Du kannst Jiyongs Freunden vertrauen, weil sie Jiyongs Freunde sind und sich somit um dich kümmern, weil sie für ihn das Beste wollen, aber seien wir ehrlich, wir Frauen haben manchmal Geheimnisse und die teilen wir mit unseren Freunden. Doch wenn deine Freunde, seine Freunde sind, dann sind deine Geheimnisse als Express-Service auch bei ihm. Sei es das du mit Fynn flirtest oder das du ein paar Tage überfällig bist – so etwas vertraust du deinen Freunden an, doch kannst du das, wenn sie mehr seine Freunde sind, als deine? Und das sind sie, weil sie ihn länger kennen und weil Jiyong eben Jiyong ist und es gibt Personen, mit denen legt man sich nicht an.“
„ Warte, hast du gerade gesagt ich flirte mit Fynn?!“
„ War das alles was du gehört hast?!“
Natürlich nicht, doch wenn Laila darüber nachdachte, brachte sie das zu einer zentralen Kernaussage.
„ Das bedeutet aber, das alle Idols mehr sein Freund sind als meiner.“
„ Bingo!“
Fröhlich schmiss Amelia die Klamotten nach oben.
„ Du kannst mit ihnen ‚cool‘ sein und das solltest du auch, denn sie haben Spaß und schleppen dich überall mit hin, aber sehe sie als Arbeitskollegen an und Jiyong ist euer aller Boss und jeder Arbeitskollege kann dir in den Rückenfallen, wenn er denkt das er befördert wird, wenn er deine kleinen, dreckigen Geheimnisse beim Chef ausplappert. Solange du das beachtest, sollte alles gut gehen.“
„ Ich werde einsam und verlassen sterben – ich weiß wieso ich mir Katzen geholt habe.“
Laila stützte ihren Kopf auf einem Kaffeebecher ab.
„ Ach so ein Blödsinn. Nur du musst beachten, dass du dich in einem Kriegsgebiet befindest. Alles was du sagst und tust kann und wird gegen dich verwendet werden. Du brauchst Freunde, die dich für dich mögen und nicht weil du Jiyongs Freundin bist.“
Na da war sie mal gespannt, wie das so laufen würde. Mit Idols sollte sie sich nicht anfreunden und mit normal Sterblichen auch nicht, denn es war schwierig normale Leute in ihr Leben zu lassen. Sie hatte viel zu viel Angst davor, dass sie jemanden anzuvertraute und mit nach Hause nahm und am nächsten Tag wären dann Bilder von ihrem Haus an den meistbietenden Käufer verhökert. Sie hatte zwar ihre Familie, ihre beiden Cousins, doch sie wollte Freunde haben.
„ Und du hast mich“, endete Amelia.
„ Dich? Du magst mich nicht nur weil ich Jis Freundin bin?“
„ Ich wollte dich deswegen nicht einstellen! Gott, nichts ist schlimmer als diese Gören, die sich für toll halten, nur weil ein Idols sie flach legt! Aber du bist … anders. Authentisch, schlau, witzig und du hast einen guten Geschmack.“
„ Danke.“
Vielleicht lag der Unterschied zwischen ihr und diesen ‚Gören, die sich von einem Idol flach legen lassen‘ darin, dass sie ja gar nicht flach gelegt wurde.
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Es war einer dieser Partys, sehen und gesehen werden. Jeder hatte sich rausgeputzt, mit schicken Kleidern und Schmuck, teuren Handtaschen und glitzernden Schuhen und Laila war eine von ihnen. In dem Kosmetikstudio lag ihr Outfit schon bereit, ein beiges Stoffkleid, trägerlos, mit einem kurzen Rock, der aber sehr aufgeplustert war. Dazu schwarze Pumps und eine schwarze Tasche. Man hatte ihr große Locken gemacht, die sich wild über ihren Kopf verteilten mit einem ‚Smokey-Eye‘ Make Up.
„ Du siehst wundervoll aus“, waren Jiyongs Begrüßungsworte, bevor er ihr einen Kuss auf die Wange hauchte. Natürlich hatten sie eine Lounge für sich und ein paar Freunden, doch sie mischten sich auch öfters unter die anderen Gäste, wie gesagt: sehen und gesehen werden. Dem Thema ‚Freundin‘ gingen sie zwar gut aus dem Weg, doch da Jiyong und Laila Händchenhaltend durch die Menge schritten, waren die meisten Fragen ohnehin schon beantwortet.
Jiyong stellte fest, dass Laila hervorragend im oberflächlichen Smalltalk war, was sich für Veranstaltungen wie diesen eignete – viel reden, aber nur nicht zu viel über sich verraten. Er stand in ihrer Nähe und beobachtete, wie sie ihren Esprit versprühte. Sie war immer umgeben von Leuten und er glaubte, dass dies nicht nur so war, weil sie seine Freundin war. Laila hatte eine Art Leute in ihren Bann zu ziehen. Sie sah aus wie eine Puppe, lachte fröhlich und machte Witze.
„ Wen schmachtest du an?“ Seunghyun war neben ihn getreten.
„ Meine Freundin.“
„ Sehr gut“, erwiderte der Rapper lachend.
Jiyong wusste das die Jungs Recht hatten, auch wenn er das natürlich nicht zugeben würde. Er durfte nicht die Motte sein, die ins Licht gezogen wurde.
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Laila sprach gerade mit zwei Bankmanageren, was immer ein guter Kontakt war. Sie wollte sich gerade nach Jiyong umschauen und erblickte Siwon. Ihr Herz setzte kurz aus, als sich ihre Blicke trafen und er nur seine Nase rümpfte und wegschaute. In diesem Moment begann Beyoncés ‚Pretty Hurts‘ zu spielen.
Danke Karma, wirklich …
Das Lied war herzzerreißend und am liebsten hätte sie dem DJ eine übergezogen. Doch dann kam ein anderes Gesicht in den Fokus, dass sie charmant anlächelte.
„ Ich glaube wir kennen uns noch nicht. Ich bin Jihoon.“ Jihoon wie Rain, aber wer stellte sich schon so vor?
„ Hi, ich bin Laila.“
„ Ich mag Jiyong wirklich, aber ich muss dir einfach sagen, dass du das schönste Mädchen hier drin bist – ich musste dich einfach ansprechen.“
Laila lächelte verlegen und senkte den Blick. Sie kam sich eher vor wie eine große, schön verpackte Geschenkbox.
„ Ich denke das kommt auf den Betrachter an, aber ich fühle mich geschmeichelt.“
„ Möchtest du etwas trinken?“
Und so gingen sie an die Bar. Laila hatte sich nie viel mit ihm beschäftigt, musste aber zugeben das Jihoon schon ein süßes Stück Fleisch war. Sie besann sich nicht zu viel mit ihm zu flirten, doch nach Siwons Todesblick brauchte ihr geknicktes Ego etwas Balsam. Was Laila bemerkte war, dass die Armee ihn nicht wirklich verändert hat. Viele Idols waren nach der Zeit in der Armee anders, sie sahen hagerer aus, erwachsener, mitgenommener. Sie konnte es nicht ganz in Worte fassen. Doch Jihoon wirkte wie vorher – sofern man das aus dem Fernsehen beurteilen konnte.
„ Was ist das?“, fragte er, als ihr Cocktail ankam.
„ Das ist ein Cujamara-Split – das ist der neue Cosmopolitan!“
Er hob amüsiert die Augenbrauen.
„ Darf ich?“ Laila nickte und er nahm sich einen Strohhalm.
„ Kann ich dich mal sprechen?!“
Von irgendwo her kam Mia, schnappte sich Jihoon und schleppte ihn weg – inklusive Strohhalm. Laila schaute ihnen überrascht hinterher, als Jiyong sich zu ihr gesellte.
„ Exfreund. Vielleicht hat sie Angst das er ‚böse‘ Sachen mit dir macht“, erklärte er ihre unausgesprochene Frage.
„ Oh, der darf ‚böse‘ Sachen mit mir machen…“, raunte sie. Jiyongs Blick war eine Mischung zwischen amüsiert und geschockt.
„ Was? Ich dachte ich darf.“
„ Darfst du ja auch.“
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Draußen fand sich Mia Gesicht zu Gesicht mit Jihoon.
„ Sie? Ernsthaft? Jiyongs Freundin?“
„ Bist du eifersüchtig oder der Kuppler der beiden?“
Mia schaute ihn finster an.
„ Ok, los, schnapp sie dir.“
Nun hob Jihoon die Augenbrauen hoch.
„ Was? Wenn ich es dir verbiete machst du es erst recht, also go ahead.“
Das irritierte den Sänger jetzt so, dass er Mia fragend hinterher schaute.
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Laila sah Jihoon nur noch von Weitem, doch Amelia hatte sie schon unter ihre Fuchteln genommen und stellte sie allen möglichen Leuten vor.
„ Laila, mach dich langsam fertig zum Gehen.“
Sie schaute Jiyong etwas überrascht an, es war gerade mal 22 Uhr. Normalerweise schlugen sie sich immer die halbe Nacht um die Ohren. Nachdem sie sich von allen verabschiedet hatte und mit Jiyong Hand in Hand zum Van ging, folgte ihnen ein Mann, der mit einstieg und da verstand sie, was hier gerade geschah: Jiyong schleppte jemanden ab.
Er setzte sich gegenüber des Paares auf den Sitz und er und Jiyong plauderten über unwichtige Dinge. Laila fühlte sich komisch, sie war gerade zum dritten Rad am Wagen geworden, aber genau dafür war sie ‚eingestellt‘. Vielleicht lag es daran, das sie und Ji sich die letzten Tage so nah gekommen waren, aber in diesem Moment fühlte sie sich nicht wohl in ihrer Haut.
Er brachte sie auch bis zur Tür, als sie beim Wendy Haus angekommen waren und gab er ihr einen Kuss auf die Wange. Benommen stand sie da und schaute dem Van hinterher, bis er um die Ecke bog.