Drei Glas Wein aufzuholen waren für Skye kein Problem gewesen, doch mit steigendem Alkoholpegel blieb die Müdigkeit nicht lange aus.
Um 20:30 Uhr waren sie alle wieder im Hotel gewesen und als Skye aus der Dusche kam, weil sie überraschenderweise überall Sand hatte, lag Jongin schon im Bett und schlief.
Am nächsten Morgen war sie dafür schon kurz vor 6 Uhr wach. Jongin schlief noch immer. Skye schlüpfte in eine Jogginghose und zog sich einen Pulli über und bestellte sich dann eine heiße Schokolade.
Sie setzte sich in den Garten, noch lag Tau auf den Gräsern und die Sonne kämpfte sich über die Berge. Sie atmete tief ein, ja Korsika. Sie behauptete, dass es keinen Fleck auf dieser Welt gab, der so roch. Die Mischung zwischen den Bäumen, der Macchia und dem Meer gab der Insel eine ganz eigene Note, die schwer zu beschrieben war. Würzig, wäre zutreffend, aber sehr eigen.
Eine Katze saß im Schatten der Mauer und beobachtete Skye, die die Hand nach ihr ausstreckte. Nach gefühlt einer Ewigkeit kam sie auf Skye zu und schmiegte sich an ihre Beine.
„Ich sehe du hast schon Freunde gefunden“, kam es von Jongin, der nur in Boxershorts in der Tür stand.
„Ja, weißt du, mein Freund schläft die ganze Zeit nur“, ärgerte sie ihn.
Er fing an sie zu jagen, Skye sprang auf und lief um den Tisch, hatte dann aber Angst, dass jemand sie so sehen könnte oder besser gesagt ihn, er war in Boxershorts, also lief sie zurück in das Zimmer. Jongin nahm eine Abkürzung und schmiss sie auf’s Bett, wo er sie sogleich in Beschlag nahm. Ihre Lippen fanden sich und mit eifrigen Händen fing er an sie zu entkleiden. Er zog ihr den Pullover aus, nur um festzustellen, dass sie darunter noch ihren Pyjama trug.
„Sag mal! Ist das ein Keuschheitsgewandt? Gönnst du mir denn gar nichts mehr?!“
Grinsend zog sie das Oberteil aus und seine Hände schlüpften unter ihre Jogginghose, um sie am Hintern auf seinen Schoß zu heben. Nicht nur ihr Kopf hatte ihn vermisst, sondern ihr Körper auch und er sagte es ihr eindeutig. Ihre Lippen trennten sich und er begann sie zu küssen, erst am Hals entlang bis hin zu ihrem Busen. Skye merkte wie ihr Herz raste und ihr Verstand schaltete sich langsam aus, als er begann ihren Körper hinzulegen und weiter mit seinen Lippen zu erobern. Dabei verlor sie ihre Hose und er auch seine und mit seinem Gewicht drückte er sie in die Matratze. Ihre Beine öffneten sich unter seinem Gewicht und ihre Blicke hielten aneinander fest. Sie waren so kurz davor eins zu werden, schon jetzt atmeten sie schwer und freuten sich zugleich auf das, was noch kam.
„Lieb mich Skye, lieb nur mich“, hauchte er ihr nur zu und überwand dann die letzte Distanz zwischen ihnen. Egal welche Probleme sie hatten, dies war nie eines davon gewesen.
Tief gefangen von Leidenschaft und Ektase verschmolzen sie zu einem. Seine Arme umschlangen sie und Küsse und Bisse bedeckten ihre Haut.
„Chen!“, stieß er aus und Skye wurde aus der Trance gerissen.
„Nein, nicht Chen, ich Skye“, bemerkte sie, folgte dann aber seinem Blick und drehte den Kopf. Chen stand in der Tür zu ihrer Terrasse und starrte sie an.
„Das kann ich nie wieder ungesehen machen“, sagte er trocken und ging weiter.
Skye vergrub ihr Gesicht in den Händen, doch Jongin fing an zu lachen. Er hob sie hoch und trug sie in die Dusche. Sie mussten ohnehin duschen und hier waren sie wenigstens ungesehen.
„Du bist unfassbar!“, sagte sie lachend als er sie gegen die Wand drückte.
„Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich hier so halbfertig den ganzen Tag aushalte!“, rechtfertigte er sich und begrubt jeden Wiederspruch unter seinen Lippen.
Zugegeben, das Frühstück war etwas angespannt. Zum einen wurden die Jungs vorher gestylt, denn schon beim Frühstück wurden sie fotografiert. Das bedeutete nicht nur, dass EXO gut aussehen musste, nein, alles andere musste auch gut aussehen. Eine Stylistin war nur damit beschäftigt Kaffeetassenhenkel in die richtige Richtung zu drehen und Croissants ästhetisch im Korb anzuordnen. Skye wurde das zu bunt und sie hatte Hunger, also bestellte sie sich ihr eigenes Frühstück. Als das Housekeeping kam, schaute sie skeptisch zu der Szenerie in dem Garten.
„Asiaten, müssen alles fotografieren“, sagte sie schulterzuckend und die junge Frau grinste sie an.
Doch viel schlimmer als das, waren die zufälligen Begegnungen mit Chen. Plötzlich war er überall und jedes Mal merkte Skye, wie sie hochrot anlief. Und er grinste fröhlich, jedes Mal. So oft, dass es sogar den anderen auffiel.
Sie wollte gerade ein Glas Wasser holen, als ihr Chen entgegenkam. Skye erschreckte sich zu Tode.
„Hey Skye, alles ist gut, so etwas passiert.“
Sie schaute ihn an und ihr wurde schon wieder heiß.
„Es ist peinlich.“
„Peinlich? Du hast den Körper eines Surfermodels, dir muss nichts peinlich sein. Wenn ihr zwei einen Porno drehen würdet, würde ich ihn mir wahrscheinlich sogar anschauen“, sagte er und Skye überlegte ob das ein Kompliment war oder nicht.
„Danke … glaube ich“, sie war sich immer noch unschlüssig.
Als sie weiterging sah sie Suho um die Ecke stehen, mit seinem Handy. Da hatte wohl jemand Internet gefunden.
„Will ich wissen um was es da geht?“, fragte er.
„Ich glaube nicht“, erwiderte Skye.
„Oh doch, ich glaube es würde ihn schon interessieren“, flötete Chen und Skye schmiss ein Kissen nach ihm.
„Aber viel lieber hätte er es bestimmt gesehen“, sagte er weiter. Suho verstand nun gar nichts mehr und Skye suchte nach weiteren Dingen, die sie nach Chen werfen konnte.
Nach dem Frühstück-Shooting wurden sie umgezogen, umgestylt und dann ging es hoch nach Bonifacio. Die Stadt bestand aus zwei Teilen. Der alte Teil lag oben auf den Klippen der Kalkfelsen, umgeben von einer hohen Stadtmauer. Viele Häuser ragten nach hinten raus über die Klippen. Selbst Skye wäre es zu mulmig, als dass sie über einem Abgrund über dem Meer auf den Balkon sitzen wollte, aber die Stadt hielt schon seit Hunderten Jahren und war früher eine fast uneinzunehmende Festung gewesen. Man konnte von oben bis rüber nach Sardinien schauen, was tatsächlich nur um die 30 Kilometer entfernt lag und natürlich gab es von Bonifacio aus eine Fährverbindung. Das brachte uns auch zum neuen Teil der Stadt: der Hafen. Bonifacio lag auf einer Landzunge und zwischen der Langzunge und dem Festland hatte man den Hafen errichtet. Also ein Hafen war da sicherlich schon solange es die Stadt gab, wohl nur nicht mit Cafés und Einkaufsmöglichkeiten.
Doch heute früh fuhren sie hoch in die Altstadt. Der Weg dorthin führte an steilen Hängen hinauf und Skye hatte sich schon immer gefragt, wie viele Autos hier über die Klippen stürzten.
Im Van wurden die Jungs noch mal frisch gemacht und dann machte sich das Team auf in die Stadt. Wie gesagt, Mai war noch kein Touristenmonat, viele Restaurants und Geschäfte hatten erst wieder seit April auf. Im Winter war hier etwas der Hund begraben. Generell gab es auf Korsika wenig Mainstream-Läden. Vielleicht gab es in Bastia einen H&M, doch selbst das bezweifelte die Amerikanerin. Ansonsten bestanden die Städte aus kleinen Boutiquen und Läden. Es gab einen Laden in Bonifacio mit Dekorationsdingen, Klimbimsel und Handtaschen und der Laden hatte am Ende ein Fenster direkt über den Klippen.
Paul knipste fröhlich vor sich hin, während Skye einen angemessenen Abstand hatte. Die Jungs hingen nicht alle aufeinander, daher waren es auch drei Fotografen.
„Skye, let me take a picture of you two“, sagte er zu ihr und Jongin hielt ihr die Hand entgegen.
„So first you walk up hand in hand and then down.“
Super, jetzt machte er ein ganz eigenes Fotoshooting für sie. Die Straße führte steil nach oben. Skye hatte ein weißes Kleid mit luftigem Unterteil an und der Wind spielte mit dem Stoff. Dann sollte sie sich an die Wand in einer der kleinen Gassen lehnen und Jongin sollte sich zu ihr beugen. Das Paar lachte und blödelte rum, doch der Fotograf schien zufrieden.
„You look so natural on the pictures. It’s gorgeous“, lobte er und danach bemerkte Skye öfters mal, wie er sie alleine fotografierte. Später würde sie sich über die Bilder freuen, denn oft hatten Fotografen selbst das Schicksal nie auf Bildern zu erscheinen. Sie machte immer Bilder von allen, aber sie selbst war nur auf wenigen drauf.
Neben den schmalen Gassen der Altstadt, gab es auch verschiedene Kirchen und halb verfallene Gebäude, die eigentlich eine wundervolle Aussicht boten. Wahrscheinlich standen sie unter Denkmalschutz und es war zu viel Aufwand sie wiederaufzubauen, aber Skye fand es traurig.
Am nördlichen Ende der Altstadt, mit Blick auf die Landzunge, gab es ein Café, wo sie sich eine kleine Auszeit gönnten. Pierre begleitete sie die ganze Zeit, denn seine Familie wohnte nicht weit weg und er kannte sich in Bonifacio sehr gut aus. Er konnte die Fotografen auf Kleinigkeiten hinweisen und sie zielsicher durch die verwinkelten Gassen führen.
„Also, nächster Stopp ist dort“, sagte Duke, der andere Fotograf und die Band verfolgte die Richtung in die sein Finger zeigte.
„Wie kommen wir da hin?“, fragte Baekhyun skeptisch. Zugegeben, es sah etwas anstrengend aus. Unweit von dem Café in dem sie saßen gab es einen Weg, der nach unten führte und dann führte der Weg wieder nach oben. Von dort aus konnte man tolle Bilder machen, mit Bonifacio im Hintergrund oder dem Meer.
„Ich fürchte laufen“, gab Skye zu. Die Straße verlief zwar bis zum tiefsten Punkt des Gehwegs, doch es gab dort keine Parkmöglichkeiten und nach unten kommen war auch eher weniger das Problem.
„Aber hey, wenigstens sind es keine 40°C Grad“, sagte sie hinterher um die abfallende Motivation aufzufangen. Tatsächlich hatte sie eine Jeansjacke an und war froh darum, denn wenn die Wund durch die Gassen pfiff war es doch recht frisch.
Noch auf ihren Weg nach unten hielten sie für Bilder an, denn an der großen Mauer der alten Befestigungsanlage, fand man meisten große Plakate, die sehr modern angehaucht waren und so posierten EXO dort.
Dann ging es wieder hoch und ehrlich, EXO waren super durchtrainiert durch die Tour. Skye reichte den Stylistinnen eher die Wasserflaschen, als ihren Schützlingen. Spätestens als sie alle das erste Mal die Aussicht wirklich wahrnahmen, war die Anstrengung vergessen und verblüfft schauten sie auf die Stadt auf den Felsen.
Hier fotografierten sie und jeder passte auf, wo er hintrat, denn wenn man hier zu viel Blödsinn machte und über die Kante fiel, gab es wohl kaum eine Chance auf’s Überleben. Skye setzte sich auf einen Felsen, holte sich eine Cola aus der Kühlbox und zündete sich eine Zigarette an. Sie ließ ihre Gedanken auf Wanderschaft gehen und musste wieder daran denken, wie Chen sie heute Morgen erwischt hatte. Wie peinlich. Skye war freizügig und sie liebte ihren Körper, aber Sex war für sie eine sehr private Sache und sie fühlte sich unwohl, wenn sie merkte, dass sie dabei beobachtet wurde. Sie waren junge Leute, aber eben auch Koreaner, wobei sie das Gefühl hatte, dass Koreaner offener mit Sex umgingen, als die Koreanerinnen. Das lag aber auch daran, dass es in vielen Teilen der Welt okay für Männer war ihre Sexualität auszuleben, während Frauen die das Gleiche taten als Huren beschimpft wurden.
Frauen hatten in den vergangenen 100 Jahren viel erreicht, aber eben nicht alles und vor allem nicht in allen Ländern. Es gab immer noch Länder, in denen es keine wirkliche Straftat war, wenn man Frauen vergewaltigte oder tötete. Eines Tages würde es vielleicht anders herum sein, dann wären die Männer das unterdrückte Geschlecht, die nichts zu melden hätten. Doch eigentlich war es unfair jemand nach seinem Geschlecht zu beurteilen, auch wenn manche Männer es verdient hätten.
„Über was denkst du nach?“, fragte Jongin und setzte sich zu ihr.
„Wie Scheiße ihr Kerle manchmal seid“, erwiderte sie und er zog die Augenbrauen hoch.
„Autsch…“
„Nicht du … zumindest nicht heute … noch nicht …“ Es war noch früh, Jongin hatte noch mehrere Stunden, um etwas Dämliches zu machen. Andererseits waren sie tausende von Kilometer weit weg von Zuhause – was sollte schon passieren?
„Oh wow, volles Vertrauen“, bemerkte er.
Nach dem Fotoshooting ging es zurück in die Stadt zu einer wohlverdienten Mittagspause. Skye hätte ihnen gerne gesagt, dass das das anstrengendste Shooting war, allerdings wollten sie ja noch in die Berge und an die Küsten und das würde sicherlich auch etwas anstrengender werden.
Am Anfang der Altstadt lag eine Pizzeria, dort hatte Pierre ihnen einen Tisch reserviert. Es gab auch hier Restaurants mit Terrassen über der Stadtmauer, doch das wollte sich Skye für Porto Vecchio aufheben. Die Pizzeria lag in einem der alten Häuser und wenn man auf die Toilette ging, fragte man sich, wie sie das früher gebaut hatten. Ein Teil des Untergeschosses war praktisch in den Felsen geschlagen und so auch die Toiletten. Also zumindest die Frauen-Toilette, bei den Männern war Skye noch nie gewesen.
Die Band war froh sich jetzt etwas ausruhen zu können und natürlich, weil es etwas zu essen gab.
„Skye, was sind das für Muscheln, die in den Schaufenstern liegen?“, wollte Kyungsoo wissen.
„Du meinst als Schmuck? Also, die heilige Lucie betete zur Jungfrau Maria für die Heilung ihrer Mutter. Diese wurde wie auf wundersame Weise geheilt und damit nichts Lucie von ihrem Glauben ablenken konnte, stach sie sich die Augen aus und warf sie ins Meer“, erzählte Skye und Pierre war fröhlich am Lachen. Natürlich verstand er kein Koreanisch, doch er hatte ‚Lucie‘ gehört und sah Skye gestikulieren und wusste sofort welche Geschichte sie erzählte.
„Als Dank gab die Jungfrau Maria ihr neue Augen, in Form dieser Muscheln. Seither ist sie die Saint Lucie und die Muschel-Deckel gelten als Glückbringer. Man soll sie im Portemonnaie tragen“, erklärte sie weiter.
„Das verstehe ich nicht“, meinte Sehun.
„Was verstehst du nicht?“
„Na ja, sie sticht sich extra die Augen aus, um sich ihrer Religion hinzugeben und dann bekommt sie einfach neue. Erstens, stellt euch mal vor jemand hätte solche Augen – super gruselig und zweitens kann man das auch falsch verstehen, in der Art ‚Ich will dich nicht, hier hast du wieder Augen und jetzt verschwinde!.“ Das war eine völlig neue Betrachtungsweise der Geschichte und die Männer lachten über die eigenwillige Interpretation.
„Nein!“, begann Skye die Geschichte zu verteidigen. „Die Jungfrau Maria wollte nur nicht, dass das Mädchen aus Liebe zu ihr blind war. Die Geschichte stammt tatsächlich aus dem 4. Jahrhundert und ist bei den Korsen sehr beliebt. Wenn ihr welche kaufen wollt, dann macht es nach dem Essen. In Porto Vecchio werdet ihr sie auch finden, aber überall gibt es etwas andere Schmuckstücke, aber wenn ihr etwas seht, was euch gefällt, dann holt es ruhig hier. Heute Abend sind wir im Hafen, doch ich finde die Läden hier oben sind schöner“, meinte sie und dann kam schon das Essen.
Skye liebte die Pizza in dem Restaurant und auch die Sänger waren inzwischen hungrig gewesen. Zufrieden räumten die Kellner die leeren Teller ab.
„Also, wir treffen uns um 14:00 Uhr wieder hier“, rief Skye und schaute, dass jedes Grüppchen einen Security dabeihatte. Jongin und Skye hätten sich gerne davongeschlichen, aber schlossen sich dann Sehun und Suho an, die beide für ihre Freundinnen etwas kaufen wollten.
Skye liebte Bonifacio mit seinem schiefen Häuschen und kleinen Gassen. Porto Vecchios Altstadt war zwar auch verwinkelt, aber eben anders. Sie blieb an einem Stand mit Tüchern stehen und schaute sich durch. Jongin umarmte sie von hinten und schaute gemeinsam mit ihr.
„Das mag ich“, sagte er, als sie an einem schwarz-weißen Tuch, mit der Landkarte von Korsika drauf, vorbeikamen.
Er ließ es sich nicht nehmen es ihr zu kaufen. Skye blieb mit Pierre draußen in der Sonne.
„Hast du eigentlich vor Philippe zu sehen?“, fragte der Korse neckisch. Skye schupste ihn spielerisch.
„Das ist schon lange her“, erwiderte sie und dachte an ihre Zeit auf der Insel.
„Er hat dich vermisst.“
Skye sagte dazu nichts. Philippe war ein Sunnyboy. Sie hatten sich beim Surfen kennengelernt und hatten den Sommer zusammen verbracht. Ohne Verpflichtungen. Surfen, Wein trinken, heiße Nächte in seinem kleinen Häuschen mitten im Wald. Das Grundstück gehörte seinen Eltern und aus längst vergangenen Tagen stand dort noch ein kleines, für Korsika so typisches, Steinhaus, dass er renoviert hatte. Man konnte in ein paar Minuten an den Strand laufen und morgens war es super um zu Surfen und zu tauchen, denn irgendwann hatte Skye ihre Tauchausrüstung dort verstaut. Philippe hatte den Plan gehabt, dass sie Schatzsucher werden würden. Er würde ein Boot besorgen und Skye könnte nach alten Wracks tauchen. Doch der Sommer ging zu Ende und Skye verließ die Insel. Er war süß gewesen, doch nichts für die Ewigkeit und die Amerikanerin hatte natürlich auch vermeiden wollen, dass er aus Zufall starb, durch ihren Fluch, nur weil Skye ihn mochte.
Jongin kam aus dem Laden und legte den Arm um sie.
„Was machen wir heute Mittag eigentlich?“
„Ist eine Überraschung“, erwiderte sie vielsagend.
Eine Überraschung war es nicht nur für EXO, als sie in dem Hafen von Bonifacio einfuhren, sondern auch für Skye. Sie hatten ein Boot gemietet für heute Mittag und Kapitän war tatsächlich Philippe. Pierre hatte das Boot organisiert und … Skye schaute zu ihm und trat ihn gegen das Schienenbein.
„Das ist nicht dein Ernst!“
„Entschuldige, ich wusste nicht, dass du mit deinem Freund hier aufkreuzt, ich dachte es wäre Arbeit!“, er hielt sich das Bein und wetterte zurück. Er hatte gar keine Ahnung was für Arbeit das war!
„Ach und du hast gedacht, dass du sein Boot mietest und ich mich an den Sommer von vor zwei Jahren erinnere und dann was? Bleibe ich hier?“
„Ja … das war irgendwie der Plan…“
EXO standen fragend neben den beiden, die sich in Französisch zankten.
„Was hat er getan?“, fragte Chen.
„Keine Ahnung, aber ich finde es beruhigend, dass sie nicht nur mit uns so umgeht“, erwiderte Chanyeol.
Skye boxte ihn noch mal und ging dann auf’s Schiff. Dominique kam ihr als erster entgegen.
„Skye! Meine Sonne!“
Er drückte sie fröhlich. Philippe, Dominique und Louis waren beste Freunde und ihr war klar gewesen, dass die beiden nicht weit sein konnten.
„Wie geht es dir?“, fragte sie und gab ihm drei Küsschen – so machte man das.
„Sehr gut! Bereit für die neue Saison. Letztes Jahr hatten wir etwas spät angefangen und fast den halben Sommer verpasst, doch dieses Jahr haben wir total viele Vorausbuchungen“, erzählte er fröhlich und nahm Skye die Taschen ab.
„Hey Skye, das Boot heißt wie du“, fiel Baekhyun auf, grinsend. Alle stockten und lehnten sich über den Rehling, um sich den Namen an zu gucken.
Skye wollte jemand töten, sie wusste nur nicht mit wem sie anfangen sollte.
Sie lief weiter und geradewegs in Philippes Arme.
„Skye!“, rief er, hob sie hoch und küsste sie dann, nicht auf die Wange. EXO blieben wie angewurzelt stehen und drehten sich zu Jongin um. Skye drückte sich von ihm ab.
„Hör auf!“
Er setzte sie ab und schaute sie fragend an.
„Also erstes bin ich hier beruflich! Was fällt dir ein das Schiff nach mir zu benennen?! Das liegt zwei Jahre zurück und das“, sie deutete auf Jongin, „ist mein Freund!“
Sie hörte Dominique und Louis fröhlich giggeln und Pierre stimmt mit ein.
„Hi man, sorry, I love her“, sagte Philippe dann noch zu allem Überfluss zu Jongin und reichte ihm die Hand, Skye betete nur, dass Jongin nicht auf die Idee kam sich mit ihm zu prügeln. Dabei war Philippe fast einen Kopf größer als er und auch deutlich breiter gebaut. Er hatte Aschblonde Haare, die leichte Locken hatten und die er zu einem kleinen Pferdeschwanz zusammengebunden hat und er trug einen 3-Tage-Bart. Seine Haut war gebräunt durch die viele Zeit an der Luft und vom Surfen und die Muskeln zeichneten sich deutlich unter seinem Hemd ab. Er hätte auf das Cover eines Surf-Magazins gehört!
„I understand, I love her too“, erwiderte Jongin und reichte ihm die Hand. Skye atmete erleichtert aus und die anderen begannen die Sachen auf das Boot zu bringen.
Skye fungierte bei der Einweisung als Dolmetscher und erklärte wo sie Toiletten und Duschen waren und wo sie kalte Getränke fanden. Dann ging es endlich los. Skye saß vorne an der Spitze des Boots und ließ die Beine baumeln, als Jongin sich hinter sie setzte.
„Tut mir leid, ich hatte keine Ahnung, dass Pierre ausgerechnet dieses Boot gechartert hatte und Pierre wusste nicht, dass ich einen Freund habe, weil ich das lange Zeit grundsätzlich nicht gemacht habe“, sagte und lehnte sich an ihn.
„Ist okay, ich hatte eine Vergangenheit und du auch.“ Das sagte er, doch in seinem Kopf tauchten ständig Bilder von den beiden auf, wie er mit seinem sexy Französisch sie umgarnte und nein … er musste aufhören daran zu denken.
„Ist alles okay?“, fragte sie und drehte sich zu ihm um. Das klang für seine Verhältnisse viel zu diplomatisch.
„Ja, aber könntest du mir einen Gefallen tun und keinen Bikini anziehen, sondern einen Tankini oder einen Badeanzug … oder einen Neoprenanzug? Und nein, ich will jetzt nicht hören, dass er dich schon nackt gesehen hat, das wäre nicht hilfreich.“
Skye grinste und küsste ihn, da riefen schon die Fotografen. Philippe hatte das Schiff angehalten, damit die Band mit Bonifacio im Hintergrund Bilder schießen konnte. Skye hatte permanent das Gefühl gehabt im Weg zu stehen, bis sie zu Philippe ins Steuerhaus geflüchtet war.
„Tut mir leid … wenn ich gewusst hätte, dass du … dann hätte ich Pierre zu jemand anderen geschickt“, sagte er und beobachtete die Band.
„Schon gut.“
„Und das ist es jetzt, was du machst? Babysitter spielen?“
Er kannte sie als vogelfreien Menschen, er wusste nicht welche Verpflichtungen sie hatte, auf der ganzen Welt. Wahrscheinlich dachte er, dass sie die letzten 1,5 Jahre durch die Weltmeere getaucht war. Gut, sie war schon viel getaucht.
„Noch vier Wochen“, meinte sie nachdenklich und fragte sich, ob Youngjun wollte, dass sie verlängerte. Bisher hatte er sie nicht darauf angesprochen.
„Und dann?“, fragte der Korse und es war wie ein Echo ihres eigenen Geistes.
„Mal schauen. Ich werde wohl Künstlerin in einer Galerie, mit meinen Fotografien. Vielleicht wird das mein nächster Job.“ Stopp, wäre dann Noah ihr Boss? Oh je.
„Und dein Freund?“
„Es ist gut – es war gut und dann kompliziert und jetzt ist es wieder gut.“
„Jetzt weiß ich wieso du eigentlich keine Beziehungen hast“, stellte er lachend fest und sie stimmte mit ein.
Nach dem ersten Foto-Stopp fuhren sie weiter- Südöstlich von Bonifacio gab es ein paar Inseln, die meisten davon unbewohnt, wo Boote gerne anlegten. Die Inseln hatten kleine Sandstrände.
„Hey Skye“, sagte Philippe und sie drehte sich um. „Wenn du magst, ich habe Tauchsachen dabei.“
Sie fand es süß, dass er daran gedacht hatte.
„Danke, aber ich bin im Dienst“, erwiderte sie. Jongin kam ihr entgegen.
„Hm?“ Fragend schaute er zu dem Kapitän.
„Ach … Philippe, er hat … Tauchsachen dabei“, erklärte Skye.
„Geh doch tauchen.“
„Ja, aber ich bin doch für euch verantwortlich.“
Jongin hielt sie an den Schultern fest und seufzte.
„Wir sind erwachsen, wir haben Securitys – wie oft ist Youngjun tatsächlich bei uns?“
Die Amerikanerin dachte darüber nach. Ja, der Manager verzog sich oft, andererseits hatte er ja aber auch eine gewisse Routine mit dem Ganzen.
„Geh tauchen, ich weiß du willst es.“
„Okay … aber nur eine halbe Stunde“, sagte sie zögernd und gab ihm einen Kuss. Unweigerlich zog er sie in seine Arme.
„Also, wenn du so anfängst, verspreche ich dir, dass du heute nicht zum Tauchen kommst“, meinte er grinsend, als sie den Kuss unterbrachen. Skye löste sich von ihm und zwinkerte ihm zu.
„Okay, ich geh runter“, sagte sie zu Philippe.
„Soll ich mit?“, fragte er aus Gewohnheit. Nicht viele Leute hatten die Genehmigung alleine tauchen zu gehen.
„Nein, ich brauche mal Ich-Zeit.“
Der Kapitän lächelte und reichte ihr eine 5 Liter Flasche, als Back Up.
„Ist schon vorbereitet.“
Sie hätte ihm gerne gezeigt wie gerne sie ihn in diesem Moment hatte, doch sie wollte auch nicht die neu gewonnene Distanz zunichtemachen. Sie musste an Jongin denken. So nickte sie ihm nur lächelnd zu.
Dominique half ihr sich fertig zu machen. Sie hatten sogar noch Skyes Neopren, den sie sich damals auf Korsika gekauft hatte und dort war er auch geblieben. Wenn man mit dem Tauchen anfing, hatte man das Gefühl, dass man an so viel denken musste. Man hatte das Jacket, daran kam die Flasche, je nach Flasche musste man das Sauerstoffgemisch prüfen, um den Computer entsprechend umzuprogrammieren. Dann kam der Atemregler, dann prüfte man den Druck auf der Flasche – nicht das man aus Versehen eine Leere genommen hatte. Dann machte man sein Blei fertig. Je dicker der Neoprenanzug, umso mehr Auftrieb, umso mehr Blei. Je mehr Salz im Wasser umso mehr Auftrieb, umso mehr Blei. Eigentlich sollte man immer einen Bleicheck machen, bevor man das erste Mal wieder in einem Gebiet tauchen ging. Man sprang mit voller Ausrüstung ins Wasser und wenn man ausatmete sollte man das Wasser auf Augenhöhe haben. Skye gehörte zu den Menschen die gerne ein oder zwei Kilo Blei zu viel hatten, da sie immer mit dem runterkommen Probleme hatte und am Ende, mit dem leer werden der Flasche, auch unweigerlich nach oben gezogen wurde. Um den Tauchgang wirklich genießen zu können überbleite sie sich lieber. Eigentlich sollte man das nicht tun, denn je mehr Blei, umso mehr Arbeitsaufwand, umso mehr Luftverbrauch, umso kürzer die Tauchzeit. Allerdings behaupteten einige Leute, dass Skye Kiemen hatte. Sie verbrauchte recht wenig Luft, obwohl sie behauptete ständig zu atmen. Wenn man mit Flasche tauchen ging durfte man nicht die Luft anhalten, da sich sonst die Lunge auf den Umgebungsdruck anpassen würde, ergo sie würde sich zusammenziehen und wenn man dann einatmete, dann könnte oder würde die Lunge reißen. Beim Apnoe war das Einatmen kein Problem, denn man atmete erst wieder an der Oberfläche und dann war die Lunge auch nicht mehr komprimiert.
Als Solo-Taucher musste man auch mehr Dinge achten. Man sollte eine zweite Maske dabeihaben, falls das Maskenband reißt und man sollte auch einen zweiten Tauchcomputer dabeihaben, für den Fall, dass einer ausfiel. Da Skye an ihrer zweiten Flasche, die Pflicht war, wenn man alleine tauchen ging, einen Tiefenmesser hatte, sparte sie sich den zweiten Computer. Bei all diesen Dingen ging es darum Probleme zu vermeiden, denn man hatte keinen Buddy, der einem helfen konnte. Das meist auftretende Problem war das die Luft ausging. Skye verbrauchte zwar nicht viel Luft, aber es konnte ja auch mal was mit der Flasche sein und das Ventil war undicht und die Flasche verlor Luft. Also hatte sie eine kleine Flasche dabei. Männliche Solo-Taucher hatten oft zwei große Flaschen dabei, denn Männer verbrauchten in der Regel deutlich mehr Luft als Frauen. Schnappatmung. Jedenfalls bedeutete das für Skye, dass sie ihr Blei anders anordnen musste, da die zweite Flasche an ihrer linken Seite hing.
„Du siehst aus wie ein Weihnachtsbaum“, stellte Suho fest, als sie mit ihren Flossen über die Plattform gewatschelt kam. Sie fühlte sich auch wie ein Weihnachtsbaum. Deswegen mochte sie Apnoe, da gab es all dieses Gerödel nicht. Nur sie, ihr Badeanzug, ihre Flossen und zwei Kilo Blei.
„Sei vorsichtig, dass der Weihnachtsbaum dir keine überbrät“, rief sie zu ihm hoch und setzte die Maske auf. Sie kannte den Tauchplatz hier, es war nichts großartig Besonderes, keine riesig bewachsenen Korallenblöcke, doch sie wollte einfach unter Wasser. Sie stand an der Kante und schaute über das Meer. Sofort begann der ‚Moana‘ Soundtrack in ihrem Kopf.
Das Wasser an der Anlegestelle war nicht sehr tief, ungefähr drei Meter. Skye folgte dem Abfallenden Boden, bis sie auf 15 Meter auf ein Sandplateau traf und dort setzte sie sich hin. Beim Tauchen ging es eigentlich um das Sehen und Erkunden, doch der jungen Frau ging es manchmal nur darum eins zu werden mit dem Meer. Bewegungslos saß sie dort einige Minuten und ließ das Meer auf sich wirken. Zu ihrer linken fiel der Boden rapide ab, dort gab es Hartkorallen. Zu ihrer rechten wurde es langsam wieder flacher und eine Wiese Seegras bewegte sich hypnotisierend im Lauf des Wassers. Sie lauschte dem Knacken, dass das Wasser erfüllt, von all den Tieren, die am Essen waren oder ihre Wohnung einrichteten. Es gab wenig Fische und Meerestiere, die einen dauerhafte Wohnsitz hatten. Clownfische gehörten dazu, die in den Anemonen lebten und diese auch verteidigten. Die liebsten Grundbesitzer für Skye waren die Grundeln. Wächtergrundeln lebten in WGs mit Krebsen. Die Krebse gruben Tunnel in den Sand, die bis zu einem Meter lang werden konnten und die Grundeln passten oben auf, dass niemand kam. Wirklich witzig an diesen WGs war, dass man den Charakter direkt am ‚Vorgarten‘ des Tunnels erkennen konnte. Manche machten das richtig ordentlich und ordneten sogar Steine vor dem Eingang an – für den Fall, dass jemand von ‚Schöner Wohnen‘ vorbeikommen würde. Bei anderen sah es total chaotisch aus, da wurde alles einfach vor die Tür geworfen, was im Tunnel nicht gebraucht wurde. Skye fand das total niedlich. Manchmal lebten sogar zwei Grundeln in einem Tunnel oder zwei Shrimps mit einer Grundel. Wie eine Patchworkfamilie. Sie konnte ihnen stundenlang zuschauen, wie sie am Bauen und Dekorieren waren. Viele Leute die tauchten wollten große Fische sehen. Barrakudas. Haie. Walhaie. Rochen. Skye liebte die kleinen Dinge, an denen viele einfach vorbeitauchten ohne es wahr zu nehmen. Sie liebte Schnecken und Krebse und Garnelen, Seepferdchen und Fetzenfischen und Würmer. Im Meer war alles so farbenfroh und außerirdisch. Ja, Haie waren toll, sie liebte Haie, sie waren majestätisch und viel schreckhafter, als sie meisten glaubten und sie liebte Roche. Ebenso Walhaie oder Wale, es waren wundervolle Geschöpfe, aber am liebsten schenkte sie ihre Aufmerksamkeit den kleinen Dingen. Oft war es im wahren Leben doch auch so. Jeder war viel zu sehr damit beschäftigt Karriere zu machen, Geld zu verdienen, zur Arbeit zu kommen. Immer in Hektik und wie oft bemerkte eine wunderbare Kleinigkeit nicht, weil wir sie als normal empfanden? Wie einen bunten Sonnenuntergang oder eine schöne Blume am Gehweg, die dort eigentlich gar nicht wachsen sollte. Oft bemerkte man Dinge erst, wenn sie weg waren. Wenn das kleine Restaurant an der Ecke nicht mehr da war, dabei wollte man seit Jahren dort schon mal essen.
Jetzt, hier, unter Wasser, merkte sie, wie sehr sie das Meer vermisste. Sie war nicht nur auf eine Fiji Insel gezogen, um der Welt zu entfliehen, sondern auch weil sie das Meer liebte, das Tauchen und rund um ihre Insel gab es unzählige Riffe, in denen wahrscheinlich noch nie ein Mensch vorher getaucht war. Sie gehörten ihr, es war ihre Welt. Skye benannte die Riffe nicht nur, sondern zeichnete auch Karten von ihnen, um sie immer weiter zu erkunden. Der Amerikanerin war klar, dass sie in Korea gerade viel zu sehr verstrickt war, als dass sie nach Hause, nach Fiji, zurückkonnte, was nicht bedeutete, dass sie es nicht vermisste. Vielleicht könnte sie eine Serie daraus machen und die Idols einfach nach Fiji fliegen. Idol Island.
Nach 15 Minuten begann sie die Seegraswiese zu erkunden und traf auf einen kleinen Oktopus. Skye war fasziniert von ihnen, wie sie sich bewegten und ihre Farbe änderten. Es wäre so cool, wenn ihre Haare das könnten! Bam! Schwarz! Bam! Irokese!
Langsam schlängelte sie sich wieder hinauf zum Boot.
„Ach ja…“, sagte sie genüsslich und legte sich in die Sonne. Sie hatte eine kalte Cola in der Hand und eine Zigarette. Von wegen Taucher waren alle voll die gesunden Ökos. Deko-Bier sage ich da nur.
EXO turnten noch im Wasser und die Fotografen waren auf einem kleinen Schlauchboot mitten drin.
Im Sonnenuntergang bekamen sie noch mal etwas zu essen. Käse und Wein und Baguette. Die Jungs liebten es und die Fotografen waren natürlich mit dabei. Die Assistentin machte sich einen Teller voll und setzte sich oben auf’s Sonnendeck.
„Schwer beschäftigt die Kerle“, sagte Philippe und setzte sich zu ihr. „Sie machen ein Fotobuch?“
„Ja, die Fans lieben so etwas. Es gibt ihnen das Gefühl mit ihnen im Urlaub zu sein.“
„Aber für Superstars machen sie noch einen recht entspannten Eindruck.“
„Glaub mir, sie sind hart ihm nehmen, wahre Kämpfer. Der Erfolgsdruck in Korea ist bei normalen Menschen ja schon sehr hoch. Teenager lernen bis spät in die Nacht. Ein Schüler sagte mal, dass wenn er nachts mehr als vier Stunden schlief, hatte er einfach zu wenig gelernt. Die Musikszene in Korea ist riesig. Es gibt unzählige Konkurrenten, jedes Jahr werden neue Bands auf den Markt geworfen und auch wenn du schon lange dabei bist, heißt das nicht, dass du faul werden darfst. Du musst immer präsent sein, wenn du kein Album herausbringst, trittst du in Fernsehshows auf oder die models oder du schauspielerst und nebenbei livestreamst du dann noch, denn wenn du das nicht tust vergessen dich die Leute. Ich wollte nicht mit ihnen tauschen“, erklärte sie, wobei sie es schwer fand jemand Korea zu erklären, der Korea nicht kannte.
„Dazu kommt das Drogen illegal sind und betrunken sieht man die Idols auch nicht gerne. Sie müssen immer freundlich und höflich sein. Wenn sie gerade aus einem Restaurant kommen, nachts vor ihrem Haus parken oder gerade aus dem Krankenhaus entlassen werden. Und bist du es nicht, wirst du in den Medien völlig abgeschlachtet. Ohne Spaß – keine Gnade. Ein Fehltritt, eine kleine falsche Aussage und man wird es dir jahrelang vorwerfen.“
Philippe schien darüber nachzudenken. Dagegen schien sein Leben als Kapitän noch recht entspannt zu sein.
„Da fragt man sich wieso sie das machen.“
„Aus dem gleichen Grund wieso Männer schon seit Tausenden Jahren dumme Sachen machen: Um unsterblich zu werden“, erwiderte sie und hob ihr Bier.
„Auf die Unsterblichkeit“, prostete er und sie stießen darauf an.
Skye hatte eigentlich den Plan gehabt abends noch im Hafen zu landen auf einen Drink, doch alle waren völlig fertig, inklusive den Stylisten und Fotografen. Um 21 Uhr waren sie also wieder im Hotel. Skye war nur kurz duschen gegangen und als sie zurückkam, war Jongin schon am Schlafen. Sie hingegen war eigentlich noch wach und so nahm sie sich eine Flasche Wein und ging raus in den Garten.
Sie war nicht die einzige, die noch nicht schlafen wollte, denn Baekhyun saß ebenfalls im Garten.
„Ist hier noch frei?“, fragte sie.
„Wenn du noch ein zweites Weinglas hast“, erwiderte er und machte eine einladende Geste.
„Du bringst dich immer irgendwie ungewollt in Schwierigkeiten“, stellte er nach dem ersten Glas Wein fest. Skye konnte nur mit den Schultern zucken. Heute war es wirklich schlimm gewesen. Von allen Schiffen auf Korsika mussten sie bei ihrem Ex-Lover landen. Was sie nur wunderte war, dass Jongin es so locker wegsteckte.
„Jongin scheint sich daran gewöhnt zu haben, er hat recht entspannt gewirkt.“
„Ja, ihr seid aber auch erst wieder zusammengekommen. Er will es nicht direkt versauen.“
„Wieso bist du eigentlich gegen unsere Beziehung?“, fragte sie gerade heraus.
„Ich bin nicht gegen euch … ich bin nur nicht für euch.“ Er sah ihren verständnislosen Blick.
„Ich denke, dass es für alles eine richtige Zeit gibt. Du findest dich gerade erst wieder. Du bist kaputt, das ist okay, ich bin auch kaputt, aber du reparierst dich gerade und ich weiß nicht ob diese Beziehung das ist, was du brauchst. Du bist eine Ausländerin und auch wenn du viel über Korea weißt, über unsere Kultur und Gepflogenheiten, so heißt das sicherlich nicht, dass du alles gut findest. Du bist offen, du zeigst den Leuten wie du dich fühlst und mit einem Koreaner oder vor allem mit einem Idol, kannst du niemals so offen nach außen sein, wie du es willst. Soweit sind wir noch nicht. Du willst deinen Geliebten küssen, wenn du willst und berühren, wenn du willst, aber auf euch beide sind alle Kameras gerichtet und sie suchen nur nach Fehltritten. Dann haben wir Jongin. Ich, als Mann und Bandkollege, habe ihn wirklich gern. Aber für die Frauenwelt ist er eine Vollkatastrophe. Er scheint immer hin und her gerissen zu sein zwischen seiner … unserer Karriere und seinem Herzen. Er überlegt ständig ob das, was er tut, gut ist für die Beziehung und gleichzeitig ob es der Band schaden könnte. Wir stehen kurz davor zum alten Eisen zu gehören, gerade jetzt müssen wir den Fans zeigen, dass wir reifer geworden sind, talentierter und er zieht viel zu viel Aufmerksamkeit auf sich. Ich weiß, dass was Krystal getan hat war etwas zu viel, aber … du bist erst seit ein paar Wochen mit ihm zusammen. Anfangs hat er Krystal auf Händen getragen, dann hat er sie links liegen lassen, wenn ihm seine Arbeit wichtiger war. Er ist schlecht darin eine Balance zu finden zwischen Privatleben und Arbeit. Ihr steckt beide in wichtigen Phasen eures Lebens und ich denke, wenn ihr euch in zwei oder drei Jahren kennengelernt hättet, wäre vieles anders. Ich glaube im Moment blockiert ihr euch mehr, als dass ihr euch gegenseitig helft.“
Nachdenklich hörte sie ihm zu. Das ist die normalste Unterhaltung, die sie je mit Baekhyun geführt hatte. Seine Worte waren nicht gehässig, es war seine Ansicht der Dinge und vieles davon ergab sogar Sinn.
„Aber … meine Güte, versucht es. Vielleicht seid ihr auch genau das was ihr braucht füreinander und ich liege völlig falsch und ihr werdet so ein ekelhaft, dauerverliebtes Paar wie Mia und Donghae“, sagte er weiter und brachte Skye zum Lachen.
In einem der Zimmer wurde auch noch nicht geschlafen.
„Sehun … schläfst du schon?“, fragte Chanyeol in die Dunkelheit.
„Jetzt nicht mehr“, erwiderte der Bandkollege verschlafen.
„Ich habe Skye geküsst!“, offenbarte er.
„Was?!“ Mit einem Mal war Sehun wach.
„Ja, im Krankenhaus in Bangkok, als ich völlig im Delirium war. Weißt du was das Schlimmste daran ist?“
„Das Jongin dich umbringen wird?“, schätze Sehun.
„Das ich mich noch nicht einmal daran erinnere!“, korrigierte Chanyeol Sehuns totale Fehleinschätzung der Situation.
„Deine Sorgen hätte ich gerne!“
„Hey, sie ist heiß … ich mein … wirklich heiß. Wie oft hast du schon eine Amerikanerin geküsst, die so heiß war?“
„Noch nie“, gab Sehun zu.
„Und jetzt stell dir vor du küsst eine richtig heiße Amerikanerin und erinnerst dich nicht mehr daran!“
„Wenn du dich nicht mehr daran erinnerst, woher weißt du es dann?“, wunderte er sich.
„Sie hat es mir gesagt! Was … wenn ich sie schlecht geküsst habe?“
Chanyeol hörte Sehun nur genervt stöhnen.
„Jetzt kannst du es nicht mehr ändern.“
„Ich könnte sie noch einmal küssen“, überlegte er.
„Ganz tolle Idee. Sag mir Bescheid, wenn es soweit ist, damit ich das dokumentieren kann … nur für dich, solltest du es noch einmal vergessen.“