Nachts kühlte es ganz schön ab. Skye und Jongin kamen um kurz vor 2 Uhr im Hotel an und nahmen erst einmal eine heiße Dusche, um sich wieder aufzuwärmen.
An diesem Morgen fiel es sogar Skye schwer aufzustehen. Gerne wäre sie noch etwas liegen geblieben, doch die Pflicht rief und wenn sie nicht als gutes Beispiel voraus ging, würden die anderen erst recht nicht in die Gänge kommen.
Heute frühstückten sie nicht im Hotel, sondern in der Altstadt von Porto Vecchio. Dort gab es eine alte Kirche und auf dem Platz davor gab es mehrere Cafés. Pierre hatte dort schon Bescheid gegeben, so dass EXO eine Ecke für sich hatte.
Die Jungs wurden so viel fotografiert, dass noch nicht einmal Skye mehr Lust hatte sie zu fotografieren. Sie machte daher Fotos von der Umgebung. An diesem Morgen bearbeitete sie die Bilder von der Milchstraße nach und beschloss, dass sie so was mit EXO auch machen müsste, aber für nächste Woche hatte sie ja noch die ein oder andere Überraschung für sie geplant. Am Montag war Baekhyuns Geburtstag und das würde auch der letzte Morgen mit den Fotografen sein, sie würden danach nach Hause fliegen. Was nicht bedeutete, dass man Skye nicht dazu angehalten hatte selbst zu fotografieren.
Die Amerikanerin schreckte aus ihren Gedanken auf, als ihr Handy klingelte. Es war Taehyung. Sie schaute sich um und stand dann auf.
„Hi“, sagte sie und ging um die Ecke.
„Hi“, erwiderte er und schwieg dann. Nach ein paar Momenten fing Skye an zu lachen.
„Du hast mich angerufen!“
„Ja.“
„Dann musst du auch sprechen!“
„Ach so“, sagte er und Skye lachte fröhlich.
„Ehm …wie geht es dir?“
„Gut, wie geht es dir?“, fragte sie zurück.
„Gut. Wieso ich anrufe … also, ich habe gehört, dass Kookie dich angerufen hat.“
„Korrekt.“
„Und ich glaube er hat dir da etwas aufgedrückt, aber ich wollte nur, dass du weißt, dass ich dich nicht zwingen will und dass ich ihn nicht angestiftet habe.“
„Du hörst dich für deine Verhältnisse sehr ernst an“, bemerkte sie. „Nein, ich weiß, aber wenn du das willst, dann musst du mich schon fragen und unter uns … ich würde das sehr gerne machen.“
Skye hörte wie er tief durchatmete.
„Lala, würdest du gerne mit mir einen Song aufnehmen?“
„Ja, ich will“, sagte sie feierlich und hörte ihn jubeln.
„Okay, ich glaube wir haben ein Problem“, sagte Sehun und setzte sich zu Chanyeol, Chen und Suho.
„Was ist denn jetzt schon wieder?“, fragte Suho.
„Ich glaube Skye will jemand anderen heiraten.“
„Was?! Schon wieder?“
Er erzählte, was er am Telefon überhört hatte.
„Mit wem hat sie gesprochen?“, fragte Chen.
„Keine Ahnung.“
„Also, wir haben ja schon mal einen Heiratsantrag falsch interpretiert. Ich glaube wir sollten keine vorschnellen Schlüssel ziehen“, sagte Suho, die Stimme der Vernunft.
„Hey Skye, mit wem hast du telefoniert?“, rief Chen ihr zu.
„Mit Taehyung-shi“, erwiderte sie verwundert.
„Hat er dich gefragt, ob du ihn heiraten willst?“, fragte er geradeaus.
Skye stockte.
„Meinst du gerade oder generell?“
Das war nicht die Antwort, mit der die Band gerechnet hatte.
„Ehm … jetzt gerade?“
„Nein“, antwortete Skye zufrieden.
„Was meinst du mit generell?“, wollte nun Jongin wissen.
„Nichts, alles gut“, sagte sie und wand sich schnell zu den Fotografen, als würde sie etwas besprechen.
Nachdem alle gestärkt waren begannen sie die verwinkelten Gassen der Altstadt zu durchforschen. Ein Haufen Asiaten mit Fotografenteam zog doch etwas Aufmerksamkeit auf sich und Skye war froh, dass nicht nur die Sicherheitsleute, sondern auch Pierre und seine Brüder dabei waren. Keiner wurde wirklich aufdringlich, doch die Korsen ließen es auch erst gar nicht so weit kommen.
Skye stand in einem Laden und schaute sich die Tücher an, als Jongin sie von hinten umarmte.
„Blau steht dir gut“, meinte er und zog ein türkisfarbenes Tuch heraus. Sie drehte sich zu ihm um und er legte ihr das Tuch um die Schulter.
„Muss ich mir Gedanken um Taehyung machen?“
Die Assistentin wusste ja noch nicht mal, ob sie sich Gedanken um Taehyung machen musste!
„Nein, aber ich habe ihm zusagt das Lied mit ihm aufzunehmen.“
„Ich habe nichts anderes erwartet“, erwiderte er lächelnd und küsste ihre Stirn.
Die Sänger hatten jetzt schon ein wenig was von Korsika gesehen und ihre Shoppinglust war im Gegensatz zu Bonifacio gestiegen. Sie kauften Souvenirs und Andenken für Freunde, Freundinnen und Familie ein. Skye kannte die Altstadt ganz gut und hatte ein paar Geschäfte, die nicht die typischen Touristensachen hatten. Die Läden waren oft klein und verwinkelt und wenn plötzlich zehn Leute reinstürmten, waren die Verkäufer erstmal überfordert, doch die Sänger waren so interessiert und kauften viel und somit waren sie natürlich direkt zu Freunden aufgestiegen.
„Und? Was für ein Gefühl hast du?“, fragte sie Paul, als sie Jungs mal wieder einen Laden stürmten.
„Gut, sehr gut. Wir haben viele tolle Bilder geschossen und ich denke von dir kommen auch noch gute dazu“, meinte der Fotograf.
Schließlich war Korsika ihre Idee gewesen und sie wollte, dass es ein gutes Buchen werden würde. Sonst wäre sie daran schuld. In vier Wochen konnte es ihr egal sein. Noch immer hatte Youngjun nicht gesagt, ob er Skyes Vertrag verlängern wollte. Andererseits war SM aber für lange Verträge bekannt und die Amerikanerin hatte nicht vor sich jahrelang an SM zu binden.
Sie schossen Bilder auf der alten Burganlage, in der Kirche, in zig Läden und auf den kleinen Straßen der Altstadt, bis Skye merkte, dass die Stimmung kippte. Die Musiker beschwerten sich eigentlich nicht, doch sie hatte gelernt manche Warnsignale zu erkennen. Nach drei Stunden Shooting war es soweit.
„Okay, wir machen eine Stunde Pause und dann treffen wir uns hier, weil wir in diesem Restaurant zu Mittag essen. Okay? Und wenn ihr das hier – aus welchem Grund auch immer – nicht finden solltet, dann kommt vorne an die Kirche, okay?“
Alle nickten und Skye sagte den Fotografen, dass sie ebenfalls eine Stunde Pause hatten.
Jongin nahm Skye bei der Hand und zog sie in eine Seitenstraße.
„Lass uns eine Stunde allein sein“, bat er sie. Er hatte sie, seit sie wieder zusammengekommen waren, oft mit den anderen teilen müssen. Selbst wenn sie in Korea Termine hatten, so blieb ihnen doch mehr Zeit alleine. Er sollte seine Stunde bekommen.
Skye führte ihn in einer Seitenstraße, etwas abseits der großen Straßen und sie setzten sich in ein Café. Tatsächlich war ja ein wenig passiert, in der Zeit, in der sie nicht wirklich miteinander gesprochen hatten. Wobei die Amerikanerin Kolya und Finn ausließ. Beides war zwar mehr ein offenes Geheimnis, aber sie würde mit ihm nicht über ihre Lover sprechen.
„Und Seunghyun hat dich nur ersteigert, damit die Entertainments dich nicht bekommen?“
Sie waren schließlich bei dieser Geschichte angekommen.
„Ja … er hat gesagt, dass ich ihm eines Tages das Leben retten würde.“
„Du hast ihn wirklich gern“, stellte Jongin fest, wobei ein Blinder sah, dass die beiden eine besondere Beziehung zueinander hatten.
„Ja, aber nicht auf romantische Weise. Er ist mein Oppa.“ Oppa war etwas, was man oft sagte, einfach weil es angebracht war, doch bei Seunghyun war es nicht nur ein Titel, sie spürte es auch. Sie erinnerte sich noch, wie er damals zu ihr kam und ihr seine Handynummer gab, damit sie sich immer melden konnte. Sie vertraute ihm. Er belächelte zwar vieles schweigend und mit Sicherheit fand er nicht alles gut, was Skye machte, doch er war einer der Menschen, von dem sie glaubte, dass er ihr nie in den Rücken fallen würde.
Sicher, Skye hatte darüber nachgedacht, ob mehr daraus werden könnte, immerhin war es T.O.P. Er sah toll aus, hatte einen schrecklichen Geschmack in Inneneinrichtung, aber na ja, man konnte nicht alles haben. Er war minimalistisch witzig, einfach weil er kein Mann der großen Worte war. Doch seine Ausstrahlung war ähnlich wie die von Siwon. Siwon war vielleicht erwachsener als Seunghyun, doch neben den beiden kam sich Skye noch sehr jung und unerfahren vor. Der Unterschied lag nur darin, dass Siwon einen Schritt auf sie zu gemacht hatte und dass hatte Seunhyun noch nicht gemacht. Wahrscheinlich würde sie genauso reagieren, wie bei Siwon.
„Sie haben dein Album auf Eis gelegt?“, fragte Skye überrascht, als Jongin ihr davon erzählte und er zuckte mit den Schultern.
„Erst mal. Sie sagen ich kann daran weiterarbeiten, aber ich hatte ja eigentlich geplant es im Juli oder August zu veröffentlichen. Ich denke so schnell hätte das noch nie ein SME Künstler hinbekommen. Sie wollen, dass das Album perfekt ist und wenn es drei Jahre dauert.“
Sie meinte dennoch die Enttäuschung in seinem Blick zu erkennen.
„Du darfst nur nicht aufgeben. Es ist dein Projekt, also musst du dafür auch arbeiten, nicht SME.“
Er wusste, dass sie Recht hatte, doch es war für einen Künstler demotivierend, wenn das eigene Entertainment nicht wirklich an einen glaubte.
Es wäre kein richtiges EXO Events, wenn nicht mindestens einer auf mysteriöse Weise verschwinden würde. Zu Skyes Überraschung waren es diesmal aber die halbwegs Vernünftigen die weg waren: Suho und Chen.
„Eines Tages lasse ich euch so GPS Sender unter die Haut schießen“, sagte sie, nachdem sie versucht hatte die beiden anzurufen und beide Handys aus waren. Die anderen liefen selbst die Altstadt ab, um die beiden zu finden, doch keiner hatte Erfolg. Langsam fing Skye an sich Gedanken zu machen und Pierre rief auf der Polizei an und im Krankenhaus. Verlorene Koreaner würde man doch in Porto Vecchio finden!
Sie stand am Van und dachte nach. Wie sollte sie das Youngjun erklären? Ob ihm auffallen würde, wenn sie zwei Männer in die Gruppe steckte, die den beiden sehr ähnlich sahen? Sie könnte sagen, dass sie eine Gesichts-OP hatten und deswegen etwas anders aussahen. Sie müsste sich Tinder runtergeladen, so viele Gesichter wie dort bekam man sonst nicht zu Gesicht und da wären bestimmt zwei dabei, die Chen und Suho ähnlich sahen.
Langsam wurden aber auch die anderen nervös. Normalerweise waren sie nie lange weg. Sie gingen in einem Laden verloren oder versuchten sich mit einem hübschen Mädchen zu unterhalten, doch die beiden waren inzwischen schon über eine Stunde zu spät. Sie waren nicht im Krankenhaus und auch nicht auf der Polizeistation. Pierre reichte ihr einen Kaffeebecher und sie setzte sich auf die Ablage zum Kofferraum.
Was kann nur passiert sein?
Gut, vielleicht hat ihr Heimatplanet ein UFO geschickt, aber dann wüssten die anderen auch Bescheid – oder nicht?
Vielleicht waren wirklich Frauen im Spiel und sie sind mit ihnen runter an den Hafen. Doch Frauen hin oder her, sie konnten die Uhr lesen und sie wussten, dass sie heute Programm hatten. Sie waren vielleicht Chaoten, doch ihre Arbeit nahmen sie sehr ernst und Skye behauptete zu sagen, dass sie die Band nicht für irgendetwas Unbedeutendes sitzen lassen würde. Skye zündete sich eine Zigarette an und grübelte. Wenn sie etwas sehr Blödes getan hätten, wie von der Burg zu fallen, dann hätte es die Aufmerksamkeit anderer auf sich gezogen, doch sie hatte sich in der Stadt rumgefragt und niemand hatte sie gesehen. Wahrscheinlich war es so etwas Dämliches wie, dass sie irgendwo eingeschlafen waren und sie saßen hier und machten sich Sorgen.
„Was tun wir jetzt?“, fragte Jongin, als er von seiner Tour zurückkam.
„Ich habe keine Ahnung“, gab sie zu.
„Wieso hast du Tinder?“, fragte er irritiert und Skye machte eilig das Handy aus.
„No reason.“
Knapp eine halbe Stunde später klingelte Skyes Handy, es war eine französische Nummer.
„Oui?“
„Frau Jones?“, fragte eine weibliche Stimme auf Französisch.
„Ja.“
„Hallo, ich habe ihre Freunde hier. Sie wissen nicht so richtig, wo sie sind und wirken verloren. Sie sagen sie haben kein Geld mehr.“
„Wo sind sie?“, fragte Skye und ihr Herz schlug schneller.
„In Arraggio“, erklärte sie Frau.
„Bitte?!“ Skye reichte ihr Handy an Pierre, damit die Frau ihm erklären konnte, wo sie war.
Arragio war nicht weit weg von Porto Vecchio, vielleicht 20 Minuten, Skye hatte nur gar keine Ahnung, wie sie da hingekommen waren. Sie packte also alle in die Fahrzeuge, für das Mittagessen war es jetzt ohnehin zu spät und sie würde ihnen beim nächsten Shooting etwas zu essen suchen.
Im Konvoi fuhren sie nach Arraggio und das Bild, dass sich ihnen bot war einfach herrlich – die Fotografen sprangen sofort auf und machten die Kameras Einsatzbereit.
Suho und Chen saßen am Straßenrand. Jeder hatte eine Wasserflasche in der Hand und zur Krönung hatte Suho einen Strick, an dessen anderen Ende eine Ziege festgebunden war.
Skyes Ärger verflog sofort und sie fing herzlich an zu lachen.
„Okay, erklärt mir bitte Schritt für Schritt was passiert ist“, sagte sie zu den beiden, nachdem die Fotografen ihren Schnappschuss bekommen hatten.
„Also, es war so“, begann Suho, „wir waren in der Altstadt und sind den Berg runter gelaufen, weil wir dachten, dort geht es vielleicht weiter. Jedenfalls haben wir uns total verlaufen und die Altstadt sah auch ziemlich weit weg aus. Natürlich wollten wir nicht unser Styling zerstören und haben uns ein Taxi gesucht. Skye! Niemand spricht hier Englisch! Wir haben gesagt: Old Town, Mountain, Castle … Chateau. Und dann nickte er nur und fuhr los. Okay, ich gebe zu, wir sind vielleicht eingenickt und als wir aufwachten, waren wir mitten im nirgendwo und das Taxi hielt an. Wir konnten ihm gar nicht sagen, dass er völlig verkehrt ist! Und mein Rucksack war im Van und Chen hatte nur 20 Euro einstecken und so viel hat die Taxifahrt gekostet.“
Skye übersetzte das parallel in Französisch, damit Pierre sich auch amüsieren konnte. In Arraggio gab es Ruinen einer alten Festung, die auf einem Berg lag. Der Taxifahrer hatte einfach nur falsch interpretiert.
„Gut, und wie seid ihr zu der Ziege gekommen?“
„Oh, wir passen nur drauf auf, für die Frau deren Handy wir benutzt haben und sie hat uns Wasser gegeben“, erklärte Chen.
„Und was ist mit euren Handys?“
„Irgendwie haben wir keinen Empfang“, kam es von Suho und er packte sein Handy raus. Chanyeol schaute sich das Handy an und fing an zu lachen.
„Was?“, fragten Suho und Skye gleichzeitig.
„Kennst du die Bedeutung des kleinen Flugzeugs?“
„Ist nicht dein Ernst?! Flugmodus?!“ Skye gab Suho einen Klaps auf den Hinterkopf. „Schlechter Leader!“
Bevor sie zum nächsten Shooting fuhren, mussten sie erst einmal die Ziege zurückbringen. Es stellte sich heraus, dass Marie, die Frau, mit der Skye gesprochen hatte, nicht nur Ziegen hatte, sondern auch Hühner und ein paar Kühe und die Sänger waren hin und weg. Skye fragte die Frau, ob sie hier ein paar Bilder schießen könnten und Marie hatte kein Problem damit, solange sie etwas in ihrem Laden kaufen würden.
Es war ein Traum für die Fotografen. Baekhyun mit Huhn. Skye würde es sich lebensgroß ziehen und ins Wohnzimmer hängen. Panik, völlige Panik, es war göttlich. Marie hab ihnen ein paar Möhren und Gras und schon waren EXO die neuen besten Freunden der Tiere.
Bestimmt eine Stunde tobten sie sich aus und am Ende gingen sie in den kleinen Laden, um Käse und Wein zu kaufen. Skye müsste eine Weinkiste besorgen, damit sie das ganze Zeug unbeschadet nach Korea bekamen.
Bis sie fertig waren, stanken sie nicht nur alle wie ein Bauernhof, sondern sie waren für alles irgendwie viel zu spät.
„Okay, wer hat Hunger“, fragte Skye in die Runde und natürlich hob jeder die Arme.
„Okay … wer hat so Hunger, so dass er es nicht noch ein paar Stunden aushält bis zum Abendessen?“
Wieder hoben alle die Arme. Super. Sie hatte eigentlich das Essen in Porto Vecchio geplant und danach sollten sie nach Palombaggio an den Strand fahren, zum Surfen und Kiten. Morgen war Samstag, dann wäre potentiell mehr am Strand los, aber damit mussten sie jetzt leben. Pierre hatte schon mit dem Betreiber des Verleihs gesprochen und hatte Bescheid gegeben, dass sie morgens früh kommen würden. Noch waren keine Ferien und die Strände waren noch überschaubar. Zumal Skye ohnehin ganz nach oben in die Bucht wollte. Der Strand von Palombaggio bestand aus einer riesigen Bucht und zwei Nebenbuchten. Die riesige Bucht war ihr zu riesig, und in der letzten Bucht gab es eine Strandhütte mit Essen und Trinken, die von drei smarten Korsen betrieben wurde. Sie hatten keine Liegen, doch hatten sie Holzdreiecke, damit man sich wo anlehnen konnte und sie hatten Matten darauf – eben wie ein Liegestuhl ohne Beine und sie hatten Schirme. Es sah nach Sommer und Strandfeeling aus, während beim großen Strandabschnitt richtige Restaurants aus Stein standen. In der nächsten Bucht wiederum war der Kite Verleih.
Die ganze Aktion hatte Skyes Plan für heute völlig über den Haufen geworfen.
Fakt war: So wie sie rochen, konnte Skye nirgendwo mit ihnen hingehen, also hielten sie auf dem Weg ins Hotel an einer Bäckerei und Skye holte belegte Baguettes, Croissants und Pain Chocolate und dann fuhren sie direkt weiter, damit sie duschen gehen konnten.
Skye wollte sich tatsächlich eine Stunde hinlegen, der Verlust von zwei Mitgliedern war Stress gewesen und ihr Körper wollte sich nur etwas ausruhen. Sie merkte, wie Jongin sich zu ihr legte.
„Geh weg“, sagte sie ohne die Augen zu öffnen. Er stockte und schaute entsetzt – was sie ja nicht sah.
„Was?!“
„Wenn du dich jetzt zu mir legst, dann schlafe ich nicht, aber ich würde gerne schlafen“, murmelte sie. Jongin grinste und legte sich trotzdem zu ihr.
„Ich verspreche dir, ich werde nichts machen, nur kuscheln.“ Er schmiegte sich an sie heran und zog die dünne Decke über sie. Skye erwartete schon fast, dass er mehr versuchte, doch er blieb brav und es dauerte nur ein paar Momente, da war sie eingeschlafen.
An diesem Abend fuhren sie in die Altstadt von Bonifacio. Für Skye war es nicht einfach den Geschmack der Koreaner zu treffen, denn korsische Küche war schon etwas eigen. So aßen sie zum Beispiel gerne Chicoree, eine Art Gemüse-Salat der eigentlich völlig geschmacklose war und es gab auch oft Schaf. Steaks waren recht teuer, da es fast immer Biosteaks waren – die Kühe, die einem morgens am Strand begegneten, waren die Kühe, die irgendwann auf ihren Teller landeten. Inzwischen gab es viele Lokale mit internationaler Küche, wo man Burger, Pasta und Pizza fand, doch Skye war der Meinung, dass wenn man schon mal in der Welt unterwegs war, man sich auch auf das landestypische Essen einlassen konnte.
Letztendlich landeten sie in einem Fischrestaurant. Skye aß zwar keinen Fisch, doch nur, weil sie Fische mochte und Angst vor verseuchten Fischen durch Fukushima hatte, nicht weil es ihr generell nicht schmeckte. Heute gönnte sie sich doch dann mal einen gegrillten Fisch und dazu tranken sie Wein.
„Skye, Christa hat doch Wohnwagen, können wir da nicht schlafen?“, schlug Jongin vor. Die anderen wussten natürlich nicht wer Christa war und so erzählte er von dem nächtlichen Ausflug in die Wildnis.
„Oh, das hörte sich aber schön an“, kam es von Chen. Skye schaute sich um. Könnten diese Großstadtkinder tatsächlich eine Nacht in einem Wohnwagen überleben? Ohne Wifi?
„Das muss Baekhyun entscheiden.“
„Ich?“, kam es überrascht von ihm.
„Na ja, die einzige Nacht, in der wir das machen können, ist von Montag auf Dienstag. Morgens habe ich noch eine kleine Überraschung zu deinem Geburtstag, dann fliegen die anderen ja schon weg und wir haben noch knapp zwei Tage, aber es ist dein Geburtstag. Du kannst entscheiden, wie du ihn verbringen willst.“
Alle schauten zu Baekhyun.
„Ich denke darüber nach“, sagte er.
Nach dem Essen schossen die Fotografen noch Bilder von den Sängern in den dunklen Gassen und spielten viel mit Licht und Schatten. Chanyeol, Sehun und Jongin posierten geraden, als Bae zu ihr kam.
„Wir würdest du den Tag planen, wenn wir bei der Familie schlafen?“
„Also morgens haben wir wie gesagt noch Programm, doch ich würde euch morgens schon eine Tasche packen lassen, damit wir direkt zu Christa können und ihr noch was von dem Strand habt – da sind wir übrigens am Sonntag, dann seht ihr es mal, es ist wirklich toll. Abends könnten wir in die Pizzeria in Monacia, die ist super lecker und danach könnten wir noch was in Pianott trinken gehen, bei Mathieu versammelt sich abends das ganze Dorf. Danach würde ich mit euch gerne zum Strand – je nach Himmel, um Bilder von euch mit der Milchstraße zu schießen.“
Skye hatte totale Visionen. Sie würde ihnen Taschenlampen in die Hand geben und der Lichtstrahl würde durch die Langzeitbelichtung ziemlich langzogen sein, fast wie ein Laserschwert. Es würde aussehen, als wollten sie mit ihrer Heimat kommunizieren. Und sie würde sie auf die Felsen setzen, dann hätte man ihre Silhouette vor der Milchstraße. Das würde super werden.
Baekhyun grübelte.
„Okay, aber wenn es lahm ist, fahre ich ins Hotel.“
Skye schielte zu ihm rüber. Es war seine Aufgabe es ihr nicht einfach zu machen, inzwischen nahm sie ihn nur nicht mehr so ernst wie am Anfang.
Die Fotografen waren noch beschäftigt und Skye ging schon mal zum L’Archivolto, ein Restaurant/Bar gegenüber der kleinen Kirche in der Altstadt. Man musste etwas runterlaufen und vor dem Lokal gab es eine überdachte Terrasse.
„Skye!“, rief Maurice, der Sohn des Besitzers, der Mitte Zwanzig war, kam hinter der Theke hervor und drückte die Amerikanerin.
„Ich habe schon gehört, dass du in der Stadt bist! Was tust du hier?“
Sie erzählte von ihrem neuen Job und was sie hier machten.
„Ja, Philippe war gestern da“, erzählte Maurice. Natürlich, Philippe. „Ihr habt euch gesehen.“
„Ja“, erwiderte sie und wisch seinem Blick aus. Was sollte sie sagen? Ja, Philippe sah großartig aus und sie hatten immer viel Spaß miteinander gehabt, doch was? Sollte sie hierbleiben? Mit ihm den lieben langen Tag auf dem Meer verbringen? Ja, eigentlich war es genau das, was sie wollte – mal abgesehen von Jongin. Damals, als sie Philippe kennenlernte, war sie bei weitem noch nicht soweit gewesen, um sich auf eine Beziehung einzulassen und letztendlich hatte sie genau deswegen die Insel verlassen, weil sie nicht mutig gewesen ist ihrem Herzen zu folgen. Ihn nun zu sehen, zwei Jahre später, ließ sie darüber nachdenken, wie ihr Leben wäre, wenn sie hiergeblieben wäre. Sie hatte Milliarden auf ihrem Konto, sie brauchte nicht mehr Geld, keine Arbeit. Sie hätte sich dem Tauchen hingeben können und der Fotografie und sie wäre mit Philippe zusammen gewesen, der das Meer liebe wie sie selbst. Abends hätten sie hier bei Maurice gesessen um etwas zu essen und einen Wein zu genießen. Es hätte ein schönes Leben sein können, doch jetzt war alles anders. Jongin hatte sie verändert, doch musste sie zugeben, dass sie Taehyung vermisste und oft an ihn dachte. Skye hatte gar keine Ahnung wie das passiert war, wie er es geschafft hatte zu einem Teil ihres Lebens zu werden. Ständig ertappte sie sich dabei, wie sie an ihn dachte, an seine zarten Lippen und die Leidenschaft, mit der er sie geküsst hatte und die sie nicht von ihm erwartet hatte.
Die Männer machten sie wahnsinnig!
Es war noch nicht viel los im L’Archivolto und Maurice reservierte ihnen die komplette Terrasse. Skye zog los, um den Rest zu finden und fand sie etwas weiter oben, noch am Fotografieren. Sie ging zur Brüstung und schaute raus auf’s Meer. Es war Halbmond und sein Licht erleuchtete die Küste. Skye spielte mit dem Handy. Es war zu spät in Korea um Taehyung anzurufen, doch plötzlich rief er sie an.
„Taehyung? Wieso bist du wach?“, begrüßte sie ihn.
„Ich war bis eben mit Jungkook im Studio und habe gesehen, dass du online bist. Wie geht es dir?“
„Ganz gut, ich habe heute fast Suho und Chen verloren.“
„Oh, hast du sie wiedergefunden?“
„Ja, mit einer Ziege.“
Tae lachte fröhlich.
„Ich hoffe ich höre die Geschichte, wenn du wieder da bist.“
„Aber klar.“
Einen Moment schwiegen sie.
„Ist alles okay?“, fragte er.
„Taehyung?“
„Hm?“
„Ich vermisse dich.“
„Das ist verständlich“, erwiderte er nach einer kurzen Pause.
„Wie meinst du das?“, fragte die Amerikanerin.
„Na ja, du begreifst langsam, dass wir füreinander bestimmt sind und sobald du mir einmal verfallen bist, wird es kein Zurück mehr geben.“
Sie lachte fröhlich.
„Okay, verstehe.“
„Macht Sinn, richtig?“
„Ja, total“, erwiderte sie grinsend.