„Okay, was willst du machen?“, fragte Seunhyun Skye. Es war kurz nach Mitternacht, sie hatten fast die Flasche Ouzo gekillt – aber hey, sie waren jetzt zu dritt.
„Ich will Jurassic Park gucken.“
Sie wäre so gerne ein T-Rex oder ein Veloziraport, dann könnte sie einfach jeden fressen, der ihr auf die Nerven ging. Krystal würde ihr wahrscheinlich schwer im Magen liegen, doch das wäre ein Risiko, dass sie bereit wäre einzugehen.
„Welchen?“, fragte Jiyong, der schon auf der Couch lag.
„Alle!“ Sie würde keine halben Sachen mehr machen! Man musste das Leben solange genießen, wenn man konnte, denn man wusste nie, wann alles vorbei war.
„Das sind vier Teile!“, beschwerte sich Seunghyun.
„Fünf“, korrigierte Skye. „Und ich habe nichts Besseres zu tun – ich bin arbeitslos. Je ne regrette rien!“
Und so landeten sie alle auf der Couch, Skye in der Mitte und sie begannen mit dem Klassiker aus 1993.
„Also, wenn wir die Zeit anders nutzen wollen und vielleicht möchtest du auch Rache an Jongin nehmen, dann wäre das gerade doch eine schöne Konstellation“, kam es von Jiyong, der direkt etwas näher an sie ran rückte.
„Kannst du vergessen“, sagte sie nur und schob sich den Aschenbecher ran. Normalerweise ging sie immer raus zum Rauchen, aber heute war kein normaler Tag.
Gerade als der T-Rex das Auto mit den beiden Kindern drohte zu zerquetschen, waren die drei schon friedlich eingeschlafen.
Skye war gegen 6 Uhr wieder wach und hatte das Gefühl eine Katze gegessen zu haben. So vorsichtig wie möglich versuchte sie von den Armen zu befreien, die sie umgaben und sie schlich sich ins Bad, um sich die Zähne zu putzen. Danach zog sie sich um und ging auf das Dach, um Yoga zu machen.
Sie atmete tief durch, doch irgendwie fand sie nicht ihre Mitte.
Heute war es besser als gestern, doch das Grundproblem hatte sich nicht auf magische Weise behoben. Skye setzte sich auf den Rand des Dachs und schaute über Seoul. Sie liebte diese Stadt, dieses Land. Sie wollte hier doch nur glücklich werden.
Die Amerikanerin wurde aus den Gedanken gerissen, als sie Schritte hinter sich hört. Sie drehte sich um und sah Jongin.
„Muss ich mir darüber Gedanken machen, dass Seunghyun und dein Ex-Mann bei dir auf der Couch liegen und dein wahrscheinlich zukünftiger Mann vor deiner Wohnungstür schläft?“
„Ich glaube nicht“, erwiderte sie. Sie hatte gar nicht mitbekommen, dass Taehyung wieder Wache gehalten hat – wohl nicht sehr erfolgreich, wenn Jongin es rein geschafft hatte.
Er ging einen Schritt auf sie zu, doch sie wisch automatisch zurück. Tiefe Enttäuschung war in seinem Gesicht zu sehen.
„Ich bin nicht sauer, dass es passiert ist … warte, das stimmt so nicht …“ Skye war auf dieses Gespräch noch nicht vorbereitet.
„Vielleicht sollte ich anfangen “, meinte er. „Was würdest du sagen, wenn ich dir sagen würde, dass ich einen Fehler gemacht habe?“
„Da würde mir das Wort ‚dümmlich‘ in den Sinn kommen“, erwiderte Skye trocken. „Ich weiß du bist ein Mann und du hast Hormone und ihr seid nicht besonders willensstark, aber musste es tatsächlich Krystal sein? 4 Milliarden Frauen und du steigst mit ihr in die Kiste? Es ist wie es ist, daran kann man jetzt nichts mehr ändern.“
Fast schon hatte er das Gefühl, als wäre es okay, als hätte sie sich damit abgefunden und als würden sie das schon packen.
„Aber?“
„Aber, ich will weder dafür verantwortlich sein, dass Krystal das Kind verliert, noch möchte ich Stiefmutter für dieses Kind spielen.“
Augenblicke vergingen, in denen keiner etwas sagte.
„Was bedeutet das für uns?“ Er wusste, was es bedeutete, er wollte nur, dass sie es aussprach.
„Das es kein ‚uns‘ geben kann. Ich kann das nicht Jongin. Wenn ihr dieses Kind bekommt, dann wirst du ganz andere Sachen im Kopf haben als eine Freundin und nehme mir das nicht übel, ich muss an mich denken.“
„Skye…“ Wieder kam er auf sie zu und wieder wisch sie zurück. Tränen standen in ihren Augen.
„Vielleicht … eines Tages … bekommen wir das hin, aber im Moment müssen wir unterschiedliche Wege gehen.“
Er spürte wie eine Wand sich zwischen ihnen auftürmte. Sie waren so nah beieinander, doch Welten entfernt. Jongin nickt, er verstand sie, Gott, er hätte verstanden, wenn sie ihm die Augen ausgekratzt hätte! Nur war nichts hiervon seine Entscheidung. Krystal hatte ihm jegliche Entscheidungsgewalt genommen. Es war nicht der richtige Moment für ein Kind und Krystal war nie die richtige Frau dafür. Wenn schon jemand schwanger wurde, dann hatte er gehofft, dass es Skye wäre. Sich ein Kind mit ihr vorzustellen erfüllte sein Herz, doch dieser Traum war nun endgültig aus.
Nach dieser Begegnung legte Skye sich noch mal hin, diesmal allerdings ins Bett. Als sie aufwachte, lag Jiyong bei ihr. Sie schaute auf ihr Handy, nur um festzustellen, dass sie es ja ausgeschaltet hatte. Unten am Backofen war eine Uhr, aber das war zu weit weg, als dass sie das hätte erkennen können. Back to the roots: Skye versuchte an Hand der Sonne zu ermitteln wie spät es war. Irgendwas gegen Mittag. Jiyong wachte durch die Bewegung auf.
„Was tust du hier?“, fragte sie ihn grinsend.
„Ich war gestern Abend schon da …“, für den Fall, dass sie einen Filmriss hatte und sich nicht daran erinnerte.
„Das weiß ich, was tust du hier im Bett?“
„Seunghyun musste weg und ich bin wach geworden und hier sah es viel gemütlicher aus.“
„Was du nicht sagst…“
„Wie spät ist es?“ Er stützte sich auf den Ellenbogen ab und schaute sich um.
„Keine Ahnung, ich habe seit gestern mein Handy aus.“
Verständnislos blickte er zu ihr. 24 Stunden ohne Handy? In seiner Welt wohl eine ausgewaschene Katastrophe. Tatsächlich war es gerade einmal 10:30 Uhr, also gar nicht so wild. Wobei sie auch wirklich gar nicht so lange wach gewesen sind und ihr Jurassic Park Marathon war auch ein Witz gewesen.
Die Amerikanerin musste dringend unter die Dusche und all diese Tränen abwaschen. Jiyong bot an sie zu begleiten, ganz uneigennützig versteht sich.
„Was ist eigentlich mit Honey?“, fragte sie, als sie aus dem Bad kam. Sie hatte eine Jogginghose und ein Tanktop an und band sich ein Handtuch um den Kopf.
„Oh, sie ist in Busan, irgendwas mit einem Marketingjob.“
„Also seid ihr zwei…?“
Er legte sein Handy zur Seite und hob eine Augenbraue an.
„Nein.“
„Schau nicht so!“
„Wie schau ich denn?“
„Dieser amüsierte Blick, als hättest du mich genau da, wo du mich haben willst und als könntest du in die Zukunft sehen.“
Der Musiker lachte fröhlich. Skye hat es immer gemocht, wenn er so lachte, so ausgelassen.
„Vielleicht kann ich das ja. Ich kann dir zum Beispiel voraussagen, dass in wenigen Minuten Frühstück geliefert wird.“
So leicht war sie nicht zu beeindrucken.
„Ja, weil DU es bestellt hast.“
Doch er schüttelte den Kopf, noch immer grinsend.
„Nein. Ich kann dir sogar vorhersagen, dass mit dem Frühstück schlechte Nachrichten kommen.“
Nun zog sie die Augenbrauen zusammen. So war das aber nicht geplant!
„Ich gehe jetzt auch besser.“
Als er aufstand gab er ihr einen Kuss auf die Wange.
„Wenn irgendetwas ist … musst du halt dein Handy wieder anmachen und mich anrufen.“
„Danke.“
Sie hatte nicht gedacht, dass sie gestern Gesellschaft haben wollte, doch Seunghyun und Jiyong haben ihr beide gutgetan. Vor allem das Essen. Jetzt vor dem Frühstück hatte sie schon wieder etwas Angst. Jongin würde es nicht sein. Es war so schwer heute Morgen gewesen ihn gehen zu lassen.
Kaum war Jiyong weg, klopfte es an der Tür. Skye dachte noch, dass er vielleicht etwas vergessen hatte, doch als sie die Wohnungstür öffnete kamen fünf Kellner mit Essensglocken in die Wohnung reingelaufen.
„Wo dürfen wir das Abstellen?“, fragte der erste Kellner … Butler … was auch immer.
„Ehm … auf dem Esstisch?“ Die Amerikanerin war etwas überfordert und fragte sich, was sich denn da alles drunter versteckte.
„Guten Morgen Skye.“ Youngjun kam durch die Tür und nun verstand sie auch, was hier los war: ein Hinterhalt. Sie warteten, bis die Kellner weg waren und setzten sich dann an den Tisch.
„Wenn du denkst, dass etwas Schinken und Konfitüre meine Entscheidung ändert, dann bist du auf dem Holzweg“, stellte sie direkt klar. Youngjun sah müde aus, doch sie war weit davon entfernt Mitleid zu haben. Wobei das Frühstück wirklich toll aussah. Die gekochten Eier waren heiß und es gab kleine Croissants und Baguettes und Käse und Wallnüsse. Er hatte auf jeden Fall Hilfe gehabt.
„Skye, ich möchte mich bei dir entschuldigen.“
Der Manager war auch immer für eine Überraschung gut.
„Es tut mir unendlich leid, dass du in dieses Drama mitgezogen wurdest. Das war alles so nicht geplant gewesen und es tut mir aufrichtig leid.“
Irgendwie kaufte sie es ihm nicht ab, als würde er auf verständnisvoll tun und gleich kam dann die Retourkutsche. Wenn sie er wäre, würde sie es nicht anders machen. Er hatte einen Assistenten verloren, jemand der seit mehreren Monaten bei EXO war, die Tour kannte und den Terminplan der Jungs. Jetzt jemand neu anzulernen wäre Horror mit dem Comeback nächste Woche. Der gravierende Unterschied zwischen Skye und den normalen Assistenten war, dass sie es nicht wegen dem Geld machte und keinen Job brauchte. Wenn sie eins genug hatte, dann Geld und Youngjun wusste, dass er sie mit Geld nicht locken konnte. Sie hatte den Job bei Mia als Beschäftigungstherapie angenommen. Man kann ja nicht das ganze Jahr nur reisen und sie brauchte mal wieder etwas zu tun. Vielleicht hätte sie sich doch für eine Tierrettungsstation irgendwo in Afrika entscheiden sollen, aber sie war ja noch jung.
„Das heißt du akzeptierst meine Entscheidung?“
Der Manager schenkte sich einen Kaffee ein und nahm einen Schluck.
„Skye, ich will ehrlich zu dir sein. Diese Kerle lieben dich. Sie hören auf dich, ja, schauen zu dir auf. Du bist im gleichen Alter wie sie und doch hast du sehr viel Lebenserfahrung und gerade jetzt, mit dem Comeback und der Tour brauche ich einen Assistenten der weiß was er tut, auf den ich mich verlassen kann und bei dem ich weiß, dass die Jungs nicht zu viel Unfug machen. Du hast einen tollen Job auf Korsika gemacht und ich wollte mit dir ohnehin darüber reden, ob du nicht noch ein paar Monate die Jungs betreuen könntest.“
Oh wow, er musste wirklich verzweifelt sein, wenn er ihr so viel Honig um’s Maul schmierte. Die Amerikanerin vergrub die Hände in den Haaren und stützte die Ellenbogen auf den Tisch. Sie verstand alles was er sagte und sie hatte EXO ins Herz geschlossen, aber das mit Jongin würde nicht funktionieren. Es konnte nicht funktionieren. Jeden Tag mit ihm zusammen? Manchmal von morgens bis abends?
„Danke für das Lob, aber … wie soll das gehen? Ich kann das nicht … und überhaupt, wie stellt ihr euch das vor?“
Es ging hier ja nicht nur um die Beziehung zwischen ihr und Jongin, sondern es ging darum, dass Krystal schwanger war. Marketingtechnisch war das eine Katastrophe. Für Krystal, für Jongin, für SME.
„Das wissen wir nicht. Später haben wir verschiedene Meetings. Skye, ich will gar nicht, dass du mir sofort eine Antwort gibst und wenn du das Comeback nicht mitmachst, dann ist es halt so. Ich habe einen Vorschlag … SME gehört ein Haus am Cheongpung See. Ein Wagen kann dich in einer Stunde abholen, du fährst dort hin, bleibst ein paar Tage, entspannst dich, gehst wandern, schwimmen – was auch immer du möchtest – und dann schauen wir weiter.“
Sie war tatsächlich noch nie am Cheongpung See gewesen. Er wurde vom Hangang gespeist. Eigentlich war es gar kein richtiger See, eher eine Verdickung des Hangangs, die sich zwischen Hügeln und Bergen aufgestaut hatte und damit eine total interessante Landschaft hervorbrachte. Hinter der Verdickung ging der Hangang ganz normal seinen Weg. Skye kannte das Gebiet von Bildern. Ein paar Tage fern ab des ganzen würden ihr vielleicht gut tun um den Kopf frei zu bekommen. Schon gestern hatte sie überlegt für ein paar Tage ins Hotel zu ziehen, um etwas Abstand zu gewinnen.
„Du willst nicht, dass mir Krystal über den Weg läuft“, stellte sie fest.
„Ich will nicht, dass dir Krystal über den Weg läuft“, bestätigte er ihre Vermutung. „Im Moment würden wir auch zu einer Abtreibung raten, aber wir können sie nicht zwingen, sie beide nicht. Wenn sie dieses Kind wollen, wird es kommen. Ich bin selbst Vater, sie hätten mein Verständnis, wenn sie es bekommen, auch wenn ich die Hintergründe, wie es entstanden ist, nicht gutheiße.“
Sicher, kein Kind wollte hören, dass es nur entstanden war, weil die Mutter eine abgedrehte Psychopatin war, die Rache an ihrem Ex nehmen wollte, weil sie es nicht schaffte sich emotional von ihm zu lösen.
Skye nickte langsam.
„Ja, ein paar Tage rauszukommen, wäre schön.“
„Du kannst solange bleiben, wie du willst. Ich sage dem Fahrer Bescheid.“
„Wo habt ihr Skye hingebracht?!“ Jongin lief auf Youngjun zu. Von oben hatte er gesehen, wie Skye in einen dieser unauffällig-auffälligen schwarzen Vans eingestiegen war und sie hatte einen Koffer dabei! Was passierte hier gerade? Ging sie zurück nach Adavaci? Nach Amerika? Würde sie ihn für immer verlassen? Hatte Youngjun sie aus dem Land geschmissen?
Der Manager hob die Hände, um ihn zu beruhigen.
„Sie wird ein paar Tage ausspannen, weg von euch. Sie muss sich über vieles Gedanken machen.“
„Und ich nicht?“
„Doch, nur das wir Skye nicht aufhalten können, wenn sie geht und ich versuche das gerade zu verhindern, während du eine Band hast, eine Karriere, einen Vertrag, Millionen von Fans und ein Comeback nächste Woche!“
Jongin funkelte ihn wütend an und drehte sich dann um, bevor er noch etwas sagte, was er bereuen würde.
„Sei pünktlich beim Meeting!“, rief der Manager ihm noch nach bevor er um die Ecke verschwand.
Skye hingegen schlief im Van wieder ein. Sie hatte dem Fahrer gesagt, dass sie vorher noch einkaufen gehen wollte, doch das mussten sie nicht in Seoul machen. Kurz vor ihrem Ziel gingen sie in einen Supermarkt und Skye deckte sich mit Essen für die nächsten Tage ein. Sicherlich würde sie auch etwas die Gegend erkunden. Youngjun hatte ihr gesagt, dass drei Fahrzeuge in der Garage standen, sie war also mobil. Ihr Handy hatte sie wieder an, übte sich aber in konstruktiver Ignoranz, außer bei den geschäftlichen Dingen.
Da sie keine Ahnung hatte welche Grundausstattung das Haus hatte, nahm sie auch Butter, Öl und Gewürze mit, nicht dass sie irgendwann am Kochen war und hatte kein Oregano – was nun kein typisches, koreanisches Gewürz war. Sie hatte zwei Bücher dabei und ihr Kindle, ihre Kameraausrüstung, Kopfhörer und es gab wohl ein Tonstudio im Keller, also hatte sie die Gitarre Zuhause gelassen in der Hoffnung dort eine zu finden.
An den See grenzte ein Naturschutzgebiet und das Gebiet war an sich sehr gebirgig – wie knapp 90% Koreas. Sicherlich würde sie eine Möglichkeit finden sich zu beschäftigen.
Die Straße schlängelte sich durch einen dichten Wald und bot oft einen tollen Ausblick auf den See. Die Amerikanerin fragte sich, wie oft SME seine Künstler hier her schickte, um mal auszuspannen. Ein Haus am See war jedenfalls eine schlaue Idee gewesen.
Der Van blieb vor einem mächtigen Tor stehen und der Fahrer bediente den Pieper.
„Ich zeige Ihnen drinnen noch, wo Sie die ganzen Schlüssel finden und wie die Alarmanlage funktioniert“, sagte der Mann und fuhr durch die Einfahrt. Nach einer weiteren Biegung erschien das Haus. Es war keine Villa, sondern tatsächlich ‚nur‘ ein Haus. Hübsch, aus Holz und klein – schließlich sollte es ja ein Rückzugsort sein und kein Ort, der zu einer Playboy Houseparty einlud. An dem Haus grenzte eine Garage und zwei Carportstellplätze. Der Fahrer blieb direkt vor dem Eingang stehen.
„Wenn Sie die Haustür aufschließen, haben Sie 60 Sekunden Zeit die Alarmanlage zu entsichern. Der Code ist 122012.“
Sie nickte und speicherte den Code ab. Dezember 2012 … hatte sie hierzu eine Eselsbrücke? Wo war sie an Weihnachten vor 7 Jahren?
„Es gibt einen Hausmeister, der hier alles verwaltet. Am Kühlschrank hängt seine Nummer, wenn also irgendetwas ist, können Sie ihn anrufen“, erklärte der Fahrer weiter während er die Einkaufstüten abstellte.
„Auf der Terrasse gibt es einen Whirlpool, der See wird wohl noch zu kalt sein, aber das müssen Sie wissen. Ansonsten, wenn Sie etwas wissen wollen, rufen Sie Herrn Jung an, den Hausmeister. Er wohnt nur ein paar Minuten von hier entfernt.“
„Vielen Dank“, meinte Skye und der Fahrer verbeugte sich leicht zur Verabschiedung. Sie schaute ihm nach und das Tor schloss sich langsam. Nun ging sie erst einmal auf Erkundungstour.
Im Erdgeschoss konnte man einmal im Kreis laufen, in der Mitte des Hauses war die Treppe in den oberen Stock. Sie begann im Flur links herum. Hier gab es eine Bibliothek mit Panoramafenster in den Wald, mit kuscheligen Ohrensesseln und Regalen voller Bücher. Gut, dass sie welche dabeihatte. Der Durchgang führte in den Wohn- und Essbereich, mit Blick auf den See. Die Hinterseite des Hauses war komplett verglast. An diese Aussicht konnte man sich gewöhnen. Es gab einen Esstisch mit sechs Stühlen, zwei Sessel und ein Sofa vor dem Kamin links und auf der rechten Seite befand sich die offene Küche. Es gab eine kleine Speisekammer und hinter einer weiteren Tür versteckte sich der Zugang zum Keller. Neben den üblichen Kellerräumen, in denen mitunter die Sommermöbel geparkt waren, gab es ein sehr modern eingerichtete Tonstudio, das kaum zum Rest des rustikalen Hauses passte. Im Erdgeschoss gab es noch einen Fitnessraum, gegenüber der Bibliothek, doch nach Sport war der Amerikanerin nicht Zumute.
Wie bereits erwähnt war die Treppe nach oben in der Mitte des Hauses und bildete oben eine Galerie mit einem Glasfenster in der Decke, welches Licht spendete. Es gab vier Schlafzimmer, zwei Links und zwei Rechts. Je zwei Schlafzimmer teilten sich ein Badezimmer. Zum See hin gab es zwischen den Schlafzimmern eine freie Stelle, ebenfalls mit Panoramafenster und gemütlichen Sesseln. Von hier hatte man auch Zugang zum Balkon.
Der Fahrer hatte ihren Koffer bereits nach oben gebracht und so musste sie sich nur eins der Zimmer aussuchen. Sie entschied sich für das linke Schlafzimmer mit Seeblick.
Danach ging sie auf die riesige Terrasse, an deren Ecke sich auch der Whirlpool befand. Die Loungecke war bereits eingerichtet, wahrscheinlich hatte Youngjun bereits dem Hausmeister Bescheid gegeben, denn auf dem Esszimmertisch hatten auch frische Handtücher gelegen. Es gab einen Grill und einen riesigen Holztisch, an dem gut zehn Leute Platz nehmen konnten.
Ein steinerner Weg führte runter zum See. Auch hier standen zwei Liegen, die dort sicherlich nicht das ganze Jahr standen und es gab einen Steg, an dem ein Ruderboot festgemacht war.
Ja, hier könnte sie ausspannen.
Spätestens als sie die Einkäufe in den Kühlschrank räumte, wusste sie, dass jemand das Haus auf sie vorbereitet hatte. Fleisch, Gemüse, Joghurt, Bier und Soju waren eingeräumt und sie fand eine Tupperdose Kimchi, auf der ein Zettel klebte mit der Aufschrift ‚Von meiner Frau. – Jung‘. Skye fand das unheimlich süß und würde ihnen einen Kuchen backen, um sich zu revanchieren.
Danach packte sie ihren Koffer aus, zog sich einen Bikini an und einen dünnen Neoprenanzug und machte den Whirlpool an, damit dieser schön warm wäre, wenn sie aus dem See kam. Mit Anzug ließ es sich super im See schwimmen und sie machte einige Apnoeübungen. Skye machte jeden Tag Atemübungen, doch Trockenübungen waren nie das gleiche, als wenn sie wirklich tauchen war. Als sie damals gegen Super Junior angetreten war, war sie ziemlich gut in Form gewesen, aber damals war sie auch gerade von Fiji gekommen, wo sie mehr oder minder den ganzen Tag unter Wasser war. Nun hatte ihre Kondition schon etwas nachgelassen, aber schließlich war sie ja auch Mensch und kein Fisch.
Irgendwann wurde ihr zu kalt, doch dafür hatte sie den Whirlpool angemacht und so war das ihre nächste Station. Sie lehnte sich zurück und schloss die Augen. Wieso konnte nicht einfach alles glatt laufen? Sie wusste nicht, ob Jongin der Eine war, ob sie mit ihm den Rest ihres Lebens verbracht hätte, weil die letzten Jahre ihr gezeigt hatten, dass sie nicht sehr weit im Voraus planen kann, doch sie war immer gerne mit ihm zusammen. Er brachte sie zum Lachen und der Sex war unglaublich gut. Sie fühlte sich wohl bei ihm, ungeschminkt und in Jogginghose und sie hatten bei vielen Dingen die gleiche Einstellung. Sicherlich wäre es einige Jahre gut gegangen, wieso mussten ihr ständig Steine in den Weg gelegt werden?
Schließlich ging sie duschen und machte es sich dann bequem in einen der Sessel mit einem Buch, bis sie hungrig wurde. Heute würde sie dieses Haus nicht verlassen. Skye ging in die Küche, machte sich einen Salat und Spaghetti Arrabiata. Draußen wurde es langsam dunkel. Niemand rief sie an. Wahrscheinlich hatte Youngjun es EXO verboten und die anderen würden es inzwischen auch mitbekommen haben, dass sie weg war und ihr ihren Freiraum lassen. Es war okay. Sie brauchte das.
Ein paar Stunden später saß sie in der Bibliothek wieder mit einem Buch, als sie draußen etwas hörte. Skye schreckte auf und versuchte draußen etwas zu erkennen, doch es war einfach zu dunkel. Es gab Bewegungsmelder, wenn jemand gekommen wäre, wären sie angesprungen, sowohl im Eingangsbereich, als auch auf der Terrasse. Mal abgesehen davon war das Grundstück eingezäunt. Da draußen konnte niemand sein, oder?
Aber kennt ihr das, dass wenn es so ganz ruhig war, man auf jedes Geräusch achtete? Nun hatte sich einmal dieser Gedanke in Skyes Kopf eingenistet und sie bekam ihn nicht mehr los. Sie lebte in Seoul, mit 20 Millionen Menschen, da machte sie sich keine Gedanken über Geräusche. Wenn sie auf Korsika, mitten im nirgendwo saß, machte sie sich keine Gedanken über Geräusche … zumindest nicht mehr. Und hier bekam sie die Flatter? Sie bekam sogar so die Flatter, dass sie die Alarmanlage scharf machte und nach oben ging. Für unten gab es Bewegungsmelder. Aber was dann? Was, wenn die Alarmanlage losging, was würde sie tun? Wo konnte sie hin? Es gab nur eine Treppe oder die Flucht über den Balkon.
Total angespannt saß sie im Bett und lauschte in die Nacht. Als ihr Handy los ging, sprang sie erschrocken auf und ihr Herz pochte bis zum Hals.
„Taehyung?“
„Hey Skye, ich wollte hören, wie es dir geht?“
„Ehm … ganz okay…“ Mal abgesehen davon, dass sie gerade eine Panikattacke hat, weil sie sich einbildete, dass ein Serienmörder auf dem Grundstück war.
„Du hörst dich nicht so an“, stellte er fest.
„Nein, ich bin nur … Youngjun hat mich zu diesem Haus am Cheongpung See geschickt und ich bin gerade nur etwas paranoid, weil es so leise ist und ich dachte ich hätte etwas gehört … es ist albern.“
Vor allem wenn man es laut aussprach hörte es sich albern an.
„Soll ich vorbeikommen?“, bot er an.
„Nein, ach Quatsch … ich bin nur angespannt … alles ist gut.“
„Okay, dann versuch zu schlafen … und wenn etwas ist, dann ruf an.“
„Danke Tae.“