In dieser Nacht schlief Skye bedeutend besser und vor allem alleine. Sie hatten nach dem Essen noch eine Weile auf der Terrasse gesessen, eingepackt in Decken und einem sternenklaren Himmel. Sie sprachen über alles und nichts. Skye lag in Taehyungs Arm und Namjoon sparte sich sogar ein Kommentar dazu. Sie hatten eine Flasche Rotwein gefunden, stopp, sie hatten den Weinkeller gefunden und eine Flasche entwendet und genossen einfach den Abend.
„Ich wünschte es könnte immer so sein“, sagte Taehyung und erinnerte Skye an das, was Jongin auf Korsika gesagt hatte.
„Ach komm, dir würde das doch schnell zu langweilig werden“, bemerkte der Ältere und Tae lachte.
„Ja, da hast du wahrscheinlich Recht.“
Puh, doch nicht die gleiche Einstellung wie Jongin.
„Aber ab und zu ist es schön rauszukommen, weg von der Stadt. Der Wald riecht so gut …“
Skye grinste ihn fröhlich an. Der Wald riecht so gut – entwickelte er sich zum Naturburschen?
Sie sagten Skye, dass sie Morgen wieder nach Seoul mussten, aber das war okay. Schließlich war sie hier, um sich mit ihren Gedanken auseinander zu setzen und das konnte sie am besten, wenn sie alleine war. Solange kein Serienmörder im Haus war.
Noch vor Mitternacht lagen sie im Bett. Sie alle waren es gewohnt durchschnittlich nur vier Stunden Schlaf zu bekommen und Stunden lang im Training zu sein, aber so frische Luft knockte sie total aus.
Der nächste Morgen kam früh und die Amerikanerin wachte mit dem Sonnenaufgang auf. Auf Adavaci war sie auch immer früh wach, aber dort war es hell und warm und man wollte einfach wach sein und etwas erleben. Im Winter sah das etwas anders aus, zumindest wenn man nicht gerade in Äquatornähe wohnte.
Doch langsam wurde es auch in Korea Sommer. Tagsüber stieg die Temperatur schon auf über 20°C, nur abends wurde es noch recht kühl. Ungefähr einen Monat konnten sie dieses Wetter genießen, bevor die Regenzeit anfing. Regenzeit war anstrengend. Es gab Tage die wirklich gut waren, doch aufgrund der vielen Regenfälle zuvor, war die Luftfeuchtigkeit oft sehr hoch und dann gab es Tage, an denen wollte man sein Auto gegen ein Boot eintauschen. Vielleicht würde sie die Regenzeit auf Adavaci verbringen und dann im September zurück nach Korea kommen. Vielleicht wäre bis dahin Gras über die Sache gewachsen.
Mit einem Buch und einer Decke murmelte sie sich noch mal in einen der Sessel und wartete, bis die anderen beiden wach waren.
Gegen 8 Uhr waren auch sie auf den Beinen und Skye bereitete das Frühstück vor.
„Was machst du heute?“
Taehyung stand draußen mit einer Tasse Tee. Skye lehnte sich an seinen Rücken.
„Ohne euch? Keine Ahnung … nackt durch das Haus rennen oder so…“
Er drehte sich zu ihr um, mit entsetztem Blick.
„HYUNG! Wir können nicht fahren!“
Sie lachte fröhlich und schüttelte den Kopf. Könnte dieser Chaot wirklich ihr Herz erobern? Eine leise Stimme in ihrem Kopf fragte, ob er das nicht schon längst hatte.
Nach dem Frühstück machten sich die beiden auf den Weg. Tae sagte ihr immer wieder, dass wenn etwas war, sie anrufen konnte. Jederzeit. Doch das wusste sie inzwischen schon. Nicht viele wären mitten in der Nacht halb durch’s Land gefahren für sie.
„Okay, mache dir keine Sorgen“, sagte sie zu ihm und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Namjoon umarmte sie.
„Danke Oppa.“
„Nicht der Rede wert.“ Er winkte das ganze ab und stieg in den Wagen. Skye blieb im Türrahmen stehen, bis sie um die Ecke waren. Wieder allein. Sie wusste, dass sie Zeit brauchte und dass alles andere nur eine Ablenkung war, doch es wäre viel einfacherer nicht darüber nachzudenken.
Sie ging auf die Terrasse und schaute über den See. Es gab viele schwere Entscheidungen.
1. Könnte sie weiterhin EXOs Assistentin sein?
Sie hatte EXO unheimlich gern gewonnen und auf professioneller Ebene wusste sie, dass sie es nicht an EXO auslassen durfte, was zwischen ihr und Jongin passiert war. Andererseits gehörte Jongin halt dazu und wenn sie für EXO zuständig war, würde sie auch Zeit mit ihm verbringen und jedes Mal, wenn sie ihn ansah, dachte sie daran was passiert war. Die Arbeit an sich machte ihr Spaß, es wurde nie langweilig, es gab keine Routine und ständig passierte etwas anderes. Mal abgesehen davon, flogen sie um die Welt, was Skye tatsächlich mochte.
2. Vielleicht könnte sie bei SME bleiben und für eine andere Band arbeiten?
Um ehrlich zu sein konnte sie sich nicht vorstellen für Super Junior oder NCT zuständig zu sein, wobei Super Junior sicherlich auch lustig wären. Und sie hätte diese ganze sexuelle Anspannung nicht. Stopp. Sie hatte Siwon vergessen. Mist. Skye war sich nicht sicher, ob er immer noch an ihr interessiert war oder ob es einfach ein Ego Problem war, weil sie ihn irgendwo zwischen Jiyong und Jongin übersprungen hatte. In den vergangenen Wochen war es eigentlich echt okay zwischen ihnen gewesen. Er hatte sogar Jongin geschlagen! Doch dann war da wieder diese leise Stimme, die der Meinung war, dass er das nur getan hatte, weil er noch Hoffnung hatte, nicht weil er ein guter Kumpel war. Skye mochte diese Stimme nicht.
3. Wieso überhaupt arbeiten?!
Sie war einer der reichsten Menschen der Welt und eigentlich lebte sie wirklich Bescheiden, es war nicht so, als wäre sie jemals mehr auf einen Job angewiesen. Doch nun hatte sie dieses Problem, dass sie nicht mit Geld aufgewachsen war, also wurde ihr schnell langweilig, wenn sie nichts Wirkliches zu tun hatte. Ja, sie musste hier und dort mal einen Vertrag unterschreiben, mit Managern und Anwälten sprechen und Statistiken bewerten, doch letztendlich war das keine geregelte Arbeit, zumal sie der Chef war. Kein normaler Mensch, der eigentlich nicht arbeiten wollte, würde sich so einen Sklavenjob wie Assistentin für EXO anlachen. Es war eigentlich cool, doch freie Tage? Mindest-Ruhezeit? Davon hatte Korea wohl noch nicht gehört. Ohne Arbeit würde ihr zu langweilig werden. Auf Fiji konnte sie tauchen und Pseudoaufgaben nachgehen, wie Karten von den Riffen zeichnen oder die Riffe vermessen oder Korallen züchten, Palmen pflanzen, Kokosnüsse ernten oder solche Dinge. Vielleicht hätte Mia wieder Bedarf für sie, doch dann würde sie Jongin auch ständig über den Weg laufen und könnte gleich EXOs Assistentin bleiben.
Jetzt hatte sie Kopfschmerzen und zog sich an, um in die Stadt zu fahren.
Skye saß auf der Terrasse eines Cafés und genoss die Aussicht. Okay. Ihr war langweilig. Vielleicht war sie für so etwas wirklich nicht mehr geschaffen. Plötzlich war sie jemand der Freunde hatte und gerne mit ihnen zusammen war.
Seufzend trank sie den Kaffee aus und machte sich auf den Weg, als ihr Handy vibrierte. Tatsächlich ließ man sie in Ruhe, deswegen fragte sie sich, wer ihr schrieb. Es war Krystal die ihr ein Ultraschallbild geschickt hatte – kommentarlos. Die Amerikanerin unterdrückte das Bedürfnis das Handy in den See zu werfen, ebenso unterdrückte sie so einige zynische Kommentare, denn was auch immer sie schreiben würde, es war auch Jongins Kind und für die Mutter konnte es ja nichts. Krystal wollte sie provozieren und sie würde sich nicht darauf einlassen. Skye betrachtete das Bild und irgendwo in ihrem Kleinhirn fing ein Gedanke an zu wachsen. Sie schob ihn zur Seite und suchte eine Nummer.
„Kannst du herkommen?“
„Ja, mir geht es gut, schön auch dich zu hören.“
„Cut the crap, can you get here or not?“
„Wieso sollte ich?“
„Weil ich einen Freund brauche … und ich muss einen Song aufnehmen.“
Baekhyun seufzte.
„Okay, ich fahre gleich los.“
Und das tat er auch. Nichtsdestotrotz hatte Skye knapp 2 Stunden Zeit und legte sich hin. Diese ganze Sache schien ihr unheimlich viel Energie abzuzapfen. Eine Nachricht von Krystal und schon schlief sie für knapp 1,5 Stunden, bis Baekhyun sie weckte.
„Hey Skye!“, rief er und sie schreckte auf. Sie hatte nicht daran gedacht, dass er einen Schlüssel und die Codes hatte und war einen Moment überrascht, dass er schon hier drinnen war. Sie fuhr sich mit den Händen über das Gesicht und setzte sich auf.
„Kaffee?“, fragte er nur.
„Gerne“, erwiderte sie und folgte ihm in die Küche.
Sie setzten sich dann auf die Terrasse, Skye holte die Zigaretten aus. Sie hatte das echt unter Kontrolle gehabt …
Schweigend saßen sie da, bis irgendwann Bae das Schweigen brach.
„Du betrachtest mich als Freund?“ Skepsis klang in seiner Stimme mit. Nach all dem, was sie zusammen durch gemacht hatten, all die Sticheleien und wir wollen das blaue Auge nicht vergessen.
„Du bist hier oder?“
„Ja“, erwiderte er.
„Wärst du hier, wenn du nicht mein Freund wärst?“
Der Sänger hob die Augenbrauen und dachte darüber nach.
„Ich kann dich immer noch nicht so richtig leiden“, stellte er klar. Skye grinste.
„Ich dich auch nicht.“ Gut, dass das geklärt war.
Sie gingen runter ins Aufnahmestudio. Namjoon hatte ihr einen Vertrag dagelassen, den sie noch unterschreiben musste. Skye blätterte zu der letzten Seite und setzte ihre Signatur darunter. Baekhyun war recht streng, wenn es um Aufnahmen ging und schon bei dem Charity Event hatte er ihr geholfen besser zu werden. Er erwartete, dass sie sich einsang und hatte da auch kein Erbarmen.
Stunden verbrachten sie im Studio, bis er zufrieden war mit ‚A brand new day’ und beide waren müde und hungrig. Skye speicherte die Aufnahme auf einem USB Stick, den sie gemeinsam mit dem Vertrag in einen Briefumschlag steckte.
„Kannst du das Taehyung bitte geben?“
Baekhyun schaute auf und in seinem Gesicht war zwar Überraschung zu sehen, doch er verstand genau um was es ging. Er nickte nur und gemeinsam gingen sie nach oben – nicht ohne noch eine Flasche Wein mitzunehmen. Bae hatte bereits beschlossen, dass er heute keine Nerven mehr hatte nach Seoul zurück zu fahren. Skye hingegen hatte keine Nerven zu kochen und so bestellten sie sich ihr Abendessen. Gemeinsam saßen sie auf der Terrasse und öffneten schon mal den Wein.
„Du gehst also.“ Es war keine Frage.
„Temporär.“
„Was heißt das?“
„Keine Ahnung“, gab die junge Frau zu. Einen Moment schwiegen sie wieder.
„Willst du nicht kämpfen?“
„Wofür? Gegen was? Sie bekommt sein Kind! Da komme ich nicht gegen an und das will ich auch nicht. Ich hoffe er gibt ihnen noch eine Chance und das es funktioniert. Es würde mich für das Kind freuen.“
„Das ist doch Bullshit! Wenn du jetzt gehst, wirst du ihn verlieren.“
Sie atmete tief durch.
„Bae … sie hat mir heute ein Ultraschallbild geschickt und ich … ich habe an alle Möglichkeiten gedacht, wie ich sie gesellschaftlich für immer zerstören könnte und glaube mir, ich hatte da so einige gefunden. Aber es geht nicht mehr um mich und Krystal, es geht um Jongin. Um sein Kind. Wenn ich dafür sorge, dass sie keinen Job mehr bekommt, keine Wohnung, keinen Strom, keine Bankkarte, dann würde all das auch auf das Kind zurückfallen und das kann ich nicht verantworten. Dafür empfinde ich zu viel für ihn. Deswegen muss ich etwas Abstand gewinnen, ‚zen‘ mit mir werden.“
Mit Absicht benutzt sie nicht das Wort ‚liebe‘ um ihre Gefühle für Jongin zu beschreiben, obwohl es zweifellos so war und zum ersten Mal verstand sie, wie man jemand so sehr lieben konnte, dass man ihn gehen lassen musste. Sie wollte ihm nicht im Weg stehen, seiner Karriere, obwohl diese ohnehin in den Sternen stand. Wie würden die Fans reagieren, wenn es publik wurde? Oder würden sie einen Weg finden das Kind zu verstecken? Sie könnten sagen es wäre eine Nichte, aber wie lange würde das wirklich gut gehen mit zwei Elternteilen, die im Entertainment waren? Drei Monate. Wie hatte er ihr Leben und ihre Gefühlswelt in drei Monaten so auf den Kopf stellen können?
„Du kannst dafür sorgen, dass jemand keine Bankkarte mehr bekommt?!“
„Easy peasy“, erwiderte sie und winkte nur ab. Bae schüttelte grinsend den Kopf.
„Wir zwei wären zusammen auch Mr und Mrs Devil.“
„Nein, das wärst du und Jennie …“
Er lachte noch lauter.
„Daran habe ich noch nie gedacht!“
„Und ich hoffe das tust du auch nie, sonst komme ich nicht mehr zurück“, drohte sie.
Nach dem Essen machte Skye ein Feuer im Kamin an. Nicht dass sie es Bae nicht zutraute, aber sie wollte nicht, dass ihre letzte Tat in Korea ein Krankenhausaufenthalt mit Verbrennung sein würde. Tatsächlich fiel es ihr schwer sich emotional von Korea zu lösen. Sie hatte Korea, BTS, Lisa, Super Junior, Seunghyun und Mia schon in den zwei Wochen vermissten, in denen sie in Bangkok und auf Korsika gewesen ist. Daran zu denken, dass sie Korea für eine ganze Weile verlassen würde, machte sie traurig.
„Wenn du nicht gehen willst, dann finden wir einen anderen Weg.“
Baekhyun hatte die Tränen in ihren Augen gesehen. Inzwischen wusste er, dass sie die Band und die anderen sehr viel mehr mochte, als sie meistens zugeben würde. Meistens mochte er sie auch mehr, als er zugeben würde und sie hatte sich um EXO gekümmert. Ihre Manager hatten sich immer gut um sie gekümmert, doch Skye schaute um die Ecke, sie wollte, dass sie etwas erlebten, dass sie mehr vom Leben hatten, mehr Freizeit, mehr Erinnerungen und auch wenn sie manchmal etwas zerstreut wirkte, so war sie super darin sich mit acht Kerlen unbemerkt wegzuschleichen.
„Es gibt bestimmt einen anderen Weg, doch das ist der richtige“, erwiderte sie.