Bis Mia tatsächlich ins Bett gekommen war, war es fast 4 Uhr gewesen. Sie war zwar schnell im Kofferpacken, doch in den letzten Monaten hatte sie so viele Kleinigkeiten als Geschenke für zu Hause gesammelt, dass sie das ganze Zeug erst mal zusammensuchen musste. Klamotten packte sie gar nicht so viel ein, in Deutschland hatte sie einen ganzen Kleiderschrank voller Klamotten.
Es war klar gewesen, dass man sie in der Nacht nicht in Ruhe lassen würde. Leeteuk, Donghae und Eunhyuk schlichen sich in ihr Zimmer und mehr als einmal war jemand aus dem Bett gekullert. Entschuldigung, ein 140cm breites Bett war ja auch eigentlich nicht darauf ausgelegt dass vier Leute darin Platz fanden.
„Mia, wir müssen dir ein größeres Bett kaufen“, sagte Eunhyuk als er gegen 6 Uhr zum dritten Mal aus dem Bett gefallen war.
„Y’all just could sleep in your beds …“, murmelte sie müde und kuschelte sich an Donghae.
Um 9 Uhr musste sie dann tatsächlich aufstehen.
In der Küche erwartete sie ein Frühstück, alle waren noch da. Plus die Küken, also volles Haus. Sie fand es unheimlich süß dass sie ihr so ein Abschiedsfrühstück machten und dabei war sie nur 1,5 Wochen weg – sollte eigentlich zu ertragen sein.
„Okay guys, who’s taking me to the airport?“
Mia hatte bei SM nicht Bescheid gesagt, weil sie eigentlich davon ausging, dass sie jemand an den Flughafen fahren würde.
„You’re boyfriend“, sagte Hae, stolz grinsend.
„Aber ich hab mein Auto gar nicht dabei!“, sagte Onew. Alle lachten – außer Hae, der war damit beschäftigt so zu tun, als würde er böse schauen.
Als sie dann am Flughafen ankamen, blieb Mia im Auto sitzen und schmunzelte.
„Was ist los?“
„Weiß nicht …“
„Du bist bald wieder da, du musst uns nicht vermissen, wir telefonieren sicher jeden Tag.“
Drohung oder Versprechen?
Seufzend stieg sie aus und verabschiedete sich von Hae, fest drückte sie ihn an sich und hielt ihn ein paar Momente so. Wovor hatte sie so Angst? Dass sie in Deutschland an kam und alles war nur ein Traum? Nein, so etwas würde nicht passieren, oder? Oder doch?
Fast schon hätte Mia gewendet, ermahnte sich dann aber nicht durchzudrehen.
„Zoey, hi“, etwas fragend schaute der Bandleader die Frau vor der Tür an.
„Hi, ich wollte mich von Mia verabschieden.“
„Oh, sie und Hae sind vor 20 Minuten zum Flughafen gefahren.“
„Oh nooooo – ist Yesung da?“
War ja nicht so als bräuchte Zoey lange um sich auf eine neue Situation einzustellen – in diesem Fall so schnell das selbst Teukie lachte.
„Ja, komm rein.“
Das tat sie, nicht ohne gleich aufzufallen.
„Ehm Zoey … die Schuhe…“
Zoey schaute an sich hinab.
„Süß nicht?“
„Das mein ich nicht … ausziehen?“
„Ausziehen? Bist du irre?! Die sind von Gucci – wenn Schuhe auf dieser Welt sauber sind, dann diese!“, verteidigte sie sich … und die Schuhe.
„Oh … kay“, sagte Leeteuk nur und musste sofort an Mia denken.
„Yesung Arthur George Henry Albert Mountbatten-Windsor Kim – wieso hast du nicht angerufen?“
So adressierte sie den armen Kerl und alle waren so perplex, dass Ryeowook den Löffel nicht mehr aus dem Mund nahm und Sungmin sich fast am Tee verschluckt hätte.
„Das ist nicht mein Name“, sagte Yesung nur, unsicher wie er reagieren soll.
„Es ist doch vollkommen egal wie du heißt – beantworte die Frage!“
Alle tauschten einen Blick aus. Schließlich stand Yesung auf, nahm sie an der Hand und führte sie ins Wohnzimmer.
„Entschuldige, ich hatte die letzten Tage wenig Zeit, ich wollte mich heute bei dir melden.“
Die Frau versuchte abzuwiegen, ob das was er sagte, wahr war.
„Okay, ich weiß wieso du sauer bist. Mir ging es nur etwas zu schnell.“
„Zoey, ich rede ja nicht davon dass wir heiraten, zusammen ziehen oder es an die Zeitung geben. Ich will mich nur in meinem Zuhause frei bewegen. Sie sind meine Freunde, meine Familie und ich vertrau ihnen – du musste nur mir vertrauen.“
Und darin lag das Problem. Anderen vertrauen war einfach nicht ihre Stärke, aber wenn sie ihn nicht verlieren wollte, dann musste sie wohl über ihren Schatten springen. Zoey Spontanität war ungeschlagen. Sie schnappte sich Yesungs Hand, zog ihn zurück in die Küche und küsste ihn. Alle waren geschockt, dann applaudierten sie. Wurde ja auch mal Zeit dass die beiden endlich zueinander finden.
„Weißt du, wir hätten es ihnen einfach sagen können…“
Yesungs Kopf war hochrot angelaufen, immerhin war er Koreaner, man konnte doch SO WAS nicht vor anderen tun!
„Und sie hat ihn geküsste?!“, fragte Donghae ungläubig als er eine Stunde später wieder nach Hause kam und Eunhyuk ihm die ganze Story erzählt hatte.
„Das gibt es doch nicht! Ich bin einmal nicht da und schon bekomme ich nichts mit!“
„Willkommen in meiner Welt“, meinte Eunhyuk, der nicht vergessen hatte, was Donghae ihm alles bezüglich Mia verschwiegen hatte.
„Fang jetzt nicht damit an.“
„Also ehrlich, so ein bisschen verrückt finde ich sie schon“, sagte Heechul, über einem Scrip brütend.
„Okay, wer von uns denkt dass Heechul nicht in der Position ist andere als verrückt zu bezeichnen?“, fragte Eunhyuk in die Runde und Sungmin, Hangeng, Kyuhyun und Donghae hoben die Hand – also alle die noch da waren.
„Und wer denkt dass ihr nicht in der Position seid mich zu kritisieren?“, stellte Heechul die Gegenfrage, nur dass er der einzige war der die Hand hob. Er wartete noch zwei Sekunden, aber an dem Zustand änderte sich nichts und beleidigt stand er auf und verschwand in ein Zimmer.
„Der beruhigt sich schon wieder“, meinte Eunhyuk, doch Donghae schaute seinen besten Freund nur kritisch an.
„Okay, okay – ich geh mich entschuldigen … später … oder Morgen.“
Im Flugzeug versuchte Mia ihren Terminkalender zu organisieren. So viele Leute, so wenig Zeit.
Morgen hatte sie schon das Treffen mit VOX und am Donnerstag war das Rain Konzert. Mia hatte die Karte in ihrer Handtasche und starrte sie eine Zeit lang an. Einerseits hatte sie ihm versprochen hin zu gehen, andererseits wusste sie nicht ob sie emotional dazu bereit war. Aber er war ganz alleine in Deutschland, vielleicht würde ihm Gesellschaft ganz gut tun, vielleicht würde er auch ihre Gesellschaft gar nicht wollen. Sie war sich so im Unklaren darüber, was sie tun sollte.
Am Freitag war sie auf dem BBQ von Hannas und ihrem TUIFly-Mann eingeladen. Morgen wollte Lilly nach der Arbeit kommen. Soweit sie wusste würden wieder ihre Piloten kommen. Ob sie dafür emotional gerüstet war? Ivi und Basti würde sie heute Abend wahrscheinlich schon im Laden besuchen fahren. Marcel wollte am Wochenende kommen. Kosta zu sehen würde schwierig werden, weil der Herr ja nun eine Freundin hatte und somit out of order war. Zu Jessi nach Bamberg würde sie nicht fahren, aber vielleicht hatte sie ja Glück und sie würde ihre Family am Wochenende besuchen. Jessi wollte im Juli mit Mann Nr. 3 zurück in die Staaten und Mia hoffte sie vorher noch mal sehen zu können. Nadja würde sie schon hin bekommen.
Es war kurz nach 18 Uhr in Deutschland als sie landete. Bis auf zwei Stunden hatte Mia ziemlich gut durchgeschlafen und nun befand sie sich wieder auf deutschem Boden. Irgendwie war es merkwürdig. Okay, als sie nach Amsterdam geflogen waren, waren sie auch in Deutschland zwischen gelandet, aber diesmal würde sie hier bleiben, es war keine Zwischenlandung. Als Mia das Ende des Gangs im Flugzeug erreichte und sich die Stewardessen von ihr verabschiedeten, stockte sie. Der erste Schritt auf deutschem Boden. Komisch. Plötzlich verstand sie wieder alle – nicht dass sie in Korea nicht auch so ziemlich jeden verstand, aber wir reden hier von verstehen-verstehen. Dieser paralysierte Zustand reichte bis sie ihre Eltern in die Arme nahmen.
„Mein Kindchen“, sagte ihre Mutter und grinste Mia an. Auch Sascha nahm sie in die Arme.
„Na, ich hab doch gesagt Korea ist nix für dich, gut dass du wieder da bist!“
„Du … weißt … dass ich nur Urlaub mache?“
Ihr Stiefpapa lachte fröhlich.
„Ja, ja …“
Wenn Mia nach Hause kam, wollte sie dann auch immer nach Hause. Ihre Mom ging gerne essen, wenn sie aus dem Urlaub kamen, aber Mia wollte immer gleich nach Hause. Was heute daran so komisch war? Sie schlossen die Tür auf und ihr Hund kam nicht um sie zu begrüßen. Mia kämpfte mit den Tränen und biss sich auf die Backe. Stimmt, er war ja tot. Ihre Mom sah wie ihre Augen wässrig wurden und tat es ihr gleich.
„Wir heulen jetzt nicht!, beschloss sie und öffnete die Tür zu ihrem Zimmer. Ihr Zimmer. Sie hatte es vermisst. Wirklich. Es waren gerade mal 10 qm klein, aber coole 10 qm. Alles schien ganz normal, als wäre sie einfach aus dem Urlaub wieder gekommen.
„Ich hab deine Bettwäsche frisch gewaschen“, sagte ihre Mom und Mia stellte die zwei Koffer ab. Zum Glück hatte sie Freunde bei der Asiana und niemand scherte sich darum wie viel Kilo sie mitnahm. Zuerst setzten sie sich ins Wohnzimmer und Mia und ihre Mom rauchten eine Zigarette – nach einem 11 Stunden Flug hatte sie sich das verdient. Mia musste alles erzählen, was ihre Eltern noch nicht wussten, so eröffnete sie die Nachricht dass sie sich Morgen mit VOX treffen würde und dass man eine Reportage über sie drehen würde.
„Endlich zeigen die da mal vernünftige Leute, was die sonst filmen kann sich ja keiner anschauen“, sagte Sascha und hatte irgendwie Recht dabei. Einmal hatte sie die Sendung geschaut:
Sie, 18, feste Zusage für eine Ausbildung als Hotelkauffrau sieht Anzeige eines Brauhauses in London, welches noch Kellner sucht. Hals über Kopf sagt sie die Ausbildungsstelle ab und fliegt nach England. Spricht kaum ein Wort Englisch – wieso auch? Will doch in einem Hof-Bräu-Haus arbeiten und weiß nicht dass es in England den Euro nicht gibt – macht ja gar keinen Sinn, weil England liegt doch in Europa! Sie, vollkommen informiert, stellt dann erst mal fest dass der Flughafen von London total außerhalb liegt – vollkommene Überraschung und versucht sich erklären zu lassen wie sie da hin kommt, wo sie hin muss. Das hätte sie fast 2 Stunden Umweg gekostet, weil leicht orientierungslos. Jedenfalls hatte sie ja keine Pfund und musste den Bahnautomaten mit der Kreditkarte zahlen. Konflik. „Please insert the card“ – „Was will das Ding?!“ – drückt ein paar Knöpfe – „Please insert the card“ – „Oh man, ich weiß nicht was er will!“ – drückte wieder ein paar Knöpfe und bis dann jemand so viel Mitleid mit ihr hatte, hätte sie fast den letzten Zug verpasst.
Mia hätte in den Fernseher rein springen können, um ihr die englische Sprache einzuprügeln.
„Was magst du denn essen? Ich kann was kochen, wir können aber auch irgendwo was holen“, sagte ihre Mom.
„Tortellini!“, kam es sofort von Mia, denn sie liebte die Tortellini ihrer Mom.
Während ihre Mutter also das Essen vorbereitete, begann Mia ihren Koffer auszupacken. Für ihren Stiefpapa hatte sie ganz viel Tee geholt, von überall wo sie gewesen ist – was eine ziemlich stattliche Sammlung mittlerweile ausmachte. Für ihre Mom hatte sie viele Ginseng-Produkte geholt, aber auch alles Mögliche von sonst wo. Dazu kamen Magazine, in denen sie abgebildet war und sie hatte ihren Eltern eine CD gebrannt mit Videos von Auftritten.
Das Essen war göttlich, einfach, aber göttlich. Es waren diese kleinen Tortellini die es in den Supermärkten gab und die Sauce war einfach toll. So leicht konnte man Mia glücklich machen. Sie redeten und schauten sich die Videos an, Mia musste sich anhören wie sehr sie abgenommen hatte und bekam das Gefühl nicht los, dass sie nach dieser einen Wochen mindestens fünf Kilo wieder mehr auf den Rippen hatte. Natürlich hatte sie Leeteuk getextet dass sie heil angekommen war. In Korea war es mitten in der Nacht und sie hatte nicht anrufen wollen. Gegen 23 Uhr ging ihre Mutter schlafen. Mia ging rüber in ihr Zimmer und setzte sich an den PC. Checkte Facebook und ihre Emails, doch seit gestern war nicht sonderlich viel passiert.
„Wo gehst du hin?“, fragte Sascha, als Mia um kurz nach 12 Uhr sich die Schuhe anzog.
„Ich fahr mit Emmett spazieren.“
Ihr Auto. Ihr geliebtes Auto. Als sie sich rein setzte wartete sie ungefähr eine Minute um ein Feeling für das Auto zu bekommen.
„Na, bereit ein wenig zu cruisen?“
Zuerst fuhr sie quer durch Frankfurt. Frankfurt war schon schön. Sie mochte die Innenstadt mit ihren Hochhäusern, die selbst mitten in der Nacht beleuchtet waren. Ungefähr eine Stunde später parkte sie auf der Mainzer Landstrasse und atmete tief durch. Ihr erster Abend? War sie schon bereit?
Die Tür war zu, also klingelte sie und Thomas macht ihr auf und fing an zu lachen.
„Die verlorene Tochter!“
Ivi, Basti und Hannes saßen an der Theke und Mia kam aus den Begrüßungen gar nicht mehr raus. Es waren noch circa 30 Gäste da und jeder, einfach jeder wollte Mia begrüßen.
„Wann bist du gelandet?“, fragte Ivi.
„Vorhin, ich hab den ganzen Flug geschlafen und bin wach.“
„Und da kommst du hier her?“
„Ja, ich hab euch schon ein wenig vermisst – nicht oft, aber ab und zu.“
„Mich hat sie am aller meisten vermisst“, sagte Basti.
„Nein, MICH hat sie am meisten vermisst.“
Philipp schlich sich von hinten an sie ran und knuddelte sie.
„Natürlich“, meinte Mia nur und tätschelte ihn.
Ivi hatte nur noch 10 Minuten Pause und Mia versuchte ihr in der Zeit so viel wie möglich zu erzählen.
„Bleibst du noch ein wenig? Ich muss hinten ablösen.“
„Ja, ich denke schon – but only when Rachel makes one of her delicious cheese-toasts…”, dabei schaute sie mit breitem Lächeln zu der Kellnerin.
„Yeah okay … kommt ein halbes Jahr nicht und will nur essen…“, sagte Rachel mit einem ultra-putzigen, englischen Akzent.
„So, do you have a boyfriend in Korea?“
“I had a boyfriend – we’ve been engaged, but don’t tell anybody, I’m a celebrity now”, sagte sie mit Absicht total überzogen und Rachel lachte so ganz herzlich. Natürlich wollte jeder wissen wie es Mia in Korea so ging, wie sie mit dem Leben klar kam und irgendwie erwartete jeder dass sie ihre Entscheidung bereute, was nicht der Fall war.
„Aber ehrlich, was willst du denn mit den ganzen Japsen?“
„Afan, Korea …. Sprech mir nach: Ko-Re-A … du blöder Albaner!“
„Hey ich bin kann Albaner!“
„Ja und Koreaner sind keine Japsen – denken, dann reden.“
Als Ivi nach einer halben Stunde wieder Pause hatte, öffnete sich die Tür und brachte einen späten Gast.
„Oppa!“, rief Mia fröhlich als sie John sah.
„Ach schau an! Mia, wie geht es dir? Wann bist du gelandet?“
„Gestern, ich kann nicht schlafen. Wie geht es dir? Deiner Frau?“
„Uns geht’s gut. Wie lange bleibst du? Gefällt es dir in Korea? Hast du Sijong gesehen?“
John hatte einen Freund bei SM Entertainment.
„Mir geht es in Korea sehr gut, Sijong geht es gut, ich hab ihn gestern noch gesehen.“
Ivi und Rachel beobachteten die beiden und verstanden kein Wort.
„Now Mia acts all cool because she can talk Korean“, flüsterte Ivi.
“It is voll cool, nicht?”, erwiderte Rachel, fasziniert davon wie gut Mia mittlerweile Koreanisch sprach. Letztes Jahr noch hatte sie hier gepaukt, Ivi hatte sie Vokabeln abgefragt und Mia hatte den ganzen Abend irgendein wirres Zeug geredet.
„Übrigens Mia, nächste Woche sind Ulli und Martin nicht da, könntest du am Dienstag kommen?“, fragte sie Thomas.
„Joa … aber nur die kurze Schicht, ich fliege am Mittwoch wieder.“
„Okay, du kannst es doch noch?“, neckte sie ihr Chef.
„Hallo? Ich bin ein Naturtalent!“, verteidigte sie sich und Thomas lachte.