10 Wochen waren vergangen, seit Skye Korea verlassen hatte. 10 Wochen, als wäre ihre Welt stehengeblieben.
Zuerst ging sie nach Adavaci und die ersten Tage waren furchtbar. Sie weinte und weinte und weinte. Am dritten Tag nahm sie sich das erste Mal ihre Tauchausrüstung und Tag für Tag wurde es etwas besser. Sie blendete Kpop komplett aus, keine Newsseite, kein Facebook. Sie schottete sich ab. Sie wollte keine News lesen, wie Krystal und Kai wieder zusammen waren oder wie sie ein Kind bekamen, all das wollte Skye sich sparen und mit jedem Tag wurde es etwas besser, konnte sie etwas freier atmen.
Die Amerikanerin genoss die Sonne und das Meer, sie vermisste Korea nur, wenn sie darüber nachdachte, aber mit dem Vermissen, kam auch meistens alles andere zurück. Also wieso darüber nachdenken? Zuerst war Adavaci nur als Urlaub gedacht, doch je länger sie dort war, umso weniger wollte sie zurück. Sie vermisste EXO und BTS, Mia und Seunghyun, aber sie vermisste nicht das Drama oder eine schwangere Krystal. Also flog sie nicht zurück. Skye wusste, dass sie Korea nicht für immer entfliehen konnte. Irgendwann würde sie zurückgehen, doch sie wusste nicht ob es in drei Tagen, drei Monaten oder drei Jahren sein würde.
Tatsächlich beschäftigte sie sich wieder etwas mehr mit ihren Geschäften. Nach rund drei Wochen auf Adavaci flog sie nach New York und von dort nach Dubai und von dort nach Johannesburg und von dort Los Angeles.
Inzwischen war sie in Paris. Es war 23:56 Uhr und sie stand vor dem Eiffelturm. Tatsächlich fand sie Paris nicht so schön und romantisch, wie es einem gerne verkauft wurde, aber der Eiffelturm war bei Nacht schon schön anzusehen. Und um Mitternacht würde er funkeln. Natürlich erinnerte sie sich an Las Vegas und Jiyong und auch an Taehyung, der den Eiffelturm für sie gemalt hatte, aber all das schien schon so weit zurück zu liegen. Es war eine Erinnerung, nicht mehr ihre Realität. Ihr ging es gut. Sie machte Sport, ging zum Turnen und zum Yoga. Sie trank seit 10 Wochen kein Alkohol mehr. Das mit dem Rauchen hatte sie auch fast aufgegeben. Sie ernährte sich gesund. Niemand hatte versucht sie umzubringen. Sie war glücklich. Meistens.
Dann gab es diese Momente, in denen Skye Korea nicht aus dem Weg gehen konnte. Sie versuchte es auf ein Minimum zu beschränken, doch es gab sie. In diesen Momenten rauchte sie dann auch meistens. Sie war Korea-Moment-Raucher.
Da stand sie also, in dieser warmen Sommernacht vor dem Eiffelturm und träumte vor sich hin. Doch kennt ihr dieses Gefühl, wenn man beobachtet wird? Man konnte es nicht genau greifen, aber irgendwie spürte man die Blicke anderer. Skye hatte dieses Gefühl. Es war ihr öfters passiert, dass sie von Fans erkannt worden war. Sie machte dann ein Selfie mit ihnen und redete etwas mit ihnen. Tatsächlich hatte sie bei diesen Begegnungen überwiegend positive Erfahrungen gemacht, aber es waren eben auch Amerikaner und Europäer, die nicht dachten, dass ihr Lieblingsidol ihr persönlicher Besitz wäre. Skye wusste also genau wie das laufen würde. Sie würde sich umdrehen, ihre Blicke würden sich mit dem eines Mädchen treffen, das anfing zu grinsen. Dann würde sie zögerlich auf sie zukommen und ansprechen. Noch zögerte sie den Moment hinaus. Sie wollte in Ruhe den Eiffelturm genießen, nur für sich, allerdings ließ sich dieses Gefühl nicht abschütteln.
So schaute sie zuerst nach links. Es war warm, es war Nacht, es war Paris. Überall waren Pärchen und Verliebte. Links schien niemand zu sein, der Skye irgendwie im Blick hatte. Langsam drehte sie den Kopf nach rechts und da, nur ein paar Meter von ihr entfernt stand er. Taehyung. Und grinste sie an. Mit offenem Mund blieb sie zuerst wie eingefroren stehen, doch dann lief sie los. Es war ihr egal ob sie jemand sah oder wer sie sah, sie fiel ihm in die Arme und er umschloss sie fest mit seinen.
„Bambi!“
„Klopfer!“
Sie löste sich aus der Umarmung und nahm sein Gesicht in ihre Hände.
„Was tust du hier?!“
Die Welt war so groß und sie schafften es gleichzeitig genau hier zu sein?
„Ich war hier für ein Gucci Fotoshooting.“
„Ach so, klar“, sagte Skye und fing an zu lachen. Sie hatte fast vergessen, dass so etwas in ihrer Welt völlig normal war.
„Aber was machst du in Paris?“
„Ich … hänge im Louvre rum.“
Künstlich schaute er auf die Uhr.
„Der Louvre hat um diese Uhrzeit geschlossen.“
„Das ist nicht irgendso ein Ding, wo wir in den Louvre einbrechen und dann werden wir verhaftet und landen im Gefängnis? Weil ich glaube mein Manager wäre nicht begeistert.“
Sie hatten sich noch die Lichtshow am Eiffelturm angeschaut und waren dann zum Louvre mit Skyes Fahrer gefahren. Taehyung und Skye standen vor der Pyramide des Louvres und er schien sich nicht wirklich wohl zu fühlen. Skye lachte fröhlich.
„Sofern zu nicht versuchst die Mona Lisa zu klauen … oder irgendetwas anderes.“
Sie nahm ihm bei der Hand und führte ihn weiter, bis zu einer Seitentür, an die sie klopfte. Nach einem kurzen Moment öffnete ein Wachmann die Tür.
„Guten Abend Frau Jones, kommen Sie herein“, begrüßte der Mann sie auf Französisch und öffnete die Tür etwas weiter.
„Also, wie bekommt man Nachtzutritt zum Louvre?“ Taehyungs Mund stand nur noch offen, als Skye ihn wegsicher durch die Korridore führte.
„Indem man sehr viel Geld für ein Gemälde ausgibt, dass man dann großzügiger Weise dem Louvre spendet“, erklärte sie.
„Viel Geld sind wie viele Nullen?“
„Einige.“
Es folgte ihnen auch niemand, dennoch drehte Taehyung sich öfters mal um.
„Hör auf.“ Sie schupste ihn an.
„Ich verstehe nur nicht wie man dich hier überall rumlaufen lassen kann und ich verstehe nicht wieso du dich so gut auskennst.“
„Die haben überall Kameras und die Sicherheitsleute haben ihre Routen. Das ist jetzt meine dritte Nacht hier“, erzählte sie, stolz, dass sie ihn auch mal mit etwas beeindrucken konnte. Die Mona Lisa hing nicht weit weg vom Haupteingang und nach wenigen Minuten waren sie dort, ausgestattet mit Taschenlampen.
„Huh“, machte er und Skye grinste.
„Ganz schön klein, wenn man davorsteht, oder?“
„Irgendwie schon …“, gab er zu. Normalerweise stand er hier und war umgeben von Hunderten von Menschen, doch jetzt, wo sie alleine in der großen Halle standen, wirkte das Bild gar nicht so pompös.
„Willst du mein Lieblingsstück sehen?“, fragte Skye ihn aufgeregt und Taehyung nickte. Sie nahm seine Hand und führte ihn zu der Statue von Psyche und Amor. Es war eine wundervolle Statue von Antonio Canova aus 1793.
„Wer ist das?“
Auch Taehyung schien in den Bann der beiden Figuren gezogen zu werden und ging näher heran.
„Das sind Psyche und Amor.“ Sie trat zu ihm heran. „Kennst du ihre Geschichte?“
„Nein“, gab er zu. „Erzählst du sie mir?“
Und so setzten sie sich auf den Boden vor der Statue.
„Ein König hatte drei Töchter und Psyche war seine Jüngste. Sie war so schön, dass sie im ganzen Land geliebt wurde. Die Menschen liebten sie so sehr, dass sie vergaßen Venus anzubeten. Die Göttin war wütend und schmiedete einen Plan gegen die Frau. Venus ist die Mutter von Amor und sie wollte, dass Amor Psyche dazu brachte sich in einen fürchterlichen Mann zu verlieben. Obwohl Psyche so schön war und viele Männer um ihre Hand anhielten, heiratete sie keinen davon, denn sie alle heirateten immer eine andere Frau. Irgendwann fürchtete der König, dass er keinen Ehemann für Psyche finden würde und betete zu Apollon. Das Orakel sagte ihm, er müsse Psyche auf einen Berg schicken, um dort einen Dämon zu heiraten. Doch Amor hatte sich selbst in Psyche verliebt und mit Hilfe des Gottes Zephyr ließ er Psyche in sein Schloss bringen. Dort heiratete sie Amor, ohne ihn zu sehen. Er hatte Angst vor dem Zorn seiner Mutter, daher musste es ein Geheimnis bleiben und Psyche durfte nicht erfahren wer er war. Er kam nur bei Nacht und versteckte sich am Tag und trotzdem verliebte sie sich in Amor.
Eines Tages wollte sie ihre Familie besuchen und obwohl Amor ihr davon abriet, tat sie es trotzdem. Ihre Schwestern waren eifersüchtig auf ihr Schloss und redeten ihr ein, dass ihr Ehemann eine abscheuliche Schlange sei, die sie eines Tages fressen würde. Als sie in ihr Schloss zurückkehrte und Amor schlafend neben ihr lag, machte sie eine Lampe an, um zu sehen, ob ihre Schwestern recht hatten. Doch dann sah sie Amor und hatte sofort ein schlechtes Gewissen, weil sie kein Vertrauen hatte. Amor erwachte und schickte Psyche fort, denn dort wo kein Vertrauen ist, kann auch keine Liebe sein. Amor kehrte zu seiner Mutter zurück, deren Rachepläne an Psyche erneut entfachten.
Psyche suchte Amor im ganzen Land, bis sie beschloß Venus selbst aufsuchte, doch die Göttin stellte Psyche unlösbare Aufgaben. Aber selbst die Tiere liebten Psyche und so halfen sie ihr die Aufgaben zu lösen. Bei der letzten Aufgabe trickste Venus Psyche aus und sie fiel in ein Koma. Zur gleichen Zeit suchte Amor auch nach Psyche um sie um Vergebung zu bitten. Mit seinen Flügen verscheuchte er den Fluch, der auf Psyche lag und erweckte sie wieder. Schließlich bat Amor den Göttervater Zeus Psyche unsterblich zu machen und er gewährte ihm diesen Wunsch. Da Psyche damit auch eine Göttin war, unterstützte Venus die beiden, denn Psyche lenkte die Männer auf der Erde nicht mehr davon ab Venus anzubeten.“
Mit großen Augen hing Taehyung an ihren Lippen.
„Du bist wie Psyche“, war sein erster Kommentar.
„Ach?“ Skye schüttelte lachend den Kopf. „Und du?“
„Ich bin Amor, das liegt doch auf der Hand.“
„Ach ja, natürlich.“
Danach führte Skye ihn weiter durch den Louvre und erzählte alles Mögliche über die Gemälde und Statuen.
„Habe ich dir schon mal gesagt, dass ich schon immer ein Date in Paris haben wollte?“ Er schielte grinsend zu ihr rüber. Skye erinnerte sich an den Videodreh und wie Taehyung sie mit ihrem vermeidlichen ersten Date überrumpelt hatte.
„Wirklich?“ Sie neckten ihn nur und konnte ein Grinsen nicht lange vermeiden. Er blieb stehen.
„Und weißt du was zu einem richtigen Date gehört?“
„Essen?“ Sie schauten sich an und lachten.
„Ja, okay, dass auch – aber ich meine: Ein Tanz.“
Er nahm sein Handy und schien nach einem Lied zu suchen. Taehyungs Gesicht war ein offenes Buch, alle Emotionen waren deutlich abzulesen. Verzweiflung, als er es nicht fand und dann Freude, als er das gewünschte Lied wohl doch gefunden hatte. Er wählte tatsächlich ‚Non, je ne regrette rien‘ von Edith Piaf und legte das Handy auf eine Bank, bevor er wieder zu ihr kam und zum Tanzen aufforderte. Wenn es um klassische Tänze ging hatte Skye hier eindeutig die Überhand – ihrer Mutter war Cotillon damals sehr wichtig gewesen und Skye war zwei Jahre lang in die Tanzschule gegangen. Im Endeffekt führte sie mehr ihn, als er sie, aber das war auch egal. Sie tanzten wie sie es für richtig empfand und Skye war traurig, als das Lied zu Ende war. Für immer hätte sie so weiter tanzen können, nachts im Louvre mit Taehyung.
Gegen 04:30 verließen die beiden das Museum. Auf der Straße hielten sie ein Taxi an.
„Wo wohnst du eigentlich?“
„Im Disney Hotel“, erwiderte Skye.
„Warte, du bist die ganze Zeit in Disneyland? Mit wem?“
„Alleine.“ Es war ihr fast unangenehm, aber auch alleine konnte man Spaß in Disney haben. Sie hatte praktisch hunderte versteckte Mickeys gefunden und alle möglichen anderen versteckten Dinge.
„Du bist alleine in Disneyland? Vergesse es, ich lasse das nicht zu. Ich fliege erst Morgen spät abends zurück – ich gehe morgen mit dir nach Disney“, beschloss er. Skyes Denken als Assistentin setzte sofort ein. So viele Dinge, die schief gehen konnten! Was, wenn sie jemand sah? Zusammen? Der Sänger bemerkte, wie sie zum Gegenschlag ausholen wollte und hob die Hand.
„Keine Diskussion, ich bin um 10 Uhr vor dem Hotel.“
Die Amerikanerin gab auf. Diesmal nahm er ihr Gesicht in seine Hände.
„Ich kann nicht glauben, dass ich dich hier gefunden habe.“
Um ehrlich zu sein schlief Skye in dieser Nacht praktisch nicht mehr. Disneyland hatte sie ohnehin schon an EXO erinnert. Es war so ziemlich der letzte Tag gewesen, an dem alles okay war und doch war es für sie der richtige Ort gewesen, um zu wohnen. Ja, Paris war eine Stunde entfernt, doch auch im Disney Villages gab es Bars und es gab sogar Restaurants, in denen das Essen nicht furchtbar schmeckte.
Skye lag im Bett und drehte sich von links nach rechts. Taehyung. Sie konnte nicht abstreiten, dass ihr Herz schneller schlug, viel zu schnell. Was sie an Taehyung wirklich mochte war, dass er in der Gruppe oft albern war, aber privat eher weniger. Ja, er war frech und flirtete gerne, aber er wirkte oft ernst und besonnen. Die ganze Zeit hatten sie sich über Kunst unterhalten, über Bilder, ihre Technik und ihre Wirkung. Nicht einmal Korea hatte er angesprochen und dafür allein schon hätte sie ihn küssen können. Mias Worte kamen ihr in den Sinn, dass er nicht blind für die Welt war. Wieso konnte er kein normaler Kerl sein? Wieso musste er ein BTS Sänger sein und der zu allem Übel auch noch mit Jongin befreundet war? Wenn er ein ganz normaler Kerl gewesen wäre und sie hätten sich heute am Eiffelturm kennengelernt … es wäre eine wundervolle Geschichte, die sie ihren Enkeln eines Tages erzählen konnten. Aber so? Jetzt fing es an kompliziert zu werden. Sie hatte ihn so gut aus ihren Gedanken verdrängt … alles umsonst.
Tatsächlich schlief sie erst gegen 7 Uhr ein und wachte gegen 09:20 Uhr auf. Völlig in Panik. 40 Minuten! Geduscht hatte sie gestern, sie musste sich nur anziehen und nicht so aussehen, als wäre sie die ganze Nacht wach gewesen! Kein Problem, sie konnte das schaffen. Wenn sie denn wüsste, was sie anziehen sollte! Es war warm, um nicht zu sagen heiß und doch wollte sie nicht zu sexy aussehen. Letztendlich zog sie einen schwarzen Body an – jene, die man als Oberteil trug, nicht die, die man als Unterwäsche anzog. Von vorne war er recht simple, aber der Rücken war tief ausgeschnitten und es sah aus, als wäre er am Ende des Ausschnitts zusammengebunden. Das hieß kein BH, was nicht bedeutete, dass sich Skye nicht darum kümmern musste. Es stand zwar alles noch gut, aber etwas Klebeband, um ihren Brüsten nicht allzu viel Spielraum zu geben, bot sich trotzdem an. Dazu trug sie einen casual rosa Tüllrock, der kurz oberhalb der Knie aufhörte. Dazu schwarze Pumps und eine kleine Umhängetasche von Victoria’s Secret in hellrosa – man brauchte ja nicht viel, Zimmerschlüssel, Kreditkarte, Handy, Bargeld, Lippenstift. Skye stand vor dem Spiegel und betrachtete sich. Von Chanels ‚Gabrielle‘ Parfüm nahm sie nur einen Spritzer, denn sie wusste, dass Taehyung es nicht mochte, wenn Frauen sich so einparfümierten. Ihre Haare waren in den drei Monaten, als sie sie abschneiden ließ, wieder ein ganzes Stück gewachsen und fielen schon wieder über ihre Schulter. Wieso war sie eigentlich so nervös?
„You can do it!“, sagte Skye ihrem Spiegelbild. Die Uhr sagte 09:55.
Sie nahm den Fahrstuhl nach unten und verließ das Hotel, das über dem Eingangsbereich des Parks lag. Sie stellte sich vor den Brunnen, damit sie ihn nicht verpasst. Sicherlich hätte er eine Kappe und einen Mundschutz.
10:03 Uhr. Was, wenn er nicht kam? Wenn er beschlossen hatte, dass das eine blöde Idee war? Skye lief langsam auf und ab und versuchte nicht nervös zu wirken.
10:09 Uhr. Skye hatte ihr Handy in der Hand, falls er anrief, um Bescheid zu sagen, dass er später kam. Es war ja nicht so, als würde ihre Nummer nicht mehr existieren, nur hatte sie keiner angerufen. Wahrscheinlich hat Mia es ihnen verboten. Zumindest hätte Skye das an Mias Stelle gemacht.
10:16 Uhr. Skye saß inzwischen auf einer Bank, von der aus sie den Eingangsbereich ziemlich gut im Blick hatte. Sie bezweifelte, dass er alleine reingegangen war. Vielleicht war sein Akku nicht geladen, letzten Endes war es immer noch Taehyung, es wäre ihm zuzutrauen. Oder er kam nicht, aus welchem Grund auch immer.
10:21 Uhr. Skye stand am Mülleimer und rauchte E-Shisha. Super. Das Ding hatte noch in ihre Tasche gepasst. Kpop war gesundheitsschädigend. Zumindest bei ihr.
„Lala!“
Skye schaute auf und da stand er, mit Kappe und runtergezogenem Mundschutz. Gerade wollte sie ihn anfahren, wieso er nicht Bescheid geben kann, als sie begriff, dass sie genau das Gleiche mit ihm die letzten 2,5 Monate gemacht hatte. Sie hatte gar nicht das Recht sauer zu sein.
„Ich dachte schon du versetzt mich“, meinte sie mehr neckend, als böse.
„Tut mir leid, es ist alles sehr groß hier“, gab er zu und schaute sich um. Sie durfte mit ihm niemals nach Disney World.
„Schon gut, ich freue mich dich zu sehen.“
„Du siehst … toll aus.“ Es wirkte immer so ehrlich, wenn er so etwas sagte.
„Aber weißt du, wie du noch viel toller aussehen würdest?“ Und da breitete sich ein Grinsen auf seinen Lippen aus. Skye hatte mittelmäßig Angst vor dem was folgte. Seine eine Hand war noch hinter seinem Rücken und dort war eine Disney Einkaufstüte. Er holte einen Minnie und einen Mickey Mouse Haarreif aus der Tüte und setzte erst Skye Minnie Mouse auf und sich dann selbst Mickey.
„You are so cheesy!“, meinte sie lachend und natürlich bestand Taehyung darauf ein Bild zu machen – für die Enkel, versteht sich von selbst. Natürlich sagte sie ihm nicht, dass sie heute Nacht selbst an ihre Enkel denken musste.
Skye hatte ihnen wieder einen VIP Guide besorgte, der sie durch den Park führte. Mit Taehyung so öffentlich unterwegs zu sein, machte sie auf mehreren Ebenen ziemlich nervös und sie wollte, dass jemand an ihrer Seite war, der im Zweifel eine Situation retten konnte.
Sie hatten einen tollen Tag, sie fuhren so ziemlich jede Achterbahn, aber machten auch solche ruhigen Sachen wie die Schifffahrt durch die Disney Miniaturwelt. ‚It’s a small world‘ ließen sie aus, Skye war emotional nicht bereit dafür. Und wieder sprach er Korea oder EXO nicht einmal an. Sie lachten und schmunzelten und alberten herum.
Doch irgendwann ging jeder Tag zu Ende und gegen 18 Uhr musste er los zum Flughafen. Skye lief mit ihm zum Parkplatz, wo der Wagen auf ihn warten würde. Sie hatte lange nicht mehr so viel Spaß gehabt und sie ließ ihn ungerne gehen. Sie drückte ihn an sich und eine Weile blieben sie so stehen, Arm und Arm.
„Lala?“
„Hm?“
„Komm nach Hause.“
Sie löste sich etwas aus der Umarmung und schaute zu ihm hoch. Vor einer Weile war sie der Meinung gewesen, dass Korea der Ort war, den sie Zuhause nannte, ein Ort, an dem sie sich wohl fühlte. Jetzt war sich die Amerikanerin nicht so sicher.
„Komm nach Hause“, sagte er erneut. „Ich vermisse dich … die anderen vermissen dich … ich glaube Mia will dich umbringen, weil sie jetzt auf EXO aufpasst …“
Sie fing an zu lachen und gleichzeitig stiegen ihr Tränen in die Augen.
„Bitte, komm zurück zu mir“, sagte er als letztes und küsste ihre Stirn, bevor er in den Wagen stieg.
Nun brauchte sie eine richtige Zigarette. Es war so schwer ihn gehen zu lassen und so schwer ihm seinen Wunsch zu erfüllen.
Als wäre heute etwas passiert, als wäre die Welt stehengeblieben und wurde nun wieder angestoßen, klingelte ihr Handy. Youngjun. Skye schaute skeptisch auf das Telefon. Was nun? Sie hatte keine Lust auf Diskussionen, wie sie und Jongin noch immer eine Pressbeziehung führten und dass sie sich mal wiedersehen lassen musste. In drei Wochen wäre auch dieses Kapitel abgeschlossen. Fast schon ging sie nicht dran, doch es lag in der Natur der Frau neugierig zu sein. Sie konnte gar nicht anders.
„Hallo?“
„Skye! Hallo! Ich hoffe ich störe dich nicht?“
Die Frau schaute sich um, sie saß vor dem großen Springbrunnen von Disneyland.
„Nein, schon okay.“
„Skye, ich … wir brauchen deine Hilfe.“ Man hörte richtig, wie ihm diese Worte schwerfielen.
„Wir sind gerade in Dallas und bisher war die Tour in Amerika, sehr chaotisch gewesen. Die Fans sind überall, sie belagern das Hotel, den Bus. Ich habe Angst um ihre Sicherheit, wir sind Koreaner, wir können damit nicht umgehen. Sie haben Angst das Hotel zu verlassen. Wir fliegen Morgen nach New York für das letzte Konzert und ich weiß, dass du geschäftlich oft in New York bist, kannst du uns helfen das besser zu organisieren?“
Sie atmete tief ein. Ja, Amerika war anders, Europa auch, hier rückte man seinen Lieblingen körperlich mehr auf die Pelle, während in Korea eher schweigend gefolgt wurde.
„Schick mir alle Daten, Flugdaten, welches Hotel, welche Halle, mit welchen Subunternehmern gearbeitet wird. Wann ist euer Flug?“
„Wir landen um 15:30 in Newark.“
„Okay, schick mir alles und dann warte auf weitere Instruktionen.“