Um kurz nach 23 Uhr hatte sie der Van für den Flughafen abgeholt. Ihr Flieger ging um 00:50 Uhr und trotzdem standen einige Fans am Flughafen bereit, um EXO zu verabschieden. Sie alle flogen First Class, oder wie die Korean Air es nannte: Kosmo Suites. Skye hatte einen Mittelplatz, der durch eine Wand von Chen getrennt war. Sie richtete sich gerade häuslich ein, als er die Schieb runterließ.
„Sag mal, hast du an der Geschichte weitergeschrieben? Idol Wars?“, erkundigte er sich.
„Ja, ich bin fast fertig“, erwiderte Skye.
„Kann ich es lesen?“
Sie reichte ihm ihr Ipad. Sie alle waren immer noch groggy durch die letzte Nacht, dazu waren sie alle satt und das Einschlafen bei diesem Nachtflug war kaum ein Problem. Skye schaffte es trotzdem nicht durchzuschlafen und fing immer wieder den gleichen Film an zu gucken, bis sie es irgendwann aufgab.
Nach einer halben Ewigkeit landeten sie Ortszeit um 5 Uhr in Seoul. Schon im Landeanschlug hatte Skye die Außenkamera auf dem Bildschirm angemacht. Korea. Zuhause. Irgendwie.
Als sie aus dem Flugzeug stiegen, waren alle etwas wortkarg. Natürlich konnte man sich in der First Class mehr entspannen, man konnte den Sitz komplett umlegen und hatte ein Bett, richtige Decken und Kissen und man wurde ständig gefüttert – was diesmal völlig unnötig gewesen ist. Wobei, das Frühstück war okay gewesen. All das änderte nichts an der trockenen Luft im Flugzeug und das Essen konnte man auch nicht richtig genießen, weil man so weit oben die Geschmacksnerven nicht richtig funktionierten, sie waren abgeschwächt. Deswegen tranken so viele Leute auch Tomatensaft im Flugzeug, damit sie etwas schmecken konnten.
Wie das Essen wohl auf der ISS schmecken würde? Skye erwartete keine kulinarischen Hochgenüsse, tatsächlich hatte sie sogar schon mal Astronautenessen vorgesetzt bekommen und es war okay. Nur dass sie auf der Erde gewesen ist, wo ihre Geschmacksnerven intakt waren und nicht irgendwo 400 Kilometer von der Erde entfernt, in der Schwerelosigkeit. Die eigentlich nicht existierte. Es gab keine Schwerelosigkeit, es gab nur den Punkt, an dem die Gravitation mehrere Himmelskörper die gleiche Kraft auf den Körper auswirkten und sich somit aufhoben. Manchmal machte sie diese ganzen Informationen verrückt. Sie nannte es immer noch Schwerkraft und nicht Gravitation-Neutraler-Raum.
Ein paar Fans waren am Flughafen, schließlich war es gerade mal 5 Uhr morgens. Skye war froh, dass sie sich nicht so viel aus Airportfashion machte. Sie hatte eine dunkelgraue Jogginghose an, die aussah wie eine Bikerhose – nur eben so bequem wie eine Jogginghose. Dazu hatte sie ein Tanktop und darüber einen Oversize-Pulli in mintgrün, der ihr über die Schulter hing. Dazu ihren schwarzen VS Rucksack mit Nieten. Skye fühlte sich ‚fashion‘ genug und schließlich war ja auch niemand für sie hier.
Der Van fuhr sie nach Hause. Sie alle waren immer noch müde und würden sich noch mal hinlegen. Auch Skye hatte das vor. Sie verabschiedete sich von den Sängern und machte sich auf den Weg in ihre Wohnung. Dort angekommen stand sie vor dem PIN Pad. Sie hatte so oft den Pin geändert, dass sie sich jetzt nicht mehr daran erinnern konnte. Super. Sie probierte ein paar Kombinationen aus, von denen sie meinte, dass sie stimmen könnten. Dann gab sie auf. Den Koffer ließ sie vor der Tür stehen – wer sollte ihn schon klauen – und machte sich auf den Weg zum BTS Dorm, ihre Stimme hatte sich zum Glück nicht verändert.
Eigentlich hatte sie nicht damit gerechnet jemand zu begegnen. Es war noch nicht mal 06:30, doch RM saß bereits im Wohnzimmer.
„Hey, du bist zurück!“ Sein Gesicht hellte sich auf und er stellte auch nicht in Frage, wieso sie hier einfach reinspaziert kam.
„Ja, scheint so. Hey, ich kenne meinen Pin nicht mehr, ich werde mich nur kurz zu Tae legen und später den Hausmeister anrufen.“
Sie fing jetzt schon an zu gähnen.
„Na klar, ich freue mich, dass du wieder da bist.“
„Ich … weiß noch nicht“, gab sie zu und verzog das Gesicht, was Namjoon zum Lachen brachte.
Leise öffnete sie die Tür zu Taehyungs Zimmer. Er lag noch im Bett, die Decke lag seitlich von ihm. Grinsend breitete sie die Decke über ihn aus und legte sich dazu. Wie ein Baby, dass seine Mutter merkte, nahm er sie in den Arm. Er öffnete die Augen nicht, doch hatte er so ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen, was Skye kurz zweifeln ließ, dass er tatsächlich am Schlafen war, doch er atmete ruhig weiter und seine Augenlieder bewegten sich nicht. Nach ein paar Minuten war auch Skye eingeschlafen.
1,5 Stunden später wachte Taehyung auf und glaubte gar nicht, dass er wach war, denn da lag Skye neben ihm! Mit großen, verwunderten Augen beobachtete er sie. Wie war sie hierhergekommen? Er schlich sich aus dem Bett und rannte dann aufgeregt nach unten. Jin, Jimin und Namjoon saßen am Esstisch und schauten überrascht auf. Dann blieb er abrupt vor dem Fernseher stehen, der zwar an war, doch auf lautlos geschaltet war.
„Kanal 7!“, rief er und streckte die Hand in Richtung Fernseher aus. Und er schaltete auf Kanal 7! Aufgeregt fing er an zu springen.
„Okay … zeige mir eine Tierreportage!“, rief er erneut, mit ausgestreckter Hand. Der Fernseher schaltete auf den Discovery Chanel, auf dem gerade eine Reportage über Afrika lief. Er freute sich noch mehr.
„Ist alles okay bei dir?“, fragte hingegen Jimin. Taehyung drehte sich zu seinen Bandkollegen um.
„Also, ich glaube … ich habe magische Fähigkeiten entwickelt! … Oder ich bin ein Genie … ich weiß noch nicht genau.“
Das waren so aufregende Neuigkeiten! Nicht auszudenken, welche Möglichkeiten er nun hatte!
„Okay Harry Potter, wie kommst du darauf?“, wollte Namjoon wissen.
„Der … Fernseher – ihr habt das gesehen?“
Daraufhin hob Namjoon grinsend die Fernbedienung hoch, die auf der Bank neben ihm gelegen hatte. In Taehyungs Gesicht lag tiefe Enttäuschung, wie als wenn man einem Kind sagte, dass es den Weihnachtsmann nicht gab.
„Ich habe andere Beweise!“
„Aha … okay. Welche?“
Taehyung ging etwas näher an den Tisch heran und beugte sich runter.
„Ich habe doch Skye in Paris getroffen und ich habe ihr gesagt, dass sie nach Hause kommen soll. Und wisst ihr was? Sie liegt oben in meinem Bett!“ Er flüsterte, aus Angst, dass wenn er zu laut sprechen würde, sie verschwinden würde – oder aufwachen.
„Sie ist mit EXO zurückgekommen. Ich habe sie vorhin gesehen, sie hat den Pin von ihrer Wohnung vergessen“, erklärte der Bandleader. Taehyung zog die Augenbrauen zusammen.
„Du wusstest nicht, dass sie sich mit EXO in New York getroffen hatte, um ihnen zu helfen.“ Bemerkte Jimin grinsend.
„Doch!“ Das war gelogen, aber das würde er vor den anderen nicht zugeben. „Ich wusste nur nicht, dass sie sich dazu entschlossen hat wieder zurück zu kommen.“
Die anderen glaubten ihm kein Wort, aber auch das würden sie nicht zugeben.
Kurz nachdem Taehyung aufgestanden war, wachte auch Skye auf. Als würde ihr die Wärmequelle fehlen. Sie streckte sich und fühlte sich schon sehr viel ausgeruhter, als nach dem langen Flug. Auf der ersten Schlafzimmeretage gab es vier Schlafzimmer und zwei teilten sich immer ein Bad. Taehyung teilte sich das Badezimmer mit Jungkook. Skye hatte noch immer das Beauty Set der 1. Klasse in der Handtasche, mit Zahnbürste, Cremes, Gesichtstüchern, Parfüm und anderen Dingen und würde erst einmal ins Bad gehen. Sie lauschte zuerst, um zu hören, ob Jungkook im Bad war. Dann klopfte sie leise, denn wenn jemand auf Toilette saß, hörte man das ja nicht immer unbedingt. Die Tür war auch nicht verschlossen und so ging sie hinein, doch tatsächlich stand Jungkook, oben ohne, vor dem Spiegel, cremte sich das Gesicht ein und hatte dabei Kopfhörer auf. Aus den Augenwinkeln sah er die Tür und drehte sich zu dem potentiellen Eindringling.
„Skye!“ Er fing an zu lächeln und nahm die Kopfhörer ab. „Wie geht’s dir?“
„Sehr gut und selbst?“
Sie stellte sich zu ihm und fing an sich die Zähne zu putzen.
„Also, bist du wieder EXOs Assistentin?“
Skye schüttelte den Kopf.
„Okay, was machst du dann?“
Sie zuckte mit den Schultern – Kommunikation beim Zähneputzen war sehr eingeschränkt.
„Oder bist du nur wegen Taehyung zurückgekommen?“, fragte er grinsend. Die Amerikanerin drohte an ihn zu treten, doch er wisch ihr lachend aus.
„Schon gut, schon gut!“
Als Skye runter ging, waren dort bis auf Hoseok alle versammelt. Taehyung stand sofort auf und nahm sie in die Arme.
„Ich hätte nicht gedacht, dass du meiner Bitte so schnell nachkommst“, sagte er leise.
„Na ja, du warst sehr überzeugend“, erwiderte sie grinsend.
„Laila, hast du Hunger?“ Jin hatte wohl auch beschlossen sie Laila zu nennen. Das würde sehr verwirrend werden.
„Ja, total!“
An koreanisches Frühstück musste sie sich erst einmal wieder gewöhnen, doch sie hatten tatsächlich auch Müsli da und als sie sich ein hartgekochtes Ei machen wollte, wollten Namjoon und Yoongi auch eins.
„Okay, es ist gut, dass ich euch so zahlreich antreffe“, begann sie, als sie alle am Tisch saßen und die Musiker schauten erwartungsvoll zu ihr.
„Also, ich habe mir die DVD zu eurer letzten Tour angeschaut und es gibt doch ein paar Dinge, die mir aufgefallen sind. Seid ihr generell offen für Kritik?“
Die Männer tauschten fragend Blicke untereinander aus, unwissend, was auf sie zukommen würde.
„Schieß los“, kam es von Namjoon, der eher amüsiert schaute, als wirklich besorgt.
„Also, diese Glitzer-Outfits sind Körperverletzung. Das euch noch niemand verklagt hat, weil er blind geworden ist, ist mir ein Rätsel.“ Das war ihr erster Kritikpunkt und die Männer fingen an zu lachen.
„Das ist nicht witzig! Mit diesen Scheinwerfern, die auf euch gerichtet sind, könntet ihr auch ein Werbeschild für einen Atomreaktor sein!“
Die Sänger lachten nur noch mehr.
„Okay, aufgenommen – was noch?“, fragte Namjoon.
„Bei ‚Run‘ hattet ihr diese weißen Leinenhosen an, richtig?“ Die Antwort war ein Nicken der anderen.
„Namjoon – du kannst sowas nicht mehr anziehen.“
Der Bandleader bekam große Augen.
„Wieso? Das Hemd ist lang genug, man sieht keine Haut.“
Skye biss sich auf die Lippe, um selbst ein Grinsen zu vermeiden.
„Nein, keine Haut, aber du überstreckst gerne den Oberkörper…“ Skye stand auf und machte es vor, wenn er die Arme hochriss und den Oberkörper überstreckte.
„Okay … und weiter?“
„Also bei der Hose … wenn du das machst, dann … drückst du damit deine Hüfte nach vorne und … ich weiß gar nicht wie ich das ausdrücken soll, wir sind ja noch beim Frühstück…“
Taehyung konnte jetzt schon nicht mehr vor Lachen.
„Jetzt spuck es aus“, kam es von Namjoon, der wirklich gerne wissen würde, was er getan hat.
„Also man sieht … deinen Penis … als Abdruck … in der Hose – es sei denn es ist Fanservice und so gewollte, dann bonne chance.“
Jin, Jimin und Taehyung bekamen sich gar nicht mehr ein. Namjoon hatte einen hochroten Kopf.
„Wo guckst du denn hin?!“, warf Namjoon ihr vor.
„Entschuldige, es springt einen förmlich an! VIP Section bekommt eine völlig neue Bedeutung!“
Namjoon wusste, dass ihn das noch viele, viele Jahre verfolgen würde. An solche Dinge erinnerten sich seine Bandkollegen sehr gerne. Wo sie Morgen einen Termin hatten: völlig irrelevant. Dinge mit denen man die anderen aufziehen konnte: direkt auf dem Desktop des Gehirns abgespeichert.
Es vergingen Minuten, bis die anderen sich wieder halbwegs gefangen hatten.
„Okay, sonst noch etwas?“ Namjoon war deutlich genervter als zuvor.
„Ja, diese Kunstpause, nach ‚Mic drop‘, dem ‚angeblich‘ letzten Song, ist viel zu lang. Ernsthaft. Die Pause war so lang, wenn ich live dabei gewesen wäre, ich wäre aufgestanden. Ich würde gerne eure Gesichter sehen, wenn ihr nach zehn Minuten wieder auf die Bühne kommt und die Halle wäre leer. aber die Sneaker sind voll cool – die will ich haben!“
„Welche Schuhgröße hast du?“, erkundigte sich Taehyung.
„235“, erwiderte Skye, was solide 6,5 in den USA und 37,5 in Europa war.
„Du hast süße, kleine Füße!“, stellte er fest und grinste.
„Dir ist schon aufgefallen, dass sie winzig ist? Wie groß bist du? 1,59 m?“, kam es von Jimin. Skye schaute entsetzt.
„Ich bin 1,62m!“, stellte sie klar.
„Sage ich doch: winzig.“
Sie wurden unterbrochen, als es an der Tür klopfte. Yoongi schien jemand zu erwarten und Skye blieb nicht unbemerkt, wie er und der junge Mann, der in die Wohnung kam, die Finger ineinander verschränkt hatten.
„Jihoon das ist Skye … Laila – wie sollen wir dich nennen?“ Man sah einen verzweifelten Gesichtsausdruck bei Yoongi.
„Ist mir egal, außerhalb vielleicht lieber Skye, ich will ja gar nicht, dass die Welt weiß wer ich bin. Es ist praktisch mein … Stagename“, erklärte sie.
„Also… Skyla, sie ist Taehyungs zukünftige Ehefrau … oder Namjoons vielleicht, nach den neuen Erkenntnissen.“
Tae schmiss ein Kissen nach ihnen und verfehlte total.
„Also, wir sind dann mal weg – Skye: Es ist erfrischend, dass du wieder da bist“, sagte Yoongi zum Abschied mit einem Grinsen und die beiden Männer verschwanden.
„So, hast du sonst noch was an unserem Konzert auszusetzen gehabt?“, fragte nun Jungkook.
„Ehm … nein .. warte! Taehyung, deine Solo-Nummer ist voll von Tape Face geklaut!“
Bei Taehyungs ‚Singularity‘ tanzte er am Anfang mit sich selbst, mit seinem Arm in einer Jacke, so dass es so aussehen würde, als würde er mit jemand tanzen. Allerdings hatte das Tape Face bei ‚America’s got talent‘ auch schon gemacht.
„Ich liebe Tape Face!“, kam es von Tae.
„Nein, ICH liebe Tape Face“, erwiderte Skye. Immer wenn es ihr schlecht ging, schaute sie sich Tape Face an, er war unfassbar witzig. Jungkook schaute zwischen den beiden hin und her.
„Ihr zwei seid ähnlich komisch, ihr seid wie füreinander gemacht.“
„Und wir hatten schon gedacht, wir würden niemand finden, der seinen Humor versteht“, kommentierte ausgerechnet Jin.
„Ja, das heißt jetzt müssen wir nur noch jemand finden, der deinen Humor versteht“, konterte Jungkook und wieder fingen alle an zu lachen.
Skye half nach dem Frühstück beim Aufräumen.
„Ich sollte den Hausmeister wegen meinem Pin anrufen“, meinte sie.
„Oh, brauchst du nicht, ich habe deinen Pin“, erwiderte Taehyung.
„Wie du hast meinen Pin?“
Das letzte, an was sie sich erinnern konnte war, dass er vor ihrer Wohnung gecampt hatte.
„Nachdem du weg warst hat Mia mir den Pin gegeben um den Kühlschrank auszuräumen, bevor irgendetwas die Raumfahrt entwickelt und um die Pflanzen zu gießen.“
Es passierte gelegentlich, dass sie ihm nicht folgen konnte.
„Ich habe Pflanzen?“
Sie liebte pflanzen, bisher hatte sie nur keine Zeit gehabt welche zu besorgen.
„Ja, ich habe dir Pflanzen besorgt, es sieht so viel freundlicher aus.“
Die Amerikanerin stutzte. Sie war weg und er fing an ihr Pflanzen in die Wohnung zu stellen?
„Woher wusstest du, dass ich je wiederkomme?“
„Na du würdest doch keine Wohnung mit Pflanzen einfach so zurücklassen.“ Er setzte dieses fröhliche Grinsen auf, das sagte ‚Siehst du, ich habe recht‘. Manchmal war er zu süß.
Er gab ihr den Pin und jetzt, wo er es sagte, machte die Zahlenreihe auch schon wieder Sinn. Sie standen im Flur zur Tür. Es fiel ihr jedes Mal schwer ihn gehen zu lassen.
„Sag mal, was machst du heute Abend?“
„Heute Abend?“ Taehyung schaute verlegen zur Seite – zumindest dachte das Skye. In Wirklichkeit standen Jungkook, Jimin und Jin in der Küche, in die Tae blickte und schüttelten energisch den Kopf.
„Ehm, heute ist schlecht“, sagte er schließlich.
„Kein Problem, dann vielleicht Morgen? Ich könnte uns etwas zu essen machen.“
Oh, Essen von Skye hörte sich toll an, doch wieder schüttelten seine Bandkollegen den Kopf und machten Bodybuilder-Posen, um ihm zu zeigen, dass er stark sein musste. Man musste sich etwas rarmachen und sich nicht allzu willig präsentieren.
„Ich denke ich habe ein Marketing-Meeting morgen, ich muss gucken um wie viel Uhr.“
Skye blieb nicht unbemerkt, dass er öfters zur Seite gucke. Skeptisch drückte sie Taehyung nach hinten, um aus dem Flur ins Wohnzimmer gucken zu können, doch die anderen standen nur da und hatten ihre Handys in der Hand. Sie verengte die Augen, irgendwas lief hier.
„Okay, sag mir einfach Bescheid.“
Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Gleichzeitig legte sie ihre Hand auf seinen Brustkorb.
Nachdem die Tür hinter ihr zugefallen war, ließ sich Taehyung im Wohnzimmer mit dem Rücken an der Wand runter sacken. Seine Hand berührte die Stelle, wo eben noch ihre Hand war.
„Ich glaube das ist das Schwerste, was ich je tun musste!“
„Und wir sind stolz auf dich, dass du es durchgezogen hast! Sie soll ruhig etwas kämpfen, immerhin hat sie dich auch hängen lassen“, erklärte Jimin. Taehyung empfand es nicht so. Sie hatte Abstand gebraucht und sie musste mit Jongin emotional anschließen. Wie konnte er sie für etwas bestrafen, was eigentlich auf seinem Mist gewachsen war? Und es schien funktioniert zu haben, es ging ihr gut.
Skye stand in ihrer Wohnung. Nein, falsch. Skye stand im botanischen Garten von Seoul! Es war noch ihre Wohnung, aber irgendwie auch nicht. An der hintersten Wand stand eine über zwei Meter hohe Palme, doch das war nicht die einzige Pflanze, die bei ihr eingezogen war. Mehrere Yucca-Palmen waren eingezogen und zwei Sträucher roter Bambus. Rechts die Wand war nur zwei Meter hoch, da oben das offene Schlafzimmer war, doch links die Wand war knapp fünf Meter hoch und bisher recht kahl gewesen. Nun hingen über die Wand verteilt mit Sicherheit 20 halbe Blumentöpfe, sogenannte Wand-Blumentöpfe, in unterschiedlichen Größen und mit unterschiedlicher Bepflanzung. Sie waren weiß und modern, eckig oder ganz rund. Mit offenem Mund ging sie an die Wand und fragte sie, wie sie die gießen sollte, doch dann entdeckte sie durchsichtige Schläuche, die an der Wand befestigt waren und zu den einzelnen Töpfen führten. Und Orchideen, überall. Allerdings keine normalen Orchideen, die mochte Skye nicht. Man kaufte sie und sie waren in schöne Formen gebracht, zum Beispiel um einen Ring herum, doch irgendwann starb der Strang ab und neue Stränge wuchsen heran und die wuchsen nie da wo sie sollten! Sie wuchsen schief und schepp und wenn man versuchte sie in die richtige Form zu bringen, brachen sie ab! Skye hatte keine Ahnung wie Floristen das hinbekamen. Doch Taehyung hatte sich für Dendrobium Nobile Orchideen entschieden. Sie hatten einen dickeren ‚Stamm‘ und wuchsen gerade nach oben. Eigentlich sahen sie aus, wie kleiner, blühender Bambus und sie gehörten zu Skyes Lieblingsblumen. Sie hatte keine Ahnung, woher Tae das wusste oder ob es reiner Zufall war – was sie inzwischen auch nicht mehr wundern würde. Es erfüllte ihr Herz mit Wärme. All die Zeit hatte er daran geglaubt, dass sie zurückkommen würde.
Doch es waren nicht nur die Pflanzen. Auf ihrem Esstisch lagen Zettel. Verwundert ging sie hin und begann zu lesen, bis sie begriff, dass es Songtexte waren. Er war auch hierhergekommen, um zu schreiben? Es machte sie etwas stolz, dass er hier die Ruhe zum Schreiben gefunden hatte.
Ernüchterung folgte bei dem Blick in den Kühlschrank. Zwei Flaschen Wasser, Bier, Ouzo im Gefrierschrank – sie wollte nicht das psychologische Gutachten eines Psychiaters sehen, der nur in ihren Kühlschrank schaute.
Sie zog sich um und fuhr zum Lotte Mart an der Seoul Station und danach zu einem amerikanischen Supermarkt und danach zu einem europäischen Supermarkt. Sie brauchte richtigen Käse und richtiges Brot!
Zurück in der Tiefgarage parkte Changmin neben ihr und fing an zu grinsen.
„Die verlorene Tochter kehrt zurück“, sagte er, als er aus dem Wagen stieg.
„Wohl eher ‚Das Imperium schlägt zurück‘ befürchte ich“, erwiderte sie lachend.
Er half ihr die Einkäufe hochzutragen und blieb auf einem Kaffee. Sie erzählte ihm die Geschichte mit Krystal – bald würde es sowieso jeder wissen, oder? Was, wenn nicht? Wenn SME es einfach unter den Tisch kehren würde? Nein, das könnten sie nicht machen, oder?
„Ich weiß nicht. SME ist eigentlich immer darauf bedacht das Gesicht der Künstler und des Labels zu bewahren“, sagte er, als Skye ihn fragte wie SME mit der ganzen Geschichte umgehen würde.
„Vielleicht schmeißen sie sie aus der Band und aus dem Label, aber oft werden bei solchen Aktionen die wahren Gründe nie genannt. Die PR Abteilung denkt sich da eigentlich immer schon etwas halbwegs plausibles aus.“
Skye schnaufte. Auf gar keinen Fall würde sie bei SME arbeiten, solange es Krystal gab.
„Hast du Hunger?“ Jetzt hatte sie ja wieder Lebensmittel im Haus!
„So einen Snack könnte ich vertragen …“
Amüsiert schaute er ihr zu, wie sie ihnen Sandwichs machte.
„Was?“, fragte sie, als sie Changmin grinsen sah.
„Du bist ein Toastbrot-Diktator!“
„Was?!“
„Wieso tust du erst eine Scheibe rein und dann die andere?“
Die Amerikanerin schaute zum Toast.
„Also, ich tue die Toastscheiben versetzt rein, weil ich erst eins haben will, damit ich Butter drauf machen kann, dann den Käse und wenn das fertig ist, hole ich die zweite Scheibe raus.“
War doch logisch.
„Wieso tust du nicht beide Scheiben gleichzeitig rein?“
„Weil eine dann dunkler wäre als die andere, wenn ich sie länger drin lasse.“
Auch das leuchtete doch ein! Am liebsten würde Skye Toaster erfinden, die die Toasts zeitversetzt rauswerfen würden.
„Wieso holst du nicht beide Scheiben gleichzeitig raus?“
„Weil die eine Scheibe dann abgekühlt wäre, bis ich mit dem belegen fertig bin“, erklärte sie, doch Changmin war immer noch nicht überzeugt.
„Und wieso drehst du die Scheiben?“
„Weil die Toastscheiben größer sind als der Toaster und wenn ich sie nicht zwischen drin drehen würde, wäre ein Rand noch roh.“
„Aber du schneidest den Rand doch ab.“
„Ja, weil es ohne Rand besser schmeckt, aber trotzdem sollen sie ja von oben bis unten durchgetoastet sein.“
„Und was haben Chips auf dem Toast verloren?“
Skye war recht simple mit Toasts. Butter, Käse und Chips – wenn sie hatte.
„Probiere es“, erwiderte die Amerikanerin und biss selbst in ihren Toast. Das Ende vom Lied war, dass er es liebte. Skye mochte es nicht, wenn der Toast zu dunkel war, weil er dann trocken wurde, aber Chips sorgten für eine gewisse Knackigkeit.
„Okay, ich korrigiere mich. Du bist kein Toast-Diktator, du bist ein Toast-Meister!“
„Danke!“ So sah sie das auch.
Der Rest des Tages war für Skyes Verhältnisse fast langweilig gewesen. Changmin blieb eine Weile. Danach räumte sie etwas auf, machte Wäsche und dann tat sie etwas, was sie lange nicht mehr getan hatte: Sie nahm sich ihr Kameraequipment und fuhr mit der U-Bahn an den Hangang. Früher nannte sie das ‚Quality-Me-Time‘. Sonst war Skye eher unruhig und musste etwas tun, doch beim Fotografieren konnte sie abschalten. Sie holte sich im Supermarkt etwas zu trinken und zum Knabbern und lief dann das Ufer nach Fotospots ab.