Obwohl sie gestern Nacht so versackt waren, war Mia gegen 9 Uhr schon wieder wach. Sie hatte sich in den Keller geschlichen und einige Kartons hoch gebracht. Auf manche schrieb sie ‚Kimchi‘, auf manche ‚Schokolade‘. Das war weniger beunruhigend als ‚Korea‘ und ‚Schweiz‘. Erst vor einem halb Jahr musste sie sich der Herausforderung stellen nach Korea zu gehen – für ein Jahr. Nun schien es ein vorerst endgültiger Umzug zu sein und sie war sich vollkommen unsicher, was sie davon halten sollte.
Zuerst füllte sie die ‚Kimchi-Kartons‘. Viele wichtige Dinge hatte sie bereits im Januar mitgenommen, wie ihre DVD- und CD-Bücher, ihren Laptop, Festplatten und so weiter. Nun packte sie Fotobücher ein, ihre Lieblingsbücher wie Harry Potter, alles was mit Herr der Ringe zu tun hatte, die Chroniken von Narnia, alle Bücher von Marion Zimmer-Bradley und die Aurian-Reihe. Und natürlich durfte ihre Vogue-Sammlung nicht fehlen. Am Ende war ein Karton komplett mit Büchern und Vogues voll.
„Das war einfach …“, murmelte sie und stellte den nächsten Karton auf. Ihre Mutter war inzwischen wach und bereitete Frühstück vor. Ganz nach unten in den Karton packte sie ihre Victoria Secret Bettwäsche, dazu kamen Lieblingsplüschtiere und Klamotten. Sie hatte auch einen zusätzlichen Karton mit Klamotten. Danach fing sie an Andenken von ihren Reisen einzupacken, Bilder aus Brasilien, kleine Statuen aus Ägypten, die sie gut einpackte, Armbänder aus Tibet und anderen Schmuck, Fächer aus Korea. Auch ihre Taucherausrüstung fand Platz in den Kisten, ihre Taucherbrille, Schnorchel, Flossen und ihr Mundstück. Es folgten Klamotten und Schuhe, wobei sie auch drei blaue Säcke für die Alt-Kleider-Sammlung voll bekam.
Als es klingelte und die Jungs zum Frühstück kamen hörte sie auf.
„Wow, du bist ganz schön weit.“
Donghae hatte in ihr Zimmer geschaut, drei Kartons und ein Koffer waren schon fertig.
„Na ja, ich kann nicht von meinen Eltern erwarten, dass sie meine Sachen packen. Da wir Morgen zurück fliegen, muss ich mich wohl etwas beeilen.“
Mia war geübt im Packen. Seid sie klein war, waren sie fast ein Dutzend mal umgezogen.
Im Super Junior Dorm sah es zu dem Zeitpunkt ähnlich aus. Überall standen Säcke herum und Klamotten flogen durch die Gegend. Sie hatten nicht vergessen, dass Mia ihnen vorgeschlagen hatte mal auszusortieren um etwas Platz zu schaffen und genau das taten sie jetzt. Leeteuk, Donghae und Siwon hatten das schon letzte Woche machen müssen – das war die Bedingung gewesen sie zu Mia fliegen zu lassen – und hatten ein sehr gutes Beispiel dafür gegeben, wie viel Mist sich so ansammeln konnte. Besonders Donghae. Nun wollten die anderen fertig werden und hatten dazu M81 als Hilfe angestellt.
Nicht das sie großartig eine Wahl gehabt hätten, immerhin waren sie Hyungs zu M81 und Leeteuk hatte es so ausgedrückt: Ihr wisst doch, eine Hand wäscht die andere. Wir haben euch beim Renovieren geholfen, könnt ihr uns einen Gefallen tun und als Gegenzug auch helfen?
„Eine Hand wäscht die andere … die haben doch nur geholfen, weil ihr Ruf dabei war vor die Hunde zu gehen“, wetterte Jaeyoung als er gerade vor Kyuhyuns Kleiderschrank stand.
„Wenn ich dich so höre, frage ich mich wer von uns beiden der Ausländer ist, wenigstens verstehe ich dass es eine Ehre für uns sein sollte den Hyungs zu helfen und Mia davor zu bewahren einen Tobsuchtsanfall zu bekommen“, meinte Tyler und schleppte einen weiteren Sack voller Klamotten raus.
„Tyler hat Recht … und sie brauchen anscheinend einen Haufen Sachen nicht mehr die wirklich cool sind.“
Jihyun betrachtete ein T-Shirt und hielt es sich an, zuckte mit den Schultern und packte es dann in seinen Rucksack. Jaeyoung war geschockt.
„Du klaust?!“
„Nein, sie brauchen die Sachen doch nicht mehr. Und ist es nicht so, dass man die Klamotten, die man nicht mehr will zuerst ans eine jüngeren Brüder verteilt, bevor man sie weg gibt?“
Jaeyoung schien darüber nachzudenken und begriff wie schlau das eigentlich von Jihyun war.
„Toll, Eunhyuk hatte so einen coolen Pulli gehabt … aber ich kann jetzt schlecht die Säcke durchwühlen …“
„Sag bloß diesmal bist du nicht der Schlauste“, neckte ihn Jihyun und machte weiter mit dem aussortieren.
„Das brauche ich auch nicht mehr.“
Eunhyuk warf ein Shirt auf den Boden und wand sich dem Schrank wieder zu. Kyuhyun hatte nur beiläufig hin geschaut, doch nun knallte ihm der Kiefer runter.
„Das ist MEINS!“
„Was?“, Eunhyuk drehte sich verwirrt um.
„Das ist meins! Ich weiß noch genau, es war im Sommer vor zwei Jahren, wir waren in Hong Kong und da war dieser coole Klamottenladen und ich habe mir das Shirt da gekauft!“
Eunhyuk schaute von dem Shirt zu Kyuhyun und wusste nicht recht was er dazu sagen sollte.
„Kyuhyunshi … wir bekommen so viele Klamotten, das kannst du unmöglich wissen.“
„Doch das weiß ich genau! Ich hab es ewig gesucht! Du hast es geklaut!“
Vorwurfsvoll deutete er mit dem Finger auf Hyukie.
„Wahrscheinlich hat die Haushälterin es falsch sortiert und ich konnte mich schlicht nicht daran erinnern.“
„Weil es nicht deines ist!“
„Ist doch egal, willst du es behalten oder nicht?“
„Natürlich will ich es jetzt behalten! Da hängen Erinnerungen dran!“
Kyuhyun schnappte sich das Shirt und verzog sich nach unten.
Ein Stockwerk tiefer saßen Heechul und Ryeowook vor einem Berg Klamotten und sortierten aus.
„Denkst du wenn Mia jetzt in Jaejoongs Wohnung zieht, dass sie nicht mehr hier sein will?“, fragte Wookie.
„Ich denke nicht, emotional ist sie viel zu sehr von uns abhängig … und manche von uns sind emotional von ihr abhängig. Weißt du noch die Woche als sie bei SHINee war?“
„Ja, es war schrecklich. Donghae, Leeteuk und Eunhyuk waren unausstehlich“, erinnerte sich der Jüngere.
„Und Siwon erst … ‚Wer geht jetzt mit mir joggen? … Joggen ist nicht mehr das was es einmal war!‘ … sie hat großen Einfluss auf uns.“
„Manchmal stelle ich mir vor Mia ist unser Haustier, wir füttern sie, schmusen mit ihr, kämmen sie … es fällt auf wenn sie nicht da ist.“
Verträumt sortierte Ryeowook die Klamotten weiter und Heechul schaute extrem skeptisch zu seinem Bandkollegen.
„Hast du ihnen das schon mit heute Abend erzählt? Was machst du mit ihnen? Nimmst du sie mit?“, fragte Mias Mutter beim Frühstück.
„Sicher nicht, ich lasse mir schon etwas einfallen …“
Fragend schaute Donghae über den Rand seines Brötchens.
„Ehm … ich muss heute Abend etwas erledigen … ich kann euch nicht mitnehmen, kommt ihr alleine klar oder soll ich euch einen Babysitter holen?“
Nun schauten alle drei auf.
„Etwas erledigen …“, fing Leeteuk an.
„Ohne uns?“, fragte Siwon.
„Wieso?“, fügt Donghae hinzu.
„Ich habe es jemanden versprochen, aber ich kann euch nicht mitnehmen.“
Die drei Männer seufzten und Mia rollte die Augen.
„Es tut mir leid, als ich zugesagt hatte, wusste ich nicht dass ihr kommt.“
Wie auch? Wenn sie hellsehen könnte würde sie im Zirkus arbeiten und nicht bei SM.
„Keine Sorge, wir beschäftigen uns schon“, versicherte Leeteuk ihr und erntete einen fragend Blick von Donghae.
Etwas später stand sie wieder in ihrem Zimmer und sortierte aus – und machte dabei richtige Fortschritte.
„Hey, wie läuft’s?“
Hae hatte vorsichtig die Tür aufgeschoben, weil alles Mögliche auf dem Boden lag.
„Ganz gut“, sagte Mia und schwang dabei ein Holzschwert, bevor es in einem Karton landete.
„Mia, wieso hast du ein Schwert?“
Die Frage war berechtigt, oder?
„I did Kenjutsu for some time … maybe I’ll start again … do you think that someone teaches japanese Samurai-Sword-Fighting in Seoul?“
„Maybe …“
„Hmmmm….“
Grinsend betrachtete Donghae die Frau, bis es ihr unangenehm wurde.
„Was?“, fragte sie und fuhr sich durch die Haare.
„Du bist immer für eine Überraschung gut.“
„Dachtest du nicht ich hätte Samurai-Qualitäten?“, erwiderte Mai neckend.
„Ich hielt dich immer eher für den Ninja-Typ.“
Damit stürzte er sich auf sie, schmiss sie auf’s Bett und die beiden tobten, bis Leeteuk den Kopf in das Zimmer steckte und anfing ‚Love is in the air‘ zu singen und die beiden erschrocken auseinander fuhren.
„Hab alles gesehen“, flötete Leeteuk aus dem Flur und sowohl Mia als auch Hae liefen hoch rot an.
Es war der letzte Tag in Deutschland und da Mia erst um 21 Uhr auf der Mainzer sein musste, gab es noch genug Zeit Sightseeing zu machen. Sie hatte es nicht geschafft bei ihrer alten Firma vorbei zu schauen, doch sie war nicht traurig deswegen. Mit jedem, mit dem sie Kontakt haben wollte, hatte sie Kontakt.
Mia führte die Jungs quer durch die Stadt, das Auto war an der Börse geparkt und so kamen sie zuerst an dem Bullen und dem Bären von Frankfurt vorbei. Natürlich schossen sie Bilder wie wild – was auch sonst? Über die Hauptwache gingen sie Richtung Römer, hielten an der Paulskirche, machten einen kleinen Umweg zum Eintracht-Fanshop (während die Frankfurter sehr knatschig auf die Eintracht waren, wegen dem Abstieg, interessierte das sie Welpen wenig und sie kauften den halben Laden leer), gingen dann zum Römer, zum Dom, dann vorne rum zurück ans Ufer und gingen über den Eisernen Steg.
„Der Main ist so … klein“, stellte Donghae fest.
„Ja, ist das wirklich ein Fluss oder ist das nur ein Bewässerungskanal?“, fragte Teukie.
„You know not every river in Korea is as big as the Hangang…“
Zugegeben, der Hangang war fast ein Meer von Fluss, aber das war ja keine Messlatte. Als sie das letzte Mal mit Donghae nachts den Hangang zu Fuß überquert hatten, hatten sie über eine Stunde gebraucht.
Den Main überquert führte Mia sie nach Sachsenhausen und letztendlich ließen sie sich bei einem Café nieder. Sie machte diese Tour nicht nur für die Jungs, sondern auch für sich. So schnell würde sie wohl nicht nach Frankfurt zurückkehren. Ihre Eltern würden in der Schweiz leben, ihr Vater bei Passau, wieso sollte sie nach Frankfurt kommen? Dabei hatte sie die Flugverbindungen so geliebt. Sie hatte eine Hand voll Freunde, die ihr wirklich wichtig waren, aber wenn sie schon nach Europa fliegen würde, dann um ihre Familie zu sehen und die war bald nicht mehr hier. Seoul würde wohl zu ihrer wirklichen Heimat werden müssen, was hatte sie sonst noch? Der Gedanke machte ihr Angst, das Alte so wirklich hinter sich zu lassen war nicht so einfach wie man vielleicht dachte.
Der Weg zurück zum Auto war beschwerlich und länger als sie gedacht hatten – beladen wie Esel war es natürlich nicht so einfach, doch wer shoppen geht, muss auch schleppen können. Sie trafen sich mit Mias Eltern im Mövenpick bei der Messe, denn Mia liebte das Essen dort. Züricher Geschnetzeltes bei Mövenpick war das Beste auf der ganzen Welt. Wenn es ein Gericht gäbe, das Mia für den Rest ihres Lebens essen müsste, wäre es das Züricher Geschnetzelte von Mövenpick.
„Das nächste Mal wenn du uns besuchen kommst, kannst du davon so viel haben wie du willst“, sagte Sascha und plötzlich wurde Essen zum Lockmittel.
Ihre drei Schützlinge ließen Mia das Essen aussuchen. Es war nicht immer einfach ihren Geschmack zu treffen, aber wahrscheinlich war es für sie am Anfang mit Mia nicht anders gewesen. Obwohl sie das koreanische Essen gewohnt war, hatte sie sich manchmal ein Schnitzel gewünscht, so ein richtiges Schnitzel und kein ‚asiatisches Schnitzel‘ das man ihr als ‚typisch Deutsch‘ verklickern wollte.
Allerdings waren Super Junior schon so viel rumgekommen, dass andere Kulturen und Küchen sie nicht mehr großartig abschreckten und am Ende war jeder satt und zufrieden. Das bedeutete nicht dass Nachtisch nicht auch noch rein passte.
Schließlich musste Mia langsam los. Sie verabschiedete sich von den anderen, die mit ihren Eltern nach Hause fahren würden und machte sich los.
Im Laden angekommen war sie die Erste.
„I’m having a Deja Vu…“, meinte Mia als sie Rachel, die Kellnerin, begrüßte.
„Yeah well, you know how they are. Don’t think just because you’re gone they stop beeing lazy.“
Nein, hatte Mia auch nicht erwartet.
Sie begann mit den Vorbereitungen und nach und nach tippelten alle rein, Kunden und Kollegen.
„Und, bereit Morgen zurück zu fliegen?“, fragte Basti der sich zu ihr an die Theke setzte.
„Ja, ich freue mich auf Zuhause.“
„Zuhause? Hier ist dein Zuhause.“
Sie atmete tief durch und zündete sich eine Zigarette an.
„Meine Eltern ziehen weg, das macht Seoul zu dem was einem Zuhause am Ähnlichsten ist und wenn ich ehrlich bin, fühle ich mich dort sehr wohl.“
Basti zögerte, wusste anscheinend nicht was er dazu sagen sollte. Der Gedanke sich irgendwo in Korea zu Hause zu fühlen, lag ihm so fern, dass es für ihn schwer war Mia nachzuvollziehen.
„Solange du glücklich bist, bin ich es auch … aber wenn ICH ehrlich bin vermissen wir dich schon.“
Sie lächelte und boxte ihn dann.
„Was?!“
„Du vermisst mich nur weil ich die ganze Arbeit mache!“
Eine Stunde später war der Laden voll und Mia bereitete sich vor.
„Wie immer?“, fragte sie.
„Wie immer“, gab ihr Chef zurück.
Ein wenig hatte sie es ja vermisste – nicht genug um das je wieder regelmäßig zu machen, aber genug um mal einen Moment in Erinnerungen zu schwanken. Und dann fing der gewohnte Ablauf an:
„Mia: Hallo, willkommen beim Dienstags-Turnier. Ich bin Mia eure Dealerin. Jeder von euch hat 3000 in Chips, die Blinds fangen an mit 25/50, steigen alle 20 Minuten. Die erste Stunde ist Rebuy möglich – 30 Euro, 3000 in Chips, danach gibt’s ein Add-On. Show down heißt Show down, wenn zu einem Show down kommt werden generell beide Karten gezeigt. String-Bets sind ungültig, Raise wird angesagt es sei denn er ist eindeutig, ansonsten gilt es als gecalled. Wer anderen die Karte zeigt ist fold. Wer eine Karte zeigt muss die zweite zeigen, wenn es am Tisch verlangt wird. Am Tisch wird Deutsch und Englisch gesprochen, Getränke haben auf dem Tisch nichts zu suchen.
Mia: Bist im Big Blind – 50.
Y zu Z: jeder kann machen was er will, aber du musst nicht die Leute anpusten, Malakka. Hab ein bisschen Respekt, wieso sterben die Leute?
Z: Die, die nicht rauchen.
Y: Die, die nicht rauchen? Klar, weil sie so Leute neber sich haben wie dich! *lacht*
Mia: So los geht’s …. Anna, call, Pfiffi …. Option?
T: So steckt J?
Y: Der ist … eh … nicht erreichbar.
T: Okay.
Y: Aber der hat doch gesagt er kommt.
T: Ich halt ihm einen Platz frei.
Mia: Check … check … 200 …fold … fold …
H: Nuts.
Mia: Der Unglückspot – der erste.
M: Nö, mir hat der noch nie Unglück gebracht.
Mia: Anna im Big Blind.
Z: Eine Wasser bitte.
Mia: 250 ….
Y: S. spielst du nicht?
Mia: Check … Check … 1000 … alle raus.
R: Willst du eine Espresso?
Y: Ja, ohne Zucker.
Mia: Espresssssooooo
Y: Ich habe so viel Espresso getrunken wie die letzten 20 Jahre.
Mia: Y. im Big Blind … und der Z. … gepasst … gepasst … gecalled … call … Option? 50 zurück … 50 zurück … Anna … check… check … check… 300 … 300 … und das geht zurück … Anna gecheckt …R. …gecheckt … 1000 … call …. Gepasst … 2 Spieler, letzte Karte … E. check … check … Showdown … Two-Pair….
E2: Eeeeeeeh ich schmeiß die 6 weg!
Mia: Opppppaaa! … 400 Raise …. Weg … weg … weg … erledigt … Call … Raise 500 … call … call … call…. All in … gepasst …. Gepasst …. Gepasst …. Call …. Show Down bitte …. Two Pair … Flush Option.
S: Noooooooooooo way!
Mia: Flush gekommen…. Und die letzte Karte …. Full House …. Seat open.
S: Du Killer! Du Killer! Legst ihm erst den Flush hin und machst dann runner runner Full House auf.
Mia: Hey, ich will euch etwas für euer Geld bieten.“
Das war ungefähr ein 8 Minuten Auszug von Mias Arbeit. Vor 4,5 Jahren hatte sie einen neuen Nebenjob bekommen – Poekrcroupier. Angefangen bei Sachpreisturnieren, wo man für 10 Euro einen Fernseher mitnehmen konnte. Doch dann verbat die Stadt Frankfurt Sachpreisturniere wegen angeblicher Suchtgefahr – man sollte Mia nicht auf dieses Thema ansprechen, denn sie regte sich immer nur auf. Bei jedem blöden Spielautomaten war einer größere Suchtgefahr als bei einem 10 Euro Pokerturnier, bei dem man von wirklichen Menschen umgeben war, aber nein, Spielautomaten waren vollkommen harmlos.
Jedenfalls verbot es die Stadt, was die Pokerspieler erst einmal nicht aufhielt. Es bildeten sich kleine, private Card-Clubs, in denen Poker gespielt wurde. Meistens Cash-Game, wie im Casino – der Wert des Chips entspricht Euros, üblich waren die Blinds 2 Euro, 4 Euro mit einem Buy-In von 100 Euro. Allerdings war klar, dass sich so etwas über den Abend schnell summierte. Dazu kamen kleine Turnier, wie jenes in dem Mia gerade saß. Man kaufte sich für 30 Euro ein und konnte sich innerhalb von einer Stunde so oft man wollte wieder einkaufen, wenn man seine Chips verloren hatte.
Neben den vielen Pokerläden in Frankfurt und Umgebung, war der Laden in dem sie arbeitete der Stabilste. Zig Läden hatten auf gemacht, mit Chefs die dachten das schnelle Geld machen zu können und keine Ahnung vom Pokern zu haben und so schnell wie sie auf gemacht hatten, so schnell hatten sie wieder zu gemacht. Nicht dieser Laden. Klar hatten sie auch mal einen schlechten Abend, aber in der Regel waren sie immer zwischen 30 und 40 Turnierspieler und hatten meistens 2 Cash-Game-Tische (dort wo das richtige Geld gemacht wurde) mit bis zu 20 Spielern. Im Turnier bekam der 1. Platz in der Regel um die 1000 Euro – gutes Geld für ein paar Stunden Poker spielen.
In den privaten Poker-Clubs gab es keine Kleiderpflicht wie im Casino von Wiesbaden oder Bad Homburg – entsprechend sah die Kundschaft meistens aus. Was Mia am Poker faszinierte war, dass es vollkommen neutral war. Neutral was den Berufs- oder Bildungsstand anging, neutral was die Nationalität oder Religion anging. Da geschah es das der Assistenzarzt mit dem Studenten, dem Zuhälter, dem Arbeitslosen, dem IT-Menschen und dem Arbeitslosen an einem Tisch saß. Da schafften es Albaner mit Türken, Marokkanern, Äthiopiern und Deutschen an einem Tisch zu sitzen. Wahnsinn. Anfangs hatte Mia gedacht dass öfters mal die Fetzen fliegen würden, dass diese ganzen Gruppierungen zwangsläufig zu Ärger führen würden, doch in all den Jahren, hatte sie nur eine Schlägerei beim Pokern mitbekommen und daran war auch eigentlich der Alkohol Schuld gewesen.
Es war ein interessanter Job, anstrengend in jeglicher Hinsicht und Verdummung am Menschen (wer wollte schon sein ganzes Leben lang Karten verteilen?), doch in den letzten Jahren war es gutes Geld gewesen, das Mia aus dem Pokern gezogen hatte.
Es war ungefähr eine Stunde nach der Pause nach dem Add-On, ungefähr 23 Uhr, als die Tür aufging. Mia hatte von ihrem Tisch aus einen Blick auf die Tür, den vorderen Pokertisch und die Theke. Es war Reflex dass sie aufschaute, als die Tür auf ging. Sie schaute auf und richtete ihre Aufmerksamkeit dann wieder auf den Tisch, bevor die Spieler auf die Idee kamen irgendeinen Mist zu machen. Aber halt, etwas war nicht normal.
Wieder sah sie auf und jetzt wusste sie, was ihr so komisch vor kam. Leeteuk, Siwon und Donghae standen in der Tür, schauten sich fragend um und fingen dann an zu strahlen als sie Mia sahen. In diesem Moment wurde ihr eiskalt und plötzlich unheimlich warm. Was hatten die denn hier zu suchen? Sie schaute sich nach einem Cash-Game Dealer um, der sie vielleicht hätte ablösen können, doch natürlich war keiner in Sichtweite.
„Ihr setzt euch an die Bar und bewegt euch keinen Meter weit!“, rief sie ihnen zu. Sie kannten diesen Ton, der Ton bedeutete ‚Wenn du nicht tust was ich sage fresse ich dich‘. Alle drei bekamen große Augen und setzen sich sofort auf drei Barhocker.
„Rachel! They belong to me, could you please take care of them and don’t let them out of the cage?“
Rachel schaute zwar fragend, nickte aber dann.
„Ein Pokerclub, ich fass es nicht!“, sagte Donghae und schaute sich begeistert um.
„Sie hat nie erzählt dass sie so etwas macht“, stellte Leeteuk fest.
„Sie macht aber auch keinen besonders erfreuten Eindruck“, flüsterte Siwon und beobachtete Mia, die ihre Augen so oft es ging an der Theke hatte.
„Also ich finde das cool“, meinte Donghae und lehnte sich so weit von seinem Barhocker, wie es ging um das Spiel an Mias Tisch zu beobachten.
Es dauerte eine weitere halbe Stunde bis Mia eine Ablösung bekam. Rachel hatte in der Zwischenzeit die Welpen mit Getränken und Curry-Würsten versorgt.
„Was zum Teufel tut ihr hier?“
„Hi Mia, wir freuen uns auch dich zu sehen“, erwiderte Donghae, duckte aber vorsichtshalber schon den Kopf.
„Ich habe gesagt ich habe heute etwas zu tun, wieso seid ihr hier?“
„Also Donghae dachte du hättest ein Date“, erklärte Siwon.
Verdattert schaute sie zu Hae.
„Ein Date?!“
„Na ja … du hast so geheimnisvoll getan …“
Sie rollte einfach nur die Augen, Donghae sollte doch mittlerweile wissen, dass er kein guter Spion war.
„Und wie habt ihr mich gefunden?“
„Das App … was Jaejoong bei dir installiert hat.“
Wieder rollte sie die Augen. Mia hatte wirklich das Bedürfnis dieses Ding zu deinstallieren, doch sie wusste genau – bei ihrem Glück – dass sobald sie es vom I Phone schmeißen würde die russische Mafia sie entführen würde und sich dann wünschte es noch immer auf dem I Phone zu haben – oder so etwas Ähnliches würde passieren.
„Okay, ihr bleibt hier sitzen. Ich bin in etwa einer Stunde fertig.“
„Dürfen wir vielleicht etwas …. spielen?“
Donghae versuchte unschuldig zu gucken, was bei Mia nicht fruchtete.
„Nein.“
„Aber wieso nicht? Ich hab schon mal bei einem Online-Turnier mitgespielt.“
„Genau das ist das Problem. Das hier sind echte Spieler die euch euer Geld abnehmen werden und ihr arbeitet zu hart dafür. Ihr bleibt hier sitzen.“
Genervt wand sie sich ab.
„You sound really grumpy, is everything alright?“, fragte Rachel.
„It’s just …they are not supposed to be here, but they are.“
Allerdings sprach sich schnell rum dass die drei Fremden zu Mia gehörten und weckten damit allgemeines Interesse. Sie taten genau das, was Mia gesagt hatte, sie blieben sitzen. Sie waren nur irgendwann von zig Leuten umgeben, die sich halb auf Englisch versuchten mit ihnen zu verständigen.
Zähneknirschend nahm Mia das hin, doch Begeisterung sah anders aus. Es dauerte ewig bis sie sich von jedem verabschiedet hatte und sie tatsächlich gehen konnten. Im Auto herrschte Schweigen.
„Wieso hast du uns nie gesagt dass du Dealer bist?“
Leeteuk war der Mutigste und brach das Schweigen.
„Because it’s not the right place for people like you, there is nothing glamorous about it,not like in the old beautiful casinos – and not even there, beeing a dealer is gamlorous. There has been people alike the mafia, bad people, one wrong word from you and the whole situation could have escalded by accident. You don’t know them. It’s just a job, but good people not hanging around in a place like that and that’s why I have never told you.“
Für Außenstehende war es schwierig zu verstehen, doch zumindest respektierten sie Mias Meinung dazu und stritten nicht weiter mit ihr.