Skye stand zeitig auf. Sie war aufgeregt. Als sie vergangenes Jahr in Seoul war, bevor sie Mia kennenlernte, hatte sie beschlossen in Korea einen … längerfristigen Wohnsitz zu haben. Sie liebte Adavaci und es war ihre Insel, ihr Nimmerland, doch sie wusste auch, dass sie auf Dauer nicht dort bleiben konnte. Sie hatte das Apartment in Manhattan, doch auch in Amerika wollte sie nicht die ganze Zeit sein und der nächste Ort auf ihrer Liste, an dem sie sich wohl fühlte, war eben Korea. Nun ging Skyes Stil was Wohnungen und Häuser betraf sehr weit auseinander. In New York war es modern und gradlinig, urban, offen und hell. Das Haupthaus auf Adavaci und die Gästehäuser waren im Südseestil, mit viel Holz, mitten in der Natur und im Einklang damit. Sie mochte sowohl das Rustikale, als auch das Moderne. In Seattle war sie auch in einem dieser typischen Häuser aufgewachsen, mit Holzbalken und knarrenden Stufen. Es war kein Schloss, aber sie hatte das Haus sehr gemocht. Nun war die Frage gewesen: Haus oder Wohnung?
Haus in Seoul war potentiell schwer, denn sie wollte kein Haus das zu jeder Seite nur einen Meter Abstand zum nächsten Haus hatte. Dafür wohnte man nicht in einem Haus. Auch nicht, um von fünf Meter hohen Mauern umgeben zu sein. Dann gab es diese übermodernen Wohnkomplexe, die objektiv recht hübsch waren, mit Haustierfütterungsservice und Gym, doch irgendwie berührte das nicht Skyes Herz. Sie liebte was Mia mit der alten Fabrik gemacht hatte. Es war alt, aus Backstein und mit Stahlträgern und modern eingerichtet, im Loftstil, alt und neu im Einklang.
Jedenfalls hatte sie vor etwa 1,5 Jahren ihre Fühler ausgestreckt und hatte ein Juwel gefunden. Genau genommen lag es in Hanam, was im Südosten an Seoul grenzte. In 1936 hatte die Familie Mayson dort ein Stück Land gekauft, 26 Hektar. Es war eine der ersten Familien, die sich in Korea ein Geschäft mit Import aufbaute. Das Geschäft boomte und Seoul und die Umgebung war damals noch nicht mit dem zu vergleichen gewesen, was es heute war. Land war günstig gewesen. Sie bauten dort ein Herrenhaus im Tudor-Stil, was damals sehr modern war. Mit Rundbögen und Türmchen und Erkern. Das Geschäft der Familie überlebte den Koreakrieg und war in der Phase des Wiederaufbaus zu viel Vermögen gekommen. In den 90ern jedoch wurden sie von Konkurrenten verdrängt, bis sie sich schließlich einen neuen Markt suchten. Was blieb war das Anwesen in Hanam. Es wurde von Generation zu Generation vererbt und der letzte Erbe, Christopher Mayson, war 21 Jahre alt, gestopfte wie eine Weihnachtsgans und hatte mit Korea so gar nichts am Hut. Sein Vater hatte das Anwesen in dem fernen Land noch aus sentimentalen Gründen behalten, doch Christopher konnte damit so gar nichts anfangen. Und er hatte keine Ahnung von Korea. Er kannte Korea nur aus den Erzählungen seines Großvaters, als Korea noch recht arm war. Die Amerikanerin hatte das alles um drei Ecken erfahren und eine Chance gesehen. Skye war also nach Dallas geflogen, um sich mit Christopher zu treffen. Recht schnell hatte sie bemerkt, dass er nicht den blassesten Schimmer hatte was so ein Stück Land heute, direkt bei Seoul, wert war und es war ihm auch alles zu viel – schließlich musste er sich in Amerika darauf vorbereiten eines Tages die Firma zu übernehmen.
Sie schlug ihm also vor ihm das Anwesen abzukaufen, weil sie oft geschäftlich in Korea war. Als er sie fragte, was sie mit dem Grundstück vorhatte, erzählte sie ihm, dass sie Hunde zum Schlachten züchten wollte – das wäre ein ganz gutes Geschäft in Korea. Der arme Trottel glaubte das sogar! Für 600.000 Dollar verkaufte er ihr das Anwesen.
Zugegeben, es war ein kleines Risiko gewesen, denn Skye hatte das Haus nie mit eigenen Augen gesehen und kannte es nur aus den Erzählungen ihrer Freundin deren Großmutter in den 60ern für die Maysons als Hausdame gearbeitet hatte. Im Zweifel würde sie es abreißen und etwas Neues bauen, doch allein schon so viel Land in dieser Lage war eigentlich das zwanzigfache wert!
Das Grundstück lag direkt an der Grenze zu Seoul – 85 Meter von der Stadtgrenze entfernt um genau zu sein und der Olympiapark war Luftlinie gerade einmal 3 Kilometer entfernt. Sie war also nicht ab vom Schuss. Die Grenze des Grundstücks war etwas mehr als 2,5 Kilometer und alles war Wald! Es war leicht bergauf liegend, aber kein Berg. Drum herum gab es ein paar Fabriken und zwei Bauernhöfe, kein Wohngebiet, das unmittelbar an das Grundstück grenzte. Fast 400 Meter wand sich die Straße vom offiziellen Tor bis zum Haus und es war traumhaft. Sie war sofort verliebt. Das Herrenhaus war aus Backstein, Holz und weiß getünchten Bereichen. Es war verwinkelt und verschachtelt – auch von innen. Innen war es recht dunkel, da die Wände entweder aus dunklem Holz bestanden oder aus Backstein, doch dann hatte es diese großen Fenster und großen Räume, eine Bibliothek und Kamine. Um ehrlich zu sein erinnerte es sie an das Haus der Salvatore Brüder aus ‚The Vampire Diaries‘. Das Haus, welches als Vorlage für das Haus der Vampirbrüder diente, stand bis 2015 in Sandy Springs. Dann wurde es abgerissen, von Mercedes Benz. Yay. Jedenfalls hatte es Charakter und Charme und wirkte wie eine Burg. Damit fingen die Probleme an. Abreißen und neu bauen wäre einfacherer gewesen. Nun war das Haus 80 Jahre alt. Irgendwann in den 90ern waren Sanierungen vorgenommen worden, aber das lag nun auch schon ein paar Jahre zurück. Es begann mit neuen Leitungen für Strom und Wasser, dann ging es weiter mit Schäden am Dachstuhl, was dazu führte, dass Skye das komplette Dach neu machen ließ. Sie ließ alles was Holz war neu aufbereiten. Böden, Decken, Türen. Dazu mussten alle Möbel raus. Gut, dass es eine alte Stallung und ein Haus für die Angestellten gab. Die Polstermöbel schmiss sie alle raus, doch vorher machte sie unendlich viele Bilder, weil sie viele der Tische, Stühle, Kommoden und Schränke erhalten wollte. Gleichzeitig ließ sie einen 4 Meter hohen Zaun um das Gelände ziehen und beauftragte eine Landschaftsgärtnerei damit den Garten rund um das Haus auf Vordermann zu bringen. Seit Jahren war hier kaum etwas getan worden. Hinter dem Haus gab es eine Terrasse, auch teilweise überdacht und von dort aus führte eine Treppe zu einem Pavillon in einen Garten oder … Wiese wohl eher und dahinter lag ein kleiner Fluss. Skye hatte auch einen See, ein kleiner See, aber kein Teich. Und es gab so ein süßes, altes Gewächshaus.
Seit zwei Woche waren die Arbeiten in und am Haus fertig und sie hatte einfach keine Zeit gehabt sich mit ihrem Vorarbeiter zu treffen. Das ganze Jahr war sie noch nicht dort gewesen, weil sie irgendwie immer zu viel zu tun hatte und alles hatte sie per Telefon oder Email geregelt. Was sie so fasziniert war, dass Seoul praktisch zum Greifen nah war, aber man mitten in der Natur saß und nichts hörte. Der Wald schirmte alle Geräusche ab.
Natürlich war es noch nicht einzugsbereit. Die Bäder und die Küche mussten neu gemacht werden. Hier wollte sie auf rustikal-modern gehen, mit Regenfallduschen aus Naturstein und freistehenden Badewannen. Die Küche sollte eine große Kochinsel bekommen, die in den Stil des Hauses passte und dann brauchte sie natürlich auch Möbel. Die Möbel, die sie behalten wollte, waren in der Zwischenzeit überarbeitet worden und ein dreiköpfiges Team aus Innenarchitekten hatten sich bemüht Teppiche, Eyecatcher, Wandteppiche und Polstermöbel in dem Stil, wie es vorher eingerichtet war, zu finden. Doch die Möbel konnten erst kommen, wenn die Sanierung abgeschlossen war und die war erst abgeschlossen, wenn Skye es sagte.
Sie hatte bisher niemand von dem Haus erzählt. Zuerst wusste sie nicht, wie lange das alles dauern würde und um ehrlich zu sein wusste sie im Moment gar nicht, ob sie hier einziehen könnte, wenn es fertig war. Ihr Terminplan war so voll, dass sie es kaum schaffte in die Fabrik zu fahren.
Die Amerikanerin hielt an der Einfahrt und gab den Bestätigungscode für das Tor ein. Tatsächlich würde hier später mal ein Sicherheitsmann sitzen, doch im Moment lohnte es sich noch nicht. Schon als sie den Weg zum Haus entlangfuhr, wurde es ihr warm ums Herz und als das Haus dann in Sichtweite kam, bereute sie es nicht mehr die organisatorischen Strapazen der Sanierung auf sich genommen zu haben. Es war ein Traum. Es sah aus wie vorher, nur viel ordentlicher. Das Holz glänzte und es waren ordentlich Bete rund um den Eingangsbereich angelegt worden. Es war ein Rundweg als Zufahrt und Skye stellte sich auf einen der Parkplätze, die man angelegt hatte. Es roch ganz anders als in der Stadt und durch die Bäume war das Klima sehr angenehm.
„Miss Jones!“ Nicholas, der hier alles überwachte, war spezialisiert auf die Restaurierung alter Häuser und kam eigentlich auch Georgia.
„Please, how many times before you call me Laila? I believe I talk to you more frequently than my best friend“, begrüßte sie ihn fröhlich.
„My bad Miss Laila.“ Sie rollte mit den Augen, das ‚Miss‘ konnte er sich sparen.
Betrat man das Haus erstreckte sich zu beiden Seiten ein Flug, geradeaus lag ein großer Durchgang zum … man könnte es wohl Wohnzimmer nennen. Gegenüber dem Eingang lag nach hinten versetzt ein riesiger Kamin. Der Raum hatte eine hohe Decke und einen Dachstuhl, wie ein kleines Haus. Skye hatte dort in das Dach lange Fenster einsetzen lassen, um mehr Tageslicht zu haben. Oben im ersten Stock führte eine Galerie um den Raum und war der Flur des 1. Stocks. Ohne Möbel, Teppiche, Lampen und Vasen sah es doch sehr leer aus.
Das Haus war total verwinkelt, mit mehreren Treppen die nach oben und in den Keller führten. Es gab eine Bar mit einem Pooltisch, der ebenfalls restauriert wurde. Vom großen Esszimmer führte eine Tür in einen Zwischenraum und dahinter lag die Küche. Die Bibliothek war Skyes persönlicher Favorit, mit einem tiefen gelegten Raum, in dem sonst Sofas standen und rund um die leicht erhöhte Galerie waren Regale und Regale voller Bücher, die hier auch wieder ihren Platz finden würden. Überall im Haus gab es Bücherregale. Es gab zig Zimmer, mitunter sechs Schlafzimmer, drei davon mit einem eigenen Badezimmer. Dann gab es oben ein weiteres Badezimmer, unten zwei. Dann gab es oben noch ein Lesezimmer, welches Skye auch so beibehalten wollte, weil es heller war als die Bibliothek und einen kleinen Balkon hatte und es gab noch ein großes Arbeitszimmer im Erdgeschoss, ein Teezimmer und drei Schlafzimmer für Angestellte. Hier hatte Skye die Zwischenwände einreißen lassen, um daraus ein großes Fernsehzimmer zu machen, mit Beamer und irgendwann mit gemütlichen Sitzen und einen Bar und einer Popcornmaschine – wenn schon, denn schon.
Es gab zwei Zugänge zum Keller, einmal war es ein Nutzkeller, mit Waschküche, Lagerräumen und Kühlschränken. Dann gab es von der Bibliothek noch einen Kellerzugang, hier war der Weinkeller und noch eine Bar. Das Herrenhaus war offensichtlich von einem Mann entworfen worden.
Was Skye besonders liebte, waren die Geheimgänge. Nicholas und sein Team hatten bei der Sanierung einige gefunden. So gab es einen versteckten Weg von Skyes Schlafzimmer in den Flur und runter in die Küche und vom Lesezimmer im ersten Stock führte eine versteckte Treppe runter in die Bibliothek. Diese Gänge wurden überwiegend von Angestellten genutzt, damit man sie weniger sah, doch bestimmt wurden sie auch von Liebhabern oder Liebhaberinnen genutzt, um sich in die Schlafzimmer zu schleichen.
Es dauerte über eine Stunde, bis sie mit ihrem Rundgang fertig waren und Skye war den Tränen nahe. Es war wunderschön. Es war verwinkelt und urig und etwas finster, doch zugleich war er erhaben, monumental und gemütlich.
„This is a dream come true, thank you so much“, sagte sie und umarmte den Mann.
„As long as you’re happy, I’m happy“, gab er zu. Sie mussten noch ein paar vertragliche Dinge regeln und Skye gab ein großzügiges Trinkgeld in Bar und in Dollar. Es musste ja nicht alles in den Büchern auftauchen…
Und dann war sie alleine. Die Firma, die die Bäder machte und die Firma, die die Küche machen würde, warteten nur auf Skyes ‚Go‘ und würden damit nächste Woche anfangen. Das ließ sie von Koreanern machen, die sehr geschickt bei solchen Sachen waren. In den großen Bädern würde es auch überall versteckte LED Beleuchtungen geben, deren Anschlüsse schon gelegt worden waren.
Sie schlenderte durch den Garten und bemerkte, dass der Gärtner sogar den Springbrunnen wieder zum Laufen gebracht und von Moos befreit hatte. Es war ein Engel, der Wasser aus einer Karaffe goss. Es war so idyllisch und ruhig. Sie konnte sich hier sehen, im Herbst vor dem Kamin, mit Taehyung unter einer Decke. Nackt, hoffentlich.
Doch zuerst musste sie ihm hiervon erzählen und das wollte sie erst, wenn es fertiger war als jetzt.
Um 14 Uhr hatte sie Training mit Taehyung. Inzwischen war der Tanz fertig und Moony wollte ein Video vom Tanz hochladen. Doch es wurde natürlich nichts dem Zufall überlassen und so gab es erst einige Probeläufe und das Video würde später nur als Ausschnitt und ohne Ton hochgeladen werden. Dazu kam, dass Skye eine Kappe bekam, damit man ihr Gesicht nicht erkennen konnte.
Namjoon und Jin kamen vorbei und schauten Skye und Tae eine Weile zu.
„Der Tanz ist wirklich cool geworden, super auf euch abgestimmt“, lobte Namjoon, was Moony zähneknirschend zur Kenntnis nahm – immerhin war es ja nicht der originale Tanz.
„Skye sieht total niedlich aus beim Tanzen, wie Jimin … kleine Leute sehen irgendwie immer niedlicher aus.“
Eine dieser kleinen Leute trat Jin für das Kommentar gegen das Schienenbein.
„Du erkennst ein Kompliment auch nicht, wenn du es hörst!“
„Vielleicht brauchst du ein Schild, was du hochhalten kannst“, meckerte Skye zurück, doch Jin erkannte, dass es nicht ernst war.
„Hey Skye?“
„Hm?“
„Geht eigentlich der Meeresspiegel kaputt, wenn man in See sticht?“
Jin konnte sich bei dem Witz selbst kaum noch halten vor Lachen und es war so ansteckend, dass die anderen mitlachen mussten.
„Oh man … er und seine Witze…“
Nach dem Tanztraining nahm Skye Mia mit zu SME, wo es mit dem Tanztraining gleich weiter ging.
„Ich habe gehört du bist gestern auf Jongin gestoßen?“, fragte Mia.
„Ja, das kann man so sagen.“
„Ich habe auch gehört, dass du nicht so dankbar warst, wie er es erwartet hätte …“
Nun musste Mia grinsend.
„Er macht manchmal einfach Dinge ohne darüber nachzudenken. Es gibt aus bestimmten Gründen eine PR Abteilung. Das Ganze kann halt auch nach hinten losgehen.“
Skye wollte nicht behaupten, dass sie der vernünftigste Mensch der Welt war, doch es ging nicht nur um Jongin. Es ging um EXO und es ging um Skye. Mia nickte.
„Ja, manchmal macht er das Falsche aus den richtigen Gründen.“ Das traf es sehr gut. Die Amerikanerin verstand wieso er es gemacht hatte, was es aber immer noch nicht rechtfertigte. In ihren Augen wäre es das beste gewesen die Sachen im Sand verlaufen zu lassen. Und irgendwann hätte es ein Statement gegeben, dass sie nicht mehr zusammen waren, weil ihr Terminplan es nicht zuließ, aber sie trotzdem Freund geblieben waren. So wie bei allen anderen auch.
„Ich habe auch gehört, dass du einen Mädelsabend hattest. Sag bloß du bekommst Freundinnen?“, neckte die Deutsche.
„Ja, irgendwie haben sie gesagt ich hänge zu viel mit den Jungs rum…“
In der Akademie angekommen wunderten sich die beiden, dass die Tanzeinheit nicht mehr auf dem Plan war und das Studio nun von Next Generation belegt wurde.
„Warum …?“ Mia schaute sich genervt um, bis sie eine ihrer Mitarbeiterinnen fand und fragte.
„Ich weiß nicht was der Grund ist, SM hatte nur angerufen und gesagt, dass ich NG eintragen soll“, erzählte die junge Frau.
Skye hingegen schaute in ihrer Termin-App und hatte nun in einer Stunde Schauspiel-Training. Und danach Photoshooting-Training.
„What?!“
Mia nahm ihr das Handy weg und zog die Augenbrauen zusammen.
Und so zogen sie los auf der Suche nach Yongmin. Der schien sich schon mit Absicht zu verstecken, doch er hatte unterschätze wie viele Leute Mia kannte und irgendwann fanden sie ihn in einem der kleinen Studios im Hauptgebäude. Der Manager schaute überrascht, als er die beiden Frauen sah.
„Hallo Yongmin, du kannst mir doch sicher erklären, was mit meinem Terminplan passiert ist?“
Skye war sauer und sie hatte auch schon eine Ahnung, doch für diesen Moment legte sie ihr freundliches Gesicht auf und stellte sich ahnungslos. Vielleicht gab es eine ganz plausible Erklärung für alles und ihre aufkommenden Rachegefühle wären unangebracht. Doch schon als der Manager seufzte, wusste sie, dass sie wahrscheinlich Recht behalten sollte. Wie so oft und immer dann, wenn sie nicht Recht haben wollte.
„Nach diesem Stunt von Kai gestern, sind wir uns nicht sicher, ob es geschickt wäre, dich in eine Gruppe einzubinden.“
Bam. Genau das.
„Was heißt das? Erstens ist es keine Gruppe, nur eine Subunit und sie sollten doch ohnehin nicht vor November … Dezember … Januar erscheinen. Das ist doch ewig hin. Meinst du nicht ihr reagiert etwas über?“
Mia hatte das Wort ergriffen, was Skye ganz recht war, bevor Wörter ihre Lippen verließen, die sie nicht mehr zurücknehmen konnte.
„Wir müssen erst einmal schauen welche Auswirkungen das Ganze hat. Wir denken, dass wenn Skye jetzt auf einmal Sängerin wird, die Leute das mit Kai in Verbindung bringen und wir wissen nicht ob das produktiv wäre.“
„Ach, aber wenn ich seine Freundin wäre, würde niemand denken, dass es etwas damit zu tun hätte?“, fragte Skye.
„Natürlich, aber dieser Stream hat für ziemlich viel Wirbel gesorgt und wir müssen schauen, wie sich die Dinge entwickeln. Vielleicht kommst du auch in die Subunit und ihr habt euer Debüt im Januar anstatt im Dezember. Ich dachte nur, dass wir dich solange weiter trainieren.“
„Als Schauspieler?“
„Ausländische, hübsche Schauspielerinnen die fließend Koreanisch sprechen kommen nicht so oft vor, dass könnte eine sehr lukrative Nische sein.“
„Für SM Town oder für mich? Denn soweit ich mich erinnere, habe ich der Subunit zugestimmt, weil ich gerne singe, nicht weil ich das Geld nötig hätte. Was ist mit Taehyung?“
Yongmin verstand wieso es Skye frustrierte, doch er konnte im Moment auch nichts an der Situation ändern. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er EXO nie erlaubt ohne Absprache zu streamen, dabei ist schon viel zu viel Blödsinn raugekommen.
„Bisher hat Big Hit sich noch nicht zurückgezogen, aber es könnte passieren. Die Leute könnten spekulieren, wieso Kai gerade jetzt eure Beziehung klargestellt hat und viele könnten denken, dass da mehr mit dir und Taehyung ist und Big Hit ist eigentlich sehr darauf bedacht ihre Künstler aus Skandalen rauszuhalten. Es kann also passieren, dass ihnen das zu tricky ist, aber bisher hat uns noch niemand informiert.“
Immerhin war er ehrlich und auf ihn war Skye auch nicht sauer. Mia sah aus, als wollte sie noch etwas sagen, doch die Amerikanerin kam ihr zuvor.
„Okay, ich bin Zuhause, sag mir Bescheid, wenn ihr wisst, was ihr mit mir tun wollt, aber steckt mich nicht einfach in irgendein Training, nur damit ich irgendetwas tue.“
War ja nicht so, als würde sie bezahlt werden. Skye verbeugte sich und ging dann. Mia folgte.
„Tut mir leid, ich hatte mich so auf dich gefreut, auf Fiji.“
„Schon gut.“ Selbst Skye hatte sich gefreut. Irgendwie.
Sie fuhr nicht nach Hause, sondern nach Hongdae. Skye musste den Kopf frei bekommen und sie hatte Hunger.
Also lief sie zu dem Panini-Stand, der etwas ab vom Schuss lag, nicht mitten im Zentrum von Hongdae und setzte sich mit ihrem Essen in den Park gegenüber. Es war ein schöner Sommertag und die Plätze ohne Schatten waren alle frei. Für Sonnenanbeter wie Skye war das super. Doch heute schaffte selbst sie es nicht den Tag zu genießen. Was würde sie jetzt tun? Was, wenn Big Hit einen Rückzieher machen würde? Das Album musste schon fertig sein, zumindest gab es da kein Zurück mehr, aber für die Promo? Sie könnten Skye nur als Playback einspielen und irgendeine Tänzerin ihren Platz einnehmen lassen. Eine blöde Aussage im Livestream. Mehr brauchte es nicht.
Sie schlenderte durch das Studentenviertel und erinnerte sich daran, wie unbefangen sie früher durch Seoul gestreift war. Es gab so viel zu entdecken, so viel zu fotografieren, so viele kleine Gassen und große Kreuzungen. Seoul war für sie immer noch ein großer Spielplatz. Nur heute nicht. Heute vermochte nichts ihren Kopf auf andere Gedanken zu bringen.
„Skye?!“
Jemand rief ihren Namen und sie drehte sich um, um der Stimme ein Gesicht zuordnen zu können. Es war Sunghee, eine Freundin aus der Unizeit. Sie fiel Skye um den Hals. Zuerst stockte die Amerikanerin, doch dann schloss auch sie ihre alte Freundin in die Arme.
„Ich glaube es nicht! Nach all den Nachrichten dachte ich, dass man dich nur noch mit Bodyguard aus dem Haus lässt!“
„Ja … na ja.“
Was sollte sie sagen? Was konnte sie schon sagen? Und ehe sie sich versah, hatte Sunghee sie zu einem Kaffee überredet.
„Und du bist doch nicht mit Kai zusammen?“, fragte die Koreanerin. Skye schüttelte den Kopf.
„Nein, auch wenn es nicht geplant war, dass es so herauskommt.“
Es war eine Gratwanderung zwischen dem, was sie sagen wollte und dem, was sie sagen durfte. Schließlich hatte sie zig Verträge, in denen immer wieder darauf hingewiesen wurde, dass sie nichts Internes nach außen tragen durfte.
„Es ist bestimmt spannend all die Idols zu kennen.“
„Sie sind Menschen. Sie lachen und weinen und haben schlechte Tage. Sie sind wie du und ich – nur das die halbe Welt sie kennt“, erwiderte Skye und nippte an ihrem Mint Chocolate.
„Dich kennt auch die halbe Welt! Ich habe dir schon immer gesagt, dass du zu hübsch und zu talentiert bist – es wundert mich, dass noch keiner auf die Idee kam aus dir ein Idol zu machen.“
Ah! Wenn sie wüsste!
„Du weißt, dass ich kein Fan von Massenveranstaltungen bin. Ich habe es schon nicht gemocht, wenn ich mit EXO irgendwo hin geflogen bin.“
Sunghee bekam große Augen.
„Aber natürlich, das ist auch zu verstehen, nachdem was dir zugestoßen ist! Wie furchtbar das war! Gibt es schon ein Urteil?“
Skye schüttelte den Kopf.
„Nein, wir waren noch auf die Verhandlung.“
„Ich hoffe sie bekommen ihre gerechte Strafe und das andere eine Lehre daraus ziehen.“
Für Skye war das alles eine schwierige Unterhaltung. Sie mochte Sunghee, doch sie musste ständig überlegen was sie antwortete, welche Wörter sie wählte und es war anstrengend.
Am Ende tauschten sie Nummern aus. Skye würden normale Freunde vielleicht guttun, aber es würde nicht ändern wer sie war. Die ganze Zeit so aufmerksam zu sein, hatte die Amerikanerin ganz schön gerädert und bis sie wieder Zuhause ankam, wollte sie nur noch schlafen. Sie wollte auch mit keinem reden, genervt von der ganzen Thematik und so horchte sie den Flur, ob sie Schritte hörte. Alles war ruhig und so ging sie weiter.
Womit sie nicht gerechnet hatte war, dass Tae vor ihrer Tür stand, viel mehr an der Wand lehnte und aufschreckte, als er Schritte hörte.
„Wie lange stehst du da schon?“, fragte sie grinsend und schlenderte auf ihn zu.
„Noch nicht so lange.“ Das war eine Lüge, er stand seit 1,5 Stunden vor ihrer Tür.
„Ich habe dir Blumen geholt.“ Der Strauß lag neben ihm und er reicht ihn Skye. Er hatte verstanden, dass sie bei Blumen sehr einfach gestrickt war. Weiß oder Rosa, aber sie mochte keine bunten Sträuße. Dieser hier war weiß geworden.
„Danke dir.“
Hätte er ihr mal lieber einen Vorschlaghammer geholt – Skye verspürte Lust etwas kaputt zu machen.
„Also, du kannst bleiben, aber ich muss mich hinlegen, meine Batterie ist total leer.“
Sein Blick ging hoch zum Schlafzimmer und ein leichtes Grinsen umspielte Seine Lippen.
„Du fragst mich, ob ich mit dir schlafen möchte?“
Grinsend nahm sie seine Hand und zog ihn mit hoch.
„Just looky looky, no touchy touchy.“
Von wegen ‚no touchy‘, kaum lagen sie im Bett, schon hatte Taehyung Skye zu sich gezogen und im Rhythmus seines Herzschlags schlief sie ein.
Nach 1,5 Stunden wachte sie auf und hatte schlimmere Kopfschmerzen als vorher, also gönnte sie sich eine Tablette. Sie erzählte ihm von Sunghee und wie anstrengend das Ganze war.
„Du hast doch auch … non-Idol Freunde, wie machst du das?“
Sie saßen an ihrem Esstisch und tranken eine Chai Latte.
„Es ist anstrengend, da gebe ich dir Recht, aber es ist nicht unmöglich. Vertrauen ist eine Sache die wachsen muss. Viele meiner normalen Freunde kenne ich noch von vor meinem Debüt und ich vertraue ihnen. Bei neuen Leuten bin ich sehr vorsichtig und ich teste sie auch und irgendwann kann man sich auch entspannen. Mit anderen Prominenten ist es einfacherer. Sie dürften vielleicht auch nicht alles wissen, aber man muss keine Angst haben, dass sie ihr Wissen an die nächste Zeitung verkaufen – im Endeffekt wissen wir alle übereinander so viel, um jeden zu zerstören, wenn wir es darauf anlegen. Also respektiert man sich. Wenn ich mit Leuten zusammen bin, die nicht aus der Szene kommen, dann finde ich das total interessant, wenn sie von ihrem Leben erzählen“, gab er zu und musste selbst darüber schmunzeln. Als wären normale Leute ein wissenschaftliches Projekt.
„Bin ich noch bei dir eingeplant?“
Es war die Frage, der Skye versucht hat aus dem Weg zu gehen. Allerdings zögerte Taehyung zu lange, um zu antworten, als würde er die Wörter in seinen Kopf erst sortieren.
„Deine Karriere bei SM und deine Zusammenarbeit mit mir sind eigentlich unabhängig voneinander.“
Skye war das Wort ‚eigentlich‘ schon aufgefallen.
„Aber?“
„Ich habe Morgen früh ein Meeting, dann wissen wir mehr. Eigentlich mischt sich Big Hit nicht in das Drama von SM Town ein und eigentlich, wenn du kein Trainee mehr bist, gehörst du ja auch nicht mehr zu SM Town.“
Huh. Daran hatte sie noch gar nicht gedacht. Sie hatte einen Vertrag für die Subunit unterschrieben, in dem festgelegt ist, dass wenn sie mit der Subunit veröffentlicht wird, sie für die folgenden drei Jahre im Zusammenhang damit zur Verfügung, nach dem Willen von SM Town, stehen muss. Doch von der Zeit davor steht dort eigentlich nichts, außer, dass sie den Trainingsplan einhalten muss. Ups. Aber Schauspieltraining hat ja auch eigentlich nichts mit der Subunit zu tun. Da war es wieder: Eigentlich.
PS: Soooooorry, dass ich so lange nicht gepostet habe. Erst war ich abgelenkt und dann im Urlaub – auf Korsika 😀 Es ist ganz lustig, weil ich EXO jetzt überall rumrennen sehe XD
Aber ich verspreche jetzt wieder regelmäßig zu posten =) Danke für eure Geduld!