Skye und Taehyung machte am Vorabend nichts mehr. Sie bestellten sich etwas zu essen und schauten einen Film. Tae schlief sogar bei ihr und niemand hielt ihn auf. Tatsächlich war es überaus verdächtig, dass sich niemand blicken ließ. Skye hätte erwartet, dass Chen, Chanyeol, Bae oder sogar Jongin bei ihr auf der Matte stehen. Oder Super Junior, um sie zu überreden wieder ihre Assistentin zu werden, nachdem sie jetzt nichts anderes mehr zu tun hatte. Oder die DIVAs, mit mehr Tequila. Doch niemand kam. Es war verdächtig ruhig auf dem Flur, doch Skye stellte es nicht in Frage.
Was die Amerikanerin nicht wusste war, dass BTS eine Durchgangssperre errichtet hatten und Wache hielten. Jin, Jimin und teilweise Namjoon und Jungkook hatten sich Stühle geholt und blockierten den Zugang und so ziemlich jeder, den Skye erwartet hätte, stand mindestens einmal vor der Blockade und egal welche Ausrede sie hatten, sie ließen niemand durch und schickten alle weg. Sie konnten verstehen, wie frustriert Skye sich fühlen musste und zumindest heute sollte sie ihre Ruhe haben können. Tae hatte ihnen Bescheid gegeben, als Skye zurück in der Fabrik war und bis Mitternacht hatten sie den Zugang blockiert.
Am Morgen musste Taehyung recht früh aufstehen und versprach sich zu melden, sobald das Meeting vorbei war. Skye wäre gerne dabei gewesen, einfach um die Möglichkeit zu haben sich zu verteidigen, doch nun hieß es wohl abwarten und Teetrinken. Nur dass das so gar nicht Skyes Ding war. Es lag ihr nicht geduldig zu sein und so schaffte sie sich eine Ablenkung.
„Good moooooorning!“, rief sie fröhlich, als sie ins Super Junior Dorm einmarschierte. Und keiner antwortete. Argwöhnisch schaute sie sich um und versuchte sich an den Terminplan der Sänger zu erinnern. Ihr Comeback war übermorgen, sie konnten nicht weit sein. Nach ein paar Augenblicken streckte Eunhyuk seinen Kopf durch seine Schlafzimmertür.
„Skye? Was tust du hier … mitten in der Nacht?“
Sie schielte auf die Uhr am Ofen.
„Es ist 10:12 Uhr“, stellte sie fest.
„Mitten in der Nacht … sage ich doch.“
Er kam aus der Tür raus und streckte sich, dabei schien ihm nicht aufzufallen, dass er nur Boxershorts anhatte. Erst als er Skyes Blick sah, schaute er an sich hinab und wurde schlagartig panisch. Dabei machte er so viel Lärm, dass Leeteuk aufwachte. Der hatte immerhin einen Pyjama an. Eunhyuk rannte ins Bad und kam mit einem Bademantel wieder heraus.
„Skye! Nackt! Klopfen!“, war alles was Eunhyuk herausbekam.
„Eunhyuk! Niemand interessiert’s! Nein!“
Nun streckte auch Kyuhyun den Kopf aus der Tür, er hatte immerhin noch ein Shirt über der Boxershorts an, war aber auch so gut vorbereitet, dass wohl hinter seiner Tür ein Morgenmantel hing, den er sich überstreifte.
Als sie dann feststellten, dass Skye Essen dabeihatte, wurde sofort die Kaffeemaschine angeschmissen und der Tisch gedeckt. Unsicher schaute Skye sich um.
„Er ist nicht hier“, beantwortete Leeteuk ihre unausgesprochene Frage.
„Okay … ich habe nicht …“
„Ich glaube er hat Angst dir ständig über den Weg zu laufen, deswegen wohnt er jetzt wieder in seiner eigenen Wohnung. Also in einer seiner Wohnungen…“, kam es von Kyuhyun, so früh am Morgen noch ohne Filter.
„Bist du hier, um uns davon zu überzeugen, dass du wieder unsere Assistentin werden sollst?“, wollte Eunhyuk wissen.
„Nein.“
„Nein?“ Ungläubigkeit lag in seiner Stimme.
„Nein.“
„Wieso nicht?“ Eunhyuk musste dem Ganzen tiefer auf die Gründe gehen.
„Erstens, weil ich noch nicht weiß, was aus DIVAs wird, zweitens weil ich noch nicht einmal weiß, was mit Taehyung nächste Woche ist und drittens, selbst wenn das alles nicht mehr klappen würde, hätte ich wahrscheinlich auch genug von SM Town.“
„Das kann ich verstehen“, kam es von Kyuhyun.
„Danke!“
„Auch wenn du ja eigentlich gar kein Idol werden wolltest“, setzte er noch nach. Ging nie ohne nachzuschlagen.
„Jemand mit einer Stimme wie Skye hat bestimmt schon immer davon geträumt auf einer großen Bühne zu stehen und die Massen zu begeistern, ich denke eher das es die Konditionen waren, die sie abgeschreckt hatten“, erklärte Leeteuk und Skye schaute erstaunt auf.
Manche Leute verstanden sie gar nicht und dann gab es Leute, die schienen sie ohne große Worte verstehen zu können. Sind wir mal ehrlich, wie viele Leute hatten eine wundervolle Stimme und konnten davon Leben? Nicht viele. Dazu kamen all die Leute, die keine gute Stimme hatten, aber dafür gutes Marketing waren und deswegen auf dem Markt überlebten. Doch kaum gute Sänger konnten es Vollzeit machen, weil es ein harter Weg bis an die Spitze war und auf der Spitze war nie Platz für viele Leute. In Korea war es nicht anders, nur dass in Korea der Kampf schon viel früher anfing. Man musste sich mit 12, 13, 14 schon den Entertainments opfern, sich gegen Konkurrenten durchsetzen. Die Schule litt darunter und am Ende wurde man vielleicht nie in eine Band gesteckt oder man wurde in eine Band gesteckt und scheiterte und plötzlich war ein Jahrzehnt, in dem man sich nie richtig um seine akademische Ausbildung kümmern konnte dahin und man war vielleicht 23, 24 Jahre alt und hatte einen mittelmäßigen Abschluss. Hello Starbucks! Skye war hingegen spielte eher auf Sicherheit. Toller High School Abschluss, toller Studienabschluss. Egal was passieren würde, das könnte ihr niemand nehmen. Mal abgesehen davon, dass sie reich war. Ganz ohne Arbeit ging es nicht für sie, ihr Kopf machte das nicht mit, aber sie musste sich auch nicht krank schuften, was bei vielen Idols der Fall war, physisch und psychisch. Wenn man sich allein schon Super Junior anschaute. Heechul konnte nicht mehr tanzen und hatte Dauerphysiotherapie. Leeteuk hatte auch diverse Schrauben in sich stecken. All das hielt ja aber auch nicht das koreanische Militär auf, wieso sollte sich ein Entertainment dafür interessieren?
Dann gab es die Magersüchtigen, weil Manager es witzig fanden ihre Sänger und Sängerinnen jede Woche auf die Wage zu stellen und auf Diät zu setzen, wie es ihnen beliebte. Dann gab es die mit Depressionen. Die, die sich selbst verletzten. Die, die gerne high wurden, auch wenn es verboten war. Und die, die zu gerne Alkohol tranken. Da es offiziell weder Alkohol- noch Drogensucht gab, gab es auch keine Statistiken und die Entertainments stellten für ihre Idols einen Fahrservice, damit sie nicht betrunken auf die Idee kamen sich hinter’s Steuer zu setzen.
All das klang für Skye nicht nach einer goldenen Zukunft und der Grund, wieso sie dem Ganzen eine Chance geben wollte war, dass es ‚nur‘ eine Subunit war. Eine Promotion, ein Album, vielleicht ein paar gemeinsame Auftritte, wenn die Hauptbands ein Konzert gaben, doch all das war überschaubar. Sie würde nicht für die kommenden zehn Jahre an SM Town gekettet sein.
Natürlich war es bewegend, wenn Hundertausende zu den Konzerten kamen um einen zu sehen, es war magisch und voller Energie und wenn man sich in dem Dschungel von Kpop behauptete, konnte man davon auch leben, gut leben. Skye behauptete, dass es nicht mehr als 120-150 Sänger im Kpop gab, die gut davon leben konnte, doch meistens auch nur weil sie moderierten, schauspielerten, modelten oder sich zweite Standbeine suchten. Wenn man all diese ‚Nebentätigkeiten‘ wegnahm konnte sich wahrscheinlich kaum jemand ein Haus für 9 Millionen kaufen. Kpop war das Sprungbrett, um aus seinem Gesicht eine Marke zu machen, ein Werbemittel und dann musste man hoffen, dass genug Leute Interesse an diesem Werbemittel hatten.
Mia war eine Pionierin als Ausländerin in Korea und hatte einige Werbeverträge mit Fitnessstudios, Nike, Proteinshakes, Northface und dann noch mit Tony Moly. Aber das waren Privilegien die wenigen geboten wurden.
„Skye“, riss Eunhyuk sie aus den Gedanken. „Lass all das hinter dir – komm zu uns. Wir werden dich beschützen, dich hegen und pflegen, dir wird es an nichts fehlen. Wir werden deine Meinung respektieren und dir alle Verantwortung, die du möchtest, in die Hand geben“, gelobte er.
Die junge Frau zog die Augenbrauen hoch.
„Zitat: Erstens: Als Assistentin von Super Junior repräsentiertest du stets die Band. Ergo ist es uns gestattet Veto in deiner Klamottenauswahl einzulegen. Zweitens: während deiner Zeit als Assistentin ist es deine Pflicht auf uns Acht zu geben, zu prüfen, dass wir genug essen und trinken. Es ist dir gestattet uns darauf hinzuweisen, sollte dir eine Essensauswahl nicht gefallen. Drittens: sexuelle Beziehungen – in- und außerhalb von Super Junior – sind untersagt. Viertens: Während deiner Zeit als Assistentin, sollte deine volle Aufmerksamkeit der Band gehören. Auf private Angelegenheiten können wir leider keine Rücksicht nehmen. Bitte beachte, dass es auch zu deinen Aufgaben gehören kann Erledigungen nachts durchzuführen. Fünftens: Und während deiner Zeit als Assistentin ist es verpflichtend im Dorm zu wohnen, damit du deine Arbeit optimal erledigen kann.“
Super Junior verblüffte nur noch wenig, aber keiner hatte damit gerechnet, dass sie diese Regeln exakt aufsagen konnte.
„Ernsthaft? Du hast die auswendig gelernt?“, fragte Kyu.
„Fotogenes Gedächtnis, was denkst du wieso ich so viele Sprachen spreche?“, erwiderte Skye schulterzuckend.
„Bei ihr hat man jeden Streit direkt verloren, die packt dir noch Dialoge von vor 15 Jahren aus“, flüsterte Eunhyuk Leeteuk zu.
Immerhin lenkten sie Skye ab und sie bekam etwas zu essen.
Etwas später, die Gruppe saß noch plaudernd zusammen, hörten sie, wie vor der Tür sich gestritten wurde. Schlagartig waren sie alle ruhig, um zu lauschen. Sie hörten mindestens zwei Stimmen, doch die Worte waren durch die dicke Metalltür so gedämpft, dass sie kaum ein Wort richtig verstanden. Sie schlichen sich zur Tür, in der Hoffnung dann mehr zu verstehen, als sich diese schlagartig öffnete. Leeteuk erschreckte sich, stürzte, riss Eunhyuk mit sich, dieser Kyuhyun und Skye konnte gerade noch einen geschickten Schritt zur Seite machen und war die einzige, die noch standen.
„10 Punkte für Reflexe“, lobte Eunhyuk. Die Amerikanerin hingegen sah sich Auge in Auge mit Jongin und Chen. Chen war weniger das Problem.
„Skye … ich habe dich gesucht“, begann Jongin und ging einen Schritt auf sie zu.
„Gut, ich habe nämlich eine Liste gemacht.“
„Eine Liste?“, fragte er irritiert.
„Ja, eine Liste mit Dingen, in denen du scheiße bist. Erstens: PR. Zweitens: Umgang mit Ex-Freundinnen. Drittens: Zukunftsorientiertes Denken. Viertens: Selbstreflexion. Fünftens: Abwägen von Konsequenzen.“
Jongin starrte sie wortlos an.
„Wenn du wüsstest mit wem er ausgeht, würdest du wahrscheinlich noch sechstens: Schlechte Rebound-Auswahl hinzufügen“, erwiderte Chen trocken.
„Das geht dich nichts an und sie ist kein Rebound!“, fuhr Jongin Chen an.
„Wait – who are you dating?“, fragte Skye nun skeptisch. Wieso sollte sie zu irgendjemand eine Meinung haben? Das könnte nur bedeuten, dass es jemand war, den sie kannte und wen, den sie kannte, konnte sie nicht leiden? Skye kam nur eine Person in den Kopf.
„You’ve gotta be kidding me!“
„Was? Mit wem geht er aus?“, fragte Eunhyuk, der nicht ganz folgen konnte.
„Es gibt vier Milliarden Frauen auf diesem Planeten und du wählst Jennie?! Schon wieder?! Sie hat mich beleidigt, mich gemobbt und versucht mich und Jiyong auseinander zu bringen. Du kennst die Geschichten und du warst dabei und jetzt willst du mir erzählen, dass du dich in diese Person verliebt hast?“
„Nein, ich habe mich in eine Frau verliebt, die sich um mich kümmert, die mich zum Lachen bringt und die meine Arbeit verstehen kann, die mich getröstet hat, als du einfach verschwunden bist. Jennie und ich sind schon letztes Jahr miteinander ausgegangen, doch dieser ganze Medienrummel von Dispatch war einfach zu viel und wir wollen uns einfach noch eine Chance geben.“
„Ewww… ich muss gleich brechen. Und lass mich raten, wahrscheinlich war es ihre Idee, dass du unseren Beziehungsstatus richtigstellst, um mir und Taehyung nicht im Weg zu stehen und dabei hast du ganz nebenbei meine Karriere zerstört.“
Skye zweifelte daran, dass es Zufall war, dass Jennie plötzlich ein vermehrtes Interesse an Jongin zeigte, nachdem Skye weg war. Jongin hingegen stockte. Es war wirklich Jennies Idee gewesen, nur dass es sich bei ihr plausibler und freundlicher angehört hatte, doch nun, als Skye es so sagte, fragte er sich, ob sie Recht hatte.
„Böse!“, rief Eunhyuk als er Jennies diabolischen Plan durchschaute und fand es erstaunlich wie schnell Skye hier eins und eins zusammengezählt hatte.
Er schüttelte energisch den Kopf.
„So war das nicht! Sie wollte einen Neuanfang, für uns alle.“
„Das glaubst du doch selbst nicht“, mischte sich Chen ein. „Aber du musstest ja auch erzählen, dass Skye einen Vertrag vorgelegt bekommt hat.“
„Skye habe ich auch interne Dinge erzählt!“
„Skye. Ist. Intern!“ Jongin war lauter geworden, aber Chen konnte das auch. Nachdem Chen seinen Bandkollegen so angefahren hatte, schwiegen sich alle an. Keiner wollte hier ins Kreuzverhör geraten.
„Also“, Leeteuk war der Mutige, der das Wort ergriff. „Ich denke es war nicht Jongins Absicht gewesen dir deine Karriere zu verbauen.“
Jong schüttelte den Kopf.
„Nichtsdestotrotz ist das alles sehr suspekt, nach deiner und Jennies Vergangenheit, deswegen verstehe ich Skyes Reaktion. Fakt ist: Das Ding ist gelaufen, was gesagt wurde, wurde gesagt und es ist jetzt wie es ist. Wir können daran nichts mehr ändern und ich hoffe für Skye, dass SM Town sich von all dem Drama nach von Skyes Stimme ablenken lässt. Aber Jongin-shi, du kannst so etwas nicht erzählen, vor allem nicht, wenn du weißt, dass die beiden kein gutes Verhältnis haben“, tadelte er den Jüngeren.
Schließlich hatte sich die Gruppe aufgelöst. Jongin war gegangen und schließlich auch Skye. Sie hatte sich eine Tasche gepackt, sich ins Auto gesetzt, war in einem Supermarkt gewesen und dann auf ihr Anwesen gefahren. Wer hätte gedacht, dass sie es so schnell brauchen würde? Schließlich war alles sauber, dass hatte sie gestern gesehen. Die Küche war eingebaut. Okay, es fehlten die Möbel, aber hey, es gab Schlimmeres. Die Bäder im Erdgeschoss waren auch schon gemacht und sie hatte fließend Wasser. Als sie auf Adavaci umgebaut hatte, hatte sie einige Wochen entweder in einer Hängematter oder in einer Hütte geschlafen, wenn es geregnet hatte.
Sie fuhr zum Haupthaus hoch, stockte aber dann und nahm eine Abfahrt, die sie zum Stall und dem Personalhaus brachte, wo die ganzen Möbel gelagert wurden. Ihr Innenarchitekt hatte geschrieben, dass sie unmittelbar nach der Abnahme der Sanierung mit dem Wiedereinrichten anfangen würden, doch Skye bezweifelte, dass sie damit schon heute angefangen hatten.
Sie parkte für dem kleinen Haus, was zwar nicht so pompös wie das Haupthaus war, aber auch diesen altenglischen Charakter hatte, mit Efeu, was an der Fassade hochwuchs. Später, wenn die ganzen Möbel im Haus waren, würde sie hier draus ein Gästehaus machen. Aus der Scheune wollte sie eine Partylocation machen, mit Galerie und Bar. Nicht nur für ihre eigenen Partys, doch Promis suchten immer nach schönen Locations, wo sie ihre Ruhe hatten.
Sie schloss die Tür auf und betrat das urige Haus. Die Möbel waren überall verteilt. Eigentlich suchte sie ihr Bett. Ihr Schlafzimmer sollte relativ auf einem Haufen stehen. Bett, Kommoden, Schreibtisch, Schränke, Stühle, doch Skye fand es nicht. Es war ein mächtiges Holzbett mit dicken Pfeilern, ungefähr 1,70 hoch und reichlich verziert. Das Kopfteil war nicht zu hoch und ebenfalls mit Schnitzereien versehen. Es waren nur Pfeiler, ohne Himmel, was Skye nicht mochte, weil es so erdrückend wirkte. Das Bett war riesig, fast 2,5 Meter breit und genau so tief. Wahrscheinlich war es auseinander gebaut.
„Frau Jones?“, rief eine Stimme in das Haus.
Sie war gerade im Wohnzimmer, weil sie davon ausgingen, dass im größten Zimmer sich die größten Möbel befanden.
„Herr Park?“, rief sie. Herr Park war ihr Gärtner. Sie stolperte zurück zur Tür und sah den älteren Mann.
„Ich wusste nicht das Sie kommen, was suchen Sie denn?“, fragte er.
„Mein Bett. Ich werde wohl ein paar Tage hier schlafen.“
Zuerst zog er die Augenbrauen hoch, lächelte dann aber.
„Kommen Sie mit, die Sachen sind in der Scheune.“
Gar nicht so dumm, schließlich war die Scheune groß und hatte ein Tor zum Aufschieben. Herr Park schob es beiseite und Skye blickte nicht nur auf alte Möbel, sondern auch auf eingepackte Teppiche und Matratzen! Bei einem Bett in dieser größer war eine Matratze eine Sonderanfertigung und Skye war froh, dass sie schon eine Matratze hatte. Das Bett war zu groß, das sah sie ein. Das würde sie nicht alleine schaffen, doch Herr Park hatte einen Pickup, für die Gartenarbeit, den sie mit einer Decke auslegten und dann hievten sie die Matratze rein und fuhren hoch zum Haus.
Herr Park half ihr die Matratze hoch in den ersten Stock in ein Schlafzimmer zu schaffen. Der Raum wirkte riesig. Er war zwar groß, doch ohne Möbel war er viel größer.
„Wird Ihnen das reichen?“, fragte der Gärtner und schaute auf die Matratze, die ziemlich verloren wirkte.
„Ja, ja, für heute wird es reichen.“
Ihre Innenarchitekten hatte sie eine Nachricht geschickt, dass sie zumindest ihr Schlafzimmer brauchte und man versprach ihr Morgen Leute vorbei zu schicken. Ihr Bad musste auch fertig gemacht werden und so hatte sie für jetzt ein anderes Schlafzimmer gewählt – war ja nicht so, als würde die Auswahl fehlen.
Ihren Koffer und ihr Bettzeug lud sie ab. Bettlaken hatte sie nicht, aber eine riesige Kuscheldecke, die dafür herhalten würde. Sie hatte sogar Handtücher dabei und ein großes Strandtuch, um die Sonne im Garten zu genießen. Sie räumte den Kühlschrank ein und nahm sich dann ein Glas Wein und legte sich in den Garten.
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Stunden vergingen. Taehyung hatte Skye zweimal angerufen, aber sie war nicht ran gegangen. Als er nach Hause kam hatte er sie nirgendwo gefunden, doch Chen hatte Namjoon getroffen und ihm erzählt, was heute Morgen passiert war und Namjoon hatte es Taehyung erzählt.
„Hm“, machte der Sänger nur.
„Was denkst du wo sie ist?“, fragte Jimin, der im Wohnzimmer saß.
„Wenn alles schief läuft auf Adavaci“, erwiderte Taehyung. Er hatte inzwischen begriffen, dass Skye sich in ihr Schneckenhaus zurückzog, wenn es ihr zu bunt wurde. Und das Jongin mit Jennie ausging war ziemlich bunt.
„Ich glaube nicht, dass sie das Land verlassen hat“, meinte Namjoon. „Ich habe gesehen wie sie Handtücher und Decken mit zum Auto genommen hat.“
Da zogen Jimin und Taehyung beide die Augenbrauen zusammen.
„Wo könnte sie hin sein, dass sie solche Sachen brauchte?“, fragten sie sich. Tae hätte als erstes Seunghyun vermutet, einfach weil sie Freunde waren und Seunghyun in der Vergangenheit oft an Skyes Seite stand. Doch wieso sollte sie Decken mitnehmen?
Wortlos stand Taehyung auf und verschwand.
15 Minuten später kam er zurück ins Dorm.
„Hast du sie gefunden?“, wollte Jimin wissen, doch er schüttelte den Kopf.
„Sie hat mir mal den Dachboden hier gezeigt, den sie an Ostern entdeckt hatte, ich dachte, dass sie sich vielleicht dort verschanzt hatte, um etwas Ruhe zu haben.“
„Wieso sollte sie denn die Decken ins Auto tun, um sie dann auf den Dachboden zu bringen?“, fragte Namjoon.
„Wieso ins Auto? Aus dem Auto!“
„Weil ich gesagt habe, dass ich gesehen habe, wie sie die Sachen ins Auto gebracht hat!“
„Wirklich? Nein, hast du nicht“, beharrte Tae.
„Hat er doch“, kam nun Jimin Namjoon zur Hilfe. Tae gab den Kampf auf. Er startete noch ein Versuch und schrieb Skye an.
Zu seiner Überraschung schickte sie ihm ihren Standort. Er schaute sich das auf der Karte an und verstand es nicht, dann eigentlich sollte dort gar nichts sein. Taehyung vergrößerte weiter, er sah nur Bäume, aber ein Park war es auch nicht. Dann kam eine weitere Nachricht ‚Kannst du Pizza mitbringen?‘. Nun wusste er, dass es ihr gut ging.
Als er losfuhr, schaute er wo eine Pizzeria in der Nähe war und bestellte dort vor. Mit zwei Pizzen im Kofferraum folgte er langsam dem Navigationssystem und schaute sich skeptisch um. Wo zum Teufel war sie? Was machte sie hier? Das Navi führte ihn zu einem großen Tor, Tae kam sich vor wie in einem Film. Er klingelte an der Sprechanlage und lehnte sich aus dem Wagen.
„Hallo?“, hörte er Skye im Lautsprecher.
„Pizzaservice!“
„Juhu!“, jubelte sie und das Tor öffnete sich. „Folge einfach dem Weg, biege nicht ab.“
Unsicher schaute er sich um, er verstand das Ganze immer noch nicht. Nach einer halben Ewigkeit, weil er so langsam fuhr, kam ein riesige Haus in Sicht. Skye stand in der Tür, sie trug einen weiten, weißen Rock und ein bauchfreies, rosa Oberteil. Ihre blonden Haare schienen in der Sonne. Taehyung hätte gerne eine Schneekugel daraus gemacht, nur nicht mit Schnee, sondern mit Glitzer.
Er kam zum Stehen und sie kam ihm entgegen.
„Hast du das Auto geschoben?“, fragte sie neckend und holte die Pizza hinten raus.
„Nein, ich dachte ich wäre in ‚Hänsel und Gretel‘ gelandet und wollte es genießen“, erwiderte er und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Er schaute sich um und der Mund stand ihm offen.
„Was ist das für ein Ort?“
„Mein neues Zuhause“, erwiderte Skye. Sie hatte zwar Essen geholt, aber natürlich hatte sie weder Geschirr, noch Kochsachen und wenn man etwas Richtiges essen wollte, dann ging im Moment nur Lieferservice.
„Dein neues…?“ Er schaute sich immer noch um, doch Skye nahm seine Hand und zog ihn mit sich.
„Ich erkläre es dir später, aber ich habe Hunger“, jammerte sie.
Sie aßen auf der Terrasse, auch wenn Taehyung sich gar nicht richtig konzentrieren konnte. Er war so in ‚awwww‘, dass Essen völlig nebensächlich waren.
„Was haben sie bei dem Meeting gesagt?“, fragte sie – viel schlimmer konnte der Tag ohnehin nicht mehr werden.
„Also … ich habe eine gute und ich habe eine schlechte Nachricht.“
Skye hatte ein Déjà-vu.
„Welche möchtest du zuerst hören?“
„Die Schlechte“, erwiderte sie.
„Du wirst leider nicht mit mir auftreten.“
Skye hatte es geahnt. Big Hit hatten es geschafft in der Vergangenheit ihre Künstler aus Skandalen rauszuhalten und im Moment würde es zu viel Aufmerksamkeit auf Skye und Taehyung ziehen. Sie verstand Big Hit, auf sie war Skye auch nicht sauer. Nur auf Jongin und Evil Jennie.
„Und die Gute?“, fragte sie. Taehyung fing an zu grinsen.
„Das bedeutet, dass du früher durch das BTSPGT kommst.“
„Durch das was?“
„BTS-Potential-Girlfriend-Trail“, erklärte Taehyung. Skye setzte ein Schmollgesicht auf.
„Ich wäre lieber mit dir auf Promotion gegangen.“
„Ist dir die Promotion lieber als ich?“, fragte er entsetzt.
„Na ja, die Promotion wären nur zwei Wochen gewesen, dann hätten wir ja …“
Aufgeschoben war nicht aufgehoben und um ehrlich zu sein, hatten sie vergangenes Wochenende eine Grenze überschritten, die sie klar von Freundschaft abtrennte.
Der Nachmittag flog an ihnen vorbei. Skye erzählte ihm die Geschichte, wie sie zu dem Haus gekommen war und machte einen großen Rundgang mit ihm. Taehyung war sichtlich beeindruckt und wollte alles wissen. Wer das Haus gebaut hatte, was der Tudorstil war, was sie mit den anderen Häusern machen würde, wann sie einziehen wollte und wie viele Geheimgänge es gab.
„Es ist wie ein Schloss! Es ist beeindruckend und einschüchternd und gleichzeitig aber auch gemütlich und schützend.“
Grinsend schaute Skye zu ihm, weil sie es genauso empfand und dass der Grund war, wieso sie sich in das Haus verliebt hatte.
„Und es ist nicht wirklich weit weg. Zu SME ist es von hier aus nicht viel länger, als von der Fabrik“, stellte sie fest – nicht das die Entfernung zu SME von großer Wichtigkeit wäre.
„Es ist ein Paradise“, stellte er fest. „Aber willst du hier jetzt wirklich schlafen? Ich will nicht sagen, dass du verwöhnt bist, aber es ist ja wirklich noch gar nichts hier.“
„Ich würde gerne etwas Abstand haben, nur ein paar Tage, bis ich mir sicher bin, dass ich Jennie nicht umbringe … oder Jongin …“
„Meinst du wirklich, dass sie Jongin das aus Bösartigkeit eingeredet hat?“ Taehyung wusste noch nicht so ganz, was er davon halten sollte, nur das Jennie in der Vergangenheit bewiesen hatte, dass ihr Skye egal war.
„Haben sie sich als Paar geoutet? Für sich hat sie das nicht gemacht und ich wette mit dir, dass in den kommenden sechs Monaten kein Outing dazu geben wird. Das wir zwei uns nicht outen war klar. Also hatte es nur den Grund Aufmerksamkeit auf Jongin und mich zu ziehen und somit auch auf dich, wenn ich mit dir zusammen promotet hätte.“
Es machte Sinn was sie sagte, nur gehörte Tae generell zu den Leuten, die gerne das Gute in anderen sahen.
„Jedenfalls …, wenn du einen Ort zum ausklinken brauchst … ich habe da auch so etwas…“
Mehr wollte er ihr nicht verraten und so packten sie Skyes Sachen wieder zusammen.
Sie fuhren zurück in die Stadt und kamen natürlich total in den Feierabendverkehr, was die Reise sehr schleppen machte. Sie riefen sich gegenseitig, von Auto zu Auto, an und erzählten sich Witze oder sangen Duetts, um die Zeit tot zu schlagen. Tae war zwei Autos vor ihr im Stau und eine Weile schien gar nichts voran zu gehen.
Nachdem sie den Knoten der Innenstadt überwunden hatten, atmete Skye erleichtert durch. Sie schlängelten sich durch die Innenstadt in Richtung Norden. Noch hatte Skye keine Ahnung, wo sie hinfuhren und war gespannt. Zwar wusste sie, dass alle BTS Mitglieder eine eigene Wohnung hatten, aber Taehyung hatte bisher noch nie darüber gesprochen und in all der Zeit, in der sie sich nähergekommen waren, war er nie mit ihr dorthin gegangen. Oder vielleicht war es auch nur ein Hotel, wo er ein Zimmer reserviert hatte – sie hatte keine Ahnung.
Der Weg verwirrte sie, links, rechts, links, rechts. Ohne Navigation hätte Skye nie wieder nach Hause gefunden – egal welches Zuhause. Doch irgendwann kamen ihr Dinge bekannt vor. Sie waren im oberen Teil von Bukchon, dort, wo sie auch mit Nikolai hingefahren war. Doch war es nicht nur die Gegend, es war am Ende das gleiche Haus! Taehyung öffnete die Garage unter dem Grundstück, dort passten bequem zwei Wagen hinein, auch wenn der Weg bis dorthin anstrengend war, weil die Gassen so schmal waren.
Skye stieg aus dem Auto und nun war sie in ‚awwww‘. Taehyung grinste, stolz, dass er etwas vor ihr geheim halten konnte.
„Du weißt, dass ich schon mal hier war?“
Vorbei mit dem siegessicheren Grinsen.
„Wie? Wann warst du hier?!“
Nun fing Skye fröhlich an zu lachen, fragte sich aber, ob Nikolai vielleicht nicht eingebrochen war und sie eigentlich ein Verbrechen begannen hatten.
„Kennst du Nikolai? Von der Kampfschule, wo auch Mias Kinder trainieren?“
Taehyungs Augen wurden groß.
„Warte, du warst mit Nikolai hier?! Er hatte mich gefragt ob es okay wäre, dass er für eine besondere Frau einen besonderen Abend plante, aber ich wusste nicht, dass du das warst!“
Die Welt blieb eben doch ein Dorf.
„Ich hatte gefragt, wem das Haus gehörte und er sagte nur einem Künstler“, erzählte Skye und holte ihre Tasche aus dem Wagen, die Tae ihr gleich wieder abnahm.
„Das war nicht gelogen“, bemerkte Taehyung. Aus der Garage führte eine Treppe hoch in den Garten. Es war noch immer beeindruckend. Als sie das letzte Mal hier gewesen ist, hatte sie sich gefragt, was das Hanok mit mehreren Gebäuden, Garten und Ausblick auf Seoul gekostet hatte, doch jetzt traute sie sich gar nicht mehr zu fragen. Er wird davon nicht pleite gegangen sein, sonst hätte er es nicht gekauft.
Er schloss das Hanok mit ‚Wohnzimmer‘, Küche und Teezimmer auf und stellte Skyes Tasche ab.
„Willkommen in meiner Insel.“
Sie wollten sich Paninis holen und es wunderte Taehyung nicht, dass sie den Laden kannte. Zielsicher war sie durch die Straßen gegangen bis zu dem kleinen Laden.
„Du hast mein Hanok nicht gestalked oder?“, neckte er sie und Skye schupste ihn.
„Nein, ich habe hier oft fotografiert, tagsüber, aber auch nachts“, erzählte sie. Sie mochte alte Häuser bei Nacht. Das Ganze ging einmal sogar so weit, dass sie mit einem Sicherheitsmann vom Changdeokgung ausgegangen war, damit sie nachts in die Palastanlage konnte. Er hatte an ein romantisches Date gedacht, Skye ans Fotografieren. Bis vor 20 Jahren hatten hier noch die letzten Mitglieder der königlichen Familie gelebt, zwei Frauen, eine davon war die Ehefrau des ehemaligen Thronerbens und die andere, so glaubte Skye, die verrückte Schwester des ehemaligen Thronerbens. Yay.
Als sie mit Nikolai in Bukchon gewesen ist, war es noch kalt und dunkel gewesen. Jetzt war es Sommer, viele Leute waren auf den verwinkelten Straßen unterwegs, so das Taehyung einen Mundschutz und einen Fischerhut aufhatte. So liebte Skye Bukchon. Eigentlich liebte sie so ganz Korea. Wenn man abends noch draußen sitzen konnte und alles nach Blumen und frischem Gras roch.
Sie holten sich wieder Paninis und liefen zurück zum Hause, Hand in Hand. Es gab Skye eine gewisse Sicherheit und sie lehnte sich leicht an ihn.
Die beiden aßen im Garten. Taehyung hatte eine Flasche Wein aufgemacht und sie genossen es im Sonnenuntergang über die Stadt zu blicken.
Irgendwann entschuldigte sich Skye kurz und kam im Bikini zurück. Tae verschluckte sich fast.
„Soweit ich weiß hast du einen Pool?“, fragte sie unschuldig. Taehyung brauchte keine weitere Einladung und zog sich ebenfalls um. Ein Pool als Innenhof konnte tricky sein. Wenn man vielleicht getrunken hatte oder mitten in der Nacht aufwacht, konnte es leicht passieren, dass man hineinfiel. Sie schaute zu Tae.
„Wie oft bist du schon aus Versehen in den Pool gefallen?“
Fröhlich lachte er und fühlte sich ertappt.
„Ein paar Mal“, gab er zu.
Unweigerlich kamen sie sich näher. Seit dem letzten Wochenende war es wie … Gravitation. Schon vorher hatte Skye sich zu ihm hingezogen gefühlt und gelegentlich hatten sie einander einen Kuss gestohlen, doch jetzt sehnte sie sich nach mehr. Vielleicht lag es auch daran, dass sie seit drei Monaten oder so keinen Sex mehr hatte – und das eine Mal in New York ignorierte sie bei dieser Statistik. Doch bei ihm schien es nicht anders zu sein. Er war sonst schüchtern und eher zurückhaltend, aber nun schien er wie aufgetaut oder wachgeküsst zu sein. Er zog sie zu sich und Skye verlor sich in seinen Armen.