Wann war sie eigentlich ins Bett gekommen? Skye hatte keine Ahnung. Als sie am nächsten … Morgen? Wie spät war es eigentlich? Skye nahm sich ihr Handy. 10:38. Ging ja noch. Jedenfalls, als sie aufwachte war niemand mehr da, was nicht bedeutete, dass nicht der ein oder andere vielleicht doch hier geschlafen hatte.
Skye schaute auf ihr Handy und hatten 80 neue Nachrichten.
„What the …?!“
Was war denn bitte zwischen gestern und heute passiert? Sie öffnete Line und stellte fest, dass Taehyung, Jungkook und Jimin sie vollgespammt hatten. Mit Chuseok-Bildern. Irgendwer hatte tatsächlich Hanboks mit nach Neuseeland gebracht, damit sie Chuseok feiern konnten und irgendwer fand es witzig ihnen Essen hinzustellen, damit sie koreanisch kochen konnten. In ihrem Adventure-Truck. In der Wüste.
Bae war wohl auch noch im Bett, doch Frau Kim hatte unten wohl schon aufgeräumt. Wobei es gar nicht so schlimm aussah, sofern sich Skye noch daran erinnerte. Sie mochte es nicht, wenn andere hinter ihr aufräumen mussten und selbst mit Personal, war sie trotzdem sehr ordentlich. Sie hatten die Gläser in die Küche gestellt, die Flaschen wieder verstaut und die Knabbersachen zurück in den Schrank gepackt.
„Guten Morgen Frau Jones“, kam es von Frau Kim, die Skye gar nicht bemerkt hatte.
„Oh, guten Morgen! Wieso haben Sie nicht frei?“ Schließlich war Chuseok.
„Ich wollte nur schauen, ob Sie noch etwas zu Essen im Kühlschrank haben und kurz nach dem Rechten sehen“, erwiderte die Haushälterin und erwärmte damit Skyes Herz.
„Möchten Sie etwas frühstücken?“
„Nein, nein, schon in Ordnung, ich mache mir dann etwas.“
„Quatsch, ich bekoche seit Tagen meine Familie, da sind Sie viel unkomplizierter.“
Skye wusste nicht, ob das gut oder schlecht war, fand sich aber mit ihrem Schicksal ab und ließ sich Rühreier und Toast machen.
Wenn sie auf Adavaci war, musste sie mit dem Essen aufpassen. Wenn sie Ei aß – und es war völlig egal in welchem Aggregatszustand – dann wäre der nächste Tauchgang gelaufen. Eigentlich hatte sie einen Saumagen. Es musste viel passieren, damit Skye sich übergab, aber Ei und dann Tauchen war das perfekte Rezept dazu. Nicht das sie besonders stolz darauf wäre. Es hatte auch nichts mit Strömung oder Anstrengung zu tun, es konnte der einfachste Tauchgang der Welt sein, völlig egal. Sie hatte auch fast eine Woche gebraucht um herauszubekommen, woran es lag. Böse Zungen auf der Insel hatten ja schon verbreitet, dass sie schwanger sei. Von Friday.
Als Frau Kim dann ging, gab Skye ihr noch eine Kiste koreanischer Birnen mit. Frau Kim wollte sie natürlich nicht annehmen, doch Mia hatte so viele geholt, dass Skye die Birnen aus den Ohren rauskommen würden, wenn sie alle essen musste und diesmal musste sich Frau Kim geschlagen geben.
„Why did you get breakfast?“, beklagte sich Jamal und hing auf der Theke wie ein Schluck Wasser.
„I’ll make you breakfast.“
„Really?“ Sie sah ein Funkeln in seinen Augen.
„Yeah, but you gotta wake the others.“
Wie gewonnen, so zerronnen dachte sich Jamal wohl und ging los.
Es dauerte noch nicht mal so lange, wie Skye gedacht hatte und sie hatte bereits angefangen. Sie hatte sich aus Deutschland Aufbackbrötchen schicken lassen. Manchmal musste sie dekadent sein, aber hey, nichts kam an Brötchen. Brot war schon wieder schwieriger, das konnte man nicht einfach aufbacken, doch dafür gab es in Seoul inzwischen Bäckereien, die das ganz gut hinbekamen. Dazu machte sie Rühreier und Speck und im Kühlschrank hatte sie Schinken, Salami und Käse. Sie ließ es sich nicht nehmen selbst noch ein Brötchen zu essen solange sie noch warm waren.
Nach dem Frühstück verabschiedete sich Baekhyun und fuhr ins Studio. Um 13:30 Uhr würden Jiyong, Bang Shi-Hyuk und noch zwei Manager von Big Hit kommen, um alles zu besprechen. Jamal und Nate würden dabei sein, denn wie bei all ihren Firmen, würden sie auch bei G-Next mit drinhängen. Deswegen hatte Skye schon letztes Jahr Headsets geholt. Via einer App waren alle miteinander verbunden, jeder konnte seine ‚Output‘-Sprache einstellen. Wenn also jemand auf Koreanisch sprach, würden es Nate und Jamal durch das Headset auf Englisch hören und wenn sie Englisch sprachen, würden die anderen es auf Koreanisch hören. Es war ein ziemlich ausgeklügeltes System und machte die internationale Kommunikation um einiges einfacher. Die App war gut und wenn doch etwas falsch übersetzt werden würde, wäre ja immer noch Skye da, um zu übersetzen.
Es gab Tausend Dinge, an die sie denken musste und Skye hatte sich schon zig Notizen gemacht, von Dingen, die sie geklärt haben wollte. All das war eine gute Ablenkung. Am Donnerstag war die Gerichtsverhandlung und Skye war ganz froh, dass sie nicht zu viel daran denken musste. Ihr Anwalt hatte sie ein paar Mal angerufen und war mit ihr die wichtigen Eckpunkte durchgegangen. Um ehrlich zu sein war die Amerikanerin zwiegespalten. Am liebsten würde sie nicht hingehen und wenn sie hingehen würde, dann eigentlich nur, um die beiden Frauen zu vermöbeln. Wahrscheinlich würden sie es auf die Psycho-Schiene schieben. Eigentlich waren sie ja gar nicht daran schuld, würden sie sagen. Sie würden auf gemilderte Umstände plädieren. Das konnten sie vergessen. Skye hatte so einen Hai-Anwalt, der alles zerstörte, was ihm in den Weg kam. Sie wollte sie zerstören. Gesellschaftlich. Finanziell. Jeder der einem anderen Menschen – oder wenn es nach Skye ging auch anderen Lebewesen – etwas antat, hatte es nicht anders verdient. Es gab keine Ausreden. Es gab viel zu viele kranke Menschen auf dieser Welt. Leute wurden von völlig Fremden vor einfahrende Züge geschupste. Leute wurden entführt, Kinder vergewaltigt, Menschen aufgegessen, in Tiefkühltruhen aufbewahrt. Und über Tiere wollte sie gar nicht nachdenken.
„Miss Jones?“ Jamal hatte sie schon mehrfach angesprochen, doch erst jetzt schien er zu ihr durchzudringen.
„Huh? Sorry.“
„Still sleeping? Sober up, meeting’s in one hour.“
Und es wurde ein langes Meeting. Es wurden die Verträge besprochen, denn Skye wollte nicht solche ‚Sklavenverträge‘. Bei ihr gab es auch keine 10-Jahres-Verträge, sondern nur 5 Jahre. Jiyong, der selbst Künstler war, teilte oft ihre Meinung und wenn sie nicht einer Meinung waren, dann erklärte er ihr, wieso manche Klauseln doch recht sinnvoll waren. Ebenso wollte Skye, dass ihre Künstler Geld bekamen, praktisch ein Vorschuss. Wie oft hörte man von Trainees, dass sie sich nichts zu essen kaufen konnten. Sie bekamen eine Wohnung und einen Manager, der für sie einkaufte, aber sie wollte trotzdem, dass die Trainees ein Gehalt bekamen, und wenn es nur 500$ waren. Auch nach dem Debüt blieb die ersten Monate, manchmal Jahre nichts für die Musiker übrig, weil sie die Schulden ihrer Ausbildung abbezahlen mussten. Und hier wurde viel betrogen, da viele dieser Kosten gar nicht nachzuvollziehen waren. Skye wollte das transparenter machen und sie wollte realistische Preise. Es sollte drei Stufen geben:
1. Stufe: Cadets
Dies waren die Trainees, die durch das Casting kommen würden oder die von Talentscouts aufgelesen wurden. Ihnen würde man einen 2 Jahres Vertrag anbieten. G-Next würde ein Gebäude als Dorm mieten, wo Trainees kostenfrei wohnen konnten. Voraussetzung würde sein, dass sie an 70% der Trainingseinheiten teilnahmen. Dies würde jeden Monat geprüft werden. Skye wollte hier etwas Puffer einbauen, falls jemand für die Schule lernen musste oder einen Nebenjob hatte. Wenn jemand sie 70% nicht schaffte gab es eine Verwarnung. Wenn innerhalb von 3 Monaten das noch mal vorkommen würde, wäre man raus.
Des Weiteren würden sie die Schulnoten prüfen. Es war zwar wichtig sich auf das Traineeleben zu konzentrieren, doch sie wollten den Leuten ihre Zukunft nicht verbauen.
Im Dorm würde es Essen geben, Reise, Ramen und andere Schnellgerichte. Alles andere müssten die Trainees selbst kaufen.
2. Stufe: Residents
Dies würden die Trainees sein, deren Karriere in die nächste Phase eingeleitet wurde. Hier würde die potentielle Band ein gemeinsames Dorm, innerhalb des G-Next Dorms bekommen. Eine eigene Wohnungseinheit sozusagen. Diese Trainees würden auch ein kleines Gehalt bekommen, da der intensivere Trainingsplan kaum Zeit für einen Nebenjob freigab. Die Residents, die noch nicht mit der High School fertig waren, würden die High School abschließen müssen, auch wenn sie dann schon debütiert waren. Skye und Jiyong wollten, dass jeder die Chance hatte zu studieren und auch nach seinem Idol-Leben in der freien Wirtschaft Fuß zu fassen. Sie würden ebenfalls einen 2 Jahres Vertrag angeboten bekommen, der nur frühzeitig endete, wenn sie mit einer Band debütierten. Dann würden sie neue Verträge bekommen
3. Stufe: Keeper
Das würden die Trainees sein, die debütiert haben. Sie würden einen 5 Jahre Vertrag erhalten. Ebenfalls würden sie ein Dorm außerhalb des G-Next Dorms bekommen.
Des Weiteren würde es verschiedene Staffelungen an Gewinnanteile für G-Next geben. Wenn Songs selbstgeschrieben und/oder produziert wurden, würden die Künstler einen höheren Anteil erhalten.
Sie sprachen lange was in die Verträge der Trainees und der Keeper kommen würde, um sie zu schützen, aber auch das Entertainment. So war es Keepern in der ersten ‚Amtszeit‘ verboten eigene Geschäfte nebenbei zu haben, was natürlich keine Mutti davon abhielt ein Café aufzumachen. Sollte der Vertrag dann verlängert werden, würde die Klausel rausfallen und die Idols konnten in ihrem Namen Geschäfte haben. Allerdings behielt sich G-Next vor hier unangekündigte Prüfungen vorzunehmen, ob alles mit rechten Dingen zuging. Falls nicht würde der Sänger sofort gekündigt werden und würde keine weiteren Provisionen erhalten. Das war für solche Fälle wie Seungri.
„Was ist das für ein Hauptgebäude, was du in die Schneekugel gepackt hast?“, erkundigte sich Skye, der der Kopf brummt.
„Ich habe vor einem Jahr ein Haus in Cheongdam gekauft. Es ist viel zu offen, als das ich da wohnen würde und bisher hatte ich noch keine Verwendung dafür gefunden. Es hat fast 1000qm, auf fünf, sechs Ebenen. Es ist zentral gelegen, ist modern und hell. Ich denke es eignet sich hervorragend als Headquarter.“
Cheongdam war ein Viertel in Gangnam, auf der anderen Seite der Rodeo Road. Jeajoong hatte dort mitunter sein Café … gehabt? Um ehrlich zu sein wusste Skye nicht, ob es das Café noch gab. Überwiegend ist es eine Wohngegend, aber in den vergangenen Jahren sind dort viele moderne Gebäude entstanden, die Restaurants, Friseure oder Chirurgen beherbergten.
„Bist du sicher? Du könntest es gewinnbringend verkaufen.“
Sicherlich war das Haus einiges wert, vor allem in der Lage.
„Nein, es hat jetzt ein Jahr leer gestanden, weil ich nicht wusste was ich damit machen soll. Es fühlt sich richtig an. Wir können es uns gerne zusammen anschauen.“
„Von der Lage ist es wirklich gut. Ich denke, ich kenne das Haus und ich denke es wäre ein gutes Aushängeschild für das Entertainment. Neu bauen würde zu lange dauern und wäre teuer und wenn ein Gebäude gemietet wird, müsste es trotzdem saniert werden, um euren Vorstellungen zu entsprechend. Ich denke auch, dass es die richtige Entscheidung ist“, kam es von Bang Shi-Hyuk.
In der kommenden Woche hätten sie ein Vorstellungsgespräch nach dem anderen. Sie brauchten einen Marketing-Chef, einen PR-Chef, den Head of A&R, Head Social Media, Buchhaltungschef, Supervisor-Manager, Chef-Trainer, der das Training koordinieren würde, Chef-Security und noch weitere Positionen, an die sich Skye nicht mehr erinnern konnte. Sie würden sich 3-5 Leute zu der einzelnen Position anschauen und derjenige, der den Job bekam, würde dann seine Abteilung aufbauen.
Jiyong wollte inoffiziell schon am 1. November durchstarten, offiziell ab 1. Dezember. 2,5 Monate war nicht lange, um ein Entertainment zu gründen. Zumal Big Bang noch aus ihren Verträgen mussten.
„Was ist mit Honey?“
„Honey?“
„Honey.“
„Ich weiß schon wen du meinst, aber was soll mit ihr sein?“, fragte Jiyong.
„Ich habe gehört, dass sie gut ist“, erwiderte Skye. „Wollen wir sie anwerben oder meinst du, dass sie mehr Ärger macht, als Gutes bringt?“
Skye mochte Honey. Irgendwie. Aber es schien immer viel Strömung zu sein, wo Honey auftauchte.
„Lad sie zu einer Audition ein und überzeuge dich selbst. Ich denke sie ist privat etwas ruhiger geworden“, grübelte der Musiker.
„Okay und noch etwas anderes. Ich möchte ein Casting für Männer, die ihren Militärdienst schon hinter sich haben, vielleicht bis … 24 Jahre? Es wäre toll, wenn wir Werbung in der Armee machen könnten.“
Alle schauten Skye fragend an, keiner sagte ein Wort.
„Ihr versteht schon wieso?“, fragte sie unsicher.
„Du willst, dass die Band ihren Militärdienst schon hinter sich hat, damit sie nicht auf dem Höhepunkt ihrer Karriere auseinandergerissen werden“, schlussfolgerte Jiyong und nickte anerkennend.
„Ja und in Korea ist es sicher nicht sehr anders als in Amerika, wo viele nach der High School erst mal zum Militär gehen, weil sie vielleicht keine Collegezusage bekommen haben oder einfach nicht wissen, was sie wollen. Und dann sind sie 20, 21, 22 Jahre und sind damit ja eigentlich immer noch jung genug. Sie sind nicht mehr ganz so jung, sie sind hartes Training gewöhnt, einen geregelten Alltag …“
„Skye, das ist eine geniale Idee“, kam es von Bang Shi-Hyuk. „Ich werde mal ein paar Kontakte spielen lassen.“
Es war nach 19 Uhr, als sie mit dem Meeting fertig waren und alle waren ziemlich erledigt. Nate und Jamal wollten in die Stadt, doch Skye konnte sich einfach nicht aufraffen und so waren sie alleine gefahren. Mit einem Taxi. Soweit, dass sie mit dem eigenen Auto fahren würden, waren sie noch nicht und Skye hatte auch geschaut, dass ihre Handys geladen waren, nicht dass sie sie wieder verlieren würde. Noch einmal würde sie die Stadt nach ihnen nicht durchforsten.
Als alle weg waren legte Skye sich auf dem Teppich im Kaminzimmer. Stille. Wow. Stille war toll. Es war ein wichtiges Meeting gewesen und sie hatten vieles in die richtigen Bahnen lenken können, doch all das änderte nichts dran, dass es anstrengend gewesen ist. Und sie hatte Hunger und wusste nicht auf was. Das war ätzend. Wenn der Magen knurrte und eine Welt voll mit Essen stand einem zur Verfügung und man konnte sich einfach nicht entscheiden, was man essen wollte.
Sie lag dort eine Weile und starrte die Decke an. Komplexe Fragen konnte sie beantworten, aber so etwas Einfaches wie ‚Was will ich essen?‘ überforderten sie total. Irgendwann klingelte die Tür. Skye blieb liegen, bis sie begriff, dass gar kein anderer da war, um die Tür zu öffnen und raffte sich auf. Zu ihrer Überraschung stand Seunghyun vor der Tür und er hatte zwei Pizzakartons im Arm.
„Hast du …?“
„Jup.“
„Aber ist da …?“
„Salami, Schinken, Pilze, Mais, etwas scharf“, erwiderte er erneut, ohne die Frage bis zum Ende zu hören. Skye zog die Augenbrauen hoch.
„Hast du auch an …?“
„Knoblauch-Dip gedacht? Natürlich, doppelte Portion und keine Gurken.“
Sie schaute ihn einen Moment an. In diesem Moment war er der perfekte Freund, also „Freund“. Skye wusste, dass ihr Essensgeschmack recht weit auseinander gingen und doch hatte er so gut aufgepasst, um ihre Pizza so zu bestellen, wie sie es mochte. Dann begann sie zu lächeln.
„Du bist mein Retter in der Not.“
„Stets zu Diensten.“ Er deutete eine Verbeugung an.
Gemeinsam saßen sie auf der Terrasse mit einem Glas Rotwein.
„Woher wusstest du, dass Meeting fertig ist?“
„Ich habe mit Ji telefoniert und er hörte sich schon so an, als würde sein Kopf rauchen und da dachte ich mir, dass du vielleicht etwas zu essen bräuchtest.“
Schlaues Kerlchen. Sonst war Jungkook für solche Sachen zuständig. Der Kerl war ständig am Essen! Sie wusste gar nicht wo er das alles hin futterte! Wenn JK da war, lagen überall Knabbersachen und Schokolade im Haus verteilt. Noch eine Woche, bis sie zurückkommen würden. Also eigentlich noch 8 Tage, aber Skye rundete hier großzügig ab. Sie hatte sich schon sehr an BTS gewöhnt und vermisste sie, auch wenn sie ständig mit Taehyung und Jungkook und inzwischen sogar Jimin schrieb. Jimin machte das, vermutete Skye, nur, um die anderen zu ärgern.
Die Pizza tat gut und die Amerikanerin fühlte sich danach viel entspannter.
„Du vermisst Taehyung“, stellte er fest.
„Ich … nein …“ Es war komisch mit Seunghyun über Taehyung zu sprechen. Sie hatten keine Beziehung – also weder mit dem einen, noch mit dem anderen – doch mit dem einen schlief sie und dem anderen hatte sie ihre Liebe gestanden.
„Du schielst ständig auf dein Handy“, erwiderte er.
„Sorry, war keine Absicht.“
„Glaubst du ihr bekommt das hin?“
„Ich …. hoffe es, ansonsten wäre es ziemlich viel Energieverschwendung gewesen.“
Das brachte ihn immerhin zum Lachen.
„Glaubst du wir bekommen das mit G-Next hin?“, fragte sie nun ihn.
Geld war Geld. Das hatten sie. Doch würde man sie akzeptieren? Würde man eine Amerikanerin als Kopf eines Entertainments in Korea akzeptieren? In einer Band? Was, wenn sie die IDOLLs nicht von SM abkaufen könnte? Dann müssten sie bei Null anfangen. Debüt: 2024.
„Ich denke du bekommst das hin“, beantwortete er ihre Frage zuversichtlich. Er machte auch nicht den Eindruck, als wäre es so eine Mitleidsantwort.
„Erinnere dich an die Versteigerung, als SM und Big Hit um die Wette geboten haben. Sie haben dein Talent erkannt.“
Ach ja, die Versteigerung.
„Apropos Versteigerung – wann löst du deine Stunde ein?“, fragte sie und grinste schelmisch.
„Ich hebe sie auf, bis du ein Star bist und dann versteigere ich sie weiter.“ Nun war er am Grinsen und Skye blieb der Mund offenstehen.
„Das würdest du nicht machen?!“
„Nein, aber vielleicht könntest du auf meiner Hochzeit eines Tages singen – oder auf meiner Beerdigung, je nachdem was früher eintrifft.“
Die Amerikanerin schaute entsetzt.
„So was sagt man nicht! Ich verspreche dir hoch und heilig, wenn du stirbst und du schreibst in dein Testament, dass ich auf deiner Beerdigung singen soll, dann werde ich …. ich werde … ein blödes Lied singen! So etwas wie ‚Let it go‘ oder ‚Bubble Pop‘!“
Seunghyun fing bei dieser Drohung herzlich an zu lachen.
„Na jetzt möchte ich auf meiner Beerdigung dabei sein!“
Nachdem sie sich wieder etwas beruhigt hatten gingen sie raus zum Rauchen.
„Wollen wir einen Film gucken?“, fragte sie vorsichtig.
Sie konnte nicht sagen, was Seunghyun für sie war. Sie konnte nicht beantworten, ob sie immer noch mit ihm schlafen wollte oder nicht, aber irgendwie hatte sie das Gefühl, dass … keine Ahnung. Skye hatte einfach keine Ahnung.
„Um ehrlich zu sein habe ich da so ein … Ding“, erwiderte er.
„Ding?“, fragend hob Skye die Augenbrauen, doch dann fiel der Groschen. Ein Date-Ding? Ein Sex-Ding? Jedenfalls ein Frau-Ding.
„Oh“, kam es aus ihrem Mund, als sie den Wink verstand. Welche Gefühle löste das in ihr aus? Eifersucht? Nein. Das Problem mit One Night Stands war, wenn sie keine One Night Stands waren. Seunghyun und Skye waren Freunde. Er war ihr T-OPpa. Wenn man einmal miteinander schlief, dann konnte man das auf den Alkohol schieben, auf den Moment, doch wenn es zur Gewohnheit wurde, dann befand man sich in einer Zwischenzone. Nicht Fisch, nicht Fleisch. Nicht Tag, nicht Nacht. Nicht Schwarz, nicht weiß. Skye liebte Taehyung. Auch wenn sie sich versucht hat zu wehren, dieser Tatsache musste sie jetzt ins Gesicht schauen. Nichts desto trotz hatte sie gewisse Gefühle Seunghyun gegenüber. Vielleicht lag es an der Unbefangenheit.
„Das stört dich nicht, oder?“
„Nein, quatsch“, erwiderte sie direkt, ohne sich Gedanken darüber zu machen. Es durfte sie nicht stören. Sie hatte Taehyung und sie wollte ihn. Seunghyun war nur eine Ablenkung gewesen.
Als Seunghyun weg war lag sie wieder auf dem Sofa im Kaminzimmer und starrte an die Decke. Wieso fühlte es sich an, als wäre sie abserviert worden?
„Bullshit“, sagte sie und setzte sich auf um Nate und Jamal anzurufen. Vielleicht sollte sie doch weggehen. Einfach mal raus. Tanzen.
„La?“ Jamal ging fast flüsternd ans Telefon.
„Hey Mal, change of plans, where you at?“
Sie erwartete, dass er sich freute, dass sie mit ihnen feiern ging, doch stattdessen stockte er.
„Ehm … we still had that number of that Noah guy so we called him to see what’s poppin tonight and he sent us the address of an … club with ehm … many ladies. I don’t think this would be the right place for you.“
Super, jetzt waren die in einem Stripclub oder sonst wo! Danke Noah!
Trotzdem machte sie sich fertig und fuhr in die Stadt. Sie musste raus, musste weg, bevor ihr die Decke auf den Kopf fiel. Mal abgesehen davon, war sie ein wenig neugierig – sie wollte dieses Headquarter mit eigenen Augen sehen. Es war nicht sonderlich schwierig die Adresse rauszubekommen, für was gab es denn das Internet? Skye gab die Adresse in ihrem Navi ein und fuhr los. Es war immer noch recht warm. Im Haus bekam sie es nicht so mit, da die dicken Wände gut isolierten, doch jetzt merkte sie es, wie die Hitze sich den ganzen Tag über aufgestaut hatte. Obwohl Skye Amerikanerin war, war sie kein Fan von Klimaanlagen – werde Zuhause, noch im Auto. Natürlich hatte sie eine Klimaanlage – sowohl Zuhause, als auch im Auto.
Lieber hatte sie das Fenster offen, wobei sie das Zuhause mit den drei kleinen Kätzchen im Moment nicht riskieren wollte.
Cheongdam lag südlich im Gangnam, dass durch die Hauptstraße von Apgujeong in zwei geteilt wurde. Auf beiden Seiten der Hauptstraße befand sich ein Mischmasch von Gebäuden. Auf der Apgujeong-ro befanden sich die namenhaften Designer, die dort keine Läden, sondern ganze Häuser hatten. Doch dahinter lag ein Gewirr aus Wohnhäusern, die zwischen den hypermodernen Gebäuden irgendwie alt aussahen. Nichts desto trotz war es eine der teuersten Gegenden in Seoul. Viele Entertainments waren hier auch angesiedelt, mitunter JYP, Cube und SM Town. Ein wenig befürchtete Skye, dass sie sich die nächste Zeit nicht bei SM Town oder der Akademie blicken lassen könnte.
Recht schnell hatte sie das eindrucksvolle Gebäude gefunden und parkte direkt davor. Noch ging das. Spätestens, wenn es hier losgehen würde, müssten sie hier Abgrenzungen machen oder Tore und mit Sicherheit auch Sicherheitsleute. Das Haus war recht offen einsehbar durch die großen Fensterfronten, doch vom Boden aus, hatte man natürlich nur einen eingeschränkten Winkel.
Im Café an der Ecke holte sie sich etwas zu trinken und setzte sich dann vor das zukünftige Headquarter. So langsam wurde es alles wahr. Anfangs waren es nur Hirngespinste gewesen, dann nahmen die Ideen eine gewisse Struktur an und nun saß sie vor einem Haus, in dem sie irgendwann mal G-Next leiten würden.
„Na Stalker“, Jiyong setzte sich grinsend neben sie.
„Ich war vielleicht etwas neugierig“, gab sie zu, ohne zu erwähnen, dass das ja eigentlich Plan C war, was ihr Abendprogramm betraf.
„Na komm, ich zeig dir alles.“ Er hielt ihr die Hand hin und Skye nahm sie an. Für einen Moment streift ein verrückter Gedanken durch ihren Kopf. Stellt sich nur mal einer vor, sie würden sich wieder verlieben und wieder ein Paar werden und schließlich wieder heiraten! Skye glaubte nicht daran, aber verrückt wäre es schon. Wenn es tatsächlich so kommen sollte, hätte Skye einen Umweg des Grauens gemacht, um letztendlich doch wieder bei Jiyong rauszukommen.
Sie liefen einmal durch das leerstehende Haus. Die Ebenen waren verschachtelt und von außen ahnte man gar nicht wie viel Platz hier drinnen war. Jiyong erzählte, wie er sich die Aufteilung vorstellte. In den Keller wollte er zwei Tanzstudios setzen, weil es dort im Sommer recht kühl bleiben würde. Der Keller war auch nur halb ein Keller, denn wenn man mit dem Auto unten parkte, lief man genau in diese Etage. Der Eingang war eine Etage höher, wenn man von der Straße kam. Das Haus lag eben am Hang. Der Nicht-Keller hatte auch die höchste Deckenhöhe und war aus dickem Beton, so dass es auch gut abgeschirmt war. Auch sollte die IT zwei Räume bekommen und dann gab es wohl noch ein größeres Lager.
Im Erdgeschoss – oder im 1. Stock, vom Keller aus betrachtet, wo man noch leicht in das Haus einsehen konnte, wollte er eine große Lobby mit Empfang machen und die Kantine sollte nach hinten raus gehen.
Weiter oben sollte dann die Verwaltung sitzen. Die Buchhaltung, PR und das Marketing und die Sekretärinnen. In der folgenden Etage sollten die Manager angesiedelt sein, mit Meetingräumen und Büros. Und es sollte ‚Entspannungsecken‘ geben, mit gedämmtem Licht und gemütlichen Sitz- und Liegemöglichkeiten.
In der nächsten Ebene, die nicht durchgängig war, sollten zwei Tonstudios rein und ein großer Meetingraum.
Dann würden Skye und Jiyong natürlich jeweils ein Einzelbüro bekommen und es würde einen Showroom geben. Am Ende ihrer Führung waren sie in einem kleinen Loft, ganz oben, ganz hinten, wo es sogar eine Dachterrasse gab, doch viel wichtiger war der Kühlschrank.
Jiyong holte ihnen eine Flasche Sekt heraus.
„Hast du immer einen Sekt kühl gestellt?“, fragte sie neckisch.
„In der Regel auch zwei oder drei“, erwiderte er und holte aus der Vitrine zwei Sektgläser. Es schien, als hätte er hier schon etwas mehr Zeit verbracht. Es gab den Kühlschrank, eine Vitrine und eine Kommode und eine gemütlich aussehende Couch, auf der ordentlich eine Louis Vuitton Decke lag mit Zierkissen.
„Komm, wir gehen hoch“, schlug er vor.
Von der kleinen Dachterrasse hatte man einen tollen Ausblick über Gangnam.
„Wow…“ Skye lehnte sich ans Geländer und überblickte das Dächermeer.
„Ich komme gerne zum Denken hier her“, gab er zu als er sich neben sie stellte.
Und aus einer Flasche Sekt wurden zwei und dann holte er von irgendwoher Soju und dann konnte sich Skye nicht mehr an so viel erinnern.