Als Skye aufwachte, wusste sie nicht auf Anhieb, wo sie war. Noch müde streckte sie sich und stieß an etwas. Dieses ‚etwas‘ stellte sich als Jiyong heraus. Erschrocken fuhr sie hoch. Sie lagen auf der Couch in dem kleinen Loft. Als erstes checkte sie, ob sie ihre Klamotten anhatte und atmete erleichtert durch, als dies noch der Fall war. Das Theater bräuchte sie jetzt gar nicht.
Danach suchte sie ihr Handy, um heraus zu bekommen, wie spät es war. Ernüchternd stellte sie fest, dass es gerade mal kurz nach 7 Uhr war. Jiyong war tief und fest am Schlafen, doch Skye hatte Nate und Jamal zu Hause. Vielleicht. Sie nahm sich noch einen Moment, um wach zu werden und schaute sich um. Anscheinend hatten sie gestern einen Song geschrieben, denn es lagen überall Blätter mit Textausschnitten. Ob da noch mal jemand durchblicken würde?
Die Amerikanerin schrieb Jiyong eine Notiz, damit er sich nicht wunderte und schlich sich dann aus dem Loft. Noch immer war sie überwältigt von dem Gebäude. Andere, neue Entertainments fingen in kleinen Kabuffs an, mit Second Hand Möbeln und wenig Personal. Andere Labels hatten auch nicht G-Dragon und Big Hit auf ihrer Seite und das war wahrscheinlich auch das, was den anderen am meisten Angst machen würde. Nicht, dass Skye ein eigenes Label bekam. Ja, sie konnte gut singen und SM hatte Interesse an ihr gezeigt, doch talentierte Sänger gab es vergleichsweise oft. Wenn sie alleine ein Label gegründet hätte, hätte das wohl kaum jemand interessiert. Wer war schon Laila Skye Jones in Korea? Doch mit G-Dragon und Big Hit an ihrer Seite, mit all den Kontakten, könnten sie recht früh ein Dorn im Auge für die anderen Labels werden. Ohne Frage würde man ihnen Steine in den Weg rollen wollen, davon war auszugehen.
Sie blieb auf der Treppe stehen und hatte mehrere Ebenen im Blick. Vor ihrem inneren Auge sah sie, wie es einmal aussehen könnte. Wahrscheinlich würden sie auch bunt werden, Ji mochte bunt und Skye war generell auch ein Farbenfreund. Sie würden viel Spaß haben, das Ding hier einzurichten.
Im Auto atmete sie kurz durch. Sie fühlte sich müde und geschlaucht, aber immerhin nüchtern. Sicher würde sie Zuhause weiterschlafen, doch sie wollte nach Hause, nicht das sich Jamal und Nate Gedanken machten. Andererseits hatten sie aber auch nicht geschrieben oder angerufen …
Es war Sonntag und noch recht früh, die Straßen in Gangnam waren noch ziemlich leer. Dafür war es schon viel zu hell, so dass Skye die Sonnenbrille aufsetzte.
Ihr Haus lag in einem völligen Dornröschenschlaf. Jamal und Nate waren Zuhause und schliefen tief und fest. Im Zweifel hatten sie gar nicht mitbekommen, dass Skye überhaupt weggewesen ist. Sie zog sich einen Pyjama an und legte sich selbst noch mal hin – nachdem sie die Kätzchen gefüttert hatte. Und die kamen auch direkt, vollgefuttert, zu ihr ins Bett. Skyes Bett war ziemlich hoch, für ein Bett und die Katzen waren ziemlich klein, aber sie hatten schnell ihren Weg in das Bett gefunden. Wahrscheinlich würde wohl irgendeine Tagesdecke dran glauben müssen in den nächsten Wochen, aber das war Skye auch egal, denn was gab es schon schöneres, als schnurrende Kätzchen um sich herum zu haben? Apollon legte sich zwischen Skyes Schulter und Kopf, was natürlich dazu führte, dass sie sich gar nicht mehr bewegte. Pan lag auf dem Kissen neben ihrem Kopf und Artemis fand es super zwischen ihren Beinen zu liegen. Bewegungsunfähig schlief Skye wieder ein.
„Skye!“
Die Amerikanerin schlug die Augen auf. Sie hatte keine Ahnung wie spät es war, nur dass es definitiv noch nicht Zeit war, um aufzustehen. Apollon lag inzwischen auf ihren Brustkorb und versuchte sie langsam zu ersticken, während Baekhyun, der mit verschränkten Armen in der Tür stand, versuchte ihr einen Herzinfarkt einzujagen. Wieso versuchte heute Morgen jeder sie umzubringen?!
„Whadyawan“, murmelte sie müde und hob Apollon von sich, unter Protest, runter.
„Wo bist du die ganze Nacht gewesen, huh?!“
„Im neuen Headquarter“, beantwortete sie seine Frage wahrheitsgemäß.
„Alleine?“
„Nein, mit Jiyong.“
„Und du kannst nicht Bescheid geben? Ich kam nach Hause, keiner war da, irgendwann kamen deine zwei Kumpels, total betrunken, doch von dir keine Spur! Ich dachte du wärst tot!“
Zuerst zog sie die Augenbrauen zusammen, weil sie sich nicht gerne am frühen Morgen so anmachen ließ, doch dann fing sie an zu grinsen.
„Was gibt es da zu lachen?!“, fragte Baekhyun, weiterhin aufgebracht.
„Du hast dir Sorgen gemacht!“
„Ich … ja … aber nicht aus den Gründen, die du denkst!“, begann er sich zu verteidigen und kam direkt ins Taumeln.
„Mhm, yeah right, ich habe dich auch lieb und es tut mir leid, dass ich dir nicht Bescheid gesagt habe.“
Bae fuhr sich durch die Haare.
„Was auch immer!“ Und damit stürmte er aus dem Zimmer.
Nachdem dann alle halbwegs wach waren, stellten Nate und Jamal eine Bedingung: So wenig tun wie möglich.
Das war kein Problem. Es war September, es war warm und sie hatte einen kleinen See. Die Amerikanerin liebte den September in Korea, wahrscheinlich hatte ich das schon mal erwähnt. Die Bäume zogen ihr Herbstkleid an, langsam und tagsüber war es noch warm, doch was viel wichtiger war, war dass es abends warm war. Im Mai war es tagsüber auch warm, doch abends kühlte es in der Regel ab. Jetzt konnte man abends noch in Hotpans draußen sitzen.
Sie pumpte vier große Schwimmringe auf, die sogar einen Getränkehalter hatten und schaffte sie an den See. Und so trieben sie nun vor sich hin, selbst Baekhyun, der sich am unwohlsten fühlte beim Nichts-tun.
„Wie lange wollen wir das machen?“, fragte er nach einer halben Stunde.
„Bis uns jemand davon abhält, was … bei meinem Glück innerhalb der nächsten zwei Stunden passieren wird“, stellte Skye fest. Die Amerikanerin betrachtete das ganz realistisch. Irgendetwas würde schon passieren. Nur weil sie nicht mehr direkt in Seoul wohnte und eigentlich Sicherheitsleute am Tor sitzen hatte, hieß das nicht, dass sie von dem Trubel der Kpop-Welt befreit war. Zumal, wenn es mit G-Next wirklich los gehen würde, würde sie keine Zeit mehr haben sich einfach mal treiben zu lassen. Oder Zeit zum Schlafen. Oder zum Essen. Deswegen würden sie diesen Tag voll ausnutzen und sie waren super vorbereitet. Getränke standen in einer schwimmenden Kiste, im Wasser, um Kühl zu bleiben und irgendeiner hatte die Leine zu den Getränken und auf dem Steg hatten sie einen Bluetoothlautsprecher stehen. Der perfekte, faule Tag. Es war abzusehen, dass das nicht lange anhielt.
„Skye?!“, ertönte es über den See. Die Amerikanerin war gerade wieder eingenickt, als sie Mia auf dem Steg entdeckte und ihr zuwinkte.
„Hey! Get in here!“, rief sie ihr – in voller Hoffnung – zu.
„No! Get out here!“, rief Mia zurück.
Aus der Traum vom Faullenzen. Die drei Männer winkten ihr zum Abschied zu, während Skye langsam an den Steg paddelte.
„Wieso kannst du nicht mal entspannen?“, fragte sie Mia, als sie am Steg ankam.
„Ich glaube ich bin schwanger“, erwiderte Mia auf Deutsch. Skye stand so unter Schock, dass sie erst mal rückwärts fiel, ins Wasser, nicht auf die Luftmatratze.
„What?!“
„Psssst, come with me.“
Gemeinsam gingen sie hoch zum Haupthaus.
„Wie kommst du drauf? Verhütet ihr nicht?“
„Doch, aber dieses Super Sperma juckt das nicht! Jedes Mal, wenn Donghae anfängt von Kindern zu sprechen, bin ich schwanger!“, beschwerte sich die Deutsche, während Skye versuchte ein Grinsen zu verbergen.
Sie gingen hoch in Skyes Bad, um ungestört zu sein und Mia packte vier Schwangerschaftstests aus.
„Ehm … wieso machst du nicht einen und wenn der Test sagt, dass du schwanger bist, dann lässt du es noch mal vom Arzt checken?“
Noch immer hatte Skye das Gefühl, dass viele Dinge an ihr vorbeigingen.
„Auf gar keinen Fall. Ich will wirklich sicher sein, bevor ich zum Arzt gehen. Ich hasse meinen Arzt.“
„Wie….so?“
„Weil er sich immer so freut, wenn ich schwanger bin! Klar, der muss es ja auch nicht ausbaden!“
Skye stand da und biss sich auf die Lippen.
„Du willst Lachen“, stellte die Ältere fest.
„Ich wa-? Nein, nein, ich versteh das schon.“ Sie legte ihr ‚ernstes Gesicht‘ auf, was gar nicht so einfach war.
„Warte nur ab, bis du eine 5 Kilo Wassermelone durch deinen Tempeleingang schieben musst, dann findest du das nicht mehr witzig!“
„Ich dachte du hattest Kaiserschnitte?“
„Das ist doch irrelevant!“
15 Minuten und vier positiven Schwangerschaftstests später zündete sich Mia als erstes eine Zigarette an.
„Ehm … du weißt, ich bin selbst ein schlechter Moralapostel, aber das mit dem Rauchen …“ Skye wollte nicht in ein Bienennest stechen.
„Ich habe bis heute geraucht und getrunken, die eine wird uns nicht umbringen. Danach steige ich auf E-Shisha um und setzte das Nikotin nach und nach ab, so ist das mit meinem Arzt das letzte Mal besprochen worden.“
Okay, das machte dann schon wieder Sinn.
„Wie bist du überhaupt draufgekommen?“
„Kimchi.“
„Kimchi?“ War das ein Codewort für …?
„Ich hasse Kimchi, außer ich bin schwanger, dann kann ich davon plötzlich nicht genug bekommen“, erklärte Mia und diesmal konnte Skye sich ein Lachen nicht verkneifen. Mia tat zwar so, als wäre sie genervt schwanger zu sein, aber ihre Augen verrieten sie. Eigentlich war es wohl ganz okay.
„Willst du, dass es ein Junge oder ein Mädchen wird?“
„Ich hätte gerne, dass es eine Katze geworden wäre!“
Einen Moment starrten sie sich an, doch dann mussten sie lachen.
„Herzlichen Gluckwunsch … oder Beileid, je nachdem was dir besser passt.“
„Danke … und jetzt werde ich es wohl Donghae sagen. Der freut sich auch immer so! Wie mein Arzt! Und klar, der hat damit auch nichts zu tun!“
Donghae und Mia hatten so eine coole Beziehung. Sicher, sie würden sich auch mal streiten und Skye behauptete, dass in der Regel Mia als Gewinner eines Streits raus ging, aber sie waren so eine Einheit. Mit Jiyong hatte sie sich das nicht vorstellen können und bei Jongin, hatte sie es sich gewünscht, aber sie war sich nicht sicher, doch bei Taehyung hatte sie das Gefühl, dass sie auch so werden könnten. Mit Geduld und wenn Skye endlich wusste, was sie wollte.
Bis Skye Mia verabschiedet hatte und zurück zum See wollte, fand sie Jamal und Nate schlafend auf der Wiese. Super. Sie schaute sich nach Baekhyun um. Schlafen, mittags, darauf wäre er nicht vorbereitet. Bae lag in einer Hängematte beim See. Skye hatte auf dem ganzen Grundstück Hängematten und Hängekörbe verteilen lassen, so könnte man sich einfach hinsetzen oder legen, wenn man Lust dazu hatte.
„Hey.“
„Hey.“ Er hatte die Augen offen und starrte in den Himmel.
„Dir ist langweilig“, stellte sie fest.
„Ein wenig.“
Skye stieg zu ihm in die Hängematte, die groß genug war, dass sie sich nicht zu sehr auf die Pelle rückten.
„Haktuna Matata.“
„Hakuna Matata? Ernsthaft?“
„Jup.“
Sie kugelte sich etwas zusammen und schloss die Augen und selbst Baekhyun schlief irgendwann ein. Arm in Arm lagen sie knapp 1,5 Stunden. Es erinnerte Skye an Adavaci, wenn sie mittags im Schatten der Palmenblätter lag und vor sich hin schlummerte. Eine sanfte Brise wehte über sie hinweg, doch es kam genug Licht durch das Blätterdach der Bäume. Es waren diese Momente, die sie gerne einfrieren würde. Kein Geräusch, außer das Rascheln der Blätter im Wind. Sie betrachtete Baekhyun, auch er hatte sich mal eine Auszeit verdient, sie alle. Sie wusste wie hart EXO arbeiteten, auch BTS und Red Velvet. Und bald auch sie selbst. Die Nachricht von Mias Schwangerschaft hatte in Skye irgendwelche Schwingungen ausgelöst. Sie wollte Kinder, nicht jetzt, aber eines Tages, aber wenn sie jetzt als Idol anfangen würde, würde der Kinderwunsch für lange, lange Zeit in einer Schublade verschwinden. Es war heute kein Problem mehr mit Mitte 30 oder Anfang 40 Kinder zu bekommen, doch in ihrem Kopf schien das noch alles sehr weit in der Zukunft zu liegen.
International war es für berühmte Frauen kein Problem Kinder auf die Welt zu bringen und ihre Karriere fortzusetzen. Dann wurden die Kinder halt mitgenommen. Aber in Korea war das Bild der Frau noch nicht so fortgeschritten. Wenn man Mutter wurde war man nicht mehr eine Frau, dann war man eine Mutter.
„Du bist gruselig“, murmelte der Sänger ohne die Augen zu öffnen.
„Kennst du weibliche – aktive – Idols, die Kinder haben?“
Bei Männern war das immer noch mal anders. Wie Mia sagte: Die haben ja nichts damit zu tun. So ganz stimmte das natürlich nicht, nur war die körperliche Veränderung bei einer Frau natürlich erheblicher. Wobei, Skye hatte einen Kumpel, Lewis und er war immer kräftig gewesen. Er war auch groß, ungefähr 1,90m aber er war immer ein Teddybär gewesen. Irgendwann hatte sie mal Bilder gesehen von einem großen, schlanken Kerl. Sie hatte gefragt, wer das war und Lewis hatte sie angeschaut und angefangen zu lachen. Es hatte sich herausgestellt, dass Lewis so vor der Schwangerschaft seiner Freundin ausgesehen hatte. Es war fast Solidarität gewesen, dass er mit ihr zugenommen hatte, nur mit dem Unterschied, dass sie nach der Schwangerschaft wieder abgenommen hatte.
Nun öffnete Bae doch die Augen.
„Eugene und Shoo haben Töchter“, überlegte er.
„Ja, aber S.E.S kann man jetzt auch nicht mehr wirklich aktiv nennen“, erwiderte Skye, was Bae dazu brachte weiter nachzudenken.
„Soyul von Crayon Pop hat auch ein Kind.“
„Aktiv habe ich gesagt – konzentrier dich.“
Er zog die Augenbrauen zusammen, doch fand er niemand.
„Siehst du“, sagte sie nur und stieg aus der Hängematte.
Das Nate und Jamal da waren war eine tolle Sache, denn endlich konnte sie Sachen machen, die sie mit ihren üblichen Freunden nicht machen konnte: In die Öffentlichkeit gehen! Baekhyun hatte irgendeine Sendung bei KBS und musste auch los.
Es war knapp 18 Uhr und die Kerle fingen schon wieder an hungrig zu werden. Skye hatte auch Nalia angerufen und sich mit ihr in Hongdae verabredet. Jamal hatte gesehen, dass es ein One Piece Café gab und das stand ganz oben auf ihrer To Do-Liste.
Diesmal nahmen sie sich einen Fahrer, denn Skye ahnte, dass sie heute nicht nüchtern bleiben würde.
„Woooooaaaah.“ Nate und Jamal standen vor der Thousand Sunnys des One Piece Cafés mit offenen Mündern. Nalia war noch nicht da und sie stürmten den Fanshop. Skye liebte One Piece – wie Millionen andere Menschen auf dieser Welt. Sie war nie ein großer Manga und Anime Freund gewesen. Sie mochte nicht die Serien die zu girly waren. Ein guter Freund hatte viele Jahre Dragonball geschaut und Skye war der Meinung bei Dragonball ziemlich gut durchzublicken, auch wenn es sie nervte, dass die Kämpfe immer so langgezogen waren. Dann hatte sie auch mal Vamire Knight geschaut, was ihr aber irgendwann zu düster geworden ist. Ebenso Pandora Hearts. Aber One Piece hatte sie immer begleitet. Zum einen hatte es tolle Moralvorstellungen: Kämpfe für deinen Traum und Freunde können deine Familie sein. Aber es war auch interessant, weil es diese Story in der Story gab, diese Verschwörungstheorien, die Weltregierung. Ja, die Kämpfe waren auch immer recht lange, doch es gab eben neben den Kämpfen noch so viel anderes zu entdecken.
„Hi Skye!“
Nalia schlich sich von hinten an und legte ihr die Hände auf die Augen.
„Hi!“ Natürlich erriet die Amerikanerin, wer da hinter ihr stand.
„Annyoahasseo“, sagte Jamal und verbeugte sich leicht. „Mannaso pangkapsumnidda.“
„Yeah, nice to meet you too. I’m Nalia, I’ve heard so much about you guys“, stellte sich Nalia vor und gab ihnen die Hand. Jamal strafte Skye mit einem genervten Blick.
„Could have told me that she speaks english.“
„But it was funnier that way“, stellte die Blondine fest und grinste breit.
Und auf einmal waren sie eine ganz normale Truppe von Leuten, die sich in Hongdae bewegten. Nach dem Café de One Piece liefen sie die Einkaufsstraßen entlang und landeten auch bei NaNa, wo Skye sich neue Piercings aussuchte. Ihre Piercerin erkundigte sich, ob die beiden Piercings gut geheilt waren und wechselte dann den Schmuck.
Abends gab es hier einiges zu tun. Es gab Streetfood und alle Bars stellten die Stühle raus. Nach der letzten Nacht futterten sie sich hungrig durch die Stände. Sie suchten sich ein Tisch, damit sie zusammensitzen konnten und holten sich Getränke und Essen.
Sie redeten und lachten und tranken. Es war gut, gut wieder normal zu sein, wenigstens für einen Abend. Und dann klingelte Skyes Handy. Taehyung.
Sie entschuldigte sich und ging um die Ecke, in eine ruhigere Seitenstraße.
„Yobseo?“
„Laila!“ Oh-oh. Laila? Nicht Lala? Und wieso hörte er sich heißer an?
„Ist alles okay, bist du erkältet?“
„Ich? Nein, ich vermisse dich nur“, raunte er ins Telefon.
„Ich dich auch, es ist irgendwie … langweilig.“
Skye dachte, dass er lachen würde, doch er hustete nur.
„Ist wirklich alles okay?“, fragte sie noch einmal.
„Ja … was hast du an?“
„Was?“ Irgendwie hatte sie ihn nicht richtig verstanden.
„Was hast du an?“, wiederholte er.
„Ehm … Ballerinas … eine Aladdinhose … und ein trägerloses Top – wieso?“
„Bist du alleine?“
Die Amerikanerin zog die Augenbrauen zusammen und schaute sich um.
„Ja … ziemlich.“
„Möchtest du dich am Bauch berühren?“
In diesem Moment begriff sie was hier lief und sie fing so herzlich an zu lachen, dass sich Taehyung, am anderen Ende der Leitung etwas veräppelt vorkam.
„Versuchst du gerade Telefonsex mit mir zu haben?!“
Er stöhnte genervt, während Skye noch nach Luft schnappen musste.
„Yongi-hyung hat gesagt ich muss sexier zu dir sein“, erzählte er mit normaler Stimme.
„Bitte höre nicht mehr auf ihn, ich mag dich nicht, weil du sexy bist.“
Das kränkte ihn dann doch ein wenig und Skye erkannte zu spät, dass ihr Mund schneller war als ihr Hirn.
„Nein, du bist sexy, aber nicht, wenn du es so hart versuchen musst.“
Taehyung konnte durchaus sexy sein. Auf der Bühne konnte er schnell zwischen niedlich, sexy und bescheuert wechseln und manchmal hatte er solche Momente auch mit Skye. Zum Beispiel an dem Abend, an dem er sie das erste Mal geküsst hatte. Er hatte hinter ihr gestanden als Skye sich zu ihm umgedreht hatte. In diesem Moment war er unheimlich sexy gewesen und wenn er es darauf angelegt hätte, hätte Skye ihn nicht aufgehalten. Das war irgendwann Ende April gewesen, kurz bevor sie mit EXO auf Korsika geflogen war.
„Also magst du keinen Telefonsex?“
„Nein“, stellte sie klar und grinste noch immer.
„Manchmal weiß ich nicht was du magst“, gab er zu.
„Doch, das weißt du. Ich brauche nur dich … und vielleicht etwas zu essen.“
Nun lachte er wieder und Skye gleich mit. Eigentlich brauchte sie nicht viel. Sie brauchte keine schicken Lokale und fancy Bars. Wenn sie wirklich ein Date hatte, dann reichte ihr ein schöner Ausblick, die Person ihres Begehrens und etwas zu essen und zu trinken. Natürlich machte ihr ein Aufenthalt im Handyhüllen-Café Spaß und sie ging auch gerne mal was trinken, aber eigentlich war sie gerne privat, auch gerne mit Freunden. Lieber würde sie zu Haus mit 20 Leuten grillen, als mit 20 Leuten in eine Bar oder einen Club zu gehen. Spätestens wenn sie wirklich zum Idol werden sollte, war das definitiv die richtige Einstellung. Dann könnte sie nicht mehr mit ihren Freunden unerkannt durch Hongdae streifen, was sie ihm Zweifel nicht abhalten würde.
Gut angeschwipst und vollgegessen kamen sie kurz vor Mitternacht wieder Zuhause an. Lachend fielen sie durch die Eingangstür. Baekhyun saß im Kaminzimmer und schaute fragend auf.
„Bae-by!“, rief Skye ausgelassen, doch er erwiderte ihre Fröhlichkeit nicht.
Jamal und Nate verzogen sich nur ‚kurz‘ nach oben, doch Skye rechnete damit, dass sie direkt ins Bett fielen.
„Was ist los?“, fragte sie Bae und setzte sich neben ihn.
„Bist du schwanger?“
„Was?“
„Skye, ich habe die … diversen Schwangerschaftstest gefunden. Du kannst mit mir sprechen. Sag bitte nicht, dass es von Jongin ist. Ich glaube eine zweite, schwangere Exfreundin würde er nicht verkraften.“
Die Amerikanerin war gar nicht richtig aufnahmefähig.
„Was machst du in meinem Bad?!“
„Ich habe Zahnseide gesucht – ist doch auch egal. Was willst du jetzt tun? Du hast dieses Label. Du willst Sängerin sein – deswegen hast du mich heute Mittag auch nach Idols mit Kindern gefragt!“
„Ich bin nicht schwanger!“
Baekhyun gehörte auch zu den Menschen, die eigentlich keine Worte brauchten.
„Noch mal: Ich bin nicht schwanger.“
„Und von wem sind dann die positiven Schwangerschaftstests?“
Wieso sagte man eigentlich ‚positiv‘, wenn das Ergebnis ‚Schwanger‘ war? Nicht jeder sah darin etwas Positives.
„Nicht von mir.“
Baekhyun wollte gerade protestieren, doch als er den Mund öffnete stockte er. Man sah ihm förmlich an, wie die Zahnräder in seinem Kopf arbeiten. Er überlegte, von dem der Test sein könnte und ging somit alle weiblichen Besucher durch.
„Oh!“ Boom. Groschen gefallen. Das schien ihn allerdings mehr zu schocken, als wenn Skye schwanger gewesen wäre.
„Wie hat sie es aufgenommen?“
„Sie hat auf vier Schwangerschaftstests gepinkelt, um sicher zu sein – was denkst du denn?“
Beide fingen an zu lachen.
„Aber ich denke sie wird okay sein. Ich denke anfangs ist es immer ein Schock, aber sie wollte auch direkt zu Donghae.“
„Danke, dass du nicht schwanger bist“, kam es plötzlich von Bae.
„Was?“
„Wenn du schwanger gewesen wärst, dann wäre es nicht von Taehyung und es hätte ihm das Herz gebrochen und ich will auch gar nicht wissen, von dem du alles schwanger sein könntest.“
„Hey!“ So verhurt war sie nun auch nicht!