Vollgefuttert und betrunken fielen sie ins Bett. An zwei Orgasmen dachte dann auch keiner mehr, am wenigsten Skye. Als sie am nächsten Morgen aufwachte, strahlte die Sonne. Wenn der Wald und der Vorgarten nicht völlig zerrupft aussehen würden, hätte man nicht ahnen können, dass gestern so ein Unwetter über das Land gefegt war.
Taehyung schlief noch tief und fest – so wie wohl der Rest des Hauses. Leise schlich sie sich ins Bad und wusch sich das Gesicht. In Jogginghose und Shirt ging sie nach unten, wo ihr eine Meute maunzender Kätzchen entgegenkam. Sie schnappte Apollon, der im letzten Monat ganz schön zugelegt hatte, so wie auch Artemis und Pan. Sie würden alle groß werden, doch wenn sie sich Apollons Tatzen anschaute, wusste sie, dass er riesig werden würde.
„Na, wo habt ihr Snickers gelassen?“
Nicht, dass ihr jemand außer einem Miauen Antwort geben könnte. Sie fand ihn in dem Zimmer, was sie für ihn vorbereitet hatten. Skye war im Hader mit sich, ob sie das Eichhörnchen noch vor dem Winter rauslassen sollte. Schließlich waren die Winter kalt. Ob er eine Katzenklappe verstehen würde? Ob er zurückkommen würde? Oder war er dafür zu wild? Andererseits wuchs er zwischen drei Katzen und 14 Idols auf – wie normal könnte sich das Eichhörnchen schon entwickeln? Skye wusste, dass Eichhörnchen keine Haustiere waren. Sie gehörten in die Natur und sie hatte einen Wald, es war also vollkommen okay, doch war es noch ein klein und hatte wohl auch keine Zeit sich um den Wintervorrat zu kümmern. Seufzend nahm sie den Kleinen hoch, ob er noch alleine da draußen klarkommen würde? Ihn zu füttern wäre kein Problem und doch machte sie sich Sorgen.
Eine Weile spielte sie mit den Tierchen und ging dann runter zu den anderen Kings. Noch immer musste die Amerikanerin grinsen, wenn sie an den Namen dachte, der eigentlich aus einer Schnapsidee entstanden war. 7Kings. Sie war auf das Logo gespannt.
„Guten Morgen!“, rief sie, ohne Rücksicht auf eventuell noch Schlafende, aber im Gegensatz zu BTS, waren die Girls schon recht wach und waren auch recht dick eingepackt.
„Was … tut ihr?“
„Wir wollten den Gärtnern helfen die Wege freizuräumen“, erklärte Blake, als sie sich eine Weste überzog. Wie süß waren die denn bitte?
„Stopp!“, rief Skye und alle blieben stehen. „Wir machen das im SuJu-Style.“
Keiner wusste damit etwas anzufangen und eventuell machte es ihnen auch etwas Angst.
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1,5 Stunden später. Skye hatte alle aus den Betten geworfen und sie hatten gefrühstückt, denn bevor sie etwas machen würde, brauchte sie Kaffee und etwas im Magen. Auch waren Leeteuk und Eunhyuk gekommen, praktisch als Game-Master.
„So!“ Leeteuk klatschte aufgeregt in die Hände und nun schauten alle etwas skeptisch.
„Willkommen bei der After-Storm-Olympiade!“
Eunhyuk machte eine Trompete nach. Bei Super Junior war immer alles ein Spiel, es war das Mary Poppins Prinzip und alles machte tatsächlich etwas mehr Spaß, wenn man ein Spiel daraus machte. Die Kings würden gegen BTS anbieten und die Belohnung für den Sieger war nicht nur eine Medaille – von der Skye keine Ahnung hatte, wo Leeteuk sie aufgetrieben hatte – sondern auch das Abendessen, welches die Verlierer zubereiten mussten.
„Ich glaube, sie waren bei zu vielen Show“, flüsterte London skeptisch.
„Bin ich die Einzige, die sich vorkommt wie bei den Hunger Games?“, fragte Blake und brachte die anderen zum Kichern.
Gerade als Eunhyuk die erste Disziplin erklären wollte, schaltete sich Taehyung ein.
„Einspruch!“
Leeteuk und Eunhyuk tauschten einen verwirrten Blick aus.
„Was… was für ein Einspruch?“
„Hiermit beantrage ich, dass Skye und ich freigestellt werden.“
Nun schaute auch Skye völlig verdattert. Woher kam das denn jetzt? Unsicher schaute sie zu Taehyung, der zu Leeteuk und Eunhyuk gegangen war, um ihnen etwas ins Ohr zu flüstern. Irgendwie fühlte sie sich nicht wohl, wenn sie so ausgegrenzt wurde – vor allem, wenn es um sie ging!
„Aaaaaah“, machten die beiden Moderatoren und nickten im Einklang.
„Gute, Skye: Du bist freigestellt.“
Was auch immer das bedeutete! Sie drehte sich zu ihren Girls um und hoffte auf Unterstützung – vergebens.
„Viel Spaß“, flötete Kendra und auch London und Honey hatten so ein Grinsen auf den Lippen. So langsam dämmerte Skye, was Taehyung vorhatte und merkte, wie ihre Wangen rot wurden.
Taehyung gab ihr gar keine Zeit auch nur irgendetwas, außer ihrer Handtasche, mitzunehmen und zerrte sie praktisch ins Auto.
„Tae!“, beschwerte sie sich lachend und schaute zurück zum Haus.
„Du brauchst keine Klamotten.“
„So, so“, erwiderte sie grinsend.
„Seit wir zusammen sind, sind wir gar nicht mehr alleine. Wir haben gerade so etwas wie Urlaub – und wir zwei müssen das ausnutzen!“
Zugegeben, sie waren erst seit 1,5 Wochen zusammen. Man konnte jetzt nicht sagen, dass sie seit Monaten keine Zeit füreinander hatten, doch so könnten ihre Folgemonate werden. Im Oktober und November waren BTS gut beschäftigt, allein schon wegen den ganzen Awardshows und ihrer Fanmeeting Tour und dem Konzert in Riad. Und auch die 7 Kings würden gut zu tun haben, zwar nicht mit Reisen, aber wohl doch mit Training. Sie mussten diese Gelegenheiten nutzen, um zusammen zu sein. Mal abgesehen davon waren sie frisch verliebt und wenn es nach Skye gegangen wäre, hätte sie BTS kein Asyl gegeben!
Taehyung fuhr nach Seoul, verriet jedoch nicht ihr Ziel, doch je länger sie fuhren, desto mehr hatte Skye eine Ahnung wohin sie fuhren. Irgendwann gab es dann keinen Zweifel mehr, dass sie Taehyungs Hanok anpeilten und die Amerikanerin freute sich wahnsinnig darüber. Es war so ein schöner Ort inmitten von Seoul und sie wären absolut ungestört.
„Können wir noch etwas zu Essen mitnehmen?“, fragte sie ihn und natürlich wusste er, dass sie zu dem Sandwichsstand wollte.
Skye stand in der Sonne und wartete, bis die Bestellung fertig war. Sie schaute zu dem Wagen mit den getönten Scheiben, in dem sich Taehyung verbarg. Noch immer konnte sie nicht fassen, dass sie sich gefunden hatten. Und was ein Weg es gewesen ist! Lächelnd dachte sie zurück, wie Taehyung vor ihrer Tür Wache gehalten hatte, als sie das mit Krystals Schwangerschaft erfahren hatte. Wie er nachts an das Haus am See gefahren war, weil sie Angst gehabt hatte. Wie er sie in der Bar ohne Namen eingeschlossen hatte, weil sie keine Lust gehabt hatte auf Jongin zu treffen. Und wie er sich langsam in ihr Herz geschlichen hatte, ohne dass sie sich dagegen wehren konnte. Er hatte zu ihr gestanden, als sie selbst nicht zu sich stehen wollte.
„Entschuldigung?“
Skye schreckte aus ihren Gedanken auf, als die Frau von dem Lädchen sie ansprach und verbeugte sich zugleich.
„Vielen Dank!“, sagte sie und nahm das Essen entgegen.
Noch immer war es wie Magie, wenn Skye das Hanok betrat und sie stellte fest, dass sie viel zu wenig Zeit hier verbrachten. Sie nahmen sich etwas zu trinken und schnappten sich eine Decke und gingen dann ist das Stückchen Garten, durch dessen Bäume man einen Blick auf die Großstadt erhaschen konnte. Und die Sandwichs waren einfach hervorragend.
„Wir sollten öfters hierherkommen“, bemerkte sie. „Es ist so schön hier.“
„Wenn wir zusammen sind, ist es überall schön“, stellte er fest. Taehyung lag auf der Decke und hatte sich mit den Ellenbogen abgestützt. Skye musste an den Tag in Disneyland denken. Wow. Sie und Taehyung hatten einen langen Weg hinter sich, bis sie letztendlich hier gelandet waren. Und im Moment fühlte es sich an wie ‚für immer‘. Tae war immer da gewesen, er hatte sie immer zum Lachen gebracht und sich um sie gekümmert. Noch nie hatte sich jemand so um sie gesorgt, ohne irgendeine Gegenleistung zu erwarten. Man konnte sagen, was man wollte, jemand Besseren als ihn, würde sie nicht finden.
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Nachdem das Pärchen sich verkrümelt hatte, war der Kampfgeist bei den anderen irgendwie raus – selbst bei Leeteuk und Eunhyuk.
„Okay, was machen wir?“ Namjoon schaute in die Runde, auf der Suche nach Ideen. Schließlich konnte rumlungern nicht des Rätsels Lösung sein. Seit Monaten sagten sie, dass sie zu wenig Freizeit hatten und jetzt hatten sie Freizeit und wussten nicht, was sie anstellen sollten.
„Ehm“, zog Blake die Aufmerksamkeit auf sich, „ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich würde gerne irgendetwas für Skye machen. Ich finde es Wahnsinn, was sie für uns alle tut und will ihr irgendwie dafür danken.“
Und da nickten einige im Raum zustimmend.
„Die Frage ist nur: Was? Diese Frau hat alles!“, kam es von Hoseok und das große Grübeln begann, wobei viele ihre Hoffnung auf Jungkook setzen. Viele Blick wanderten zu ihm.
„Wieso guckt ihr alle mich an?!“
Eilig schauten die anderen weg. Skye hatte eine Insel, ein wunderschönes Haus und sogar einen Pool. Doch sie wussten auch alle, dass Skye nicht viel auf materielle Dinge gab. Sie hatte sich noch nie beschwert, nicht als sie bei Super Junior gewohnt hatte oder in dem Loft. Vielleicht ein wenig, als sie im Guesthouse Myeongdong untergekommen war, aber selbst da nicht viel. Mit großen Gesten beeindruckte man Skye nicht, so viel war sicher.
Schweigen legte sich über die Gruppe, alle waren in Gedanken versunken und tatsächlich war es Jungkook, der als erstes aufsprang.
„Ich habe eine Idee!“
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Skye hingegen stöhnte heißer auf, während sich ihre Finger in Taehyungs Haaren vergruben und er wiederum sein Gesicht in ihrem Schoß vergrub. Seine Hände waren auf Wanderschaft gegangen und liebkosten ihre Haut. Natürlich verglich man, man machte es ganz automatisch. Der Sex mit Jongin war toll gewesen, Taehyung war anderes, neugieriger, experimentierfreudiger und sie mochte das. Sie lernten sich gerade neu kennen und sie hoffte, dass es noch lange so viel Spaß machen würde.
‚Spaß‘ für die anderen war relativ. Jungkook hatte die Idee, dass sie ein Außengehege für Snickers bauen, mit einem Innengehege in dem Raum, in dem das Eichhörnchen gerade untergebracht war. Somit könnte man den Raum wieder nutzen und Snickers konnte auch nach draußen.
„Und was, wenn sie das Eichhörnchen wieder frei lässt?“, wollte Hoseok wissen, noch nicht gänzlich überzeugt.
„Dann …“, Jungkook hob die Arme, „holen wir einen … Waschbär.“
Fakt war aber auch, dass sie das nicht alleine machen konnten. Keiner von ihnen war so handwerklich begabt, als dass sie es selbst machen könnten. Das Unfallrisiko war viel zu hoch und Bang Shi Hyuk würde einen Anfall bekommen, wenn einer seiner Schützlinge sich einen Nagel durch den Finger schlug.
So suchte die Meute die Gärtner auf, in der Hoffnung, dass diese helfen konnten.
Skye und Taehyung waren noch keine zwei Stunden in dem Hanok, als ihr Handy nicht aufhören wollte zu vibrieren.
„Wer ist das?“, murmelte Tae und zog sie enger an sich.
„Jiyong.“ Sie hatte für ihn eine eigene Vibration eingestellt, so wie für manche andere auch, um entscheiden zu können, ob es wichtig war oder nicht. Skye lag nackt auf Taehyung, Jiyong war im Moment nicht wichtig.
„Was, wenn es wichtig ist?“
Die Amerikanerin brummte mit geschlossenen Augen. Sie wollten einen Tag für sich haben und sie hatte weder vor gehabt ans Telefon zu gehen, noch heute wieder etwas anziehen zu müssen. Dafür ging Taehyung an ihr Handy. Er hatte viel zu schnell nach dem Telefon gegriffen und noch bevor sie ihn aufhalten konnte, war er ran gegangen.
„Hallo Jiyong hyung“, begrüßte ihr ihren Ex-Ehemann freundlich. Skye gab es auf, wenn Tae mit ihm sprechen wollte, dann sollte es so sein.
„Uh-huh … oh, verstehe … hm-hm … ja gut, wir sind dann in zwei Stunden da.“
Genervt, aber resigniert schaute sie Taehyung an, als er auflegte. Sie wollte gar nicht mehr raus!
„Wohin gehen wir?“
„Zum Zirkus.“
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‚Zirkus‘ war wohl eher die koreanische Form von ‚Cirque du Solei‘. Immerhin gab es keine Tiere, das mochte Skye nicht. Tiere gehörten nicht in einen Zirkus, angezogen und geschminkt, dazu gezwungen Dinge zu machen, die eigentlich gar nicht ihre Aufgabe waren.
Nun war es allgemein nicht so einfach mit G-Dragon und Taehyung in einen Zirkus zu gehen. Kappen, Mundschutz – das unauffällige Programm. Skye und Tae kamen ein paar Minuten früher an. Jiyong wollte sie nicht vor dem Haupteingang treffen. Wahrscheinlich hatte er mit dem Zirkus geklärt, dass man sie separat einlassen würde, schließlich waren zwei von ihnen VIPs. Die Amerikanerin parkte also den Wagen nicht weit von dem Gelände, etwas am Stadtrand von Seoul. Am liebsten wäre sie im Hanok geblieben, es war warm und der Mundschutz war fast unerträglich. Sie gingen also zu der verabredeten Stelle und schauten sich um.
„Bist du sicher, dass wir uns hier treffen?“ Schließlich hatte Taehyung mit ihm gesprochen, wer konnte schon wissen, was dabei verloren gegangen war?
„Ja, siehst du, hier sind Wohnwagen der Artisten.“
Das diese im Endeffekt auch auf der anderen Seite standen, erklärte sie ihm jetzt nicht. Vielleicht kam Ji auch etwas später – wäre nun auch nicht sonderlich erschreckend. Minuten vergingen in denen sie ruhig warteten, doch innerlich ärgerte sich Skye. Einfach mal nicht ans Telefon gehen! Da hatten sie sich schon von BTS und den Kings weggeschlichen und dann grätschte Jiyong rein.
„Pssssst!“
Die Sängerin schaute sich fragend um.
„Hast du das auch gehört?“
Taehyung nickte und versuchte ebenfalls die Quelle ausfindig zu machen.
„Hier!“
„Schatz, ich glaube der Busch kann sprechen…“
Nun schaute Skye zu den Büschen an dem Zaun und Jiyong streckte den Kopf heraus.
„Was zum-?!“ Doch Ji legte den Zeigefinger auf die Lippen und winkte sie zu sich. Dieser Kerl! Was machten sie denn in den Büschen?! Skye schaute sich um, ob sie jemand beobachtete. Nicht, dass sie noch wegen ‚Aufsehen öffentlichen Ärgernisses‘ angeklagt wurden, dass bräuchte im Moment keiner von ihnen, wobei es für Dispatch wohl das gefundene Fressen wäre.
Das Paar tauschte einen Blick aus, zuckte dann gleichzeitig mit den Schultern und schlich sich gemeinsam zu Jiyong. Skye schob die Äste bei Seite, um zu Jiyong zu gelangen und schaute leicht genervt, während sie versuchte ihre Augen vor den kleinen Ästchen zu schützen.
„Was tust du hier?“, fragte sie flüsternd. Taehyung kam ihr nach und schupste sie etwas tiefer ins Gebüsch. Das war auf gar keinen Fall ein 3-Mann Gebüsch.
Jiyong hingegen fand das alles noch amüsant, legte seinen Zeigefinger auf die Lippen, während sein anderer Zeigefinger ihnen bedeutet zu lauschen. Und so waren sie alle ruhig, als der Klang einer lieblichen Stimme zu ihnen drang. Skye hob die Augenbrauen und ging noch näher an den Zaun des Zirkus heran, fand einen Spalt, durch den sie gucken konnte. Eine junge Frau saß auf einer Kiste, mit ihrem Handy in der Hand und sang wie ein Engel.
Skye wusste gar nicht, was sie als erstes fragen wollte. Wer war sie und wie hatte Jiyong sie gefunden?
„Ich will sie haben“, sagte sie stattdessen und in Jiyongs Gesicht zeichnete sich ein Grinsen ab.
„Das habe ich mir gedacht.“
Schließlich stolperten sie zusammen aus dem Gebüsch raus, als gerade ein älteres Pärchen mit ihrem Enkelkind an den Büschen vorbei gingen und sie entsetzt anschauten. Alle drei verbeugten sich entschuldigend, schließlich musste es schon komisch aussehen, vor allem, wenn zwei Koreaner mit einer Blondine aus dem Busch kamen. Das ältere Paar schüttelte nur tadelnd den Kopf und ging mit dem Jungen weiter. Nachdem sie ein paar Meter weg waren, traf sich Skyes Blick mit Jiyongs und beide fingen an zu lachen.
„Wieso kann mit dir nichts normal laufen?“ Es war kein wirklicher Vorwurf, eher eine Feststellung.
„Normal? Was verstehst du von normal?“, kam nun Tae um die Ecke.
„Hey, du hast gefälligst auf meiner Seite zu sein.“
Er grinste nicht spitzbübisch, doch als Skye zuckte, machte er schreckhaft einen Satz, was wiederum Ji zum Lachen brachte.
Nichtsdestotrotz hatte Jiyong tatsächlich VIP Karten für den Zirkus und drei Securitys dabei. Wenn es nach der Amerikanerin gegangen wäre, hätten sie die junge Frau gleich angesprochen, doch ihr lieber Geschäftspartner war der Meinung, dass die Show sehenswert war und das Geduld eine Tugend war – oder irgend so einen Quatsch.
Knapp zwei Stunden dauerte die Vorstellung, für jemand, der so ungeduldig war wie Skye, der reinste Horror. Sie konnte sich gar nicht richtig auf die Vorstellung konzentrieren, bis, ja bis sie kam. Die junge Frau war auch aktiv in den Zirkus eingebunden und bot ihnen eine wundervolle Einlage an Seidentüchern, die von der Decke hinabhingen. Sie war klein und zierlich und doch schien sie unheimlich viel Kraft zu haben und bewegte sich elegant. Skye beobachtete sie ganz genau – ob sie sie wirklich aus dem Zirkus rausbekommen würden? Viele Artisten kannten kein anderes Leben und blieben oft für immer im Zirkus, selbst, wenn sie irgendwann nicht mehr auftreten konnten. Sie trainierten dann den Nachwuchs oder brachten sich mit anderen Aufgaben ein. Doch zumindest mussten sie ihr Glück probieren.
Nach der Vorstellung wollte der Direktor sich bei Jiyong für seinen Besuch bedanken und der Mann ahnte wohl nicht, wie gelegen dieses Treffen kam. Als der ältere Herr dann auch noch Taehyung bemerkte, schwebte er auf Wolke Sieben. Die beiden Sänger ließen sich Honig vom Allerfeinsten ums Maul schmieren.
„Vielen Dank, es hat uns ausgesprochen viel Spaß gemacht, aber könnten wir Sie noch um einen Gefallen bitten?“, fragte Jiyong und zu diesem Zeitpunkt hätte der Direktor ihm wahrscheinlich die Welt zu Füßen gelegt.
„Natürlich, was kann ich für Sie tun?“
„Die junge Künstlerin an den Seidenbändern – wir hätten sie gerne gesprochen.“
Verwundert schaute der ältere Mann zu den dreien und hob die Augenbrauen.
„Hat Ihnen etwas nicht gefallen? Hat sie etwas falsch gemacht?“
Die Amerikanerin zog die Augenbrauen zusammen, sie mochte nicht, wie er über ihre zukünftige Nummer 1 sprach.
„Nein, nein“, beruhigte Jiyong ihn, „wir würden sie nur gerne persönlich kennenlernen, wenn das möglich wäre.“
Wieder schaute der Direktor verwundert.
„Oh, also Rayna ist wirklich nichts Besonderes, ich könnte Ihnen andere Künstler vorstellen.“
„Ich will sie kennenlernen“, meldete sich nun Skye zu Wort und etwas in ihrer Stimme sagte ihm, dass sie keine Wiederworte mochte. Schließlich hatte Jiyong sie um einen Nachmittag voller heißen Sex im Hanok gebracht, also wollte sie ihre Künstlerin und zwar jetzt. Der Mann nickte nur und führte sie nach hinten, aus dem Zelt, wo sie typischen Zirkus-Wohnwagen im Halbkreis angeordnet waren, mache Dinge würden sich wohl nie ändern. Er bat sie zu warten und verschwand hinter einem der Wohnwagen. Skye hatte irgendwie kein gutes Gefühl, von all dem hier, von diesem Typen, der sich Direktor schimpfte. Unruhig tippelte sie von einem Bein auf das andere, bis der Direktor zurückkam und dahinter die junge Frau lief – Rayna. Sie hatten den Kopf gesenkt, doch als sie kurz den Blick zu den überraschenden Besuchern hob, wurden ihre Augen groß. Natürlich. G-Dragon und V.
„Skye Jones?!“
Nun staunte aber die Amerikanerin nicht schlecht und schaute fragend zu ihren männlichen Begleitern, deren Ego wohl gerade etwas geschrumpft war.
„Ich bin ein riesiger Fan! Sie haben so eine tolle Stimme …“
„Rayna! Benimm dich“, donnerte der Direktor und die junge Frau, die eben noch nach Skyes Hand greifen wollte, zuckte zusammen.
„Das wäre dann alles“, sagte die Amerikanerin an den Mann gewandt.
„Aber-“
„Ich möchte mit ihr alleine sprechen.“
Ihm schien das ganz und gar nicht zu passen. Wahrscheinlich dachte er, sie würde ihm irgendeine Behörde auf den Hals schicken – was sie zu gerne tun würde. Dann schaute sie zu Tae und Ji.
„Alleine“, betonte sie noch einmal. Rayna verstand gar nicht, um was es ging und schaute verunsichert. Jiyong wollte protestieren, doch ehe er sich versah, hatte Taehyung den Arm um seine Schultern gelegt und führte ihn weg. Der Rapper drehte den Kopf zu Skye, doch beschwerte er sich nicht. Sie wartete einen Moment, bis Skye das Gefühl hatte, dass alle außer Hörweiter waren.
„Entschuldige, das ist sicherlich verwirrend“, gab sie zu und kannte das Gefühl nur zu gut. Diese Kpop Szene war so – verrückt, unberechenbar, abwechslungsreich.
„Was kann ich für Sie tun?“ Neugierig schaute die Artistin sie an. Sie war hübsch, zierlich, Aegyo ohne Ende. Sie war wie Jennie ohne Attitude.
„Wir haben dich singen gehört“, erwiderte Skye und zündete sich eine Zigarette an. Raynas Augen wurden größer.
„Singen?“
„Ja. Du hast eine großartige Stimme. Jiyong und ich, wir gründen unser eigenes Label. Ich will, dass du zu uns kommst.“
Die Amerikanerin konnte sehen, wie sie rot wurde und den Kopf senkte.
„Ich gehöre hier her.“
„Das glaubst du doch nicht wirklich? Ich habe gesehen, wie er dich behandelt und ich will ihm jetzt schon ins Gesicht schlagen.“
Für Korea war das ziemlich ehrlich und sie sah es an Raynas Reaktion, wie sie verwundert aufschaute, doch in den Winkeln ihres Mundes zeichnete sich ein leichtes Lächeln ab.
„Ich kann dir nichts versprechen. Wir sind neu. Wir haben einen Haufen Talent, aber es gibt keine Garantien. Ich kann dir nur versprechen, dass wir eine Familie sind und wir uns um dich kümmern werden.“
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„Und? Denkst du, sie wird kommen?“
Taehyung schloss die Tür des Hanoks hinter sich. Skye war während der Fahrt nach Hause ziemlich schweigsam gewesen, was er nicht gewohnt war. Die Sängerin zuckte mit den Schultern und ging direkt in die Küche zu einer Weinflasche. Tae folgte ihr und umarmte sie von hinten.
„Hey, alles okay?“
Es war so einfach sich an ihn zu lehnen, darauf zu vertrauen, dass er da sein würde, um sie zu halten, immer. Aber würde er immer da sein? Sie machte sich nichts vor, an vielen Problemen der vergangenen Monate war sie selbst schuld gewesen. Gut, und Krystal. Doch was, wenn sie ihn auch vertreiben würde? Wenn ihre Welt so kompliziert werden würde, dass er kein Teil davon sein sollte.
„Es ist nur … wird es dir manchmal zu viel?“
Ohne, dass sie es aussprach, wusste er was sie meinte. Seine Wange lehnte gegen ihren Kopf.
„Ständig.“
„Wirklich?“ Skye fühlte ihn nicken.
„All die Termin, Studiozeit, Touren, Auftritte, Modelshootings, Werbung und dann soll man noch so kreativ seine eigenen Songs zu schreiben. Im Moment haben wir etwas Platz zu atmen, doch bald geht es wieder los. Neues Album, neue Promotion, neue Tour.“
Taehyung drehte sie zu sein und nahm ihr Gesicht in seine Hände. Er wusste, dass die nächsten Monate anstrengend werden würden. Sie war nicht nur Trainee, sondern auch CEO und so sehr er Jiyong für sein Talent anbetete, so wusste er, dass er hart mit ihnen sein würde, vor allem mit Skye. Sie war die Ausländerin und die Bandleaderin. An ihr würde man die Messlatte ansetzen, sie müsste sich am meisten beweisen. Und nebenbei sollte sie sich um das Label kümmern. So wie Taehyung sie inzwischen kannte, wusste er, dass sie das tun würde – und wenn sie ‚schlafen‘ komplett streichen müsste. Sie tat immer so, als würde sie das alles nicht interessieren, doch irgendwie kümmerte sie sich doch um jeden. Genau deswegen wollte er diesen Tag mit ihr. Damit sie mal rauskamen, mal Zeit für sich hatten, denn so wie ihre Terminkalender aussahen, würden sie die kommenden Monate wenige solcher Momente haben und ihr schien das genauso Angst zu machen, wie ihm.
„Meinst du, ich schaffe das?“
Da brauchte er nicht lange zu überlegen und lächelte.
„Wenn es einer schafft, dann du… zwar besteht noch die Chance, dass du dich in einen Serienmörder verwandelst …“ Skye wusste, dass das ernste Gespräch zu Ende war und fing an ihn leicht zu hauen.
„Wer sagt dir, dass ich das nicht schon bin?!“
Gespielt erschrocken schaute er zu seiner Freundin.
„Jacky the Ripper!“