Um 9 Uhr begann das Training und auch wenn die Kings noch nicht alle fit-fit waren, so waren sie doch alle motiviert. Der Colonel nahm sie in Empfang.
„Die Einheiten gehen immer 1,5 Stunden und dann gibt es 15 Minuten Pause. Heute Mittag gehen wir essen.“
„Ich komme mir vor, wie in der Schule“, flüsterte London Skye zu, die daraufhin grinste. Tatsächlich war das ihre Idee gewesen. 3 Stunden Vocal Coach, 3 Stunden Tanztraining. Als sie mit Tae die Promo hatte, hatte sie das mitgemacht und war fix und fertig gewesen – wer konnte sich denn 3 Stunden konzentrieren? Es ging nicht darum, dass das immer so war. Wenn sie etwas Aufnahmen, dann würden sie sicher Überstunden im Studio machen oder wenn sie einen neuen Tanz lernten, doch im normalen Alltag sollten sie sich nicht zu sehr auspowern.
Die erste Einheit war mit Abstand die tollste, die Skye je hatte: Home Beauty. Hier bekamen sie erklärt, wie sie sich Zuhause pflegen sollten. Jeden Tag eine Gesichtsmaske, Cremes, Gesichtsmassagedinger, die zwar komisch aussahen, aber wirklich angenehm waren. Sandy war ihre persönliche – ha ha ‚persönliche‘, sie waren ja auch die einzigen Künstler, die sie gerade betreute – Beauty Assistentin und alle Termine würden über sie laufen. Nagellack durften sie selbst machen, aber Shellac oder Gelnägel bitte nur im Studio. Haare färben war okay, Haare bleichen bitte nur beim Friseur. Ebenso gehörten Wimpern und Augenbrauen in ein Kosmetikstudio und Sandy würde alle Termine ausmachen und sich mit den Managern absprechen, wenn es um radikalere Sachen gehen würde.
„Des Weiteren habe ich für jede von euch ein Starter-Kit mit Kosmetik zusammengestellt. Manches Make Up ist nicht gut und trocknet die Haut aus. Wir wollen, dass ihr gute Haut habt, deswegen benutzt bitte, was Foundation und Primer betrifft, nur Dinge nach Absprache mit uns.“
Und so bekam jede ihren eigenen Beauty-Kasten, den jede neugierig öffnete. Sandy erklärte in welcher Reihenfolge die Anwendungen zu machen waren, um ein ideales Ergebnis zu erhalten und welche Masken morgens und welche abends am besten waren und wieso.
Die 1,5 Stunden vergingen wie im Flug und in der kurzen Pause, gingen sie raus, wo einige eine rauchten.
„Also, ich weiß nicht wie es euch geht, aber Sandy ist jetzt schon mein Lieblingsmensch“, meinte Kendra. Skye hingegen wusste, was noch alles kam und ja, es war eine coole Einheit, aber spätestens beim Morgen-Yoga, würden einige mit dem Stöhnen anfangen.
Sie gingen zur nächsten Einheit – Vocals. An der Tür hing ein Schild: Skye, das ist mein Geschenk für dich. Es war teuer. -J.
„Wie meint er das?“, wunderte sich Blake.
„Das weiß man bei Jiyong nie.“ Man wusste auch nicht, ob es Sarkasmus war oder ernst gemeint, also öffnete sie etwas vorsichtiger die Tür und was fand sie? Frau Yang! Ihr Vocalcoach von SME! Sie war praktisch die einzige gewesen, die wirklich an Skye geglaubt hatte und die sie so gefördert hatte, dass sie das Gefühl hatte wichtig zu sein. Die Amerikanerin konnte nicht anders, als ihr in die Arme zu fallen und zu drücken.
„Frau Yang! Was machen Sie denn hier?“
Die anderen kannten Frau Yang natürlich auch, waren sie doch alle ehemalige SM Trainees.
„Manchmal muss man das tun, was man für richtig hält. Ich denke, ihr seid unglaublich talentiert und ich finde es falsch, dass ihr anders behandelt werdet, nur weil manche von euch einen nicht-koreanischen Elternteil haben.“
Na endlich mal jemand, der es auf den Punkt brachte. Heute nahmen sie Stimmproben auf, dass würde später den Produzenten helfen die Passagen der Songs optimal zu verteilen, hatten sie doch alle sehr unterschiedliche Stimmfarben. Heute wären Kendra, Ara und Honey dran und morgen die anderen. Es war interessant den anderen beim Singen zuzuhören, sie mussten die Stimmen der anderen kennenlernen und für Skye war es super spannend. Bei SME hatten sie weniger als Band Vocalcoaching gehabt, sondern einzeln, doch gerade am Anfang fand sie das wichtig.
Und dann kam die Mittagspause. Der Colonel war die letzte halbe Stunde im Vocalcoaching dazu gekommen. Schließlich kannte er sie noch gar nicht oder wenn nur von Aufnahmen und er schien sehr interessiert. Danach steuerten sie ein kleines Lokal um die Ecke an, anstatt Essen zu bestellen. Skye mochte das, dass sie auch mal rauskamen. Das Headquarter war toll, doch noch war alles neu und spannend – in einem halben Jahr würden sie es verfluchen.
„Also, ich habe gestern mit Ji gesprochen“, begann sie. „Er und Bang sind wohl mit V Live im Gespräch, um aus uns eine Show zu machen.“
Sie konnte sehen, wie die anderen unruhig auf ihren Stühlen umher rutschten. Es war ein großer Eingriff in die Privatsphäre. Ständig von Kameras umgeben, immer darauf achten, was man tat, was man sagte. Für Bands wie BTS, Black Pink, Super Junior oder NTC, die es gewohnt waren ohnehin ständig fotografiert und gefilmt zu werden, war es eine Routine. Sie wussten, wie sie sich vor der Kamera zu geben hatte und für die 7Kings war es Neuland, vielleicht könnte aber auch genau darin das Geheimnis liegen.
„Ich weiß, dass es ungewohnt ist – glaubt mir, ich finde das auch nicht so prickelnd. Aber wir müssen Aufmerksamkeit bekommen. Wir werden die erste Band von G-Next. Ein neues Label, mit G-Dragon an der Spitze und in Zusammenarbeit mit Big Hit. Ich denke schon, dass Leute neugierig sein werden.“
Noch immer konnte sie die Unsicherheit in den Gesichtern sehen.
„Würde immer-immer gefilmt werden?“, fragte Mi Cha als Erste und nun klinkte sich der Colonel ein.
„Nein, entweder tage- oder wochenweise. Die Kameras würden zwar installiert bleiben, einfach weil es zu aufwendig wäre. Auch würde es im Dorm Bereiche geben, die keine Kameras haben und die Kamerateams folgen euch auch nur, wenn es vorher abgesprochen wurde. Ich persönlich denke, dass es eine gute Möglichkeit ist. Die Fans heute wollen wissen, dass ihre Idols Menschen sind. Man sieht bei BTS, wie erfolgreich das ist. Dafür werden wir euch in weniger Fernsehsendungen schleppen, denn die zahlen nicht dafür – im Gegenteil. Wir zahlen die Fernsehsender dafür euch einzuladen und natürlich werdet ihr beim Debüt in den Musiksendungen sein, aber wir werden euch nicht von einer Show zur nächsten hetzen.“
Es war ungewohnt für sie und waren sie doch alle sonst so keck und vorlaut, so konnte man doch deutlich spüren, wie alle von diesen ganzen Informationen ziemlich eingeschüchtert waren.
„Also ich finde es gut“, ergriff nun Ara das Wort, „Es ist eine Chance, die wir nutzen sollten, wobei es natürlich auch total nach hinten losgehen könnte, aber dann wüssten wir das schon vor dem Debüt und könnten uns die Mühe sparen.“
Aras Stagename sollte #NoFilter sein, überlegte sich Skye in diesem Moment, doch sie war dankbar für die ehrliche Meinung. Ara sprach aus, was sie dachte und redete nicht um den heißen Brei herum.
Nach der Mittagspause ging es ins Tanztraining. Das war okay, sie kannten alle den Drill. Sie lernten Itzys ‚Icy‘, was wohl den meisten recht war. Skye hatte schon befürchtet, dass sie ‚Feel Special‘ von Twice lernen würden, aber ihr war das zu girly und erinnerte sie an die frühen SNSD Zeiten.
Gegen Ende des Trainings kamen Taehyung und Jimin und Jimin ließ es sich nicht nehmen direkt in Action zu springen und sich in die Formation einzuordnen – leicht zur Irritation der andern, aber hey, man musste jederzeit auf alles gefasst sein, auch auf einen kleinen Tanzbären.
„Hey, was machst du hier?“, fragte Skye und gab Tae einen Kuss zur Begrüßung.
„Wir wollten mal schauen, wie euer erster Tag so läuft.“ Er zog sie näher zu sich, auch wenn sie verschwitzt war und eigentlich unter die Dusche wollte – am liebsten mit ihm.
„Super, ins nächste Training könnt ihr mitkommen.
Jimin und Tae tauschten einen fragenden Blick aus, wenn Skye das so anbot, hörte es sich eher wie eine Drohung an, als wie eine Einladung. Sie machten kurz Pause, holten sich etwas zu trinken und gingen dann in den nächsten Raum. Bald würde es für sie Routine sein, doch im Moment war noch alles neu und die Amerikanerin versuchte dieses Gefühl aufzunehmen, würde sie sich eines Tages genau an diesen Tag zurückerinnern wollen und an das Gefühl, dass sie heute hatte.
„Yoga?!“, fragten London, Kendra und Ara gleichzeitig.
„Jup“, bestätigte Skye und lächelte. „Wenn ich tauchen gehe, ohne Flasche, mache ich oft davor Yoga. Es hilft nicht nur bei der Konzentration, sondern auch bei der Atmung. Wir werden vielen stressigen Situationen ausgesetzt sein, ein Ruhepuls ist vielleicht gar nicht so schlecht.“
Sie hatte sich das von Jacques Mayol abgeschaut, ein Freitaucher aus den 60ern/70ern, der sich in Indien in Pranayama Yoga hatte ausbilden lassen, um seine Atemtechnik zu verbessern. Später gab es einen Film, der sein Leben fiktional wiedergab – Le Grand Bleu oder auch The Big Blue. Es war ein Film über zwei Freitaucher, die in der Anfangszeit der Wettkämpfe neue Rekorde jagten. Im Film starben beide, was jedoch nicht der Wahrheit entsprach. Es war ein Film aus 88, eine französische Produktion und fast 3 Stunden lang. Tatsächlich passierte gar nicht so viel in dem Film, außer eine schnulzige Liebesgeschichte, welche Skye sich immer wieder gerne anschaute, weil der Schauspieler, welcher Mayol verkörperte, unheimlich niedlich war. Es gab sogar Sex! Und das in den 80ern im Kino! Aber sie mochte die Stimmung in dem Film. Die Taucher tranken Alkohol, rauchten und aßen Kohlenhydrate, etwas, wovon einem jeder Trainer abraten würde. Sie konnte sich noch erinnern, wie sie heimlich gegessen hatte, damit ihr Trainer sie nicht erwischte, denn mal abgesehen von der körperlichen Kondition, hatte Freitauchen vor allem etwas mit dem Kopf zu tun und der Film spiegelte das wider. Die Sehnsucht, das Gefühl was die unendliche Tiefe in einem auslöste. In dem Film fragte Mayols Freundin ‚Was fühlst du eigentlich, wenn du da runter tauchst?‘ und er antwortet ‚Es ist wie ausrutschen, ohne zu fallen. Aber das Schwierigste beginnt erst unten.’. Sie fragt darauf hin ‚Wieso?‘ und Mayol sagt ‚Um wieder aufzutauchen, brauchst du einen guten Grund‘. Es steckte viel Wahrheit dahinter und wahrscheinlich konnte jemand, der nicht tauchte, das nicht nachvollziehen. Skye war tief verbunden mit dem Meer und wenn sie dort unten war, in der unendlichen Weite, eins mit sich und dem Meer, dann war es so einfach loszulassen, einfach immer tiefer zu sinken. Natürlich wusste sie, dass Ertrinken kein schöner Tod war, genauso wenig wie eine Sauerstoffvergiftung, wenn sie mit Flaschen runtergehen würde, aber es war einfach, sich einzubilden, dass dort unten etwas auf einen wartete, wenn man nur den Mut hatte danach zu suchen.
Lange Rede, kurzer Sinn: Yoga half ihr beim Tauchen, wieso also nicht auch beim Singen?
Die anderen waren davon nicht so einfach überzeugt, daher hatte Skye vorab mit dem Trainer besprochen, dass sie sowohl körperliche Übungen machen, um Muskeln zu aktivieren, die man sonst nicht brauchte, als auch Atemübungen und Meditation.
Der erste Teil verlief noch ganz gut. Einige stolperten durch die Gegend, um die Figuren zu halten. Es war anstrengend auf seine eigene Weise, aber es entschleunigte auch unheimlich. Während der Atemübungen, waren einige am Husten und beobachteten fasziniert, wie sich Skyes Bauch bewegte. Schließlich war sie es auch gewohnt.
Ganz schlimm wurde es während der Meditationsphase. Ob Taehyung als erstes einschlief, wusste sie nicht, doch er war der erste, der anfing zu schnarchen. Ohne die Augen zu öffnen, tippte sie ihn mit dem Fuß an – ohne Erfolg. Honey und Blake waren bereits am Giggeln, versuchten sich aber zurückzuhalten. Tae hingegen war so tief am Schlafen, dass er durch den Tritt kippte und London erwischte, die sich erschreckte, weil sie wohl auch geschlafen hatte. Beim Aufprall wachte dann auch Tae auf, Jimin fing herzlich an zu lachen und die anderen konnten sich auch nicht mehr richtig konzentrieren. Skyes Blick traf auf den der Trainerin.
„Okay, ich denke das reicht für heute“, sagte sie. Immerhin konnte sie noch lächeln, wusste sie wohl, das Yoga etwas war, in das man reinkommen musste.
„Wow, wir sind echt schon fertig?“, kam es von Kendra, als sie in die Umkleide gingen. „Bei SME wäre das gerade ein halber Tag.“
Jetzt waren alle aber auch noch etwas angeschlagen. Die Infusion gestern hatte zumindest Skye gutgetan und auch die kurzen Pausen zwischen den Trainingseinheiten, aber schlafen wäre jetzt auch toll. Dabei hatte sie die Idee gehabt nach Hause zu joggen. Es waren nicht ganz 10 Kilometer und sie hatte auch schon eine Route gespeichert, doch tatsächlich merkte Skye, wie es ihr zwar schon besser ging, aber eben nicht SO gut und so schlug sie es gar nicht vor – ein anderes Mal könnten die Mädels sie dafür hassen.
„Wollen wir vielleicht noch ein wenig die Gegend erkunden? Hier sind ganz viele Blumenläden und Restaurants und um die Ecke ist JYP – vielleicht sehen wir ja jemand fancy.“ Blake schaute fragend in die Runde.
„Ja zu Blumen, Nein zum fangirlen“, kam es von London. „Vielleicht können wir ja hinten am Haus einen kleinen Garten anlegen, ich denk da schon die ganze Zeit drüber nach.“
London sah jetzt nicht unbedingt aus wie jemand mit dem grünen Daumen, aber Skye fand es eine schöne Idee. Es wäre ein leichtes es ihren Gärtnern Bescheid zu sagen, aber gemeinsam so etwas zu machen wäre doch auch nett. Auf Fiji half Skye auch gerne mit und wühlte in Erde.
Damit war für Taehyung und Jimin Schluss. Nicht auszudenken was das für eine Presse wäre, wenn sie mit sieben Girls im Blumenladen erwischt werden würden.
„Hey, wollen wir heute Abend zu mir? Wir könnten was kochen“, bot Taehyung an und zu gerne würde sie ‚ja‘ sagen. Andererseits war sie viel zu neugierig wegen der Einladung zu der ominösen Party heute Abend, als dass sie nicht gehen könnte.
„Sorry Bambi, ich habe ein Meeting mit Geschäftspartnern – von den anderen Firmen.“
Sie hatte ja nicht nur G-Next, um das sie sich kümmern musste, auch wenn sie sich darum am meisten kümmerte. Die anderen Firmen waren recht selbstverwaltend und doch gab es oft genug Dinge, die sie mit Jamal und Nate besprechen musste. Daher stellte Taehyung ihre Antwort gar nicht in Frage. Dazu kam, dass er ohnehin etwas … gutgläubig war. Er gab ihr zum Abschied noch einen Kuss und dann zogen die Mädels los.
Es war schön, denn schließlich würde irgendwann ihr Freiraum etwas eingeschränkter werden, doch noch konnten sie durch die Läden tingeln und Blödsinn machen. London hatte ganz genaue Vorstellungen davon, was sie in dem Garten pflanzen wollte. Kendra und Skye tauschten vielsagende Blicke aus.
„Ehm … Schätzchen“, begann Kendra vorsichtig. „Dir ist aufgefallen, dass wir Anfang Oktober haben? Es bringt nichts jetzt Tomaten und Gurken zu pflanzen…“
London stockte, sie war wohl so im Wahn gewesen, dass sie die Jahreszeiten völlig verdrängt hatte. Konnte ja mal passieren, wenn man schon so euphorisch war. Enttäuscht ließ sie die Schultern hängen, man konnte förmlich sehen, wie ihr Traum zerfiel.
„Hey, im Frühjahr pflanzen wir alles was du willst und solange kannst du dich im Gewächshaus austoben“, versuchte Skye das Ganze zu retten. Immerhin hatte sie das kleine Gewächshaus. Zwar kein botanischer Garten, aber zum Überwintern einiger Pflanzen sollte es reichen.
„Bekommen wir dann auch Bougainvillea?“, fragte Mi Cha aufgeregt.
„Aber natürlich.“ Skye hatte keine Ahnung, sie merkte sich diese ganzen Namen doch nicht und benannte sie lieber selbst in ‚Minibommeln‘, ‚Flauscheteile‘ oder ‚Feenstaubdinger‘ um. Schön war, dass ihre Blumenfrau sie verstand. Bei Fischen machte sie es auch, so kam es vor, dass in ihrem Logbuch auch mal Miniflausch, Tauben-Kuschelfische oder Baum-Puschel-Schnecke stand. Immerhin wusste sie wovon sie sprach, wenn sie die – meist unaussprechlichen – Fachbegriffe hinschreiben würde, müsste sie diese danach erst einmal googeln!
Um 21 Uhr war die Amerikanerin geringfügig nervös. Sie stand vor dem Spiegel und betrachtete sich. Auf der Einladung hatte nichts von einem Dresscode gestanden, also hatte sie sich für das ‚kleine Schwarze’ entschieden – damit lag man nie falsch. Es könnte natürlich sein, dass sie in eine Falle lief. Das es irgendein Psycho-Fan war, der sie irgendwo hinlockte, um sie dann umzubringen und zu fressen. Gerade nach ihrem letzten Mordversuch, sollte sie vielleicht etwas vorsichtiger sein, aber sie war eben eine Frau und neugierig. Sie konnte gar nicht anders und irgendwie hatte sie in der Einladung das Gefühl, dass sie von Jiyong sein könnte. Es war die Art zu schreiben, was sie an ihn erinnerte. Natürlich könnte Skye damit völlig falsch liegen. Wieso sollte er ihr heimlich und anonym eine Einladung zukommen lassen, wenn er sie einfach hätte ansprechen können? Nicht immer machte alles bei Jiyong Sinn, gut, bei ihr auch nicht, aber sie konnte sich immerhin darauf stützen, dass sie eine Frau war. Sie hatte einen genetischen Freifahrtschein, was war Jiyongs Ausrede?
Auf dem Weg zum Wagen, lief ihr tatsächlich Jungkook vor die Nase.
„Wow … was hast du denn vor?“
Skye mochte es locker und lässig, etwas Hippie mit Plumphosen und bauchfreien Shirts oder Maxikleidern, langen Röcken. Das ‚kleine Schwarze‘ stand ihr hervorragend, darum ging es nicht, es war nur ungewohnt für Jungkook.
„Ich habe ein Businessmeeting.“
„So?!“
„Ja, Mister Judgy. Ich kann schlecht als Genie zu einem Meeting auftauchen.“
Die Amerikanerin bekam das Gefühl nicht los, dass seit sie mit Taehyung zusammen war, Jungkook von ‚Kumpel‘ zum ‚Aufpasser‘ geworden ist. Vielleicht war es nur Einbildung, doch sie wusste, dass die beiden sich nahestanden und meistens nur so taten, als wären sie voneinander genervt. Gut, meistens tat Jungkook so, als wäre er von Tae genervt und manchmal konnte sie es nachvollziehen, doch hinter diesen liebevollen Neckereien stand eine tiefe Freundschaft.
„Du siehst gut aus, egal was du anhast. Was für ein Meeting ist das genau?“
Er verschränkte die Arme und ließ den Detektiv raushängen.
„Eines, wo ich meinen Partnern Geld aus der Tasche ziehen will.“
„Okay, das ist das passende Outfit.“ Er grinste frech und sie boxte ihn leicht gegen die Schulter. Schließlich zogen Idols sich auch auf der Bühne aus, bei ihnen nannte man das Fanservice.
40 Minuten später stand sie in der obersten Etage eines Wohnhauses in Mapo-gu und spielte mit der Türkarte, die in der Einladung beigelegen hatte. Was, wenn das ein Fehler war? Niemand wusste wo sie war, niemand würde sie finden. Plötzlich sah sich Skye als Hauptdarstellerin in diesem Falko Musikvideo … wie hieß es? Jeanny! Sie atmete tief durch und hielt die Karte an die Tür, welche sich daraufhin öffnete.
Sie fand sich in einem Flur wieder mit Empfangsdame.
„Guten Abend Frau Jones“, wurde sie mit Namen begrüßt. „Dürfte ich Sie bitte ihr Handy abzugeben?“
„Entschuldigung?“
„Ihr Handy. Es ist eine reine Vorsichtsmaßnahme. Natürlich erhalten Sie es zurück, wenn Sie gehen.“
Da wollte wohl jemand, dass keine Bilder entstanden. Wirklich freiwillig gab sie es nicht her, doch bis jetzt schien es … seriös zu sein? Was auch immer das hier nun war.
Handylos wurde sie weitergeführt und betrat einen Raum voller Idols. Sie bleib hinter der Tür stehen und schaute sich in dem Penthouse um. Wow, wo kamen denn all die Idols her?
„Skye!“
Ihr Kopf folgte der Stimme und sie fand Leeteuk, der grinsend auf sie zu kam.
„Schön, dass du hier bist!“
„Ehm … wo genau bin ich denn?“
Ein bekanntes Gesicht war gut, vor allem Leeteuk. Jetzt wusste sie zumindest, dass sie gute Chancen hatte, den Abend zu überleben.
„Oh, hat dir das keiner gesagt? Die Geheimniskrämer …“, er rollte mit den Augen. „Willkommen beim monatlichen Bandleadertreffen“, fügte er feierlich hinzu und gab ihr ein Glas Sekt.
„Das was?“ Noch immer war sie irritiert und dann kam auch schon Namjoon aus der Tür.
„Hey Skye! Schön, dass du es geschafft hast.“
Zuerst wurde er geboxt und entsetzt schaute er sie an.
„Du hättest mich warnen können!“
„Ich dachte, Jiyong hat das gemacht!“
Tatsächlich war es wohl so, dass die Bandleader der Kpop-Szene sich einmal im Monat trafen, um unter Gleichgesinnten zu sein. Und niemand wusste davon.
„Wir wollen nicht, dass die anderen sich ausgeschlossen fühlen“, erklärte es Namjoon.
„Nur manchmal … manchmal wollen wir uns auskotzen“, fügte Jiyong hinzu, der inzwischen zu ihnen gestoßen war.
Es war faszinierend, wie viele Bandleader da waren. Suho, Yuhno, Erik, Yungguk, JR, Cap, N, JB, Gyuri, Solar, Irene, Yeji, Bang Chan und natürlich auch Taeyeong und zu allem Übel auch Jennie. Offiziell hatte Blackpink keine Bandleaderin und so wusste die Amerikanerin gar nicht so genau, was die Ausgeburt des Bösens hier überhaupt machte. Später erfuhr sie, dass Blackpink zu diesen Treffen wohl rotierten – da es keinen Bandleader gab, übernahm jede irgendwie diese Rolle und Skye hatte einfach nur das Glück gehabt, an dem Treffen hier zu sein, an dem Jennie auch geladen war.
Skye musste zugeben, dass sie tatsächlich nicht alle kannte, doch Jiyong stellte sie überall fröhlich vor und versuchte sie nicht in Verlegenheit zu bringen.
„Aber wirklich, wir sind noch gar nicht debütiert“, meinte sie, als sie bei den Mini-Burgern standen. Offensichtlich wussten auch die Manager nichts von diesen Treffen, ansonsten würde der Speiseplan sehr anders aussehen.
„Gerade deswegen. Die härtesten Monate kommen jetzt auf dich zu und hier wirst du Unterstützung finden. Wir haben das alles schon hinter uns und können dir Tipps geben“, meinte Leeteuk.
„Aber bisher läuft es super.“ Sie konnte sich wirklich nicht beschweren. Sie sprachen Themen an und fanden gemeinsam einen Nenner, so wie mit der V-Live Geschichte. Doch um sie herum fingen bei ihrer Aussage alle an zu lachen. Skye zog die Augenbrauen zusammen.
„Liebes, ihr habt gerade erst mit dem Training angefangen, wir sprechen uns in einem Monat.“ Jiyong schnappte nach Luft vor lauter Lachen. Natürlich wusste sie, dass ihnen noch harte Zeiten bevorstanden, doch sie waren keine Kinder mehr, die man mit 13, 14, 15 zusammenschmiss und alleine zusammenwohnen ließ. Sie waren erwachsene Frauen, sie alle wussten schon, wie das Training aussah – Skye mehr vom Zusehen, als in der Praxis. Sie fühlte sich gut vorbereitet und sie fühlte sich mit den Girls wohl.
„Nein, wirklich. Es passt super. Sicher wird es auch mal Streit geben, aber ich denke, als Gruppe werden wir zusammenhalten.“
Doch je mehr Skye sich und ihre Kings verteidigte, umso mehr lachten die Jungs – so lange, bis sie genervt war.
„Hey!“ Sie drehte sich zu der unbekannten-bekannten Stimme um und fand Jennie. Super. Als Skye sich gefragt hatte, ob der Abend noch besser laufen könnte, war das eine rhetorische Frage gewesen, keine Challenge.
„Sie hat gesagt es läuft super. Vielleicht solltet ihr bedenken, dass es erwachsene Frauen sind und keine hormongesteuerten Vollidioten. Lasst sie in Ruhe.“
Der Schock saß nicht nur bei Skye tief, auch die anderen hatten aufgehört zu lachen. Das Jennie und die Amerikanerin nicht gerade das beste Verhältnis hatten, war kein Geheimnis. Vor allem Jennie nutzte jede Chance Skye irgendwie einen reinzudrücken und Skye drückte liebend gerne zurück. Wahrscheinlich würde gleich die Retourkutsche kommen, in 3… 2… 1…
„Los husch, lasst uns Mädels alleine.“
Wie? Jennie wollte sie nicht vor den anderen demütigen? Diese waren noch so unter Schock, dass sie wirklich die beiden alleine ließen. Jennie schaute ihnen nach und rollte dann mit den Augen.
„Männer … was wissen die schon?“
Nun wurde Skye aber wirklich skeptisch und ihre Augen verengten sich. Wer war diese Person und was hatte sie mit Jennie gemacht? Gab es doch Aliens? Oder Roboter? Sammelte die Regierung DNA, um Klone herzustellen? Sie sah dabei zu, wie die Sängerin sich etwas zu essen nahm und wartete ab. Der Tiefschlag würde noch kommen. Schließlich drehte Jennie sich zu ihr um und Skye war vorbereitet.
„Hör zu, ich weiß wir hatten … Startschwierigkeiten.“
Understatement of the year – dachte sich Skye, hörte aber ausnahmsweise nur zu, anstatt sie direkt zu steinigen.
„Ich bin ehrlich, ich habe nicht gedacht, dass ihr das mit G-Next durchzieht. Ich habe gedacht, du würdest Ji hängen lassen, doch … ich scheine dir Unrecht getan zu haben.“
„Nur was G-Next betrifft?“, fragte sie dann doch kurz ungläubig nach.
„Willst du es echt pushen?“
Daraufhin hob Skye ergebend die Hände. Gut, eins nach dem anderen. Jennie nickte ihr zu und gemeinsam gingen sie auf den breiten Balkon, bevor sie sich eine Zigarette anzündete und die Amerikanerin tat es ihr gleich.
„Ji ist schon oft verarscht worden, er ist schon oft mit Leuten auf die Fresse gefallen und weißt du was er tut? Er steht wieder auf und er lässt neue Leute in sein Herz. Es tut mir weh, wenn er verletzt wird, verstehst du?“
Ja, das verstand sie tatsächlich. Jiyong und sie waren wie eine Achterbahn gewesen. Flirt, Eifersucht, vielleicht sogar Liebe. Wer hätte zwischen drin gedacht, dass sie jemals mit ihm ein Label gründen würde? Also sie mit Sicherheit nicht. Im Nachhinein konnte sie nicht sagen, dass es alles Jiyongs schuld war oder ihre. Irgendwie schien keiner wirklich daran schuld zu sein, waren doch einfach die Umstände von Anfang an so verquert gewesen, dass sie nicht daraus hätten ausbrechen können. Es gab auch Momente, da tat es ihr leid. Jiyong war kein schlechter Kerl und selbst wenn er G-Dragon war, so war auch er nicht unverschont geblieben von Dingen wie Unsicherheit, Eifersucht und Existenzängsten. Er war nur ein Mensch, auch wenn er sich oft bemühte, ihn hinter der gut ausgebildeten Fassade zu verstecken. Langsam nickte sie, zog an der Zigarette.
Drinnen hingegen standen Jiyong, Namjoon, Yunho, Suho und Leeteuk zusammen und beobachteten die beiden. Falsch, viel eher versuchten sie Lippen zu lesen.
„Nein, das Outfit steht mir viel besser als dir, du kleine Bitch“, übersetzte Leeteuk mit gespielt höher Stimme, was Skye sagte.
„Selber Bitch, nur weil du viel Geld hast, heißt das nicht, dass du Klasse kaufen kannst“, mimte Suho Jennie. Anfangs hatte er sich geweigert, doch es war ganz witzig.
„Was denkst du, über was die reden?“, fragte Namjoon Jiyong und sah besorgt aus. Der Catfight zwischen den beiden war kein Geheimnis und bisher hatten sie sich zwar eher verbal bekämpft, aber diese Brüstung war ziemlich nahe!
„Über mich“, sagte Ji, als wäre es ganz selbstverständlich und erntete einen fragenden Blick.
„Ich bin toll – wieso sollten sie nicht über mich sprechen?“, verteidigte er sich. Namjoon drehte sich weg und rollte, so dezent es ihm möglich war, die Augen.
„Wisst ihr, was ich noch viel gruseliger finden würde?“, kam es von Yuhno und die anderen schauten zu ihm. „Wenn sie Freundinnen werden würden.“
Entsetzt schauten alle zurück zu den beiden Frauen, die inzwischen schon lachten! Nicht gehässig, sondern einfach fröhlich.
„Fuck“, bemerkte Jiyong, „Die übernehmen die Weltherrschaft!“
„Wieso musstest du Skye auch einladen?!“, beschwerte sich nun Leeteuk.