Gegen 23 Uhr verabschiedete sich Skye. Sie wollte noch mal kurz bei Super Junior vorbeischauen, doch ein Anruf von Jiyong kam ihr dazwischen.
„Sag nicht, dass du noch im Büro bist?“, begrüßte sie ihn lachend, denn Ji war auch ein Work-a-holic und nur schwer von der Arbeit fern zu halten. Skye hingegen war irgendwie immer noch die Mutti aller Idols und wollte, dass er sich auch mal einen freien Abend gönnt.
„Nein! Ich bin bei KBS – wo du auch sein solltest! Seit 30 Minuten!“
Die Amerikanerin stockte. Was? Wieso bei KBS? Was hatte sie da verloren?
„Ich kann dir nicht folgen“, gab sie offen und irritiert zu.
„Wir haben um 1 Uhr das Pre-Recording für diese neue Late Show.“
„Wer wir?“ Sie konnte ihm immer noch nicht folgen.
„Du und ich.“
„Sorry aber … wieso?“
„Skye, ich hatte dir das alles erklärt und ich hatte es dir in den Terminplan geschrieben. Es geht um G-Next – beweg deinen Hintern hierher.“
Die ganze Autofahrt zerbrach sie sich den Kopf. Auf dem Weg in die Garage hatte sie ihren Terminplan gecheckt und ja, da stand ein KBS Termin – aber noch nie zuvor hatte sie ihn gesehen und dafür würde sie ihre Hand ins Feuer legen. Da der Terminplan von den 7Kings dort auch war, schaute sie ständig rein und wenn da ein Termin abends um 23 Uhr drin gewesen wäre, wäre ihr das aufgefallen. Oder nicht? Skye begann an sich selbst zu zweifeln. Das konnte doch nicht sein? Und überhaupt, wieso hatten sie jetzt schon Interviews zu G-Next? Und wieso hatte keiner mit ihnen vorher gesprochen?
Sie war massiv überfordert und verwirrt. Wenn es jetzt ein Scherz wäre und niemand wusste, wer sie war, dann würde sie Jiyong eigenhändig im Hangang versenken, aber nein, am Tor wusste man direkt, wo sie hinmusste und wies sie einem Parkplatz zu.
Jiyong stand vor der Tür und rauchte eine, als sie parkte.
„Du kannst froh sein, dass die Stylisten nicht so viel bei dir tun müssen“, war seine Begrüßung.
„Aber … wollen wir nicht etwas besprechen? Über was wir reden, über was nicht? Wieso hast du mich nicht die Tage angesprochen?“
Sie kannte das Prozedere eigentlich von EXO. In solchen Shows wurde wenig dem Zufall überlassen, vor allem nicht, wenn es um solche empfindlichen Themen ging und sie hatten einfach gar nicht darüber gesprochen. Der Rapper hingegen winkte nur ab.
„Keine Sorge, MCs sind Leeteuk und Yoo Jaesuk, die hauen uns nicht in die Falle und du bist spontan sehr gut in Antworten. Na kommen, wir sind jetzt etwas im Zeitdruck.“
Ja klar, bloß keinen Druck machen. Leeteuk? Nicht in die Pfanne hauen? Also mit Absicht nicht, aber aus Zufall? Leeteuks Mund war bekannt dafür schnell zu sein, manchmal schneller als sein Hirn. Noch immer kam die Amerikanerin nicht umhin sich zu fragen, ob nicht etwas massiv an ihr vorbeiging und sie einfach nicht darauf kam.
In der Umkleide gab man ihr neue Klamotten, Jiyong hatte diese wohl mitgebracht. Helle Jeans, weißes Hemd, weiße Pumps. Zwei Leute arbeiteten an Haaren und Make Up, doch wirklich lange waren sie nicht beschäftigt. Skye sah Teukie im Spiegel, als er im Flur vorbei ging und rief nach ihm.
„Hey Skye, alles gut? Bereit?“
„Sag du es mir“, erwiderte sie verunsichert. „Ich hatte das hier gar nicht auf dem Schirm gehabt.“
„Wäre es fies, wenn ich sagen würde, du bräuchtest eine Assistentin?“
Tadelnd schaute sie ihn durch den Spiegel an. Bis vor noch nicht allzu langer Zeit war sie die Assistentin gewesen und hätte niemals irgendwelche Termine vergessen – vielleicht lag es auch daran, dass all das hier keinen Sinn machte.
Auch Jaesuk kam vor der Aufnahme noch mal kurz in die Umkleide, um Skye und Ji zu begrüßen. Man kannte sich, klar, auch wenn die Blondine sich in einer völlig neuen Position befand: Vor, anstatt hinter der Kamera.
Sie gab es nicht gerne zu, aber als sie auf den gemütlichen Sesseln des Studios saßen, kam sich Skye übel unvorbereitet vor. Sie ließ es sich nicht anmerken, darin war sie geübt, aber sie unterdrückte den permanenten Drang aufzuspringen und wegzurennen. So viel konnte schief gehen. So vieles Falsches konnte gesagt werden und Jiyong saß ganz entspannt neben ihr und plauschte mit Jaesuk, bevor es los ging. Sie würde einfach ihm das Reden überlassen und freundlich lächeln und dabei gut aussehen – auch etwas, in dem sie geübt war.
„Und heute Abend haben wir zwei ganz besondere Gäste, auf die viele sicherlich gespannt sein werden. Jones Skye und Kwon Jiyong!“, kündigte Leeteuk sie in der Kamera an. Skye lächelte in die richtige Kamera, immerhin das kannte sie. Das Publikum applaudierte und man wartete, bis es wieder ruhiger geworden war.
„In den vergangenen Wochen wurde viel über G-Next berichtet – ihr habt euer eigenes Label gegründet. Könnt ihr den Zuschauern erklären, was euch von den anderen Labels unterscheiden wird?“, fragte Teukie. Skye schaute kurz zu Ji, der sich etwas aufsetzte.
„Wir sind ein Label von Künstlern, für Künstler. Wir alle wissen, wie es ist auf der Bühne zu stehen, dem Druck ausgesetzt zu sein. Nichtsdestotrotz ist es ein Geschäft. Natürlich kostet alles Geld und wir haben große Investitionen gemacht, um unseren Künstlern ein ideales Umfeld für Kreativität zu geben. Wir wollen weg von dem Image der Sklavenverträge und ‚Massen-Idol-Haltung‘. Jedes Entertainment hat seine eigene Philosophie, um Trainees auszuwählen, aber ich denke, wir werden uns etwas von den anderen unterscheiden. Anstatt große Castings, wollen wir eher Leute wirklich entdecken – nicht nur für ihr Aussehen, sondern vor allem für ihre Kreativität und ihren Charakter.“
Das hatte er gut erklärt und diplomatisch.
„Es gibt auch schon Spekulationen über eine erste Band – Skye, kannst du uns dazu mehr erzählen?“, fragte nun Jaesuk und schaute zu der Amerikanerin. Oh-Oh. Durfte sie? Fragend schaute sie zu Jiyong und der nickte leicht.
„Das ist richtig. Wir haben einige Künstler, die schon Erfahrung haben“, damit meinte sie vor allem die verbleibenden Big Bang Mitglieder, „doch wir arbeiten auch an einer Girl Band als erste G-Next Auskopplung.“
„Stimmt es denn, dass in dieser Kpop Band fast ausschließlich Ausländer sein werden? Du selbst sollst auch dabei sein, oder?“, fragte er direkt und überrumpelte sie damit etwas.
„Ich denke, dass wir von dem klassischen Kpop Bild wegmüssen. Als ‚Kpop‘ wird alles bezeichnet, was aus Korea kommt, unabhängig davon, ob es Pop, Hip Hop, Punk oder Rock ist. Alle bekannten Bands in Korea werden pauschalisiert und viele Künstler ärgern sich darüber. Die Band wird eher eine Brücke zur Globalisierung sein. Alle Mitglieder haben eine Verbindung zu Korea, auch wenn sie vielleicht nicht alle hier geboren sind. Ich denke, Korea ist inzwischen offener für Nicht- oder Teil-Koreaner in einer Band, die in Korea produziert wird. GOT7, 2PM, Twice, NCT, Seventeen – es gibt unzählige Bands, in denen die Mitglieder gut involviert sind und von den Fans akzeptiert werden.“
„Aber es ist nicht von der Hand zu weisen, dass viele dieser Mitglieder oft Probleme haben“, bemerkte Leeteuk.
„Rassismus ist ein Thema, was weder in Korea, noch in anderen Ländern gerne angesprochen wird. Nach außen hin gibt sich die Welt offen, doch noch immer gibt es viele Vorurteile. Jemand aufgrund seiner Herkunft, seiner Religion oder Hautfarbe zu diskriminieren ist grundlegend falsch. Uns ist bewusst, dass es bestimmt auch Stimmen geben wird, die uns kritisieren werden, aber wir werden als Label unser Bestmöglichstes versuchen, unsere Künstler davor zu schützen. Wir wollen für unser Talent beurteilt werden, nicht für unsere Herkunft.“
Das Publikum zumindest applaudierte und auch Jiyong schien zufrieden mit ihrer Wortwahl.
„Ist es denn richtig, dass die anderen Trainees von einem anderen Entertainment … übergelaufen sind?“, fragte Jaesuk und man sah, dass ihm der Begriff nicht ganz gefiel.
„Nun, in dieser Branche ist es völlig normal, dass Trainees die Entertainments wechseln – ich selbst war auch in zwei Entertainments Trainee“, erklärte Jiyong souverän.
„Jeder Trainee muss sich irgendwann die Frage stellen, ob das Entertainment, dem man angehört, die gleichen Interessen verfolgt, wie man selbst oder ob man sich nicht in eine andere Richtung entwickeln möchte“, ergänzte er noch und sowohl Leeteuk, als auch Jaesuk nickten zustimmend.
„Skye, du hattest ja bereits mit Big Hit und Taehyung zusammengearbeitet. Ist es Zufall, dass Big Hit bei G-Next eingestiegen ist oder war das damals schon im Gespräch gewesen?“, fragte Leeteuk, der zwar eindeutig die Antwort darauf wusste, doch das tat ja für die Aufnahme nichts zur Sache.
„Als ich den Song mit Taehyung-shi aufgenommen habe, war G-Next noch kein Gesprächsthema, nein. Das sie Interesse haben bei uns einzusteigen, kam erst später.“
„Und du und Jiyong, wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt? Schließlich gründet man ein Entertainment ja nicht einfach so.“ Jaesuk schaute fragend zu Skye. Wenn der wüsste … Jiyong und seine Ideen.
„Als ich im Januar nach Korea kam, habe ich als Assistentin für Martin Mia gearbeitet. Jiyong gehört zu ihren engsten Freunden und wir haben uns recht früh kennengelernt.“
„Skye ist unheimlich talentiert – anfangs habe ich noch versucht sie bei YG unterzubringen oder auch bei SM, doch mir wurde schnell klar, dass ihr Spektrum in keines der Entertainments passte“, meinte Ji und schenkte ihr ein Lächeln, woraufhin ein ‚Oooooh‘ durch die Menge ging.
„Das du talentiert bist, hast du bereits öfters unter Beweis gestellt, aber nun sollst du eventuell in eine Band integriert werden. Meinst du nicht, dass könnte dein Talent einschränken?“, fragte Leeteuk weiter, doch Skye schüttelte den Kopf.
„Noch ist nichts in Stein gemeißelt, aber ich würde sagen, dass das Gegenteil der Fall wäre. Alleine kreativ zu sein und Songs zu schreiben ist nicht immer einfach. So wie die Band im Moment aufgestellt ist, hat es eine tolle Harmonie. Sie ergänzen sich gegenseitig und auch wenn viele unterschiedliche Charaktere aufeinanderstoßen, so glauben wir, dass es wichtig ist, nicht immer einer Meinung zu sein und gemeinsam an Projekten zu arbeiten, bis sie nicht nur eine Person präsentieren, sondern ein Werk von allen sind.“
Schon jetzt war sie stolz auf die 7Kings und würde keine von ihnen ersetzen. Melissa zu ‚verlieren‘, war schade gewesen. Die junge Sängerin war Skye ans Herz gewachsen, doch letzten Endes war es doch die Entscheidung von jedem einzelnen und Skye verstand, wenn einige im sicheren Hafen von SME bleiben wollten, anstatt alles zu riskieren, für ein Label, was gerade erst begann. Dafür hatte Ara sie überrascht, hatte sie doch anfangs gedacht, dass sie uneingeschränkt hinter SME und Naomi stand.
„Es kursieren Gerüchte, dass du mit den anderen Mitgliedern auf einem recht großen Grundstück lebst“, meinte Jaesuk.
„Ist das eine Frage?“, fragte nun Skye und lachte fröhlich. „Ja, mir gehört ein recht großes Stück Land, auf welchem auch Häuser stehen und ja, ich wohne dort mit den anderen Trainees. Allerdings ist es wichtig das Idol und die Privatperson zu trennen. In einem normalen Job hat man auch irgendwann Feierabend, geht nach Hause und ist einfach nur Mensch – kein Anwalt oder Arzt oder Verkäufer. Als Idol kann man wohl nie ganz abschalten, aber Jiyong und ich finden dennoch, dass eine gewisse Privatsphäre wichtig ist. Daher hoffen wir, dass die Dorms unserer Idols als privater Raum respektiert werden.“
„Jiyong, für dich ist Privatsphäre schon immer ein wichtiges Thema gewesen, meinst du, dass sich das heute besser regeln lässt, als noch vor ein paar Jahren?“, sprach Leeteuk den Rapper an.
„Ich denke schon, dass sowohl Idols, als auch Fans eine Veränderung durchmachen. Inzwischen werden viele Dinge akzeptierte, die früher noch als Skandal galten. Ich denke, dass viele verstehen, dass wir auch nur normale Menschen sind und einen Rückzugsort brauchen.“
„Wobei die normalen Fans anscheinend verständnisvoller werden, aber die Sasaengs dafür extremer“, warf Jaesuk ein.
„Ja, aber Sasaengs sollten keine Messlatte sein“, stellte Jiyong klar.
Nach einer halben Stunde war alles vorbei und in Skyes Augen hatten sie es wirklich gut gemacht. Sie waren in keine Fettnäpfchen getreten und hatten dennoch ihre Meinung vertreten. Die beiden gingen in die Umkleide, als Jiyong sie am Arm festhielt. „Skye, ich muss dir etwas gestehen.“ Sein Ton war recht ernst, aber der Schalk blitze in seinen Augen auf. „Ich habe den Termin nicht bei dir eingetragen.“ „Ach.“ Sie war schon recht gewissenhaft, zumal es im Moment zu viele Termine gab und sie ohnehin ungerne den Überblick verlor. Wenn der Termin eingetragen gewesen wäre, hätte sie ihn gesehen. „Die Frage ist nur: wieso?“ „Ich wollte sehen, wie du in Stresssituationen reagierst. Du hast bestanden.“ Nun zog sie die Augenbrauen zusammen. „Und was, wenn ich durchgefallen wäre?“ Immerhin hatte es mehrere Möglichkeiten gegeben, wie das hier hätte ausgehen können. „Dann würde die Sendung nicht ausgestrahlt werden. Ich hatte das vorab geklärt und alle Zuschauer mussten eine Verschwiegenheitsklausel unterschreiben.“ Es gab Momente, da vergas sie, wie gut er organisiert war. Kaum einer würde so einen Stunt versuchen, aber Ji war einflussreich. Kaum einer würde es wagen zu einem Sender wie KBS zu sagen ‚Ihr strahlt das nur aus, wenn ich es absegne‘. „Aber du hast das gut gemacht. Du warst ruhig und gelassen, witzig, charmant, aber auch standhaft und mit klaren Linien.“
Bis Skye Zuhause war, war es fast 03:30 Uhr. Unsicher, was sie tun sollte, stand sie in der Küche, als alle drei Kätzchen daherkamen.
„Na, wer ist hier noch alles wach?“
Nicht nur wach, sondern auch hungrig, wie ihr Maunzen verhießen ließ. Mit dicken Bäuchen folgten sie Skye dann auch runter in das Tonstudio. Wenn sie sich jetzt hinlegen würde, würde sie später nicht in die Gänge kommen und so hatte die Amerikanerin beschlossen, dass es wohl das Beste wäre einfach wach zu bleiben.
Schlafmangel schienen sie besonders produktiv zu machen und bis 7 Uhr saß sie im Studio und mischte an einem Beat, schrieb nebenbei Texte, teilte den Song auf und sang ihn schon mal Probehalber ein. Vielleicht war sie zu müde, vielleicht hatte sie nur etwas gebraucht, um sich abzureagieren, denn noch immer konnte sie nicht entscheiden, ob sie sauer auf Jiyong war oder nicht. Sie mochte es nicht in die Pfanne gehauen zu werden. Klar, sie war noch frisch in dem Business und es gab vieles, was sie noch lernen musste, nur wusste die Blondine nicht, ob Jiyongs Methode die Richtige war. Jedenfalls war sie von dem Endergebnis begeistert und tanzte fröhlich durch das Studio, mit Apollon und Artemis auf dem Arm, die weniger begeistert schienen. Es war etwas Old School, mit einem coolen Beat, nichts Hektisches, aber mit Swag – fand Skye, die seit 24 Stunden nicht geschlafen hatte.
Schließlich ging sie runter ins Dorm, um Frühstück vorzubereiten, doch Blake und Mi Cha waren bereits wach.
„Skye?“, skeptisch schaute Blake zu ihr. „Alles okay?“
„Ja, klar.“
Gut, vielleicht war sie etwas aufgedreht oder zumindest aufgedrehter als sonst. Nun schaute auch Mi Cha.
„Du siehst aus, als hättest du zu wenig geschlafen.“
„Falsch – ich habe gar nicht geschlafen“, sagte sie und bevor die beiden Fragen stellen konnten, hob Skye eine Hand.
„Später, ich will mich nicht fünfmal aufregen müssen.“
Doch Blake war jetzt so neugierig auf das, was passiert war, dass sie durch’s Haus rannte und alle anderen aus den Federn schmiss. Ohnehin mussten sie um 9 Uhr los ins HQ und manche brauchten morgens dann wohl doch einen Moment länger, als andere. Vor allem Ara und Honey machten den Eindruck, dass es für sie noch viel zu früh wäre, um aufzustehen und saßen zerknittert am Esstisch, während Kendra und London, sobald sie wach waren, einfach wach waren und den beiden Langschläfern damit etwas auf die Nerven gingen.
„Oh, ich glaube, ich habe die passenden Stage Namen für euch: Sleepy & Grumpy“, lachte London fröhlich und Blake bekam große Augen.
„Können wir uns nicht alle nach den sieben Zwergen nennen? Wir sind doch auch sieben …“
Und schon entbrannte wer welcher Zwerg war. Ara war Grumpy und Honey Sleepy – das war einfach gewesen. Blake war Happy. Mi Cha wurde zu Bashful. Kendra zu Doc, weil sie ja schon immer nach den anderen schaute. Blieben noch Dopey und Sneezy und Skye und London.
„Du kannst Dopey sein“, sagte Skye zu London, die daraufhin den Kopf schüttelte.
„Ich gehe Drama nicht aus dem Weg.“
„Ich auch nicht“, meinte Skye und grübelte. In diesem Moment musste London nießen und alle fingen an zu lachen, deuteten mit den Fingern auf die Rapperin und riefen fröhlich ‚Sneezy!‘. So schnell waren dann Stage-Namen geklärt.
Nun wollte Blake aber auch wissen, wieso Skye nicht geschlafen hatte und so erzählte sie die Geschichte ihres gestrigen Abends. Die meisten waren geschockt und spekulierten, wie sie darauf reagiert hätten. Dann wollten sie genau wissen, was Skye gesagt hatte, aber alles bekam sie nun auch nicht mehr zusammen.
„Das ist schon hart, dich einfach so zu überfallen und ans Messer zu liefern“, kam es von Kendra, die sie besorgt ansah.
„Aber jetzt weiß er, dass er sich auf Skye verlassen kam“, meinte nun Ara und zuckte mit den Achseln.
„Sie hat noch nicht so viel Training, wie der Rest von uns, sie ins kalte Wasser zu werfen, war vielleicht genau das Richtige.“
„Und was, wenn es schief gegangen wäre?“, fragte Blake.
„Dann hätte Ji dafür gesorgt, dass es nicht ausgestrahlt wird“, erklärte die Amerikanerin.
„Cuz he’s fu**ing G-Dragon“, kam es lachend von London, die anerkennend in die Hände klatschte.
Wenn Ji nicht wäre, wer er war, hätte er so ein Risiko wohl gar nicht auf sich genommen. Zu viel hätte schief gehen können, doch Skye wusste, dass sie so oder so auseinandergenommen werden würde, denn man konnte nie etwas sagen, was alle glücklich machen würde.
„Und wann warst du Zuhause?“, wunderte sich Mi Cha.
„So um 03:30“, grübelte Skye. „Aber wenn ich dann ins Bett gegangen wäre, dann wäre ich jetzt nicht hier. Dafür“, und nun holte sie ihr Handy raus und tippte wild darauf rum, „habe ich das…“
Das Haus hatte mehrere Lautsprecher, mit denen man sich via Bluetooth verbinden konnte und genau das hatte sie getan und die Musik aufgedreht. Ein Song fing an zu spielen und alle lauschten. Nach ein paar Sekunden begannen sie ersten mit dem Kopf zu wippen und die Gesichter hellten sich immer mehr auf.
„Wer ist das?“, fragte London, die schon so rumhibbelte, dass sie gleich vom Stuhl fallen würde.
„Das ist Skye“, stellte Kendra fest.
„Nein, das sind die 7Kings“, korrigierte Skye grinsend und alle schauten sie an.
„Warte … was?“ Honey sprach aus, was wohl alle dachten. „Wer hat das geschrieben?“
„Ich.“
„Und produziert?“
„Ich, heute Nacht. Schlafmangel macht mich kreativ.“
Nun schienen die Frauen den Song aus völlig neuen Augen zu …hören. Ja, ich weiß, das hört sich falsch an, aber ihr wisst, was ich meine. Alle waren ruhig und wirkten nachdenklich und als das Lied fertig war, wollten sie es noch mal hören und noch einmal. Vielleicht war es taktisch nicht der beste Zeitpunkt ihnen das Lied zu zeigen, denn nun wollten sie es auch aufnehmen und eigentlich mussten sie ins HQ.
„Wir haben heute keine wichtigen Sachen, die nicht bis nächste Woche warten können, aber uns in unserer Kreativität auszubremsen widerspricht der Firmenpolitik.“
Die anderen nickten bei Londons Ansage zustimmend und ja, G-Next wollte seinen Künstlern Entscheidungsgewalt geben, ihnen die Möglichkeit geben sich selbst einzubringen und wie viele Kpop Bands schrieben schon ihren Debüt-Song selbst?
„Gut – wer sagt dem Colonel Bescheid?“
Bescheid sagen mussten sie schon, ansonsten würde er wütend vor der Tür stehen. Gut … ob sich etwas an dem ‚wütend vor der Tür stehen‘ wirklich ändern würde, wenn er die Wahrheit wusste, war mal so dahingestellt.
„Ich würde mal sagen, der Bandleader…“, kam es trocken von Ara und alle schauten zu Skye.
„Ist es zu spät, um den Posten abzugeben?“, fragte sie vorsichtig.
„Ja“, kam die Antwort in Einheit.
Also rief sie Michael an und eröffnete ihm, dass sie heute nicht ins Training kommen würden, weil sie ihren Debüt-Song aufnehmen würden. Er lachte sie, zu ihrem Erstaunen, nicht aus und hatte nur eine Bedingung: Morgen um 9 Uhr würden sie in Entertainment kommen und wenn Michael gefiel, was sie gemacht hatten, dann hätten sie frei und wenn nicht, dann würden sie am Samstag und am Sonntag trainieren müssen. Der Amerikanerin erschien das eigentlich recht fair.
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Als die Truppe ins Haupthaus einfiel, überraschten sie Jungkook und Taehyung beim Frühstück. Skye ging zu Tae und gab ihm einen Kuss.
„Wo bist du gewesen?“, fragte er, denn schließlich war sie die ganze Nacht nicht ins Bett gekommen.
„Im Studio – da gehen wir auch wieder hin. JK – hast du Zeit uns zu helfen?“
Jungkook war gut mit solchen technischen Dingen. Skye kannte ihr Studio zwar gut, doch sie wusste, dass auch der Sänger viel Zeit da unten verbrachte.
„Klar, mein Schedule ist frei.“ Er stand auf und schenkte sich noch einen Kaffee ein.
„Aber mein Schedule ist nicht frei“, beschwerte sich Taehyung und schaute mit großen Welpenaugen zwischen Skye und Jungkook hin und her. Sie gab ihm noch einen Kuss und grinste.
„Na dann einen schönen Tag Liebster.“ Und schon waren sie wieder weg.
Jungkook wurde der Song erst einmal vorgespielt und er hatte dabei ein wirkliches Pokerface. Mit leerem Blick hörte er zu, nickte leicht im Beat mit und erst nach einer Minute konnte er ein Grinsen nicht mehr verbergen.
„Du hast das heute Nacht gemacht?!“
„Jup.“
Für Skye war es kein Hexenwerk, wenn man einen Song im Kopf hatte und ihn rauslassen musste. Die Lyrics kamen von alleine, wenn sie den Beat hatte, nur selten war es bei ihr umgekehrt und bei den Rap-Teilen, hatte sie eigentlich nur Lückenfüller gesetzt. Auch der Text war nicht in Stein gemeißelt und gemeinsam saßen sie zusammen und berieten, wie sie den Text verändern könnten, während Jungkook sich mit Kopfhörern an das Mischpult setzte und mit dem Beat und Soundeffekten spielte.
„Es erinnert mich total an die 2000er Songs, als alle noch am grooven waren“, schwärmte London und fing an zu tanzen. Ja, Skye mochte diese ‚Epoche‘ auch. Damals konnte man ausgelassen feiern, es war nicht so aggressiv, die Beats waren angenehm, zum Tanzen, zum Chillen, zum Cruisen.
Als der Text feststand, begannen sie mit dem einsingen. Das Schöne war, dass es kein gemietetes Studio war, dass man pro Stunde bezahlte. Sie hatten keinen Zeitdruck und wenn es bis morgen früh um 9 Uhr dauerte, dann musste Michael halt hierherkommen und Frühstück mitbringen.
Beim Einsingen fiel ihnen dann noch einmal auf, wenn sie über Wörter stolperten und tauschten sie aus. Englisch und Koreanisch waren gut in der Waage, denn auch das war ihnen wichtig. Und alle schienen völlig in der Arbeit aufzugehen, brachten Vorschläge ein und diskutierten über verschiedene Dinge. Jungkook machte das wirklich gut. In vielen Dingen war er wie Skye – sie gehörten zu den Leuten, die Dinge gerne verstanden und selbst machten. In der Vergangenheit hatte er bewiesen, dass er gut in Videos war. Im Filmen, zuschneiden und bearbeiten. Er machte Dinge gerne selbst, um später stolz darauf sein zu können. Jemand beauftragen, konnte ja jeder. Klar könnten die 7Kings auch einfach einen Song kaufen. Es gab viele talentierte Songwriter, doch einen Song selbst zu produzieren, war eine völlig andere Geschichte und sie alle hatten daran gearbeitet, nicht nur eine Person. Nicht jede von ihnen war erfahren darin eigene Songs zu schreiben, aber da sie das heute als Gruppe machten, als Band, wollte Skye daran glauben, dass es ein paar von ihnen mehr Selbstbewusstsein gab, wenn es darum ging seiner Kreativität freien Lauf zu lassen. Nicht alles, was anfangs wie eine gute Idee aussah, war am Ende auch eine, doch auch das gehörte dazu.