Gegen 1 Uhr war Skye Zuhause. Die drei Frauen waren noch in einer Karaoke-Bar gelandet und es war vollkommen richtig gewesen mit der U-Bahn zu fahren. Die Logik der U-Bahn in Korea war wirklich witzig. Normalerweise fuhren U-Bahnen am Wochenende länger, als werktags, weil die Leute ja ausgingen und so noch die Möglichkeit hatten auch spät mit der U-Bahn nach Hause zu kommen. In Korea war es anders rum, weil werktags die Leute ja arbeiteten und da lohnte es sich ja, die U-Bahn länger fahren zu lassen. Privates Vergnügen war völlig überbewertet!
Es war auf jeden Fall eine interessante Anschauung.
Auch fiel ihr auf, dass sie die U-Bahn an sich nutzen konnte. Nach Hanam war es doch schwerer mit der U-Bahn und vor allem dort, wo sie wohnte, war die nächste Station zwei Kilometer entfernt. Sicher, es gab Busse, aber es gab ja eben auch Fahrer und Skyes Liebe beschränkte sich auf die U-Bahn und nicht auf das komplette Netz der öffentlichen Verkehrsmittel.
Als sie damals hier studiert hatte und keine Millionen auf dem Konto lagen, um sie für solche Dinge wie Fahrer auszugeben, war sie viel Bus gefahren und bis heute war sie felsenfest davon überzeugt, dass sie 2 Stunden am Tag nur damit beschäftigt war, ihre falschen Busrouten zu korrigieren. Sie verstand das System einfach nicht und hatte es irgendwann aufgegeben. Sie war U-Bahn gefahren und dann wurde gelaufen, fertig. Unfassbar, wie viele Millionen von Leuten jeden Tag Busse nahmen und genau da ankam, wo sie hinwollten! Skye war jedenfalls nicht bustauglich. Aber in ihren Augen machte auch die U-Bahn von New York keinen Sinn. Wahrscheinlich war sie kein Maßstab.
Sie lief zur Fabrik und kam nicht umhin an so vieles zu denken, was hier passiert war. Anfangs, als sie eingebrochen war und der Wachmann sie verhört hatte, wie sie den Pit von EXO eingerichtet hatte, all das Drama mit Siwon … und Jongin. All das schien eine Ewigkeit her gewesen zu sein seitdem sie ausgezogen war und G-Next gegründet hatte, doch die Zeit war wie im Flug vergangen.
Dabei gab es Zeiten, da hatte die Amerikanerin die Fabrik durchaus verflucht. Immer wusste jeder alles und wenn man alleine sein wollte, war es fast unmöglich. Andererseits machte genau das Spaß, dass immer jemand da war. Vielleicht könnte sie in Zukunft einfach pendeln, drei Wochen in Hanam und eine Woche hier – zum Sozialisieren.
Inzwischen wurden die Nächte schon deutlich kühler und Sky zog ihren Cardigan enger um sich. In dem kleinen 7/11 Supermarkt holte sie noch ein paar Knabbersachen und Ramen, Getränke und ein paar Grundlebensmittel. Bisher hatte sie einfach noch keine Zeit oder Lust gehabt den Kühlschrank zu füllen. Das einzige, an das sie gedacht hatte, als sie wieder zurückgezogen war, war Katzenfutter und ein Katzenklo.
Bepackt mit sechs Tüten ging sie nun endlich nach Hause. Was sie wirklich wunderte war, dass sie niemand anrief. Nicht Ji, nicht die Kings, niemand. Wahrscheinlich hatte Mia auf Idolbook gepostet, dass man sie in Ruhe lassen sollte. Irgendwie war es ja nice Mal Zeit zu haben, doch es war auch so freaking ungewohnt!
Die Fabrik war nicht mehr weit weg und sie nahm den Fahrstuhl, einfach weil sie heute schon so viel gelaufen war, dass ihre Füße kurz vor einem Streik standen. Als Skye vor ihrer Wohnungstür stand, war der pinke Briefumschlag, der an der Tür klebte, nicht zu übersehen. Skeptisch stellte sie die Taschen ab und öffnete den Umschlag.
‚Wir erwarten dich in der Bar ohne Namen‘ stand auf dem Zettel. Gut, hatte Skye wirklich geglaubt, dass sie gänzlich ihre Ruhe haben würde? Nicht wirklich. Grinsend steckte sie den Zettel ein.
Doch zuerst die Katzen! Maunzend wurde sie von den dreien begrüßt und sie nahm sich zehn Minuten Zeit, um sie zu begrüßen und etwas zu spielen und natürlich stellte sie ihnen einen kleinen Mitternachtssnack hin, bevor sie hochging, um sich umzuziehen. Wenn schon Party, dann richtig. Sie entschied sich für eine enge Jeans, Overknees, dazu eine lockere Bluse und einen Cardigan. Die Haare wurden noch etwas wild durchgewuschelt und der Lipgloss nachgezogen und dann ging sie los.
Alles war leise, als sie den Keller erreichte, war sie zu spät? Sie wusste ja nicht, wann wer den Zettel an ihre Tür geklebt hatte. Vielleicht waren sie auch in der Spielhölle. Unsicher ging sie zur geschlossenen Tür und erwartete schon fast, dass sie abgeschlossen war – oder all das war eine Falle. In 9 Monaten voller Pranks und Streiche war sie eventuell etwas paranoid geworden. Skye stockte. Wie könnte sie die anderen nun ablenken? Zuerst ging sie wieder weg, ihre Stiefel klackerten über den Boden und als sie um die Ecke gebogen war, zog sie die Schuhe aus und nahm sie in die Hand, nur um dann lautlos zurückzulaufen und sich hinter die Tür zu stellen. Entweder würde sie sich jetzt völlig zum Affen machen oder die anderen würden denken, dass sie weggegangen war, weil sie dachte hier wäre keiner und irgendwann würden sie die Tür öffnen – so war zumindest der Plan.
Ein oder zwei Minuten stand sie so da und wartete.
Die anderen, die in der Bar ohne Namen waren, standen genauso bewegungslos da und horchten in die Nacht. War sie wirklich weggegangen oder bluffte Skye sie?
„Ich glaube, sie ist wirklich weg“, flüsterte Eunhyuk, doch sowohl Heechul, als auch Beakhyun und Chanyeol glaubten dem Frieden jedoch nicht. Die Amerikanerin war nicht mehr so leicht auf’s Korn zu nehmen wie früher.
Es war wie damals, als Mia wirklich gut in Koreanisch wurde und sie alle aufpassen mussten, was sie sagten.
Auf der anderen Seite schlich Skye sich davon. Sie war sich sicher, dass auf jeden Fall jemand in dieser Bar war und sie würde den Spieß nun umdrehen! Doch zu wem sollte sie gehen? EXO oder Super Junior? Schwer, schwer, schwer …
10 Minuten später saßen die anderen noch immer im Dunklen.
„Also das ist ja wirklich blöd gelaufen“, meinte Chen und schaltete das Licht wieder ein, woraufhin alle zusammenzuckten. Er öffnete auch die Tür, um den anderen zu bewiesen, dass Skye wirklich weg war.
Und so löste sich die Truppe auf, enttäuscht, dass ihr Streich nicht wirklich funktioniert hatte. Gemeinsam ginge sie die Treppe hoch, als Baekhyun abrupt stehen blieb und daraufhin Chanyeol in ihn knallte, in Chanyeol knallte Eunhyuk, in Eunhyuk wiederum Sehun.
„Wartet“, meinte Baekhyun, unbeeindruckt von der Massenkarambolage, die er gerade verursacht hatte. „Was, wenn sie jetzt uns auflauert?“
„Jetzt wirst du wirklich paranoid“, kam es genervt von Chanyeol, der weiterging.
„Ich weiß nicht …“, wand Heechul grübelnd ein, „Von wem hat sie alles die Pins?“
Nun drehten sich alle zu Heechul um.
„Von uns allen!“, kam es von Sehun.
„Das ist schon dumm – wieso ändern wir die Pins nicht?“, meckerte Kyuhyun.
„Also, ist mir egal, was ihr macht, aber ich geh schlafen.“ Und damit ging auch Chen an der Truppe vorbei. Die Bands trennten sich und Chanyeol war der erste, der die Tür erreichte. Er gab den Pin ein, drückte die Türklinke runter und schwang die Tür auf und – nichts geschah. Was genau das war, was er seinen Bandkollegen zeigen wollte.
„Seht ihr?“ Mit selbstgefälligem Grinsen drehte er sich um und genau in diesem Moment kam Sky aus dem Schatten schreien auf ihn zugesprungen. Chanyeol erschreckte sich so, dass er rückwärts umfiel und die anderen fingen an zu lachen.
„Ich Schweinebacken! Ihr wolltet mich reinlegen!“, beschwerte sie sich und stützte die geballten Fäuste in die Seite. „Minutenlang habe ich vor der Bar gestanden!“
„Ja und WIR haben 10 Minuten im Dunklen gesessen!“, beschwerte Chanyeol sich zurück.
Es dauerte einen Moment, bis sich alle wieder beruhigt hatten.
„Okay, wollen wir zurück in die Bar?“, schlug Chen vor, doch die Amerikanerin schüttelte den Kopf.
„Nein, SuJu werden gleich hier sein.“
„Was hast du getan?“, kam es von Sehun und Chanyeol gleichzeitig.
„Ich habe ihren Pin geändert. Wirklich, es ist so unverantwortlich den Pin nie zu ändern. Es ist ein Wunder, dass hier noch keine Sasaengs eingestiegen sind … zumindest keine, von denen wir wissen …“
Während sie redete, ging sie rein und machte das Licht an und nun sahen sie auch, dass Skye schon eine Bar aufgebaut hatte, mit Gläsern, Getränken und Eiswürfeln und tatsächlich dauerte es nur zwei Minuten, da stand eine ziemlich genervte Suju-Bande vor der Tür.
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Es war dann doch 4 Uhr, bis sie ins Bett fiel, doch das war nicht schlimm – sie hatte ja nichts vor. Kein Training, keine Termine. Das einzig Blöde war, dass in dem Loft, mit all den riesigen Fenstern, es schwer war Dunkelheit zu schaffen, doch sie hoffte einfach darauf, dass ihr Körper noch daran gewöhnt war. Und, was sie nicht bedachte hatte war, dass Tae so eingestellt war, dass seine Anrufe durchkamen, auch wenn ihr Handy auf Schlaf-Modus war.
Gegen 6 Uhr wachte sie von einem penetranten Vibrieren ihres Handys auf und hatte das Gefühl erst vor drei Minuten eingeschlafen zu sein.
Orientierungslos tastete sie nach ihrem Handy, bis sie es fand.
„Bambi…“, murmelte sie, kaum in der Lage das Telefon zu halten.
„Habe ich dich geweckt?“, fragte er erschrocken.
„You know that concept of the world being a ball and the sun can only be at one place so there are 24 different times all over the globe?“
Ihr koreanischen Sprachprogramm war noch nicht hochgefahren. Er war in Riad, da war es 6 Stunden früher, als bei ihr, also war es bei ihm kurz nach Mitternacht.
„Why aren’t you in bed?! You have a big concert …tonight.“
So langsam wachte ihr Hirn wieder auf.
„Wir … weil … also! Wir sind doch keine kleinen Kinder mehr!“
Zuerst schien er sich rechtfertigen zu wollen, doch dann wechselt er in den Verteidigungsmodus. Es war zu putzig.
Allerdings war die Amerikanerin weit davon entfernt, ansprechbar zu sein und so beschlossen sie später noch mal zu telefonieren. Da Skye jedoch jetzt halb wach war, fütterte sie die Katzen, um danach ihre Ruhe zu haben.
So legte sie sich wieder hin, nachdem zumindest die Katzen gefüttert waren, doch plötzlich hörte ihr Kopf nicht auf zu denken. Es war furchtbar! Wieso war sie denn ausgerechnet jetzt so rastlos? Gut, an für sich verstand sie schon, dass sie so rastlos war, aber musste das denn ausgerechnet jetzt sein? Sonntag würden BTS zurückkommen, vielleicht sollte sie die Zeit nutzen, um wirklich Abstand zu gewinnen. Zwar war sie ausgezogen, aber sie war ja eigentlich immer noch von allen umgeben und es musste eine Entscheidung sein, die sie traf und nicht andere für sie. Vielleicht sollte sie ans Meer. Das Meer half ihr immer beim Denken, auch wenn das Meer und die Strände in Korea nicht mit Fiji zu vergleichen waren, würde es vielleicht helfen ans Meer zu fahren. Alleine. Sie könnte einfach die Küste runterfahren und dort bleiben, wo es ihr gefiel. Es war Oktober, die Badesaison der Koreaner war schon lange vorbei, also hätten die Hotels wohl auch nicht mehr so viel zu tun. Ja, Meer wäre gut, das Meer würde ihr helfen eine Entscheidung zutreffen. Doch zuerst schlafen …
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Es war so eine Idee, die man hatte und dann eigentlich vergaß, doch nicht Skye. Sie wachte gegen 11:30 Uhr auf und war sofort im Road-Trip Modus. Doch zuerst musste sie die Katzen nach Hause bringen, denn die wollte sie nicht zwei Nächte … wobei, Heechul würde sie das tatsächlich zutrauen, dass er sich gut um sie kümmern würde – man wusste eben nur nie, was er ihnen beibringen würde. Am Ende wären sie in der Lage sie im Schlaf zu ersticken. Nein, nein, Zuhause war schon die bessere Alternative.
Sie packte also wieder eine Tasche, viel bräuchte sie ja nicht für zwei Nächte und verstaute die Katzen wieder im Korb.
„I’m really really sorry“, entschuldigte sie sich, weil vor allem Apollon es überhaupt nicht leiden konnte in eine Kiste gesteckt zu werden und anfing zu maunzen. Die ganze Fahrt. Skye unterhielt sich mit ihm, in der Hoffnung, dass ihre Stimme ihn beruhigen würde, doch weit gefehlt.
Völlig entnervt kam sie Zuhause an und hoffte nicht auf die 7Kings zu treffen. Sie war nicht bereit, sie brauchte Zeit. Sie brauchte Meer. Frau Park kam angeeilt, als sie die Tür hörte, auch wenn sie sich inzwischen daran gewöhnt hatte, dass viel zu viele Leute den Code zum Haus hatten.
„Miss Jones, ist alles in Ordnung?“, fragte die Haushälterin besorgt.
„Ja, ja, ich fahre nur für zwei Tage weg und wollte fragen, ob Sie auf die Katzen aufpassen könnten.“
Kaum war sie die Tür drinnen, öffnete sie den Katzenkorb, um endlich Ruhe vor Apollon zu haben und sofort stürmten die Kätzchen raus und verteilten sich.
„Aber natürlich“, meinte Frau Park und nahm Pan auf den Arm. Skye schaute nach Snickers, der sofort in ‚sein‘ Zimmer kam, als er die Tür hörte und dann auf sie zugerannt kam, um ihr Hosenbein hochzulaufen.
„Hey Baby!“
Die Amerikanerin nahm ihn in den Arm und begann ihn zu kraulen, doch Snickers war wach-wach und aufgeregt, also holte Skye etwas zu essen aus der Küche. Eine halbe Stunde blieb sie bei ihm, teilte ihr Essen und spielte etwas mit ihm. Die meisten Spielsachen waren Katzenspielzeug, weil Eichhörnchenspielzeug gab es per se ja nicht. Schweren Herzens trennte sie sich von dem Tierchen und packte noch ein paar Strandsachen zusammen – daran hatte sie bei ihrem temporären Auszug nicht gedacht.
Das Auto war gepackt und Skyes Roadtrip begann. Mokpo schien eine gute Richtung zu sein. Vor der Stadt gab es viele Inseln, die Großteiles durch Brücken miteinander verbunden waren und somit auch mit dem Auto gut zugänglich waren. In dieser Gegend war sie bisher noch nicht wirklich gewesen und es würde sich anbieten. Und wenn sie vorher ein schönes Plätzchen irgendwo finden würde, dann war es so. Zwar gab es auf der Ostseite mehr Strände, als auf der Westseite, doch es war grün und satt und auch dort gab es Strände.
Es dauerte fast eine Stunde, bis sie den Großraum Seoul hinter sich gelassen … wahrscheinlich sogar etwas länger. Bis nach Mokpo waren es offiziell so 4,5-5 Stunden, doch Skye wollte ja etwas von der Landschaft sehen.
Alleine. Bevor sie nach Seoul gekommen war, war sie viel alleine gewesen. Sicher, auf Adavaci lebten Leute, doch das war anders, Friday war ihr Freund und sie hatte ihm viel erzählt. Skye war immer gut darin gewesen mit sich und ihren Gedanken alleine zu sein, doch inzwischen, nach all der Zeit, in der ständig Leute um sie herum waren, war allein-sein wie ein Kleid, dass nicht mehr richtig passte. Doch irgendwie war sie stolz auf die Truppe, denn keiner rief sie an, keiner schrieb, ja noch nicht mal lustige TikToks schickte man ihr. Es war … ungewohnt.
Sie drehte die Musik auf und genoss die Landschaft, die an ihr vorbeizog.
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Einige Stunden später landete sie auf Wonsando. Eine kleine Insel, die mit dem Festland durch eine Brücke verbunden war und ungefähr auf halbem Wege nach Mokpo lag. Die Amerikanerin holte sich etwas zu essen und fuhr dann an den Strand. Fast das ganze Inselchen war von Stränden umgeben und schließlich hatte sie ja ans Meer gewollt. Bewaffnet mit einem Strandtuch richtete sie sich ihr Mittagsdomizil am Strand ein und genoss ihr Essen mit Blick auf’s Meer.
Natürlich ging sie schwimmen. Während für die meisten Koreaner im August die Schwimmsaison endete, hatte Skye kein Problem in das Wasser zu rennen und in ihrem Kopf konnte sie praktisch Baekhyun hören, der sie anmeckerte, dass sie kein Temperaturempfinden hatte.
Nass und mit Salz auf ihren Lippen kuschelte sie sich in ein Handtuch und legte sich hin. Hotel hatte sie keines gebucht, viel lieber wollte sie schauen, wohin der Weg sie letztendlich führte und es war ja nicht so, als würde es in Korea nicht genug Hotels oder im Zweifel Pensionen geben.
Über eine Stunde schlief sie und als sie aufwachte, war sie immer noch alleine. Müde streckte sie sich und zog sich ein Kleid über, packte ihr Zeug zusammen und ging zurück zum Wagen.
„Weiter geht’s“, murmelte sie, doch als sie versuchte den Wagen zu starten, machte dieser Geräusche, die sie zwar nicht einordnen konnte, aber definitiv in die Kategorie ‚nicht gut‘ fielen. Shit.
Sie ging raus und öffnete die Motorhaube, nicht, dass das hilfreich wäre. Skye besaß viele Talente, wirklich, aber bei Autos war sie raus. Wieder versuchte sie den Motor anzulassen, doch nichts geschah. Ein Mädchen kam vorbei und schaute sie an, dann wurden ihre Augen groß und eilig verbeugte sie sich. Die Blondine hingegen war etwas verunsichert.
„Hi“, sagte sie und wusste nicht so genau, ob das Mädchen nur höflich war oder ob sie wusste, wer Skye war.
„Unnie, haben Sie Probleme mit dem Wagen?“
Okay, sie wusste wohl wer sie war, denn ansonsten ging man nicht davon aus, dass ein Ausländer Koreanisch sprach.
„Ja, irgendwie springt er nicht an.“
„Warten Sie, ich hole meinen Papa.“
Und schon war sie weg. Skye lehnte sich an den Wagen und schloss genervt die Augen. So viel zum Thema ‚Roadtrip‘ – aber vielleicht war es ja nur eine Kleinigkeit …
Eine halbe Stunde später hatte Skye einige Informationen gesammelt. Das Mädchen hier Lee Nari, war 14 Jahre alt. Ihr Vater, Lee Chung-Hee, betrieb einen Bauernhof auf der Insel und kannte sich zumindest mit Motoren aus, doch er sagte, der Anlasser sei wohl kaputt. Wie auch immer der jetzt kaputt war. Skye rief währenddessen in ihrem Autohaus in Seoul an. Schließlich war der Wagen erst vor ein paar Monaten bekommen und man versprach ihr einen Reparaturdienst zu schicken, dass würde aber ein paar Stunden dauern.
Nari bestand darauf, Skye mit nach Haus zu nehmen und steckte ihrem Vater, so unauffällig wie möglich, wer Skye denn war. Ihre Mutter war Zuhause und staunte nicht schlecht, als die beiden mit einer Ausländerin im Schlepptau ankamen und natürlich bekam sie sofort etwas zu essen. Der Versuch höflich abzulehnen blieb ungehört, schließlich wusste sie ja, wie die koreanische Gastfreundschaft funktionierte.
„Nari sagt, Sie kommen aus Seoul und haben irgendwie … mit Kpop zu tun?“, erkundiget sich Herr Lee.
„Ehm … ja, irgendwie.“
Ihr Werdegang der letzten 10 Monate zu erklären war schon etwas komplexer, doch es war klar, dass es ihm nicht als Antwort reichte.
„Sie war mit Kai von EXO zusammen und kann so toll singen!“, platze es aus Nari heraus, die dann auf einmal schüchtern wirkte, als bereue sie ihre vorschnellen Worte, doch Syke lächelte nur und nickte.
„Danke“, sagte sie, denn schließlich war das mit dem singen wichtiger, als das mit Jongin.
„Oh, vielleicht können Sie uns später etwas vorsingen“, schlug Frau Lee vor.
„Mamaaaaa.“
„Nein, nein, schon gut“, erwiderte Skye. Es war schon witzig, wenn Leute gut singen konnten, war es normal, dass sie sangen. Wenn sie jetzt Malerin wäre, würde man wohl kaum zu ihr sagen ‚Oh, malen Sie doch mal was‘. Singen war gesellig-er … als malen.
Da ahnte sie noch nicht, wie viel Zeit sie an diesem Plätzchen verbringen würde. 1,5 Stunden später tauchte der Reparaturdienst auf und stand kopfschüttelnd vor dem Motor. Kein gutes Zeichen.
„Das kann ich hier nicht reparieren. Ich muss den Wagen abschleppen. Was ist mit Ihnen? Wollen Sie mit nach Seoul?“
Na war ja ein super Get-Away Plan gewesen, den sie da hatte. Frustriert schnaubte sie. Sie hatte doch nur mal 2 Tage den Kopf freikriegen wollen.
„Skye, Sie können auch bei uns bleiben, oder Papa? Es sind doch nur zwei Nächte.“
Die Sängerin hatte Nari erzählt, dass sie bis Sonntag etwas aus der Stadt raus wollte.
„Es wird sicher zu langweilig für Sie hier sein“, erwiderte Herr Lee.
„Eigentlich…“, begann Skye und drehte sich um. „Habe ich etwas Ruhe gesucht. Würde es Ihnen etwas ausmachen? Ich kann auch gerne helfen.“
Sie wusste, dass sie gar nicht mit Geld ankommen musste. Jeder Koreaner würde das als Beleidigung ansehen. Doch ob sie nun hier war oder 100 Kilometer weiter südlich, war doch letztendlich auch egal.
Und so packten sie ihre sieben Sachen und gingen zurück zu dem Bauernhof. Auch Frau Lee hatte natürlich nichts dagegen, dass Skye bei ihnen blieb und richtete ihr sofort ein Zimmer her. Egal wie sehr sie versuchte zu helfen, Frau Lee scheuchte sie jedes Mal wieder aus dem Zimmer. Sie sei Gast! Skye liebte Korea, gerade wegen solchen Dingen.
„Sie kennen sich mit Hühnern aus?“, fragte Herr Lee unglaubwürdig.
„Ja, ich habe eine Weile auf einer Insel auf Fiji gelebt und wir hatten Hühner, ein paar Kühe und einen Esel. Wir haben Gemüse angebaut, hatten Obstbäume und Palmen.“
„Oh, wirklich?!“
Wahrscheinlich sah am es Skye nicht an, aber ihr hatte die Arbeit dort immer Spaß gemacht und nur weil sie Angestellte hatte, hieß das nicht, dass sie nicht selbst mit angepackt hatte. Sie gesägt und gehämmert, hatte Rohre verlegt und beim Graben geholfen, gestrichen und abgeschliffen. Damals hatte sie das gebraucht, diese körperliche Arbeit, bei der man nachts völlig erschöpft ins Bett fiel und einfach schlief. Zugegeben, sie vermisste es manchmal. Sie bräuchte irgendein Projekt. Platz war genug auf ihrem Grundstück. Vielleicht würde sie ein Baumhaus bauen. Vielleicht nicht ganz alleine, aber so, dass sie wirklich mal wieder etwas machen musste. Die Frage war ja eher nur: Wann?
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Später am Abend ging sie mit Nari und den drei Hunden bei Sonnenuntergang am Strand spazieren.
„Hast du wirklich vor mit G-Dragon ein Label zu eröffnen?“
Jetzt, wo ihre Eltern nicht da war, war sie sehr viel neugieriger.
„Ja, G-Next. Es wird viel Arbeit“, erwiderte sie lachend.
„Aber mit G-Dragon? Das ist SO cool!“
Skye setzte sich auf eine Bank und bedeutete Nari sich neben sie zu setzen.
„Soll ich dir etwas verraten?“ Es war eine Fangfrage, das Mädchen hing ohnehin an ihren Lippen.
„Idols sind wie du und ich. Sie haben Talent ja, aber sie haben manchmal auch ein sehr einsames Leben.“
„Weil sie immer verfolgt werden?“
Skye nickte.
„Ich liebe Korea, doch Korea ist manchmal sehr hart. Idols dürfen sich hier wenig erlauben, es wird ihnen alles übelgenommen. Ein normaler Job endet irgendwann abends, doch Idol ist man rund um die Uhr – vielleicht Zuhause nicht. Sie haben genauso Träume und Ängste und sie verlieben sich und kriegen ihr Herz gebrochen, wie jeder andere auch. Als ich G-Dragon kennengelernt hatte, war er diese … riesige Person. Er hat so viel erreicht, doch dann habe ich ihn kennengelernt und er ist ein viel tollerer Mensch, als das, was ich als Idol gesehen habe.“
Schließlich hatte sie ihn geheiratet, doch das musste Nari nicht wissen.
„Ich habe noch nie ein Idol gesehen – nur im Internet und im Fernsehen“, sagte das junge Mädchen und klang traurig.
„Wenn du nach Seoul irgendwann kommst, dann stelle ich dir welche vor“, versprach sie und hatte damit auf jeden Fall für einen Energiebooster gesorgt.
Später am Abend rief Taehyung an, was etwas tricky war, denn davon sollte nun wirklich keiner wissen. Sie entschuldigte sich kurz und schloss sich im Bad ein.
„Wieso bist du in Wonsando?“, wollte ein sichtlich irritierter Taehyung wissen.
„Wo zum Kuckuck liegt Wonsando?!“, kam es im Hintergrund von Jungkook.
„Ich wollte nur zwei Tage etwas raus und den Kopf frei bekommen. Ich habe zum Mittagessen hier gehalten und dann ist mein Auto verreckt. Eine Familie hat mich aufgenommen und ich bleib jetzt einfach bis Sonntag hier.“
Tae schaute sie völlig verständnislos an.
„Da gibt es nur EIN Restaurant“, grölte Jungkook von hinten.
„Da war ich!“
„Aber es ist alles gut?“, fragte Tae vorsichtig.
„Ja, total. Sie sind super lieb und sie haben eine Tochter, die auf NCT steht.“
Es kostet Skye einiges an Überredungskunst die Lees zum Essen einzuladen, doch nach einer halben Stunde Diskussion stimmten sie zu. Es war das Mindeste, was Skye für ihre Gastfreundschaft tun konnte. Dafür fuhren sie auf’s Festland, was durch eine sechs Kilometer lange Brücke mit der Insel verbunden war. In Daecheon gab es eine Zipline am Strand und Skye versprach Nari, dass am nächsten Tag mit ihr zu machen. Schließlich war sie Tourist!