Bis sie loskamen, war es nach 23 Uhr. Jungkook hatte sich ihnen angeschlossen und Jihoon und Maria kamen auch mit. Noch immer fand Skye dieses Dreiergespann interessant und ja, vielleicht verirrten sich manchmal ihre Gedanken und sie dachte darüber nach, wie es wäre so eine Beziehung mit Taehyung und Jongin zu führen. Sie glaubte nicht, dass es funktionieren würde. Die beiden Kerle würden das nicht hinbekommen, aber etwas sexy war der Gedanke schon. Doch es war klar, dass diese Art Beziehung nichts für die Ewigkeit war. Spätestens wenn Maria Kinder bekommen wollte, wäre das wohl kein geeignetes Familienkonzept. Wie sollte man das den Kindern erklären, dass sie zwei Papas hatten? Aber vielleicht musste auch nicht alles für immer und ewig sein, wenn es sich im Moment gut anfühlte.
Suwon war ein Ort, den Skye nicht auf dem Schirm hatte. Ja, sie wusste, dass es dort eine riesige Palastanlage gab und diesen Heißluftballon, der aber nicht wegflog, sondern festgebunden war, aber dann hörte es auch schon auf. Der Fahrer hielt in einem Industriegebiet an. Die Amerikanerin würde heute nichts mehr in Frage stellen und vertraute darauf, dass Yoongi wusste, was er tat. Jungkooks Gesicht spiegelte Skyes Skepsis wider und brachte sie zum Grinsen.
Yoongi ging voran und führte sie durch ein Tor auf ein Gelände voller Hallen. Sie konnten gedämpfte Musik hören. Es war wohl nicht die Art Club, in der sie eine VIP Lounge hätten, die nicht einsehbar wäre, mit Champagner und lustigen Schirmchen in den Cocktails.
Tatsächlich war es eine richtige Underdog Party in einer verlassenen Halle, aber es waren riesige Lautsprecher aufgestellt worden und es gab zig Scheinwerfer und – zum Glück – auch eine Bar, aus Paletten. Yoongi schien hier einige Leute zu kennen und da er so entspannt war, entspannte sich der Rest auch. Dennoch suchten sie sich eine Ecke mit einem Stehtisch, um nicht ganz so auf dem Präsentierteller zu sein und Skye zog mit Maria los, um Getränke zu holen.
„Ihr zwei seid sehr süß“, meinte Maria grinsend und schaute über ihre Schulter zu Tae.
„Ihr drei seid sehr sexy“, gab Skye zu. Die Koreanerin lachte fröhlich.
„Oh, ich glaube unser Alltag ist wahrscheinlich nicht viel anders, als euer, nur dass ich mit zwei Kerlen darüber diskutieren muss, die Klobrille hochzuklappen.“
Sie lachten beide fröhlich, ja, das waren dann wohl die wahren Probleme eines Throuples.
„Wenn du und Tae … wir kennen einige Leute in der Szene, die Lust auf ein Abenteuer haben. Es muss ja nicht gleich eine Beziehung sein, manchmal kann man ja auch nur Spaß haben …“
Sie konnte fühlen, wie ihre Wangen rot wurden, doch Maria schüttelte grinsend den Kopf.
„Eines Tages werden Beziehungen neu definiert werden. Es geht darum frei zu sein, gemeinsam frei zu sein und auszuleben, was man möchte, ohne sich an irgendwelche Spielregeln von verklemmten Männern im 5. Jahrhundert oder so zu halten.“
Ja, es wuchs eine neue Gesellschaft heran, offener, freiheitssuchend. Vielleicht waren irgendwann Throuples die neuen Couples und niemand würde sich daran stören. Wieso auch? Wieso ließ man Leute nicht lieben, wen sie wollten? Liebe war wundervoll.
Zum ‚Aufwärmen‘ holten sie Absinth und gingen zurück zu den anderen. Ein paar Freunde von Jihoon und Yoongi hatten sich dazugesellt. Sie tranken den Shot und einige schüttelten sich, vorne dran Taehyung.
„Tanz mit mir“, Skye nahm seine Hand und zog ihn etwas von den anderen weg. Es lief ‚Havana‘ von Camila Cabello und sie schmiegte ihren Rücken an ihn. Seine Arme legten sich um sie und er schwang im Einklang mit ihr mit. Sie bräuchten so ausgelassene Abende. Sie sah, wie auch Jungkook mit einer Frau auf der Tanzfläche verschwand. Dem Kerlchen tat etwas Ablenkung auch ganz gut. Er war durch die Trennung bei ihr eingezogen, aber seither hatte sie auch nie mitbekommen, dass er jemand mit nach Hause gebracht hatte. Sie konnte sich vorstellen, dass er in einer Beziehung nicht einfach war, eben weil sie sich sehr ähnlich waren und sie selbst war auch nicht einfach in einer Beziehung. Aber wie hatte Maria gesagt? Manchmal kann man ja auch einfach nur Spaß haben.
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Es war eine ausgelassene, lustige Nacht gewesen. Yoongi hatte ihr jeden vorgestellt, den er kannte und Skye kannte die meisten Namen jetzt schon nicht mehr. Sie hatten getanzt und getrunken und getanzt und getrunken und getanzt. Skye hatte mit Jungkook getanzt, auch wenn die beiden mehr aus Fun tanzten, als dass sie sich sexy aneinanderschmiegten. Sie hatte sogar mit Yoongi getanzt, den sie eigentlich eher für einen Tanzmuffel gehalten hatte. Man zeigte ihr Tänze, zu denen alle tanzten und sie trank mit Leuten auf Bruder- und Schwesternschaft. Es war eine dieser Nächte, die nie zu Ende gehen musste und Skye stellte fest, dass sie in Korea dieses Jahr noch nie wirklich feiern gewesen ist. Außer das eine mal, als sie Mädelsabend gemacht hatten und EXO sich dazu geschlichen hatte. Sie brauchte sowas öfters.
Nun war es 4 Uhr. Das Paar hatte sich einen Moment etwas zurückgezogen. Okay, sie waren über eine Stunde verschwunden gewesen, aber die Party war noch voll im Gange gewesen, als sie zurückkamen. Nur, dass ihre Herde weg war. Tae und Skye teilten sich auf und suchten überall. An der Bar, auf der Tanzfläche, an der anderen Bar, in jeder Ecke der Halle und davor, falls jemand rauchen war. Nichts. Weg, die waren einfach weg.
Sie saßen auf dem Bordstein vor der Halle. Keiner ging an sein Handy, das von Yoongi war sogar aus.
„Wieso werden wir eigentlich immer zurückgelassen?“
Sie erinnerte sich da an so einen See im Wald, wo sie mit Taes Schwester auf die Party gefahren waren.
„Vielleicht weil wir immer verschwinden“, erwiderte er und hatte damit wahrscheinlich recht.
Gerade, als sie ihr Handy aus der Tasche holte, um ein Taxi zu rufen, kamen ein paar Leute aus der Halle.
„Hi Skye! Was sitzt ihr hier so rum? Kommt, wir fahren noch zu Jongho, wir haben noch Platz im Wagen.“
Weder hatten sie eine Ahnung, wer der Kerl war, noch wer Jongho war und es war fragwürdig, ob sie zu irgendwem ins Auto steigen sollten, doch sie standen auf und gingen mit. Das eine Mädel schien nüchtern zu sein und obwohl sie kaum über das Lenkrad schauen konnte, fühlte Skye sich erstmal gut aufgehoben.
Die Fahrt dauerte nicht lange und sie hielten vor einem kleinen Haus an, wo sie ausstiegen. Musik drang aus dem Inneren und als die Tür aufhing, war klar, dass die Party hier weiterging.
Freudig wurden sie begrüßten. Das Paar hielt Ausschau nach Jungkook und Yoongi, aber konnten sie auf den ersten Blick nicht finden. Man drückte ihnen einen Soju in die Hand und stieß mit ihnen an und irgendwie folgten sie dem Flow.
Hier ging es etwas mehr zur Sache. Skye sah viele Leute am Küssen und engumschlungen tanzen, Frauen mit Frauen, Männer mit Frauen und Männer mit Männern. Es war ein privateres Umfeld und alle waren ausgelassen. Und irgendwann fiel es auf, dass man Skye und Taehyung anflirtete. Sie tanzten und Skye merkte, wie jemand sich von hinten an sich schmiegte. Unsicher schaute sie zu Tae auf, doch der war im Flirtmodus und sie schaute nach dem Mann hinter ihr. Er war schon niedlich. Seine Hände legten sich auf ihre Hüfte und zog sie näher an sich heran. Skye wusste nicht, ob sie das wollte, doch ihr Kopf war benebelt von dem Alkohol und gerade, als sie seine Hände etwas in die Schranken weisen wollte, küsste Taehyung sie und rückte näher an sie heran. Hände berührten sie und sie konnte nicht immer sagen, zu wem Die Hand gehörte, doch spätestens als eine Hand ihren Weg unter ihr Minikleid fand, beendete sie den Kuss und hielt die Hand auf. Der Mann hinter ihr beugte sich an ihr vorbei und sagte Taehyung etwas ins Ohr, was sie nicht hören könnte. Tae hielt dabei ihren Blick und grinste, bevor er sich zu ihr beugte.
„Er sagt oben sind noch Schlafzimmer frei.“
In ihrem Kopf drehte sich alles.
„Ich brauche … Luft.“
Sie brach aus der dreier Konstellation aus und stolperte zur Hintertür. Es war arschkalt, aber vielleicht war es das, was sie brauchte. Skye lehnte sich an die Hauswand und holte die E-Shisha aus ihrer Tasche.
Wieder ging die Tür auf und Tae kam ihr nach.
„Hey, alles okay?“
„Ja, ich …“ Sie kam sich so dumm vor. Ihm schien es wohl nichts auszumachen und hatte sie nicht darüber fantasiert? Allerdings war es etwas anderes ein paar schmutzige Gedanken zu haben, als diesen dann in die Tat umzusetzen.
„Du musst nichts machen, was du nicht willst, er dachte nur, dass es dir Spaß machen würde.“
„Und was denkst du? Willst du das machen?“
Er zuckte mit den Schultern.
„Also schlecht aussehen tut er nicht, ich bin dabei, wenn du dabei bist.“
„Hast du Erfahrungen mit Männern? Was, wenn ich dir nicht mehr reiche? Weil, da kann ich nicht mithalten.“
Sie waren beide für dieses Gespräch viel zu betrunken, sie konnte ihre Gedanken nicht richtig in Worte fassen. Er nahm ihr Gesicht in seine Hände und zwang sie ihn anzuschauen.
„Lala, du wirst immer genug sein. Ich liebe dich und ich werde dich heiraten. Ja, ich habe die ein oder andere Erfahrung mit Männern, aber ich sehe die Welt nicht gerne in so belanglosen Dingen wie Geschlechtern. Ich liebe, wen ich liebe und ich liebe dich. Es ist nur so ein ausgelassener Abend und ich dachte, du hättest vielleicht Lust auf ein Abenteuer, auch wenn ich dich wirklich, wirklich ungerne teile.“
Eigentlich war Skye recht freizügig, was ihre Sexualität betraft, doch sie hatte das Gefühl, als könnte sie es nicht verkraften Tae mit einem Mann zu sehen, weil sie dann immer das Gefühl haben würde, ihn nicht vollständig befriedigen zu können.
„Ich will dich auch nicht teilen“, sagte sie bestimmend und wieder grinste er.
„Na dann suchen wir doch mal dieses Schlafzimmer…“
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Skye wachte von dem Vibrieren ihres Handys auf. Ein Blick darauf verriet ihr, dass es 11:18 Uhr war und dass es Jiyong war.
„Hm?“
„Skye?“
„Hm.“
In diesem Moment fiel ihr auf, dass ihre andere Hand mit Handschellen am Bett festgemacht war. Komisch. Doch dann kamen langsam die Erinnerungen wieder.
„Wo bist du?“
„In Suwon.“
„In Suwon?!“
„Ja, wir waren auch so einer Party, aber dann sind wir zu jemand nach Hause und es gab Absinth und Soju und dann haben wir Kookie und Yoongi verloren und ich bin an ein Bett gefesselt.“
„Brauchst du Hilfe?“, fragte er vorsichtig, unschlüssig, ob er besorgt oder amüsiert sein sollte. Skye schaute sich um, aber bei ihr lag tatsächlich nur Taehyung.
„Naw, I’m good. Brauchst du etwas?“
„Ich wollte nur fragen, ob du heute reinkommst, aber ich denke wohl eher nicht.“
„Ich bin Boss, ich muss nicht reinkommen“, sagte sie grinsend. „Ich komme später sicher mal.“
„Alles klar Boss, dann sei ein braves Sub und geh duschen, bevor du herkommst.“
„Ich bin kein Sub-“, doch Ji hatte bereits aufgelegt. Dafür war Taehyung wach und grinste sie an.
„Oh, Sub finde ich gut“, raunte er ihr zu und ehe sie sich beschweren konnte, küsste er sie.
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Es war fast 14 Uhr, als sie wieder in der Fabrik ankamen. Yoongi saß ihm Wohnzimmer und schaute verwundert zu den beiden Zombies.
„Ihr kommt JETZT?! Wo seid ihr gewesen?!“
Sie hatten überall nach den beiden geschaut und waren dann um kurz nach 3 Uhr mit dem Van nach Hause gefahren – außer Jungkook, der kam gegen 7 Uhr. Da waren Skye und Tae noch wach gewesen, soweit sie sich erinnerte.
„Die Party war bei Jongho noch weitergegangen“, erklärte die Amerikanerin, als wüsste sie noch, wer Jongho war. Nun sah Yoongi die Handschellen um Skyes Handgelenk und fing fröhlich an zu lachen.
„Skye! Ich bin entsetzt! Ich dachte du wärst prüde!“
„Hey“, beschwerte sie sich, doch Taehyung umarmte sie von hinten.
„Sie ist prüde, aber das ist okay, ich will sie nicht teilen.“
Das Problem mit den Handschellen war, dass es echte waren und sie hatten keine Ahnung gehabt, wo der Schlüssel war. Die andere Seite hatte jedoch nur an einem Pfosten gehangen. Sie hatten nur zwei Schrauben von dem Himmelbett lösen müssen und konnten Skye dann befreien. Da sie keine Handschelle an sich hängen haben wollte, hatte sie sie einmal durchgedreht, damit sie wieder offen war und hatte sich dann die zweite Hälfte auch ums Handgelenk gemacht. Sie hatte keine Ahnung, wie sie das dem Schlüsseldienst erklären wollte, aber das war ein Problem für einen anderen Tag.
„Bambi, bestellst du Essen? Ich denke es ist legitim, wenn wir das Frühstück überspringen. Ich gehe drüben schnell duschen.“
„Ich muss auch duschen!“
„Du gehst schön alleine duschen, dann bist du auch schneller“, blaffte sie ihn gespielt an. Sie konnte nicht mehr! Ihr tat jetzt schon alles weh, auch wenn es ein süßer Schmerz war. Grinsend schaute er ihr nach, als sie durch den Gang verschwand.
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Gegen 16 Uhr kam sie bei G-Next an. Skye hatte einen Oversize Hoodie angezogen, um die Handschellen zu verstecken. Sie wollte wirklich nicht zu einem Schlüsseldienst gehen. Die Kings waren gerade im Tanztraining und Skye gesellte sich dazu. Essen hatte geholfen. Drei Wochen Schlaf würden wahrscheinlich besser helfen.
Trotz Hangover entging ihr nicht die bedrückte Stimmung – und sie konnte nur ahnen, wie es bei SME wäre. Jungkook hatte vorhin zu ihr gesagt ‚Weißt du, wir können feiern gehen und alles tun, was in unserer Macht steht, um zu vergessen, doch letztendlich ist es nur ein Pflaster auf einer klaffenden Wunde. Jeder von uns weiß, dass wir nur einen Shitstorm von Sullis Schicksal entfernt sind. Wir sind sie und sie war wie wir. Sie verbindet uns alle und deswegen ist es egal, wie nahe wir ihr standen, denn jeder von uns kann nachvollziehen, wie sie sich gefühlt hat und jeder von uns ist betroffen, weil wir zwar alle im gleichen Boot sitzen und es dennoch keiner geschafft hat die Stütze zu sein, die sie gebraucht hätte‘. Sie hasste es, wenn er so altklug war. Und es war traurig. Niemand wusste, wann seine Zeit gekommen war. Sicher gab es wohl irgendwann einen Punkt, an dem man seinen Frieden gefunden hat und in Ruhe sterben konnte, aber von diesem Punkt war die junge Sängerin noch viel zu weit entfernt gewesen.
Skye hatte Essen für die Kings bestellt und als das Tanztraining fertig war, schauten die Mädels überrascht, als ihnen Essen aufgetischt wurde. Sie waren fertig für heute und am liebsten hätte sich die Amerikanerin bei ihnen versteckt, doch sie wusste, dass sie später zu dem Umtrunk erscheinen musste.
Nicht drüber nachdenkend, schob Skye zum Essen die Ärmel ihres Hoodies hoch. London war die erste, die die Handschellen entdeckte.
„Ehm …“ Sie wusste gar nicht, was sie dazu sagen sollte und deutete nur auf ihr Handgelenk, was natürlich nun alle neugierig machte.
„What happens in Suwon, stays in Suwon“, sagte Skye nur.
„Anscheinend nicht alles“, kam es grinsend von Honey.
Sie musste diese Handschellen losbekommen!
Skye hatte noch ein Telefon-Meeting mit Jiyong und den Anwälten, denn es gab rechtlich noch vieles zu regeln und es ging ihnen nicht schnell genug. Sie waren wie diese Autos, die man aufzog und dann rasten sie durch – nur, dass sie niemand losließ. Auch wenn Jiyong aus seinem Vertrag mit YG rausgekommen war, was seine Solo Projekte betraf, gab es noch viel Rechtliches zu klären, mitunter auch seinen Namen. Und die Rechte an den Songs, die unter YG veröffentlicht wurden. Es gab viel für die Anwälte zu tun und den beiden Chefs rauchte der Kopf, als der Call zu Ende war.
„Ich brauche Alkohol“, kam es von Ji und fragend schaute er zu ihr rüber.
„Oh, ich brauche auch Alkohol, aber heute muss ich passen. Die letzte Nacht war zu hart. Ich werde zu alt für sowas!“
Böse Zungen behaupteten, dass sie hart auf die 30 zuging. Sie steckte solche Nächte nicht mehr so weg.
„Na dann viel Spaß heute Abend!“
Shit! Daran hätte sie gestern denken sollen!
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Es war irgendwas gegen 20 Uhr, als Skye wieder in der Fabrik war. Sie sah, dass im Hof schon Feuerschalen und Sitzmöglichkeiten vorbereitet waren, aber noch war niemand da. Vielleicht könnte sie nur eine halbe Stunde Nickerchen machen. Reines Wunschdenken. Sie hatte sich schon fast in Sicherheit gewogen, als ihr niemand begegnete, bis sie in ihrer Wohnung war, doch keine zwei Minuten später klopfte es an ihrer Tür. Skye hielt die Luft an. Taehyung war noch unterwegs, wer auch immer vor der Tür stand, war nicht wichtig.
„Skye, ich weiß, dass du da bist“, hörte sie Jongin sagen und rollte mit den Augen. Noch einmal tief einatmen, ausatmen, dann öffnete sie die Tür. Er stand vor ihr mit einem Pizzakarton – es war ein Friedensangebot.
„Ich wollte mich bei dir entschuldigen.“
„Okay“, sagte sie und nahm ihm den Karton ab, bevor sie die Tür wieder schloss. Sie hatte nicht wirklich Hunger, aber sie würde keine Friedenspizza ablehnen. Hunger war wie Staub – irgendwann kam er wieder. Doch er stoppte sie, indem er die Tür festhielt. Skye hatte nicht wirklich geglaubt, dass es so einfach wäre, aber auch hier war es wohl Wunschdenken gewesen.
Also ließ sie ihn rein und sie setzten sich an den Esstisch. Sie nahm sich doch ein Stück – half ja alles nichts.
„Ich wollte mich entschuldigen. Du hattest recht, es war respektlos Taehyung gegenüber.“
„Ja, war es“, bestätigte sie ihm. War ja schön, dass er es einsah, dass hieß aber nicht, dass sie es ihm einfach machen würde. Er ließ sich nicht beirren.
„Ich habe mich auch bei Taehyung entschuldigt.“
„Ach, eigentlich mag er es, wenn ich auf dich sauer bin.“
„Ich weiß, dass es nicht fair ist, dich in diesen Konflikt mit reinzuziehen, aber ich habe im Moment keine Nerven mich mit Krystal auseinanderzusetzen. Nur noch heute, bitte.“
Jongin versuchte ihre blöden Kommentare bestmöglich zu ignorieren. Skye zog innerlich den Hut vor ihm.
„Können wir das heute Abend noch durchziehen? Ich brauche dich Skye. Selbst wenn du sauer auf mich bist, weiß ich, dass ich dir vertrauen kann. Ich habe dir immer vertraut.“
„Außer, wenn du mir nicht vertraut hast“, wand sie ein, denn Vertrauen war ein großes Problem zwischen ihnen gewesen, auch wenn die Amerikanerin wusste, dass sie nicht einfach war. Er hatte es nicht einfach gehabt. Taehyung allerdings auch nicht, doch er zeigte ihr immer wieder, dass er da war, egal wie kompliziert Skye manchmal war.
„Es tut mir leid Skye. Ich wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen. Glaube mir, wenn ich dir sage, dass ich vieles ändern würde, wenn ich könnte. Aber was passiert ist, ist passiert. Wenn ich dich mit Tae sehe, dann sehe ich, was ich verloren habe.“
Sie könnte ihm so einige Sachen an den Kopf werfen, aber Skye wollte ihn nicht verletzen, nicht wirklich zumindest. Vielleicht, wenn sie sich ein paar Jahre später kennengelernt hätten, wäre alles anders gelaufen. Vielleicht wären sie reifer gewesen, vielleicht wären sie mit der ein oder anderen Situation anders umgegangen, vielleicht hätten sie besser sein können. Sie mochte ihn. Sie wusste, wie angenehm seine Gesellschaft sein konnte, wie wohl sie sich bei ihm gefühlt hatte. Er war es gewesen, der sie ermutigt hatte wieder zu singen. Er hatte ihr das Selbstbewusstsein dafür wieder gegeben. Und es waren so bedeutungslose Streitereien gewesen, die dazu geführt hatten, dass sie sich getrennt hatten. Doch Jongin hatte recht, was geschehen war, war geschehen und wie sollte das überhaupt funktionieren? Wie sollten sie reparieren, was kaputt war? Dass, was sie mit Taehyung hatte, war grundlegend anders. Und ja, es machte ihr manchmal Angst, weil er so an ihre Beziehung glaubte, mehr, als sie selbst an sich als Paar glaubte.
Seufzend schaute sie zu ihm.
„Wann geht das heute los?“
„Jetzt.“
Skye nahm sich noch ein Stück Pizza.