Es war ein fröhliches Zusammenkommen gewesen. In Seoul wäre es vorbei mit diesem entspannten Zustand und sie wusste, sie würde es vermissen. Um kurz vor 23 Uhr hatte sich die Party aufgelöst, allein schon weil es Zeit war für Trinity ins Bett zu kommen. Mia blieb noch eine Weile wach und saß draußen mit ihrem Laptop. Sie hatte keine Mails gecheckt, hatte sich nicht in Twitter eingeloggt und ging nicht auf koreanische Seiten – sie war komplett abgeschieden.
Es war ein komisches Gefühl, doch das Bedürfnis nachzuschauen, was alles passiert war, hielt sich in Grenzen. Nein, sie würde weiterhin einen Bogen um das koreanische Internet machen.
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Mia wachte gegen 9 Uhr auf.
„Der letzte Tag …“, murmelte sie und freute sich alles andere auf die 14 Stunden Flug die ihr heute Nacht bevor standen. Wann erfand man endlich das Beamen? Mia ging zuerst unter die Duschen und fand dann Jessi und Trinity auch schon wach auf der Couch.
„Na du. Es ist dein letzter Tag, was willst du machen?“, fragte Jessi ihre Freundin und lächelte.
„Ich dachte wir fahren vielleicht noch mal in die Stadt, gehen etwas shoppen.“
„Oh ja! Mama, fahren wir dann auch zu dem einen Laden mit den tollen Klamotten?“, fragte Trinity begeistert und so war es beschlossen.
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Auf der anderen Seite der Welt war es bereits Sonntagabend. Donghae saß noch im Tonstudio und experimentierte etwas herum. Er musste sich ablenken und Musik half da am besten. In den letzten Jahren hatte er viel dazu gelernt, Songs zu schreiben und aufzunehmen lenkte ihn ab. Es war eine völlig andere Welt.
„Irgendwie habe ich gewusst, dass ich dich hier finden würde.“
Eunhyuk schloss die Tür hinter sich.
„Alles okay?“
„Klar, alles super.“
Donghae lächelte wie eh und je und jeden anderen hätte er damit auch flachsen können, nur Eunhyuk nicht. Dazu kannte er seinen besten Freund doch zu gut.
„Hast du den Twitter-Aufruf gesehen?“
„Jup.“
„Aber du unterstützt es nicht. Sag schon, was ist los? Schütte mir dein Herz aus, dass hast du in letzter Zeit viel zu wenig…“
Jahrelang hatte Eunhyuk sich Donghaes Herzschmerz angehört, dass er fast das Gefühl hatte, es wäre sein eigener. Donghae hatte wenige lockere Beziehungen gehabt, Beziehungen bei denen man einfach mal schaute was sich ergab oder Beziehungen von denen man wusste, dass sie nicht für die Ewigkeit waren, sich aber im Moment gut anfühlten. Solche Beziehungen hatte Leeteuk oft. Aber nicht Donghae. Er wollte die Eine. Deswegen endeten viele seiner Beziehungen in einem Drama. Seit er mit Mia zusammen war, hatte er sich kaum beklagt.
„Entschuldige, dass es mir GUT ging“, erwiderte Donghae, leicht vorwurfsvoll.
„Ich stehe unter Schock.“
„Unter Schock?“, fragte Eunhyuk und Donghae nickte.
„Hat das ein Arzt diagnostiziert?“
„Nein, Jiyong.“
Jetzt hatte er Eunhyuk komplett verloren.
„Jiyong?“
„Ja, mit dem habe ich gestern Abend lange telefoniert.“
„Ach, IHM schüttest du dein Herz aus!“
„Fang nicht schon wieder an!“, motzte ihn Donghae zurück.
„Jedenfalls … ich weiß nicht … nach all dem was Mia und ich zusammen durch gemacht haben – und das war einiges. Wir hatten das Kyuhyun-Drama, das Jihoon-Drama, das ‚wir verwetten Mia‘-Drama…“
„Ihr seid in Kuala Lumpur verloren gegangen, Kim hat dich ständig bei ihr im Hotelzimmer erwischt, manchmal auch mit Leeteuk zusammen, sie hätte Jihoon fast geheiratet, du dachtest sie sei schwanger, dann das Erbeben in Japan, wo du dich in CHINA auf den Weg machen wolltest um sie zu retten, die Jaejoong-Affäre für die Öffentlichkeit nicht zu vergessen …“
Völlig fassungslos schaute Donghae Eunhyuk an.
„Ist jetzt gut?! Willst du jetzt dass ich dir mein Herz ausschütte oder nicht?!“
„Schon gut, fahre fort“, meinte Eunhyuk und machte eine ausufernde Handbewegung. Donghae schaute ihn noch ein paar Sekunden mürrisch an.
„Jedenfalls, ich dachte, dass nach all dem, es nichts mehr gibt, dass ihr so Angst macht, dass sie denkt, sie kann damit nicht zu mir kommen. Sie hat mich verlassen – ich weiß dass sie es getan hat um mich zu beschützen und dennoch komme ich mir verlassen vor.“
„Aber du bist davon überzeugt, dass sie zurück kommt“, bemerkte Eunhyuk.
„Ja, weil es nicht ihre Art ist Probleme ungeklärt zu lassen. Früher oder später wird es sie so irre machen, dass sie zurück kommt, um es zu klären. Sie wird keinen Frieden finden.“
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„Ich bin gerade so was von zufrieden!“
Mia biss in ihren Lieblingsburger von Burger King. Ungesund hin oder her, dieser Burger war göttlich! Sie hatten alle Einkäufe erledigt, waren im Supermarkt gewesen, wo Mia sich mit den wichtigen Dingen des Lebens eindeckte: Bleichmittel für die Zähne, Reeses, kleine Minihaargummis für Braids und kleine Zöpfe und Vanilla Cream Soda.
„Wie viel Kilo hast du frei?“, fragte Jessi skeptisch und dachte an die ganzen Tüten im Auto.
„30 oder so.“
Oder so war gut, doch selbst wenn sie einen Koffer zusätzlich anmelden müsste, würde dass nicht all zu sehr ins Geld fallen – war ja nicht so, als wäre sie arm.
„Mommy, can we go visit Mia in Seoul?“, fragte Trinity mit großen Augen.
„Sure you can! I have a huge apartment and a guestroom and I will show you all the good shoppingplaces!“, erwiderte Mia.
„Setz dem Kind nicht solche Flausen in den Kopf! Die hat erst wieder nächstes Jahr im Sommer richtige Ferien.“
Und schon ließ Trinity enttäuscht die Arme hängen.
„Und da willst du doch nach Deutschland zur Oma, oder?“
„Ja, aber Mia will ich auch besuchen gehen.“
„Ich glaub Mommy fliegt da alleine hin, damit sie mit Mia feiern gehen kann.“
„Meine Tür steht jederzeit offen – der Code ist 9923.“
„Aha … okay.“
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Sie fuhren nach Hause und Mia packte ihre Sachen – und den neuen Koffer den sich zwangskaufen musste. Ein letztes Mal setzten sich die beiden Freundinnen auf die Veranda.
„Danke dass du mich aufgenommen hast.“
„Hey, ich weiß ich wohne nicht mehr um die Ecke, aber du kannst hier immer her kommen, wenn was ist.“
„Danke …“
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Es wäre so einfach gewesen hier zu bleiben. Sie hätte irgendjemanden geheiratet – Mia war der ‚Amerikanische Typ‘, Amis fanden sie super, irgendein Opfer hätte sie schon gefunden – und dann wäre sie hier geblieben. Ohne große, tiefgründige Gefühle. Oberflächliche Beziehung waren einfacher zu handhaben. Ein schönes Häuschen, BBQ bei den Nachbarn, vielleicht etwas ehrenamtliche Arbeit … sie hätte sich einen Soldaten gesucht, die verdienen gut, die Army zahlte Wohngeld und man bekam überall Ermäßigungen. Super, da hätte sie auch gleich bei Dennis bleiben können und hätte sich den Ausflug nach Seoul gespart.
Natürlich wusste sie, dass es keine Ideallösung war und sie wollte auch nicht herausfinden, zu was ihr Gewissen noch alles im Stande war – immerhin hatte es ihr schon Sungmin auf den Hals gehetzt.
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Gegen 19 Uhr fuhren sie los in Richtung Atlanta. Am Flughafen verabschiedeten sie sich. Mia drückte Jessi feste an sich. Sie vermisste ihre Freundin. Früher war alles so einfach gewesen. Sie haben sich immer gesehen, haben alles zusammen gemacht und meistens nur rumgepennert. Bei Jessi zu Hause, on post, haben Musik gehört, Pizza bestellt und sich gegenseitig die Haare gemacht, bevor sie abends um sie Häuser gezogen sind. Es war eine einfache, aber tiefe Freundschaft. ‚Was machst du?‘, ‚Nix, du?‘, ‚Auch nix.‘, ‚Wollen wir zusammen nix machen?‘, ‚Klar!‘.
So eine Freundschaft hatte sie auch mit Nadja gehabt, doch die wohnte noch in Erlensee und Frankfurt war auch nicht um die Ecke.
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Mia checkte ein und holte sich dann etwas zu trinken um draußen vor der Tür vorzurauchen.
Was mache ich, wenn ich wieder in Korea bin? Ich kann doch nicht einfach ins Dorm laufen und sagen ‚Hi, hier bin ich wieder‘. Nein, das geht nicht. Ich muss erst einmal heraus finden wie die Lage ist … und ich glaube ich kann Donghae nicht unter die Augen treten … oh, das Oberteil ist süß … also, die ersten Tage muss ich mich etwas bedeckt halten … ich muss ein Ninja sein. Ein Ninja mit Reeses … zum Glück sind die schon eingecheckt … nicht das die noch wegschmelzen … so ein Dreckszeug, da sind sicher Drogen drin … aber ich kann Muffins backen, toll, und hab niemanden der sie essen kann, weil ich ja ein Ninja sein muss. Na ja. Esse ich sie alleine. Also … Ninja. Ich habe andere Haare. Das hilft. Ob das sehr hilft? Hmm … vielleicht Vollverschleierung? Ob die ganzen Frauen mit Verschleierung nur Mitglieder eines Zeugenschutzprogramms sind? Irgendwie bekommt der Islam gerade ein völlig neues Bild … Nein, Verschleiern ist nicht die Lösung, damit falle ich nur auf – also noch mehr als mit meinem westlichen Aussehen und den blonden Haaren. Was Donghae wohl zu den Haaren sagen wird? Jaejoong wird es hassen, aber darauf bin ich vorbereitet …
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Ihre Finger fuhren durch die neuen, kurzen Haare. Im Winter würde es kalt werden … aber wahrscheinlich würde Kim Cinna ohnehin zwingen ihr Extentions reinzuhauen, sobald die Haare lang genug dafür waren. Mia seufzte jetzt schon. Aber egal, sie war spontan gewesen! Sie hatte sich mal ganz spontan die Haare schneiden lassen, ohne Rücksprache mit ihrem Stylisten zu halten.
Sie setzte sich die Kopfhörer auf und stellte auf ‚Shuffle‘. Welches Lied kam als erstes? 2PM – I’ll be back. Mia zog die Augenbrauen zusammen. Karma war eine böse Geschichte …Welches Lied kam danach? Juli – Tränenschwer. ‚Du hattest dir geschwor’n dass wir uns nie mehr wieder sehen, du dachtest 1.000 Jahre würden nicht so schnell zu Ende geh’n … und tränenschwer stehst du jetzt hier vor mir, ich hab doch gewusst dass wir uns, dass wir uns irgendwann wiederseh’n … und tränenschwer stehst du in meiner Tür, ich hab doch gewusst dass du kommst … und du nicht ohne mich leben kannst […]‘.
Vor Mias innerem Auge sah sie Donghae das Lied singen und ihre Augenbrauen zogen sich noch weiter nach unten. Als dann auch noch ‚Thinking of you‘ von Katy Perry kam, machte Mia motzig das den Player aus und packte die Kopfhörer wieder ein. Ihr Gewissen mochte sie vielleicht im Schlaf heim suchen und sie konnte nichts dagegen tun, aber im wachen Zustand würde sie sich so nicht behandeln lassen.
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Ninja … dachte sie und machte sich auf dem Weg zum Gate.